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> ATGM im syrischen Bürgerkrieg, Jetzt mit mehr Bumm! statt nur TOW
Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 09:54 | Beitrag #61
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ZITAT(Fennek @ 13. Oct 2015, 10:09) *
ZITAT(Freestyler @ 13. Oct 2015, 07:52) *
Wie Pollack aber nachweisst, ist die Politisierung der arabischen Streitkräfte nicht der Hauptgrund. Die ägyptischen Streitkräfte wurden vom dem Oktoberkrieg entpolitisiert, die irakischen Streitkräfte einschließlich der Republikanischen Garde im ersten Golfkrieg. Ihre Leistungsfähigkeit stieg trotzdem nur gering, denn der Hauptgrund ist die arabische Kultur, nicht Politisierung, sowjetische Doktrin und Ausrüstung o.ä.

ZITAT(xena @ 12. Oct 2015, 15:50) *
ZITAT(Warhammer @ 12. Oct 2015, 05:55) *
Ist er willens und in der Lage sein potentielles Wissen auch in der Praxis anzuwenden?


Ist diese Aussage nicht rassistisch? Jeder Mensch sollte erst einmal in der Lage sein Wissen umzusetzen. Es gibt keinen Grund warum ein Araber Wissen weniger umsetzen könnte als ein Europäer.

Doch, und zwar mehr als genug. Der Titel von Pollacks Dissertation "The influence of Arab culture on Arab military effectiveness" sagt das bereits: Die arabische Kultur - und als Erweiterung, im gesamten Greater Middle East - mit ihrem Fokus auf der Harmonie im Kollektiv statt dem Individuum und immer den eigenen Gesichtsverlust wie auch den anderer zu verhindern hat Auswirkungen auf alle Bereiche des täglichen Lebens: im Bildungsbereich - egal ob schulische, berufliche oder eben taktische (Aus-) Bildung - fokusiert der Lernprozess auf Auswendiglernen von Problemlösungen statt das Erlernen der Methode und deren Adaption / Transfer, um Probleme zu lösen. Mit dem stumpfen Auswendiglernen des Koran spiegelt sich das auch in der religiösen Bildung wieder. Die Angst, bei eigenem Mißerfolg das Gesicht zu verlieren, verhindert proaktives, selbstständiges Handeln - und damit auch die Initiative zu ergreifen - und führt dazu, dass eigene Mißerfolge gar nicht, oder nur extrem geschönt weitergemeldet werden, was zu einem vollkommen verzerrten Lagebild beiträgt.

Diese Verhaltensweisen trifft man bei jedem Aufenthalt im Greater Middle East: Fragt man einen Passanten nach dem Weg, bekommt man in jedem Fall eine Antwort, selbst wenn diese komplett falsch ist - aus Höflichkeit und Angst das Gesicht zu verlieren, gibt der Gefragte immer eine Antwort wink.gif Genauso das Herumlavieren um Probleme, statt diese direkt anzusprechen...


Diese Eigenschaften allerdings spricht man 1:1 auch ostasiatischen Kulturen zu (siehe 'Asian Values'-Debatte), sprich Chinesen, Japanern, Koreanern usw. Den Vorwurf militärischer Inkompetenz jedoch findet man bei ihnen wesentlich seltener.

Darstellungen, die (fast) alles auf kulturelle Prägung runterbrezeln, müssen sich dem Vorwurf aussetzen, dass sie den Menschen als Sklaven seiner Kultur darstellen Als würden alle arabischen Offiziere in entsprechenden Situationen identisch agieren, weil ihre Kultur es ihnen unbewusst so vorschreibt. Individuelle Eigenschaften, ob der betreffende Offizier also beispielsweise energisch oder zaghaft in seinen Entscheidungen ist, ob er eher zu agierenden oder reagierenden Sorte Mensch gehört, ob er mutig aus dem Bauch heraus entscheidet oder lieber erstmal möglichst viele Informationen haben will, ob er unter Druck zu Fehlern neigt oder auch unter Stress seine sieben Sinne beisammen behält, all dies spielt keine Rolle, die "arabische Kultur" steuert sein Handeln.

Zudem implizieren solche Darstellungen, dass solche Probleme nicht überwunden werden können, weil "die Kultur" es verhindert.

Generalaussagen über Kulturen sind immer sehr kritisch zu betrachten, auch wenn vermeintlich empirisch belegt. Vergleiche die 1945er-These: "Die Deutschen können keine Demokratie." Damals hätte man wunderbar "nachweisen" können, dass die deutsche Kultur grundsätzlich inkompatibel mit einer freien Demokratie ist. Seit Jahrhunderten lebte und brauchte der Deutsche einen König, Kaiser oder Führer an der Spitze. Das einzige Experiment mit Demokratie führte direkt in die Diktatur und dann zum schlimmsten Krieg der Weltgeschichte. Deutsche Kultur und Demokratie? Eindeutig inkompatibel, empirisch belegt. Wahnsinn, sowas nochmal zu probieren.

Die Aussage "Die Deutschen können keine Demokratie" war aber auch 1945 schon falsch, denn das Kaiserreich war zumindest eine eingeschränkte Demokratie, während die Weimarer Republik eine (mehr oder weniger funktionierende) Demokratie war. Die (Praxis)-Kenntnisse über demokratische Prozesse waren also vorhanden.

Pollack schreibt nicht umsonst "the dominant Arab culture", denn natürlich gibt es davon ausnahmen. Aber je breiter die Rekrutierungspool einer Armee ist, desto eher finden sich die die Gesellschaft prägenden Verhaltensweisen auch in den Streitkräften wieder. Und arabische Gesellschaften sind von den beschriebenen Verhaltensweisen, Normen, Werten usw. geprägt, die damit auch das Handeln ihrer Mitglieder, einschließlich der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere steuern. Guerillaorganisationen wie die Hisbollah weisen diese Verhaltensweisen weniger auf, weil ihr Rekrutierungspool kleiner und vor allem die Selbstselektion größer ist.

Hinsichtlich der ostasiatischen Kulturen gibt es u.U. noch keine Studien, die explizit diesen Einfluss untersuchen wink.gif

Edit: Quote mitgenommen.

Der Beitrag wurde von Freestyler bearbeitet: 13. Oct 2015, 09:56
 
Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 10:08 | Beitrag #62
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ZITAT(Nite @ 12. Oct 2015, 15:08) *
ZITAT(xena @ 12. Oct 2015, 16:06) *
Gibt es irgend welche Fakten was die Syrer trainieren und was nicht? Immerhin haben sie es 1973 ganz gut hinbekommen, wie übrigens auch die Ägypter.

Das wurde hier schon einmal diskutiert.

Können wir die beiden Threads zusammenführen!? "Kriegsführung im Greater Middle East" oder so? smile.gif
 
goschi
Beitrag 13. Oct 2015, 10:17 | Beitrag #63
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ohne Denglish vielleicht...


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 10:22 | Beitrag #64
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"Kriegsführung in Nordafrika, dem Nahen Osten und Südasien?" mit "Einfluss von Ausrüstung, Doktrin, Kultur usw." als Themenbeschreibung? wink.gif
 
goschi
Beitrag 13. Oct 2015, 11:15 | Beitrag #65
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Genau, lass uns eine verklausalisierte Doktorarbeit verfassen...


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 11:27 | Beitrag #66
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rolleyes.gif
 
Hummingbird
Beitrag 13. Oct 2015, 11:48 | Beitrag #67
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Wie wärs mit: "Der Araber tickt einfach anders"

wink.gif
 
goschi
Beitrag 13. Oct 2015, 11:49 | Beitrag #68
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ja, in etwa, oder von Algerien bis Afghanistan - Alle gleich!


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
schießmuskel
Beitrag 13. Oct 2015, 13:31 | Beitrag #69
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Ja das geht Marokkaner haben es nämlich drauf. smokin.gif


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Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 13:55 | Beitrag #70
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@Goschi: Du kannst gerne die - deiner Meinung nach - Pauschalisierung von Pollack anfechten, aber dann bring doch bitte Argumente anstatt die Thematik ins Lächerliche zu ziehen, weil sie dir nicht passt... Oder sollen wir das, was bereits in einem anderen Thread diskutiert wurde, hier nochmal wiederholen bzw. darauf verweisen? Der Greater Middle East erstreckt sich nun mal von Marokko bis Pakistan/Afghanistan...
 
xena
Beitrag 13. Oct 2015, 14:54 | Beitrag #71
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Die Chinesen haben das gleiche Bildungssystem vom Auswendiglernen, wie die Araber und tatsächlich haben sie lange nur kopiert. Das Bildungssystem hat sich nicht geändert und trotzdem gehen die Chinesen dazu über selbst High-Tech Produkte zu entwickeln, also selbst Entscheidungen zu treffen und das erlernte variabel umzusetzen. Und die Araber sollen also zu blöd sein um selbst flexibel zu agieren? Warum nicht auch die Chinesen? Und die Koreaner erst...


Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 13. Oct 2015, 14:57


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Dave76
Beitrag 13. Oct 2015, 18:16 | Beitrag #72
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Hui, hier geht's ja schon wieder richtig rund. rolleyes.gif

Vielleicht sollte man sich erstmal darauf einigen, worum es in diesem Thread gehen soll...

Ich hatte ursprünglich Pollack angeführt und auch zitiert, da er sich am umfangreichsten mit der Frage nach der militärischen Effektivität, u.a., der syrischen Streitkräfte beschäftigt hat, und es anscheinend gewisse endemische Defizite in der syrischen Armee (und anderen arabischen Streitkräften) gibt, die immer wieder auftauchen. In "Arabs at War" wird lediglich der Frage nach den militärischen Kategorien der Ineffektivität nachgegangen, nicht nach den tieferliegenden Ursachen (lediglich im Nachwort kommt Pollack darauf zu sprechen, und es wird zum ersten Mal ein möglicher Grund in den kulturellen Besonderheiten angesprochen), er zeigt nur sehr detailliert immer wiederkehrende länder- und zeitübergreifende Probleme auf.

Die Erklärung ausschließlich über die kulturellen Besonderheiten halte ich auch für zu kurz gegriffen, aber komplett ablehnen kann man sie auch nicht, jedenfalls stellt niemand, schon gar nicht Pollack, eine so absurd verkürzte These auf, dass "die Araber also zu blöd sein sollen, um selbst flexibel zu agieren". Das schafft nur Xena.


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Freestyler
Beitrag 13. Oct 2015, 20:32 | Beitrag #73
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Es ist insbesondere erstaunlich, wie man das Konzept anzweifelt, ohne weder Gegenargumente zu nennen noch Pollack (oder auch Atkins) gelesen zu haben rolleyes.gif

@Dave76: In seiner Dissertation, auf der ja das Buch beruht, drehen sich die Seiten 37 - 81 (Kapitel 2) nur um die arabische Kultur und möglichen Auswirkungen auf die militärische Leistungsfähigkeit, während sich die drei folgenden Kapitel (S.83-153) mit alternativen Hypothesen (Politisierung, sowjetische Doktrin, Unterentwicklung) befassen.

@Xena: Zur chinesischen Innovationsfähigkeit:

ZITAT
China: Die neue Innovationssupermacht?
Im November 2014 prognostizierte die OECD, dass China mittelfristig das Land mit den höchsten Forschungs- und Entwicklungsausgaben sein wird. Die Steigerung der Ausgaben garantiert jedoch keineswegs Chinas Aufstieg zur Innovationssupermacht.

Analyse
Die Transformation Chinas zu einer Innovationsmacht zählt zu den zentralen Zielen der politischen Führung des Landes. Durch ambitionierte Programme des technologischen catching-up konnten bereits bemerkenswerte Fortschritte erzielt werden. In den In- und Output-Indikatoren des chinesischen Innovationssystems spiegelt sich die Entwicklung hin zu einem stärker innovationsgetriebenen Wirtschaftsmodell wider, allerdings weist das Innovationssystem insgesamt noch viele Schwächen auf.

Im internationalen Vergleich zählt China zwar noch nicht zu den führenden Innovationsmächten, besetzt aber innerhalb der Gruppe der Länder mit mittleren Einkommen bereits eine Spitzenposition.

Im Mittelpunkt der Neuausrichtung des Innovationssystems steht die eigenständige Innovation. Der Aufstieg chinesischer Unternehmen zur Technologieführerschaft soll vor allem in den neuen strategischen Industrien gelingen. Während Unternehmen der Industrie für Informations- und Kommunikationstechnologien bereits erfolgreich an die Weltspitze drängen, stellt der Übergang von der Imitation zur Innovation die meisten chinesischen Unternehmen jedoch weiterhin vor große Herausforderungen.

Der top down-Ansatz in der Innovationspolitik, die starke Betonung quantitativer Ziele sowie die in vielen Industrien weiter bestehende Dominanz von Staatsunternehmen erschweren den Weg Chinas zur Innovationsführerschaft.

Um das Ziel eines stärker innovationsgetriebenen Wachstums zu erreichen, muss die bereits eingeleitete Neuorientierung der chinesischen Innovationspolitik fortgesetzt werden. Stärker noch als bisher sind die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Unternehmen mehr Anreize zur Innovation als zur Imitation haben.

GIGA Focus Asien 1/2015

Selbst wenn eine Kultur, d.h. ihre Werte und Normen, tendenziell innovationsfeindlich kann die Wirtschaft trotzdem innovativ sein, nur wird sie dazu wesentlich mehr Ressourcen aufwenden müssen - genauso wie arabische Streitkräfte - verglichen mit anderen - unverhältnismäßig viele Ressourcen aufwenden müssen, um eine auch nur geringfügige Leistungssteigerung zu erreichen.
 
Schwabo Elite
Beitrag 14. Oct 2015, 14:10 | Beitrag #74
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ZITAT(Freestyler @ 13. Oct 2015, 10:54) *
Die Aussage "Die Deutschen können keine Demokratie" war aber auch 1945 schon falsch, denn das Kaiserreich war zumindest eine eingeschränkte Demokratie, während die Weimarer Republik eine (mehr oder weniger funktionierende) Demokratie war. Die (Praxis)-Kenntnisse über demokratische Prozesse waren also vorhanden.

Pollack schreibt nicht umsonst "the dominant Arab culture", denn natürlich gibt es davon ausnahmen.


Du widersprichst Dir hier massiv. Denn wenn die "dominant Arab culture" Zeichen dafür ist, dass "die Araber kein Militär können", dann ist die dominante deutsche Kultur auch Zeichen dafür, "dass die Deutschen keine Demokratie können". Immerhin musst Du das Kaiserreich auf eine eingeschränkte Demokratie reduzieren, damit dort noch irgendwelche demokratischen Werte übrigbleiben. Und selbst über die können wir uns noch ziemlich lange unterhalten, um zu schauen, was wirklich übrig bleibt. Dazu müssten wir erstmal Demokratie nach heutigen, sowie damaligen Ansichten definieren. Und vor allem müssten wir uns darüber unterhalten, ob soziale Praktiken des politischen Zusammenlebens individuell nur zu einem Terminus passen können; ob man also sagen kann, dass ein bestimmtes Verhalten, wie etwa die Wahl eines Parlamentes oder die Parteienbildung nur in Demokratien vorkommen kann. Dem ist natürlich nicht so. Parteien, Parlamente und Wahlen sind weder spezifisch demokratisch, noch ist Demokratie spezifisch an Parlamente und Parteien gebunden. Nur Wahlen dürften hier wohl in jeder Demokratie vorkommen.

Eine stabile Demokratie im Sinne eines nach zeitgenössischen Ansichten demokratischen Staatswesens, das in seinen selbstverfassten Legislaturperioden keine Neuwahlen, keine rechtswidrigen Angriffe auf das System seitens außerparlamentarischer Oppositionen erleben oder von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wurde, haben die Deutschen aber vor 1945 tatsächlich nicht hinbekommen. In den knapp vierzehn Jahren der Geschichte der Weimarer Republik gab es neun Reichtstagswahlen. Nur zwischen Dezember 1924 und Mai 1928 wurde volle vier Jahre lang nicht gewählt. Die Phase endete aber mit einem Wiedererstarken der Radikalen und einer Zersplitterung der Mitte. In der gleichen Zeit kam es zu unzähligen Putschversuchen, politischen Morden und den berüchtigten Saalschlachten in dessen Mitte die Kampfgruppen der Parteien und Gruppierungen standen: Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Roter Frontkämpferbund, Stahlhelm und natürlich SA.

An der Weimarer Republik war nichts stabil und nur in der Phase von 1924 bis 1928 kann man von einer kurzen Glanzzeit reden. Natürlich hat das auch immer mit äußeren Faktoren zu tun: Weltwirtschaftskrisen, Neuordnungsprozesse in Europa und der Welt sowie massive Reparationsforderungen machten ein stabiles Staatswesen praktisch unmöglich. Nur gilt das eben auch für die MENA-Region und viele andere Bereiche, einschließlich Zentralasien. Und nicht zuletzt sind Beurteilungen wie "die Araber können nicht..." oder "die Afrikaner können nicht..." ethnozentrisch. Es werden Maßstäbe der eigenen Kultur an sich selbst auf andere übertragen. Das funktioniert gut als Machtinstrument, aber es ist nicht hilfreich als Analyseinstrument, weil die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (Egon Friedell; allerdings selbst noch sehr ethnozentrisch) dabei aus dem Blick gerät. Verschiedene, parallel existierende Kulturen befinden sich nunmal nicht gleichzeitig in der selben objektiven Realität, sondern haben eigene Normen und Bezugssyteme. Und die zu transformieren ist ein langwieriger Prozess, der große Scherkräfte und eine Menge Schäden mit sich bringt. Die Deutschen können also heute nicht Demokratie, weil sie das eigentlich immer schon konnten, wie Du suggerierst, sondern sie haben es mühsam und unter großen Schmerzen für sich und die Welt in der Zeit vom Wiener Kongress bis heute erlernt. Und damit waren sie deutlich später dran als die westlicher gelegenen Nationen der transatlantischen Kultursphäre. Und "vollständig" angekommen ist es bis heute nicht, weder in den USA, noch in Westeuropa und schon gar nicht in den Teilen Mittel- und Osteuropas, die erst seit 25 Jahren in Demokratien unserer Definition leben.

Und so ist es mit Militärs in der MENA-Region auch: Es gibt solche, die sich mehr an der transatlantischen Kultursphäre, ihren Werten und militärischen Doktrinen ausrichten, und es gibt solche, die es bislang weniger taten. Das hat aber etwas mit historischen Prozessen zu tun, die individuell für Gesellschaften sind, und nicht mit einem existentiellen Zustand aller Araber qua Geburt.


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Freestyler
Beitrag 14. Oct 2015, 16:14 | Beitrag #75
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Ich wusste, dass ich mich auf den Vergleich nicht hätte einlassen sollen, und belass es dabei biggrin.gif facepalm.gif

ZITAT(Schwabo Elite @ 14. Oct 2015, 14:10) *
Und so ist es mit Militärs in der MENA-Region auch: Es gibt solche, die sich mehr an der transatlantischen Kultursphäre, ihren Werten und militärischen Doktrinen ausrichten, und es gibt solche, die es bislang weniger taten. Das hat aber etwas mit historischen Prozessen zu tun, die individuell für Gesellschaften sind, und nicht mit einem existentiellen Zustand aller Araber qua Geburt.

Nein, das ist falsch. Alle Streitkräfte in der Region haben sich formal an westlichen oder sowjetisch-russischen Doktrinen und Konzepten ausrichten, alle wollen das Gefecht der verbundenen Waffen führen, alle beschaffen dazu Unmengen an Rüstungsgütern aus eben diesen Regionen, alle versuchen ihren Soldaten eine entsprechende Ausbildung an den Ausbildungseinrichtungen der jeweiligen Staaten oder Ausbilder aus diesen Staaten zukommen zu lassen (je nachdem wie es der finanzielle Rahmen eben zu lässt) usw. - aber sie können es eben nicht umsetzen! Und das Problem der Umsetzung ist eben kulturell bedingt, wie Pollack hinreichend belegen kann - ich versuche hier seine, auf Hunderten von Seiten beschriebenen Ergebnisse wiederzugeben.
 
xena
Beitrag 14. Oct 2015, 16:40 | Beitrag #76
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Bisher haben wir nur Pollack und alles zitiert nur Pollack.

Wenn aber "der Araber" anders tickt ( biggrin.gif ), dann wäre es doch sinnvoller seine Armeen und sein Material nach den kulturellen Gegebenheiten der Gesellschaft dort anzupassen, satt alles nach Schema-"Westen" ™ auszurichten. Allein, dass westliche (und auch russische) Waffenlieferanten und Think Tanks nicht in der Lage sind bedarfsorientiert zu arbeiten, ist für mich ein Indiz, dass selbst die "Spezialisten, die es besser wissen sollten" den Orient nicht wirklich verstehen. Ein vorbildlicher Dienst am Kunden funktioniert anscheinend nur innerhalb des eigenen Kulturkreises, weil man unfähig ist sich anderen Kulturkreisen anzupassen (zumindest gilt das für Europäer, Russen und die USA). Würde man solche Überlegungen weiter spinnen, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass eine bedarfsorientierte Belieferung von Waffen seitens der Industriestaaten zu einem effektiveren Krieg und somit zu einem kürzeren Krieg geführt hätte...


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Almeran
Beitrag 14. Oct 2015, 16:42 | Beitrag #77
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ZITAT(xena @ 14. Oct 2015, 17:40) *
Bisher haben wir nur Pollack und alles zitiert nur Pollack.

Wenn aber "der Araber" anders tickt ( biggrin.gif ), dann wäre es doch sinnvoller seine Armeen und sein Material nach den kulturellen Gegebenheiten der Gesellschaft dort anzupassen, satt alles nach Schema-"Westen" ™ auszurichten. Allein, dass westliche (und auch russische) Waffenlieferanten und Think Tanks nicht in der Lage sind bedarfsorientiert zu arbeiten, ist für mich ein Indiz, dass selbst die "Spezialisten, die es besser wissen sollten" den Orient nicht wirklich verstehen. Ein vorbildlicher Dienst am Kunden funktioniert anscheinend nur innerhalb des eigenen Kulturkreises, weil man unfähig ist sich anderen Kulturkreisen anzupassen (zumindest gilt das für Europäer, Russen und die USA). Würde man solche Überlegungen weiter spinnen, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass eine bedarfsorientierte Belieferung von Waffen seitens der Industriestaaten zu einem effektiveren Krieg und somit zu einem kürzeren Krieg geführt hätte...

Die Frage ist doch eher, ob man diesen Bedarf mit modernem Gerät in der heutigen Zeit vernünftig abdecken kann. Wie soll man denn kulturelle Unterschiede mit der Technik ausbügeln?


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goschi
Beitrag 14. Oct 2015, 17:02 | Beitrag #78
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ZITAT(Freestyler @ 14. Oct 2015, 17:14) *
wie Pollack hinreichend belegen kann - ich versuche hier seine, auf Hunderten von Seiten beschriebenen Ergebnisse wiederzugeben.

Hast du eigentlich auch einmal kritisch und objektiv hinterfragt, ob Pollack denn zwingend richtig liegt oder gar alternative Analysen gesucht?
Oder rezitierst du ihn einfach?
Ich werde nicht auf eine wissenschaftliche Analyse Pollacks eingehen, das kann ich nicht bieten, aber das Probleme sehe ich darin, dass du einfach völlig undifferenziert alles von Nouakchott bis Islamabad in einen Topf schmeisst und dabei auch noch mal eben ~70 Jahre Zeitgeschehen zusammenfasst und dass ganze schlicht kulturell begründest.
im Endeffekt laufen deine Aussagen eben doch auf das simple Fazit aus deinen Postings "Der Araber kann eben nicht" und das finde ich bedenklich einfach dahergesagt.
Dann ist Fenneks Aussage eben genauso zutreffend, wenn man das selbe Muster anwendet.


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
Glorfindel
Beitrag 14. Oct 2015, 17:12 | Beitrag #79
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Meiner Ansicht nach gilt nicht

Kultur des Landes = Kultur des Militärs

Das wurde hier in der Diskussion zuwenig beachtet. Streitkräfte sind zwar durch die Kultur des Landes beeinflusst, übernehmen diese aber nicht zwangsläufig. So war zum Beispiel die Wehrmacht anders als die Bundeswehr nicht sehr bürokratisch, obwohl den Deutschen sehr oft zu recht vorgeworfen wird, alles sehr bürokratisch abzuwickeln. Die arabischen Streitkräfte sind imho tatsächlich oft nicht sehr effizient organisiert und dies hat mit den jeweils herrschenden politischen Bedingungen zu tun. Viele Arabische Streitkräfte zeichnen sich z.B. dadurch aus, dass diverse Teilstreitkräfte (u.a. neben Heer, Marine und Luftwaffen, Nationalgarde/Rep. Garde, Königliche Garden etc.) vorhanden sind, welche absichtlich nicht unter einem Oberkommando stehen. Das ist nachgewieseneremassen militärisch nicht effizient, oft aber politisch gewollt, damit niemand zuviel Macht erhält. Araber können aber ebenfalls sehr gute militärische Leistungen erbringen, wenn es die militärische Kultur zulässt. Da gibt es einige Beispiele aus der neueren Geschichte, ich denke unter anderem an die arabische Legion oder an Araber im Dienste Israels.


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xena
Beitrag 14. Oct 2015, 18:36 | Beitrag #80
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Wenn aber Araber gegen Araber kämpfen, dann kämpfen sie ja auch auf gleicher Ebene. Dann ist es doch egal ob ihre Effizienzklasse die gleiche ist wie die westliche. In Syrien kämpfen schließlich auch nur Araber gegen Araber und jeder für sich anscheinen genau so ineffizient wie sein Gegner. Dann liegt der Erfolg dort, genau so wie auch im Westen, wer den besseren Plan hat und diesen umsetzen kann, oder wer mehr Waffen hat. Assad hat in Syrien unter den ganzen Warlords und Parteien sicherlich die meisten Waffen.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 14. Oct 2015, 18:36


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General Gauder
Beitrag 14. Oct 2015, 20:38 | Beitrag #81
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In vielen der Arabischen Staaten sind die Streitkräfte ja ein Politisch nicht zu unterschätzender Faktor und so ist es für mich eigentlich nur logisch das die örtlichen Diktatoren ihr Militär an der kurzen leine halten und bestimmte Posten nicht nach Kompetenz sondern nach verlässlichkeit besetzt werden, das war wenn man so will in Deutschland im WKII genau so ansonsten hätten Personen wie Himmler niemals ein Truppenkomando bekommen.
Viele der SS Kommandeure waren zu Anfang ja auch eher schlechte Militärische Führer und nur mit der Waffen-SS ohne die Wehrmacht wären die Deutschen Erfolge auch nicht möglich gewesen (mal angenommen die Waffen-SS wäre genau so groß gewesen wie die Wehrmacht 1939 wink.gif)

Solche verlässlichen Typen sind dann aber oft nicht die besten Leute für den Posten und versagen dann halt wenn es drauf an kommt.
Zu sagen die Araber können das einfach nicht halte ich für falsch, ansonsten dürfte es in den US Streitkräften z.B. keine Generäle geben die Arabische wurzeln haben.

https://de.wikipedia.org/wiki/John_Abizaid
 
Luzertof
Beitrag 14. Oct 2015, 20:44 | Beitrag #82
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Abizaid wurde in den USA geboren und entstammt einer christlichen Familie mit US-stämmiger Mutter. Eine "arabische Sozialisierung", um die es hier ja zum Teil geht, hat es so also wohl kaum gegeben.
 
Freestyler
Beitrag 14. Oct 2015, 21:04 | Beitrag #83
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Das zu Abizaid wollte ich grade schreiben... genau das gleiche trifft z.B. auch auf die Soldaten der arabischen Legion zu, die teilweise ab dem 10. Lebensjahr in Schulen unterrichtet wurden, in denen britische Lehrkräfte nach britischen Ansätzen unterrichteten. Auch die syrischen Offiziere der Kolonialtruppen in Syrien besuchten französische und amerikanische Schulen und wiesen dementsprechend nicht die gleichen Verhaltensmuster auf - nachdem diese (zumeist aus Minderheiten rekrutierten) Offiziere marginalisiert, die postkolonialen syrischen Streitkräfte exponentiell vergrößert worden waren und die Masse der Offiziere diesen Bildungshintergrund nicht mehr aufwies, sank auch ihre Leistungsfähigkeit massiv (Pollack geht auch darauf ein, gerade die arabische Legion ist DAS Gegenbeispiel).

ZITAT(xena @ 14. Oct 2015, 17:40) *
Bisher haben wir nur Pollack und alles zitiert nur Pollack.

ZITAT(goschi @ 14. Oct 2015, 18:02) *
Hast du eigentlich auch einmal kritisch und objektiv hinterfragt, ob Pollack denn zwingend richtig liegt oder gar alternative Analysen gesucht?

Richtig, weil Pollack der Experte auf dem Gebiet ist und sich eben nicht auf einfache Erklärungen wie westliches vs. östliche Technik, Ausbildung oder Doktrin beschränkt, sondern eben diese als wesentlichen Einflussfaktor widerlegt. Das hab ich weiter oben übrigens auch geschrieben:1

ZITAT(Freestyler @ 13. Oct 2015, 21:32) *
In seiner Dissertation, auf der ja das Buch beruht, drehen sich die Seiten 37 - 81 (Kapitel 2) nur um die arabische Kultur und möglichen Auswirkungen auf die militärische Leistungsfähigkeit, während sich die drei folgenden Kapitel (S.83-153) mit alternativen Hypothesen (Politisierung, sowjetische Doktrin, Unterentwicklung) befassen.

wink.gif


ZITAT
Wenn aber "der Araber" anders tickt ( biggrin.gif ), dann wäre es doch sinnvoller seine Armeen und sein Material nach den kulturellen Gegebenheiten der Gesellschaft dort anzupassen, satt alles nach Schema-"Westen" ™ auszurichten. Allein, dass westliche (und auch russische) Waffenlieferanten und Think Tanks nicht in der Lage sind bedarfsorientiert zu arbeiten, ist für mich ein Indiz, dass selbst die "Spezialisten, die es besser wissen sollten" den Orient nicht wirklich verstehen.

Diese Ansätze gab es durchaus: Die britischen Offiziere, die die arabische Legion (oder auch die omanischen Streitkräfte) ausbildeten und führten (und die von ihnen ausgebildeten jordanischen Offiziere und Unteroffiziere), kannten die Kultur und haben ihre Ausbildungsansätze entsprechend angepasst, ohne die Grundlagen aufzugeben. Allerdings trafen in diesen Fällen noch eine ganze Reihe weiterer Einschränkungen zu (Pollack geht darauf auch ein). Auf militärstrategischer Ebene waren sich z.B. der irakische und der ägyptische Generalstab auch über die Probleme im Klaren und versuchten diesen zu begegnen, insbesondere indem einzelne Operationen (wie z.B. die Überquerung des Suezkanals oder irakische Gegenangriffe) an genauesten Nachbildungen des späteren Gefechtsstreifens bis ins kleinste Detail eingeübt wurden. Zudem wurde in Ägypten die Befreiung der Studenten vom Wehrdienst aufgehoben, wodurch das Bildungsniveau der Streitkräfte erheblich stieg und es wurde gezielt versucht, den Zusammenhalt zwischen Offizieren und "dem Rest" zu steigern. Die irakischen Streitkräfte konsolidierten zudem ihre besten Soldaten und Offiziere in der Republikanischen Garde, die weitestgehend entpolitisiert wurde (im Gegenzug wurde die Spezielle Republikanische Garde geschaffen), und einigen Divisionen der Landstreitkräfte. Diese Maßnahmen führten zu einer erheblichen Leistungssteigerung, aber sobald diese Einheiten eine nicht bis ins Detail geplante und geübte Operation durchführen mussten, traten die gleichen Probleme wie zuvor aus - bestes Beispiel ist der Ausbruch der ägyptischen Streitkräfte aus dem Brückenkopf am Suezkanal).

Der Beitrag wurde von Freestyler bearbeitet: 14. Oct 2015, 21:04
 
goschi
Beitrag 14. Oct 2015, 22:06 | Beitrag #84
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ZITAT(Freestyler @ 14. Oct 2015, 22:04) *
ZITAT(goschi @ 14. Oct 2015, 18:02) *
Hast du eigentlich auch einmal kritisch und objektiv hinterfragt, ob Pollack denn zwingend richtig liegt oder gar alternative Analysen gesucht?

Richtig, weil Pollack der Experte auf dem Gebiet ist und sich eben nicht auf einfache Erklärungen wie westliches vs. östliche Technik, Ausbildung oder Doktrin beschränkt, sondern eben diese als wesentlichen Einflussfaktor widerlegt. Das hab ich weiter oben übrigens auch geschrieben:1

ZITAT(Freestyler @ 13. Oct 2015, 21:32) *
In seiner Dissertation, auf der ja das Buch beruht, drehen sich die Seiten 37 - 81 (Kapitel 2) nur um die arabische Kultur und möglichen Auswirkungen auf die militärische Leistungsfähigkeit, während sich die drei folgenden Kapitel (S.83-153) mit alternativen Hypothesen (Politisierung, sowjetische Doktrin, Unterentwicklung) befassen.

wink.gif


Das ist keine Antwort auf meine Frage, oder doch, irgendwie schon, das war dann wohl ein Nein.


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
General Gauder
Beitrag 14. Oct 2015, 22:40 | Beitrag #85
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ZITAT(Luzertof @ 14. Oct 2015, 21:44) *
Abizaid wurde in den USA geboren und entstammt einer christlichen Familie mit US-stämmiger Mutter. Eine "arabische Sozialisierung", um die es hier ja zum Teil geht, hat es so also wohl kaum gegeben.

Gut das mag bei ihm wohl zutreffen von daher streichen wir das die anderen Thesen berührt dies aber nicht
 
Dave76
Beitrag 15. Oct 2015, 10:04 | Beitrag #86
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ZITAT(General Gauder @ 14. Oct 2015, 23:40) *
Gut das mag bei ihm wohl zutreffen von daher streichen wir das die anderen Thesen berührt dies aber nicht

Welche anderen Thesen? Die Politisierung der Streitkräfte? Nein, da war kein entscheidender Faktor, darauf wurde hier schon eingegangen (und im anderen Thread). Nasser beispielsweise entpolitisierte und professionalisierte das ägyptische Militär massiv nach der Niederlage im Sechstagekrieg, trotzdem blieben (nach den streng eingeübten Anfangserfolgen) die Probleme bestehen. Wir haben das doch schon besprochen.

Ich empfehle dringend allen am Thema Interessierten sich "Arabs at War" zuzulegen, oder es wenigstens einmal zu lesen (in der UB leihen o.ä.).


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Beitrag 15. Oct 2015, 13:32 | Beitrag #87
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Noch etwas zur TOW. Die TOW scheint tatsächlich eine Waffen zu sein, welche sich in Syrien bewährt. Es wurden zwar zum Teil auch langsam fahrende Ziele bekämpft, aber oft war die bekämpften Ziele ja nicht bewegend. Im Weiteren scheinen die Schussdistanzen relativ gross zu sein und deshalb auch für die TOW zu sprechen. Interessant, dass obwohl die TOW eine mittlerweile schon etwas ältere Waffe ist, weder die USA noch die europäischen NATO-Staaten bis heute in der Lage waren ein Nachfolgesystem zu beschaffen. Lenkwaffen-Panzerjäger, welche oft sehr mobil sind (anders als der statische TOW-Einsatz) und im Vorgelände kämpfen, fristen mittlerweile in der NATO eher ein Mauerblümchen-Dasein. Andere Staaten verfügen dagegen bereits heute über fortgeschrittenere bodengestützte Panzerabwehrsystem, ich denke da u.a. an Israel (z.B. Spike-ER) und Russland (AT-6, AT-14, AT-15).

Vielleicht noch etwas zum TOW-Einsatz bei uns: Bei uns hat sich gezeigt, dass in einem modernen Gefechtsfeld die TOW veraltet ist und der Einsatz gegen fahrende gegnerische gepanzerte Spitzenelemente problematisch. Das wurde u.a. im Simulator getestet (Gefechtsfeld Mittelfranken, Gegner war u.a. mit Leclerc ausgerüstet). Aufgrund der langen Flugzeit und der schnellen Reaktionszeit des Gegners ist ein Einsatz nicht wirklich sehr erfolgsversprechend. Wäre aber mit anderen Systemen wohl anders. Anfangs der 1990er Jahre testete dagegen die Schweizer Armee den TOW-Einsatz in Österreich gegen eine Panzerbrigade (zirka 30 Kampfpanzer, 60 Schützenpanzer) auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 15. Oct 2015, 13:42


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Beitrag 15. Oct 2015, 14:07 | Beitrag #88
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Naja, Europa hat ja die HOT. Aber nur wenige Staaten haben sie in Panzerjägern verwendet. Die dürften inzwischen auch fast alle verschwunden sein (die BW hat ja eh die Panzerjäger entsorgt). Man kann ja jeder Zeit die Spike-ER kaufen, wenn es nötig wird.


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Nite
Beitrag 15. Oct 2015, 17:10 | Beitrag #89
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ZITAT(Glorfindel @ 15. Oct 2015, 14:32) *
Noch etwas zur TOW. Die TOW scheint tatsächlich eine Waffen zu sein, welche sich in Syrien bewährt. Es wurden zwar zum Teil auch langsam fahrende Ziele bekämpft, aber oft war die bekämpften Ziele ja nicht bewegend. Im Weiteren scheinen die Schussdistanzen relativ gross zu sein und deshalb auch für die TOW zu sprechen. Interessant, dass obwohl die TOW eine mittlerweile schon etwas ältere Waffe ist, weder die USA noch die europäischen NATO-Staaten bis heute in der Lage waren ein Nachfolgesystem zu beschaffen. Lenkwaffen-Panzerjäger, welche oft sehr mobil sind (anders als der statische TOW-Einsatz) und im Vorgelände kämpfen, fristen mittlerweile in der NATO eher ein Mauerblümchen-Dasein. Andere Staaten verfügen dagegen bereits heute über fortgeschrittenere bodengestützte Panzerabwehrsystem, ich denke da u.a. an Israel (z.B. Spike-ER) und Russland (AT-6, AT-14, AT-15).

Vielleicht noch etwas zum TOW-Einsatz bei uns: Bei uns hat sich gezeigt, dass in einem modernen Gefechtsfeld die TOW veraltet ist und der Einsatz gegen fahrende gegnerische gepanzerte Spitzenelemente problematisch. Das wurde u.a. im Simulator getestet (Gefechtsfeld Mittelfranken, Gegner war u.a. mit Leclerc ausgerüstet). Aufgrund der langen Flugzeit und der schnellen Reaktionszeit des Gegners ist ein Einsatz nicht wirklich sehr erfolgsversprechend. Wäre aber mit anderen Systemen wohl anders. Anfangs der 1990er Jahre testete dagegen die Schweizer Armee den TOW-Einsatz in Österreich gegen eine Panzerbrigade (zirka 30 Kampfpanzer, 60 Schützenpanzer) auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich.

Das man die TOW dort unten nicht, zumindest teilweise, auf Technicals montiert (so wie ansonsten so ziemlich jedes andere Waffensystem) ist eine Sache die mich etwas verwundert. Falls es dazu bisher keine Notwendigkeit gab sagt das wiederum einiges über die Leistungsfähigkeit der syrischen Streitkräfte aus.

Für das Bewähren der TOW in Syrien sehe ich mehrere Gründe:
1. Einfache Handhabung. Die TOW ist im Vergleich ein relativ einfach zu handhabendes Waffensystem, und solange es nur um den statischen Einsatz aus vorbereiteten Stellungen geht ist auch der Ausbildungsaufwand überschaubar. Die Videos zeigen auch dass die Rebellen
2. Die TOW ist veraltet, und die von Glorfindel angesprochenen Mängel sind gegen einen modern ausgestatteten und gut ausgebildeten Feind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings haben es die Rebellen eben nicht mit modern ausgerüsteten und gut ausgebildeten Panzrkräften zu tun, sondern mit einem Gegner der massive Ausbildungmängel offenbart (Ausbildungsmangel könnte man in " setzen, allerdings will ich jetzt gar nicht in die Diskussion ob die Ausbildung schlecht ist oder ob es die Syrer schlicht nicht umsetzen können gar nicht einsteigen; das Ergebnis auf dem Gefechtsfeld ist in beiden Fällen das gleiche) und auch technisch dem aktuellen Stand hinterherhinkt. T-55/62/72 sind genau der Feind gegen den die TOW konzipiert wurde.
3. Know How und Ortskenntnis der Rebellen. Eng mit dem 1. Punkt verknüpft, allerdings zeigen die Videos durchaus dass die Rebellen die Grundsätze der Stellungswahl verstanden haben und umsetzen können. In allen Videos die ich gesehen haben passen die Sichtstrecken und der Rechweitenüberhang der TOW kann ausgespielt werden.


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Markus11
Beitrag 15. Oct 2015, 17:19 | Beitrag #90
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ZITAT(Glorfindel @ 15. Oct 2015, 14:32) *
Noch etwas zur TOW. Die TOW scheint tatsächlich eine Waffen zu sein, welche sich in Syrien bewährt. Es wurden zwar zum Teil auch langsam fahrende Ziele bekämpft, aber oft war die bekämpften Ziele ja nicht bewegend. Im Weiteren scheinen die Schussdistanzen relativ gross zu sein und deshalb auch für die TOW zu sprechen. Interessant, dass obwohl die TOW eine mittlerweile schon etwas ältere Waffe ist, weder die USA noch die europäischen NATO-Staaten bis heute in der Lage waren ein Nachfolgesystem zu beschaffen. Lenkwaffen-Panzerjäger, welche oft sehr mobil sind (anders als der statische TOW-Einsatz) und im Vorgelände kämpfen, fristen mittlerweile in der NATO eher ein Mauerblümchen-Dasein. Andere Staaten verfügen dagegen bereits heute über fortgeschrittenere bodengestützte Panzerabwehrsystem, ich denke da u.a. an Israel (z.B. Spike-ER) und Russland (AT-6, AT-14, AT-15).

Vielleicht noch etwas zum TOW-Einsatz bei uns: Bei uns hat sich gezeigt, dass in einem modernen Gefechtsfeld die TOW veraltet ist und der Einsatz gegen fahrende gegnerische gepanzerte Spitzenelemente problematisch. Das wurde u.a. im Simulator getestet (Gefechtsfeld Mittelfranken, Gegner war u.a. mit Leclerc ausgerüstet). Aufgrund der langen Flugzeit und der schnellen Reaktionszeit des Gegners ist ein Einsatz nicht wirklich sehr erfolgsversprechend. Wäre aber mit anderen Systemen wohl anders. Anfangs der 1990er Jahre testete dagegen die Schweizer Armee den TOW-Einsatz in Österreich gegen eine Panzerbrigade (zirka 30 Kampfpanzer, 60 Schützenpanzer) auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich.


Wenn sich die Waffe in Syrien und auf anderen arabischen Schlachtfeldern noch bewährt, gilt "If ain't broken, don't fix it" und "never change a running system". (In Sachen Ausbildung, Erfahrung und funktionaler Technik.)

Es gibt ja am Markt wie du schreibst neuere Systeme (zb Spike), und wenn "der Westen™" wollen würde, könnte er diese auch anschaffen. Vielleicht sehen die dafür Zuständigen momentan einfach keinen Bedarf.



Der Beitrag wurde von Markus11 bearbeitet: 15. Oct 2015, 17:23
 
 
 

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Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 23. April 2024 - 18:39