Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg - eine Zusammenstellung, eigentlich wussten wir es doch schon immer |
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Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg - eine Zusammenstellung, eigentlich wussten wir es doch schon immer |
10. Nov 2022, 18:43 | Beitrag
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Divisionär Beiträge: 10.263 Gruppe: Moderator Mitglied seit: 10.09.2003 |
Ich möchte hier gemeinsam militärische Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg zusammentragen (für die politischen Erkenntnisse bräuchte es wohl einen eigenen Thread). Viele dieser Dinge sind eigentlich altbekannt, die westeuropäischen Streitkräfte wollte es einfach nicht wissen. Ich versuche einmal brainstormmässig ein paar Dinge zusammen zu tragen, die mir aufgefallen sind. Ihr könnte dabei sicher auch helfen.
Edit: die späteren Hinzufügungen werde ich werde ich kennzeichnen bzw. Verlinken. Führung - die russischen Fehlleistungen haben einen plastisch vor Augen geführt, 1. Weshalb eine zentrale Führung wichtig ist, 2. Das richtig ausgeführt, die Auftragstaktik der Befehlstaktik überlegen ist. Das bedingt aber mitdenkenden Soldaten. 3. Das der menschliche Faktor immens wichtig ist. - Nur eine einheitliche Führung (inkl. der Einbindung aller paramilitärischen Kräfte) garantiert einheitliches, und damit effizientes, Handeln - Drahtleitungen haben nach wie vor eine Bedeutung für die Führung, da sie weniger Störungsanfällig sind als Funk. - Künstliche Intelligenz gewinnt an Bedeutung. - Wichtigkeit des beschleunigter Informationsfluss/elektronisches Truppenführungs- und Informationssystem Cyberwarfare - Cyber findet statt, die Entscheidung wird schlussendliche jedoch von Kampftruppen am Boden erzwungen. Elektronische Kriegsführung - Angesichts der Omnipräsenz von Drohnen und dem Einsatz von satellitengelenkter Munition erhält die elektronische Kriegführung höhere Bedeutung denn je. Infanterie - eine solide Infanterieausbildung ist das A und O jeder Armee - Territorialverteidigungskräfte haben einen grossen Wert, wenn sie richtig eingesetzt werden. - Westliche Panzerabwehrwaffen sind in der Lage jeden russischen Kampfpanzer zu vernichten. Ich denke hier u.a. an MBT NLAW und Javelin. Man ist da auf dem richtigen Weg. Es braucht aber eine geeigneten Mix an Panzerabwehrwaffen verschiedener Reichweiten. Ein Fokus sollte hier auch noch die Entwicklung von NLOS-Panzerabwehrwaffen grösserer Reichweite gelegt werden. Panzer - Der Kampfpanzer ist nach wie vor aus dem modernen Gefecht nicht wegzudenken. Wenn er aber nicht richtig geschützt wird, ist er sehr verwundbar. Panzer alleine sind extrem verletzlich, das A und O ist das Einbinden in eine koordiniert agierende Truppe, dann aber sind sie sehr effektiv[/url]. - Das Fehlen von modernen Kampfschützenpanzer ist einer der grossen Nachteile der Ukraine Artillerie - Artillerie ist immer noch "der Gott des Krieges", verursacht immer noch die meisten Verluste und ist unabdingbar im erfolgreichen Kampf der verbundenen Waffen - "operatives Feuer", auf Seiten der Ukraine v.a, HIMARS und SS-21 ist von grosser Wichtigkeit um Ziele, u.a. logistische Basen, ausserhalb des eigentlichen Kampfraumes bekämpfen zu können. Dies insbesondere dann, wenn die Luftwaffe dies nicht erledigen kann. - Präzisionsgeschosse sind teuer, aber herkömmlichen massiv überlegen (gilt natürlich auch für luftgestützte Waffen) - es braucht nebst Präzisionsgeschossen auch normale Stahlgranaten und zwar in grosser Menge - Bedeutung von Cruise Missiles über eine Reichweite von 500km um operative oder gar strategische Ziele bekämpfen zu können. Flugabwehr - MANPADS verursachen immer noch die meisten Abschüsse. Ein dichtes Netz von MANPADS führt zu hohen Verlusten an Kampfhelikoptern und Erdkampfflugzeugen. - Die Zeit der bemannten Kampfhelikoptern neigt sich vermutlich dem Ende zu. - Flugabwehr ist nicht zu vernachlässigen und es braucht alle Stufen, d.h. MANPADS, Flugabwehrkanonen, Flugabwehr mittlerer Reichweite und Flugabwehr grosser Reichweite. Effektive Flugabwehr ist in der Lage den Handlungsspielraum der gegnerischen Luftwaffe stark einzuschränken. - Flugabwehrkanonen haben nach wie vor ihre Berechtigung und zwar auch solche mit kleinerem Kaliber - Selbst eine Infanterie-Kompanie braucht, wenn sie keine eigenen Drohnen-CM hat, gar nicht erst die Kaserne verlassen. Drohnen - Drohnen sind nicht mehr wegzudenken und zwar auf keiner Stufe mehr. - Drohnen werden bewaffnet und zwar Drohnen jeglicher Grösse. Dies bedingt z.T. aber die Entwicklung entsprechender Munition, wenn man nicht improvisieren will. - Drohnenabwehr ist nicht zu vernachlässigen und zwar auch auf verschiedenen Stufen (inkl. Antdrohnen-Gewehre (Jammer)) - Drohnen sind in der Lage in einzelnen Bereichen andere Mittel zu verdrängen (u.a. z.T. bemannte Aufklärungsfahrzeuge, Kampfhelikopter usw.) - Kommerzielle Billigdrohnen haben sich als besser erwiesen als ein Teil der teureren Loitering Munitions. Pioniere: - Minenkampf - Panzerabwehrminen sind essentiell für jede Verteidigung - Minenräumfähigkeiten sind wichtig für jede Armee im Angriff bzw. Gegenangriff - Schanzen rettet Leben Logistik - in einem full-scake-war gilt: egal mit wie viel Munitionsverbrauch du planst - du brauchst mehr; egal wieviele Panzer Du hast, Du brauchst mehr - geschützte und geländegängige Fahrzeuge sind von grosser Bedeutung für die unmittelbare Versorgung der Truppen an der Front. - die schiere Masse zählt oft. Die modernsten Waffensysteme scheitern, wenn ihnen nach wenigen Wochen die Munition ausgeht oder deren Produktion unverhältnismässig teuer ist. Die Armeen müssen wegkommen von perfekt entwickelten, aber leicht zerstörbaren Waffen, wenn es günstigere Alternativen gibt, dessen Überlegenheit in seiner Menge besteht. Ausbildung - die Ausbildung der Truppen und der militärischer Führer ist von zentraler Bedeutung und steht auf einer Stufe wie die Operationen. Es braucht deshalb entsprechende Konzepte, was sollen die Soldaten/Chefs können und wie bringt man es diesen möglichst effizient und schnell bei. - Stäbe bzw. Stabsmitarbeiter können nicht so einfach ausgebildet werden wie Soldaten oder Unteroffiziere, sie sind aber von eminenter Bedeutung. Es braucht deshalb entsprechende Institutionen und Prozesse, um genügend und fähige Stäbe/Stabsmitarbeiter zu erhalten. Taktik - Sperren sind elementar, aber nicht beaufsichtigte Sperren sind wertlos - Verkehrsachsen bleiben zentral, in der Offensive wie Defensive. Operationen - Luftlandungen (und amphibische Landungen) sind Hochrisikooperationen mit potenziell strategischen Auswirkungen umd müssen durch alle verfügbaren Kräfte sofort zerschlagen werden. Strategisch - Wer willens und in der Lage ist, selbst zu kämpfen, dem wird auch geholfen. Wer nicht kämpft, kann nicht auf Hilfe hoffen. - Staaten benötigen eine sicherheitspolitische Strategie und Stellen, welche sich mit dieser befassen. - Staaten benötigen Stellen, welche sich mit sicherheitspolitischen Herausforderungen beschäftigen und die Politik aktiv warnen, wenn Gefahren am Horizont auftauchen. - die Kriegsvorräte müssen sich an den industriellen Fähigkeiten orientieren bzw. sie müssen so angelegt sein, das sie solange genügen, bis die Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt ist. - die zivile Industrie bietet teilweise bessere, einfachere und v.a. auch günstigere Lösungen an als die militärische Industrie (Drohnen, Satelliten). Sie ist als Schlüsselbereich für Innovation und Technologie zur Lösung militärischer Fragen einzubeziehen. Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 19. May 2024, 12:52 -------------------- Europeans who remember their history understand better than most that there is no security, no safety, in the appeasement of evil (Ronald Reagan)
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20. Jan 2023, 09:08 | Beitrag
#2
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Oberleutnant Beiträge: 1.536 Gruppe: Members Mitglied seit: 26.12.2016 |
Mit gezogenen Haubitzen bekommst Du immer Probleme, sobald es um potentiell längere Feueraufträge für den Zug/ die Batterie geht. Z.B. den Gegner niederhalten für einen längeren Zeitraum, das Gefechtsfeld beleuchten oder blenden (nebeln) für einen längeren Zeitraum. Das macht sehr anfällig für Counterfire und dann nutzt Dir auch die top gedrillte und fitte Geschützgruppe nicht mehr viel. Rund um die gezogene Haubitze (aber z.B. auch den Caesar), ist man eben gar nicht geschützt. Da hilft eigentlich wirklich nur zwingend schnell schießen, kurze Feueraufträge, und dann wieder abhauen. Das limitiert halt schon im Gegensatz zu automatisierten (Panzer-)Haubitzen.
Die notwendige Besatzung (Geschützgruppe von 6 bis 8 Mann) pro Geschütz tut dann ihr übriges. Deshalb dürften solche Systeme wohl auch bei uns in Zukunft keine wirkliche Rolle spielen, wenn man mit der RCH z.B. mit zwei Soldaten auskommt. Von daher gehe ich da mit Dir mit, in Zukunft auf geschützte und automatisierte Haubitzen (RCH oder PzH) zu setzen. Hinsichtlich der Munition hatte ich bezüglich der RCH mal irgendwo ein Schaubild eines Munitionsfahrzeuges gesehen (auch ein Boxer). Das würde Sinn machen, weil gerade im Gegensatz zur PzH da nur die Hälfte (30 Geschosse inkl. Treibladungen) der Munition reinpasst. Zum aktuellen Planungs- /Entwicklungsstand kann da aber Forodir sicher mehr sagen. Was mir bei der Ari in der Ukraine noch aufgefallen ist, dass anscheinend gerade bei Nutzung von Präzisionsmunition Geschütze oder Raketenwerfer auch gar nicht mal im Gruppen- Zug- oder Batterierahmen eingesetzt werden, sondern mehr oder weniger auch einzeln. Wenn ich auf ein mein Ziel wegen der hohen Treffgenauigkeit nur zwei oder drei Schuss benötige, geht das sicherlich. Das macht dann Sinn wegen der Auflockerung, geringeren Aufklärbarkeit und Wirkmöglichkeit für den Feind. Beeinträchtigt aber sicher wieder etwas die Sicherung und Logistik im näheren Umfeld. Da würde mich interessieren, ob die BW da vielleicht auch schon weiter über die Anpassung ihrer Taktiken nachgedacht hat. Der Beitrag wurde von PzArt bearbeitet: 20. Jan 2023, 09:15 |
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20. Jan 2023, 18:58 | Beitrag
#3
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Hauptmann Beiträge: 4.550 Gruppe: VIP Mitglied seit: 14.11.2010 |
Was mir bei der Ari in der Ukraine noch aufgefallen ist, dass anscheinend gerade bei Nutzung von Präzisionsmunition Geschütze oder Raketenwerfer auch gar nicht mal im Gruppen- Zug- oder Batterierahmen eingesetzt werden, sondern mehr oder weniger auch einzeln. Wenn ich auf ein mein Ziel wegen der hohen Treffgenauigkeit nur zwei oder drei Schuss benötige, geht das sicherlich. Das macht dann Sinn wegen der Auflockerung, geringeren Aufklärbarkeit und Wirkmöglichkeit für den Feind. Beeinträchtigt aber sicher wieder etwas die Sicherung und Logistik im näheren Umfeld. Da würde mich interessieren, ob die BW da vielleicht auch schon weiter über die Anpassung ihrer Taktiken nachgedacht hat. Was den Einsatz der RakWrf angeht, ist inzwischen der einzelne Einsatz eines Werfers eher sogar die Regel, ich brauche nur selten den ganzen Zug (eigentlich nur bei WurfMinenSperren), dadurch ist zumindest der Zug beim Feuern meistens disloziert. Das Unterziehen in der GA ist natürlich aufgelockert und sollte gegen Erd-und Fliegerfeind zumindest gegen Sicht gedeckt sein. Logistik an sich ist eigentlich auch nicht das Problem, jeder Zug nutzt einen eigenen Ladeplatz, je nach Entscheidung aufgrund der Lage und Zeit kannst du den ganzen Zug beladen, Halbzug oder sogar Einzel Werfer, das ist auch notwendig, weil teilweise unterschiedliche Munition auf den Werfern ist. Dies ist zumindest bei den Briten, Amerikanern (Army) und in der Bundeswehr Standard. Rohrartillerie ist ähnlich, leider gibt es ja für die Bw noch keine Endphasen gesteuerte Munition, sollte dies kommen ist aber hier dann der Einsatz von Einzelgeschützen möglich, theoretisch könnte man das jetzt auch schon machen, jedem Geschütz seine eigene Feuerstellung zuweisen, dann Feuern lassen und wieder in eine gemeinsame GA unterziehen. Das wird eher aus Friedensstechnischen Gründen nicht gemacht, auch Abfolge der Fst ist aufgrund von Friedensvorschriften nicht flexibel, können würde es das System und die Haubitze ohne Probleme, auch mit ADLER III. In der Logistik wird gerne eine Batterie Ladeplatz genutzt, aber auch dort wird maximal ein Zug gleichzeitig beladen und das ist in unserem System eigentlich recht flott, wenn ich möchte ist auch Halbzug möglich. Hier haben wir Ideen wie man das flexibler machen könnte, mit verschieden Ladeplätzen, die jeweils auf Abruf besetzt werden. Ich behaupte das die Truppe da auch schon viel weiter und Flexibler ist als unsere Führung oder die Schule. Der Beitrag wurde von Forodir bearbeitet: 20. Jan 2023, 19:01 -------------------- Niemand hat gesagt das es Spaß machen muss!
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21. Jan 2023, 16:24 | Beitrag
#4
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Oberstleutnant Beiträge: 11.994 Gruppe: Members Mitglied seit: 03.10.2002 |
Es gab ja auch Gegen Ende des KK verschiedene Konzepte einer schnellen Aufmunitionierung mittels containerisierte Magazine, als man Konzepte für neue Kampfpanzer untersuchte. Es gab auch Konzepte mittels gepanzerter Munitionsträger mit Kran und Laufband usw, um konventionelle Panzer leichter und schneller mit Munition zu versorgen. Die Mumpeln hätten dann automatisch bis vor die Luke transportiert werden sollen, sodass man zum Aufmunitionieren nicht mal aussteigen hätte müssen. Das Ende des KK hat all diese Ideen ein schnelles Ende bereitet.
Im Prinzip ist das Problem nicht neu. Was den Einsatz der RakWrf angeht, ist inzwischen der einzelne Einsatz eines Werfers eher sogar die Regel, Liegt das nicht eher an die enorme Herausforderung der Logistik? Eine Raketenwerferbatterie kann innerhalb kurzer Zeit enorm viel raus hauen, sodass jede Logistik an seine Grenzen kommt. Das konnte man fast nur damals im KK bewerkstelligen, aber kaum noch heute mit den durchrationalisierten Streitkräften. Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 21. Jan 2023, 16:30 -------------------- Schon seit 20 Jahren: Waffen der Welt
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21. Jan 2023, 16:43 | Beitrag
#5
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Hauptmann Beiträge: 4.550 Gruppe: VIP Mitglied seit: 14.11.2010 |
Was den Einsatz der RakWrf angeht, ist inzwischen der einzelne Einsatz eines Werfers eher sogar die Regel, Liegt das nicht eher an die enorme Herausforderung der Logistik? Eine Raketenwerferbatterie kann innerhalb kurzer Zeit enorm viel raus hauen, sodass jede Logistik an seine Grenzen kommt. Das konnte man fast nur damals im KK bewerkstelligen, aber kaum noch heute mit den durchrationalisierten Streitkräften. Nein, das liegt eher an dem taktischen Einsatz. Weniger Raketen, die genauer sind und daher auch weniger Bedarf an Nachschub und die auch eher auf aufgeklärte Hochwertziele verschossen werden. Selbst eine Wurfminensperre sind nur zwei volle Salven (zwei Werfer je eine volle Salve sind 12 Raketen mit je 28 AT2, das sind 672 Minen) und so viele verschießt man da auch nicht. Raketenwerfer in der Klasse des MARS II sind vom logistischen Fußabdruck sogar geringer als die Rohrartillerie. Würde man wieder was in der Art des LARS einführen, was durchaus in der Überlegung ist, nur halt mit größerer Reichweite, dann müsste man da natürlich mehr Logistikkapazitäten draufpacken. Da kann man nur hoffen, dass das im Einsatzfall berücksichtigt wird. -------------------- Niemand hat gesagt das es Spaß machen muss!
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