Winterkampf, Verhalten, Regelungen, Taktik im Winterkampf |
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Winterkampf, Verhalten, Regelungen, Taktik im Winterkampf |
7. Oct 2022, 00:30 | Beitrag
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Fähnrich Beiträge: 232 Gruppe: Members Mitglied seit: 08.04.2022 |
Hallo!
Da es in der Ukraine möglicherweise zu Kampfhandlungen bzw. Stellungskrieg unter ggf. harten Winterbedingungen kommen wird, würde ich gerne etwas Know-how sammeln, was das im Einzelnen bedeuten könnte. Zwar sind diverse anekdotische Geschichten von der Ostfront im 2. WK bekannt und ich selber habe (vor 25 Jahren) für ein 4 Wöchiges AMF-Manöver in Nordnorwegen eine entsprechende Einweisung und Ausrüstung erhalten, aber ich bin mir sicher, dass da noch mehr Wissen existiert. Themenvorschläge meinerseits wären: - Verhalten des einzelnen Soldaten - Verantwortung bzw. Maßnahmen der Unterführer - nötige Ausrüstung - Auswirkung auf die Logistik (vom Mehr an Kalorien, Heißgetränke, Spezialschmiermittel bis Feldöfen) - Behelfsmaßnahmen wenn es mit der Logistik nicht klappt - Auswirkungen auf Taktik, Kampfkraft, Bewegungsgeschwindigkeit, Personalrotation auf Posten und Stellungen usw. - Auswirkungen auf Waffensysteme (Waffen ungeölt halten, nicht in die Wärme bringen, Kaltstart von Motoren etc.) - Ausfälle von Material aufgrund Winterbedingungen Was mich besonders interessiert: harte Zahlenwerte aus der Logistik oder Taktiklehrgängen z.B. der Bw, mit was da so gerechnet wird. Hier schonmal zur Einstimmung ein paar Videolinks: WW2 US Lehrfilm Survival in cold weather 1950 US Combat in deep snow and extreme cold Mir geht es allerdings nicht um die Extremlagen in der Arktis, sondern um einen normalen (russisch/ukrainischen) Durchschnittswinter. Taktisch interessant fand ich im letzten Video z.B. die Informationen, dass zunächst Pfade und Scheinpfade (für Raids) angelegt werden und diese dann auf dem Rückweg vermint werden um Verfolger abzuhalten. Ich fang mal mit einem persönlichen Erfahrungsbericht an, was wir als RakArtBat (LARS Raketenwerfer) so als zusätzliche persönliche und technische Winterausrüstung für Norwegen bekommen haben. Da ich beim VU tätig war, ging so ziemlich alles mal durch meine Hände. - Daunenschlafsack - Luftmatratze - Gesichtsmaske aus Leder mit Filzfütterung - Merino-Unterwäsche - Schneebrille - speziell gefütterte Winterstiefel - Kälteunterzeug für Panzerkombi + Panzerkombi (wir hatten normalerweise nur Feldanzug/Parka) - Taschenwärmer (2 Stk pro Soldat) - Fettstifte und Gesichtscreme - Winterfäustlinge (noch dicker als die Standardausführung) - ne Menge Feldöfen mit Möglichkeit zur Öl und Holzbefeuerung - Spezialfett und Öl mit erhöhter Viskosität bei extremen Frostlagen - Mannschaftszelt doppelwandig mit Heizmöglichkeit und Kälteschläuse (Vorzelt) - Feldbetten - Enteiserflüssigkeit für Fz, Frostschutzmittel etc. Ebenfalls weiß ich, dass mit ungefähr doppelten Spritverbrauch für alle Fz gerechnet wurde, da man davon ausging dass alle Motren 4 Wochen durchlaufen. In der Realität waren es dann ungefähr 40% mehr Verbrauch als sonst im Manöver. Was mir noch gut in Erinnerung war, dass es zeitweise unter -35° war und unsere Werfer aufgrund von Sicherheitsbestimmungen nicht feuern durften, dass wir jede Menge verunfallte LKW hatten (die Inst hat gerödelt bis zum Umfallen) und das die Kälte bei gleichzeitiger Trockenheit garnicht so wild war. In der letzten Woche gab es unerwartet Tauwetter, da wurde es wirklich eklig und wir haben gefroren wie die Schneider. Ebenfalls hat der gute Spieß darauf geeachtet, dass IMMER an jeder Ecke Tee und Kaffee in rauhen Menge vorhanden war. Man hatte zwar Lust darauf, aber was rein geht muss auch raus und bei -35 einmal aus dem Panzerkombi schälen ist auch nicht so doll... Ebenfalls hat uns die Feldküche so mit Mampf zugebombt, das wir alle ordentlich zugelegt haben. On Top gab es für jeden noch ein EPA pro Tag, sodass die Versorgung bei gefühlt 15.000 Kalorien pro Tag lag. Ein Luxus, den es es so in der Ukraine vsl. nicht geben wird. Aber das sind jetzt Erfahrungen zu Extremlagen, die als Einstieg dienen sollen. Mir gehts mehr um das Thema, wenn eine ganze Armee über 2-4 Monate in einem mittleren bis harten Winter funktionieren soll. Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 7. Oct 2022, 00:32 |
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6. Nov 2022, 14:11 | Beitrag
#2
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Feldwebel Beiträge: 455 Gruppe: Members Mitglied seit: 04.01.2008 |
Grundsätzlich sind alles Sachen (abgesehen vom Chest-Rig und Muff) die man auch so oder in ähnlicher Form dienstlich geliefert bekommt. Statt Poncho oder Tarp, kann man zum Beispiel die Zeltbahn benutzen. Statt dem Schlauchschal, nimmt man den grauen Wollschal. Statt der Carinthia-Jacke, kann man sich auch die dienstlich gelieferte Unterzieh-Kälteschutzjacke ein oder zwei Nummern größer tauschen und dann über die Schutzweste ziehen.
Die Luftmatratze mit der eingebauten Luftpumpe habe ich sogar dienstlich geliefert. Aber nur, weil unsere Kleiderkammer mir keine neue Isomatte geben konnte (die, dich ins Rückenfach des Kampfrucksacks kommt). Meine Wollunterwäsche habe ich noch vom Einsatz. Ich würde aber auf jeden Fall davon abraten, das dienstlich gelieferte Unterhemd und den Troyer (olivgründ oder sandbraun) im Winter anzuziehen. Die Baumwolle, die darin verarbeitet wurde, wird nie wieder richtig trocken und macht einem nur das Leben schwer. Baumwolle hält kein bisschen warm, wenn sie nass ist. Vor vielen Jahren, als ich noch ein kleiner Feldwebelanwärter, war ich im tiefsten Winter auf meinem Feldwebelanwärter-Lehrgang. Thema war unter anderem "Die Stellung und ich". Mein Kamerad und ich lagen mit der dienstlich gelieferten Ausrüstung (Kälteschutzjacke, Unterhemd und Troyer aus 100-Prozent-Baumwolle) auf dem hartgefrorenem Boden. Langsam schmolz der Schnee und das Eis unter uns und die Kleidung sogen sich von den Handgelenken her mit Wasser voll (die Handschuhe natürlich auch). Wir liefen den Rest des Tages mit eiskalter, nasser Kleidung herum, kamen aus dem Zittern kaum heraus und waren froh, als wir abends unter die Dusche konnten. Und jetzt stellt euch vor, dass das nicht nur ein paar Stunden gewesen wären, sondern Tage und Wochen. Die Kampfkraft deiner Gruppe ist dann sehr schnell überschaubar. Und ab diesem Tag, habe ich angefangen private Ausrüstung zu kaufen. Du hilfst dir nicht und auch nicht deinen Kameraden, wenn du bereits nach ein paar Stunden krank wirst und nicht mehr kämpfen kannst. Und danken wird es dir sowieso keiner, wenn du dir mit den dienstlich gelieferten Klamotten die Gesundheit ruinierst. |
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