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> Die AfD, Sammelthread
kato
Beitrag 1. Sep 2017, 21:29 | Beitrag #91
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ZITAT(SailorGN @ 1. Sep 2017, 18:48) *
Schaut man sich die Diskrepanz zwischen mitgliederstärksten Regionen und der Herkunft der Parteispitze an ist klar, was da losgeht.

Ermm, die Parteispitze? Wenn wir mal Fraktionsvorsitzende in Bundestag und Europaparlament nehmen, dazu die Stellvertreter, den Bundesschatzmeister und den Bundesgeschäftsführer... Eine Thüringerin, ein Mecklenburger, eine Sächsin, ein Sachsen-Anhaltiner, zwei Ostberliner als Vertreter der PDS. Da können dann ruhig als Vertreter der WASG zwei Württemberger, eine Hessin und zwei Rheinland-Preussen dazu kommen.

Die AfD hat in der Parteispitze übrigens auch - entgegen der Erwartungen mancher - bei fünf Personen drei Wessis, unter den Beisitzern etc siehts genauso aus (mit interessanterweise vielen Pfälzern und Oberpfälzern).

ZITAT(SailorGN @ 1. Sep 2017, 18:48) *
Deswegen wird zuerst in die Mitte geschaut, der rechte Rand ist nicht "umschmeichelbar" (Wahlkampf dort würde die großen Parteien automatisch in der Mitte rauskegeln und die geht im Zweifelsfall eher wählen).

Die Wählerwanderungen der diversen Landtagswahlen zeigen allerdings auf, dass die AfD ihr "relevantes" Hauptpotential allerdings nicht aus den Nichtwählern und dem rechten Rand mobilisiert, sondern proportional aus allen Parteien heraus generelle "Systemkritiker" als Protestpartei abzieht. Ohne diese würde die AfD bei unter 5% liegen und allenfalls einen Status vergleichbar der NPD in der öffentlichen Wahrnehmung haben.

ZITAT(Havoc @ 30. Aug 2017, 22:41) *
die gesamtdeutschen Entwicklungen wie im die Befreiungskriege 1813/14 und den Einigungskrieg 1870/71

Naja, solange an der Grenze zwischen Deutschland und der inzwischen aufgelösten Besatzungsmacht weiter Denkmale für '67 stehen...
 
Schwabo Elite
Beitrag 2. Sep 2017, 09:09 | Beitrag #92
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ZITAT(Almeran @ 1. Sep 2017, 16:22) *
Mein Gott, die Republikaner waren auch mal erfolgreich und sind dann schnurstracks wieder aus allen Landtagen geflogen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die AfD sich ähnlich der Linkspartei dauerhaft etablieren kann.
Warum nicht? Alle Wahlprognostiker, die ich aus den seriösen Medien so aufnehme, erwarten eigentlich seit gut 10 Jahren, dass sich in Deutschland rechts der CDU eine Partei etabliert. Lange hat die CDU es geschafft zur Not auf die CSU verweisen zu können, aber allmählich ist der Bayern-Bonus auch dahingehend aufgebraucht.

Ich halte es durchaus für realistisch, dass die AfD endemisch wird und bei dauerhaft sieben Prozent landet.


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Havoc
Beitrag 2. Sep 2017, 11:23 | Beitrag #93
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ZITAT(Schwabo Elite @ 2. Sep 2017, 09:09) *
ZITAT(Almeran @ 1. Sep 2017, 16:22) *
Mein Gott, die Republikaner waren auch mal erfolgreich und sind dann schnurstracks wieder aus allen Landtagen geflogen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die AfD sich ähnlich der Linkspartei dauerhaft etablieren kann.
Warum nicht? Alle Wahlprognostiker, die ich aus den seriösen Medien so aufnehme, erwarten eigentlich seit gut 10 Jahren, dass sich in Deutschland rechts der CDU eine Partei etabliert. Lange hat die CDU es geschafft zur Not auf die CSU verweisen zu können, aber allmählich ist der Bayern-Bonus auch dahingehend aufgebraucht.

Ich halte es durchaus für realistisch, dass die AfD endemisch wird und bei dauerhaft sieben Prozent landet.


Wenn die CDU weiter auf Merkel- Kurs bleibt, wird es sicher genug Konservative geben, welche die CDU zu sozialdemokratisch geworden ist. Ob die AFD dauerhaft im Bundestag sitzt oder zur "Mal drinnen- mal draußen" Partei wird, hängt meiner Meinung nach von drei großen Faktoren ab:
- Wenn nach 2017 die GroKo weitergeführt wird, könnte die AfD weiter die Protestwähler einsammeln.
- Wenn Merkel in der CDU keinen Generationswechsel vorbereitet, dann bricht in der Union der große Katzenjammer aus, wenn sie im Wahlkampf nicht mehr als Zugpferd funktioniert.
- Wenn sich in der AFD die Nationalisten durchsetzen, dürfte das für viele potentielle Wähler eine abschreckende Wirkung haben.

Basierend auf den Sonntagsfragen der letzten Wochen haben wir vermutlich nach der Bundestagswahl entweder die Fortführung der GroKo, Jamaika oder eine Schwarz - gelbe bzw. Schwarz- grüne Minderheitenregierung mit Duldung.
An Jamaika glaube ich nicht, das würde die Grünen zerreißen, weil deren linker Flügel auf Dauer nicht mit der FDP kann. Ich glaube, dass wenn jetzt die SPD in die Opposition geht, die AfD massiv an Stimmen einbüßen könnte.
Meine Begründung ist, dass die AfD in den Landtagswahlen mehrheitlich Stimmen von ehem. Nichtwählern, Unions- Wähler und SPD-Wähler erhalten hat. Für die Nichtwähler und SPD-Wähler die 2017 die AFD für sich mobilisieren kann, könnte bei den Bundestagswahlen 2021 eine SPD als größte Oppositionspartei (2017- 2021) die interessantere Option sein. Die Union geht wieder auf ihren rechten Flügel zu und von der AfD bleibt nur eine rechtspopulistische Dagegen-Partei übrig.
 
SailorGN
Beitrag 2. Sep 2017, 21:06 | Beitrag #94
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@Kato: Die Diskrepanz bei den Mitgliederzahlen und vor allem im Verhältnis Bevölkerung/Mitglieder liegt mehr als deutlich vor, 6:5 ist da nicht repräsentativ... Das wird so auch nach persönlicher/familiärer Erfahrung aus ExPDS/SED-Kreisen geteilt und trägt zu erheblichem Unmut an der ostdeutschen Basis bei.

Weiterhin bezog sich meine Aussage zur Mitte auf die beiden Großen, SPD/CDU. Beide können nur signifikant gewinnen, wenn sie beim anderen wildern, eben über die Thematik. Die AfD ist in dieser Hinsicht gar nicht mehr in der Lage, auf die "Mitte" zuzugreifen, das wäre über den "Professorenflügel" möglich gewesen, dieser wurde aber abgesägt. Daher können nur noch extreme Positionen, bzw. deren Befürworter und pauschale Protestwähler angesprochen werden. Letztere sind allerdings wahltaktisch für eine Partei so gewinnbringend wie Fastfood: Sie kommen zwar schnell und tlw. sogar signifikant, sind aber idR nach einer Legislatur wieder weg. Die DVU war mal protestgewählt, die Piraten haben dort auch kurz nen Zug genommen...


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General Gauder
Beitrag 2. Sep 2017, 22:09 | Beitrag #95
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In meinen Augen wird entscheident sein wie sie sich im Bundestag verkaufen werden, wenn sie immer im Gespräch bleiben und es zumindest so ausschaut als wenn sie etwas bewirken wollen kann ich mir durchaus vorstellen das sich die Partei etablieren wird.
 
kato
Beitrag 3. Sep 2017, 07:59 | Beitrag #96
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ZITAT(SailorGN @ 2. Sep 2017, 22:06) *
Weiterhin bezog sich meine Aussage zur Mitte auf die beiden Großen, SPD/CDU. Beide können nur signifikant gewinnen, wenn sie beim anderen wildern, eben über die Thematik.

Die CDU schöpft derzeit ihr Wählerpotential im Grunde voll aus.

ZITAT(SailorGN @ 2. Sep 2017, 22:06) *
Die AfD ist in dieser Hinsicht gar nicht mehr in der Lage, auf die "Mitte" zuzugreifen, das wäre über den "Professorenflügel" möglich gewesen, dieser wurde aber abgesägt. Daher können nur noch extreme Positionen, bzw. deren Befürworter und pauschale Protestwähler angesprochen werden.

Es gibt durchaus Themen, bei denen von rechts aus in der Mitte gewildert werden kann. Primär Bildungs-, Sozial- und Steuerpolitik. Allerdings fehlt da der AfD die Kompetenz und scheinbar der Wille.

ZITAT(SailorGN @ 2. Sep 2017, 22:06) *
Die Diskrepanz bei den Mitgliederzahlen und vor allem im Verhältnis Bevölkerung/Mitglieder liegt mehr als deutlich vor, 6:5 ist da nicht repräsentativ...

Die Linke hat Stand Ende 2016 in Ostdeutschland 34.263 Mitglieder, in Westdeutschland 24.647 Mitglieder. Das entspricht einem Verhältnis von 7:5.
 
SailorGN
Beitrag 3. Sep 2017, 11:13 | Beitrag #97
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Ja, die CDU war mit dem "Linksruck" ziemlich erfolgreich, dehnt damit aber auch die Zustimmung "rechter" Wählergruppen bis zum Zerreissen, wie man am "Dissens" mit der CSU sieht. Mal sehen, was heute abend so geht, aber da werden thematisch keine neuen Sachen kommen, es sei denn, Herr Schulz bringt sie vor.

Die AfD konnte unter Lucke bei der FDP klauen, das wird aber unter der jetzigen national und sozial schreienden Clique nicht gelingen. Die in dem Bereich vorhandene theoretische Kompetenz hat man ja erfolgreich mundtot gemacht, jetzt bleibt nur noch die braune Soße.

Zur Linken: Nochmal, neben dem reinen Aufwiegen der Mitglieder geht es vielen Ostlinken insbesondere um den politischen Erfolgsfaktor und um die Repräsentation der Bevölkerung. Angesischt der Einwohnerzahlen sind die westdeutschen Mitgliederzahlen extrem klein. Damit stellen sie aus Sicht mancher Ossis eben nicht eine "Arbeiter"-Partei (oder zumindest eine signifikante Repräsentation der Bevölkerung) dar, sondern eher elitäre "Quasselvereine". Letzteres wurde durch "Besuche" westdeutscher Mitglieder bei ostdeutschen Verbänden untermauert, wo irgendwelche Universitätssozialisten ehemaligen SEDlern erzählen wollten, wie der Sozialismus auszusehen hat wink.gif


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Freestyler
Beitrag 13. Sep 2017, 11:32 | Beitrag #98
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Ein interessanter Artikel in der FAZ aus Bitterfeld:
ZITAT
Wieso sind die so wütend?
Wenn die AfD es in die Nachrichten schafft, dann meistens mit schrillen Parolen über Flüchtlinge. Ist das alles? FAZ.NET hat die Rechtspopulisten in ihrer ostdeutschen Hochburg Bitterfeld-Wolfen besucht und nachgefragt.

Kay-Uwe Ziegler redet eine Stunde über die Probleme Deutschlands und nimmt dabei nicht einmal das Wort „Flüchtling“ in den Mund. Ziegler ist der Direktkandidat der AfD für den Bundestagswahlkreis 71, mitten in Sachsen-Anhalt: Bernburg, Staßfurt, Bitterfeld-Wolfen. Als die Sachsen-Anhalter 2016 ihren Landtag neu wählten, stimmten in Wolfen 31 Prozent für die AfD, in Bitterfeld waren es 33,4 Prozent.

Bitterfeld-Wolfen ist eine AfD-Hochburg in der AfD-Hochburg Sachsen-Anhalt. Ziegler fährt im Schritttempo durch die Innenstadt von Bitterfeld oder dem, was von der Innenstadt übrig geblieben ist. Als die Mauer fiel, wohnten in der Doppelstadt Bitterfeld-Wolfen 76.000 Menschen. Davon gibt es heute noch 41.000. Es ist 12 Uhr mittags, und der Marktplatz ist menschenleer.

Nach der Sachsen-Anhalt-Wahl waren Journalisten aus ganz Deutschland in Bitterfeld und wollten wissen, worauf die Menschen sauer sind. Ein Team von Spiegel-Online war da und filmte Menschen in Jogginghose, die sauer waren. Sauer auf „Neger“, auf Ausländer und auf Flüchtlinge. „Dieser Journalistin würde ich gerne mal die Meinung sagen“, brummelt Ziegler genervt, während er seinen Wagen aus der Stadt heraussteuert. Er will zeigen, worauf er sauer ist.

Ein paar Autominuten entfernt von der Innenstadt liegt ein künstlicher See. Mit 200 Millionen Euro Steuergeldern wurde hier ein alter Braunkohletagebau renaturiert. Es ist ein hübscher See geworden, die Goitzsche. Investoren haben das Gewässer zum Spottpreis von 2,9 Millionen Euro gekauft und ihre Häuser ans Ufer gebaut. Die Merckles, Gründer von Ratiopharm, haben sich große Teile des renaturierten Sees gesichert.

Was Ziegler wütend macht
Der See steht dafür, was laut Ziegler alles schief läuft in Deutschland. „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir in unserem eigenen Land noch etwas zu sagen haben“, sagt er, „und ich bin mit dem Gefühl nicht alleine. Die Leute hier sind wütend auf die Entwicklungen in unserem Land.“ Wütend auf Investoren, die sich mit ihrem Geld einfach die Premiumwohnlage in Bitterfeld sichern konnten. Wütend auf die Leute, die ihr Geld in den gigantischen Chemieparks von Bitterfeld verdienen, aber in Leipzig und Berlin ihr Geld ausgeben. Wütend auf die Chemieunternehmen, die in Bitterfeld produzieren und kaum Gewerbesteuern zahlen. Und ja, auch wütend auf die Flüchtlinge, die ihnen ungefragt „vorgesetzt wurden“. Vor ein paar Wochen war Angela Merkel in Bitterfeld. Wieder schaffte die Stadt es in die überregionalen Nachrichten, diesmal mit einem schrillen Pfeifkonzert gegen die Kanzlerin, zu dem auch die AfD aufgerufen hatte.

Ziegler versteht die Wut seiner Bitterfelder. Er selber habe nicht gepfiffen, sagt er. Ziegler wollte ein Plakat mit der Aufschrift „Die hat ja gar nichts an.“ basteln. Die anderen Protestler hätten das nicht verstanden. Es sollte eine Anspielung auf das Andersen-Märchen sein, in dem alle Untertanen dem Kaiser versichern, er wäre schön gekleidet, bis ein kleines Mädchen die Wahrheit ausspricht: „Der hat ja gar nichts an.“

„Angela Merkel leidet anscheinend unter völligem Realitätsverlust“, sagt Ziegler. Er hat ein bulliges Gesicht, ist ein großer, stämmiger Mann von 53 Jahren. Wenn er sich aufregt und in Rage gerät, dann wird er nicht ausfallend, er bleibt ruhig. Manchmal schmunzelt er sogar und schiebt ein ungläubiges „Das ist doch verrückt“ hinterher. Verrückt, das war aus seiner Sicht auch Merkels Auftritt. Ziegler erzählte die Geschichte so: Vier Tage bevor Merkel kam, habe man die Stadt geputzt, wie damals bei Honecker. Die Kanzlerin sei dann mit dem Helikopter aus Berlin eingeflogen, habe sich vom Landeplatz mit der Limousine zur Goitzsche fahren lassen – dem See den die Ratiopharm-Familie den Bitterfeldern weggekauft habe. „Die haben da den Rasen gemäht, obwohl die das Gras doch gar nicht sehen konnte. Das ist doch verrückt!“ Merkel habe dann gesprochen, in einer Sprache, die vielen hier nichts sage, und sei wieder nach Berlin entschwebt.

Vom gelobten Wohlstand kommt in Bitterfeld nicht viel an
Auch in Bitterfeld lächelt Merkel ihre Wähler von den Wahlplakaten aus an. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, heißt es darunter. Für Ziegler klingt das wie Hohn, Ausweis des Unverständnisses der „politischen Kaste“. Es gehe vielen Leuten gut in diesem Land, ja, aber die lebten nicht in Bitterfeld und auch nicht in Wolfen. Die Arbeitslosigkeit hier beträgt etwa acht Prozent. Das klinge gut, zur Jahrhundertwende waren es noch 20 Prozent. „Ist es aber nicht“, sagt Ziegler. Zu den acht Prozent zählt Ziegler noch 11,3 Prozent „Unterbeschäftigte“, Menschen in Ein-Euro-Jobs, Menschen, die Maßnahmen machen, in denen sie lernen, sich zu bewerben, und arbeitslose Menschen, die einfach älter als 58 Jahre sind. In Wirklichkeit, so rechnet Ziegler, hätte Bitterfeld wohl noch immer dieselbe Arbeitslosenquote wie vor 15 Jahren. Und keinen interessiere es, weil es dem Land super gehe.

Ziegler steigt wieder in seinen weißen Ford Galaxy und verlässt Bitterfeld. Er fährt durch die Chemieparks im Nordwesten der Stadt, alle paar Kilometer wabert ein penetranter Chemiegeruch durch den Wagen. Er fährt weiter Richtung Nordwesten, quer durch seinen Wahlkreis, vorbei an Köthen, Bernburg und Nienburg nach Staßfurt.

Staßfurt hat mit dem gleichen Problemem zu kämpfen wie Bitterfeld und Wolfen: Leerstand. Wer kann, verlässt die Stadt. Die, die geblieben sind, haben 2016 zu 32,1 Prozent die AfD gewählt. Etwa dreißig von ihnen sitzen an diesem Donnerstagabend in einem gutbürgerlichen Lokal, einem der wenigen, die es in Staßfurt noch gibt. Ziegler will sich hier mit Unterstützern unterhalten. Auf dem Parkplatz vor dem Lokal stehen ein paar AfD-Anhänger, rauchen und unterhalten sich. Einer von ihnen, ein Mann um die 50 Jahre, ist besonders gesprächig, redet jeden unumwunden an, der auf den Parkplatz hinzukommt. Er engagiere sich in der Lokalpolitik, sei parteilos, sagt er, unterstützte aber die AfD, weil sie sich für die „deutsche Souveränität“ einsetze. Er braucht nicht viele Sätze, bis er beim „Afrikanischen Ausbreitungstyp“ angekommen ist und dass der Thüringer Parteichef Björn Höcke in der Sache doch Recht habe. Ein anderer Mann, ein Rentner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wirft mehrmals ein, er wolle sein Deutschland wieder haben. Er sei letztens in Frankfurt am Main gewesen, das sei ja fürchterlich, da sehe es ja aus wie im Orient. Es wird gelacht. Endlich beginnt die Veranstaltung.

Ziegler steht im großen Saal des Lokals und spricht zu seinen Anhängern, von denen an diesem Abend kaum einer unter 50 ist. Wenn Ziegler von Merkel redet, wird höhnisch gelacht. Wenn er sagt, SPD-Arbeitsministerin Nahles habe noch nie in der wertschöpfenden Industrie gearbeitet, hallt lautstarke Empörung durch den Saal. Manche rufen rein, stellen zwischendurch Fragen. Der Rentner, der seinen Namen nicht nennen wollte, meldet sich. „Ich bin schon immer hier gewesen und will wieder sagen, dass ich stolz bin, Deutscher zu sein“, sagt er ohne erkennbaren Zusammenhang zu Zieglers Rede und erntet lauten Applaus von den anderen Besuchern.

Am Ende seiner Rede wird Ziegler nur kurz über Flüchtlinge geredet haben. Ziegler redet über die Hartz-Gesetze, über den Mindestlohn, von entrückten Politikern im fernen Berlin, von der Bundeswehr, die sich aus dem Ausland zurückziehen solle, davon, dass die anderen Parteien die AfD ausgrenzten. Ziegler gibt den Realpolitiker. Er selbst rechnet sich dem gemäßigten Flügel der AfD zu. Was so manche in der Partei von sich gäben, sei für ihn „nicht zielführend“. Namen will er öffentlich nicht nennen.

Der wunde Punkt der AfD: Rechtsextremismus
Ziegler ist fertig mit seiner Rede, genießt den Applaus, bittet um Fragen. Hinten in der Ecke saß die ganz Zeit über eine Gruppe junger Leute, beinahe unbemerkt. Eine von ihnen steht zögerlich auf, nachdem Ziegler ihr das Wort erteilt, und spricht ihn auf Rechtsextremismus an. Noch bevor Ziegler sein Mikrofon zum Mund geführt hat, gerät der Saal in Aufruhr, und die Diskussion ist beendet, bevor sie beginnt. „Es gibt keinen Rechtsextremismus“, brüllt ein Mann der jungen Frau entgegen. „NSU“, ruft sie zurück.

Lachen mischt sich mit Wut. Dass die überhaupt hierher gekommen sind, argwöhnt es aus dem Publikum. Die Gruppe junger Menschen engagiert sich in lokalen Flüchtlingsheimen. Ziegler ruft seine aufgebrachten Parteifreunde zur Raison, distanziert sich in kurzen Sätzen vom Rechtsextremismus. Warum fällt das den anderen Anhängern der AfD so schwer? Eine Antwort auf diese Frage kann an diesem Abend keiner geben.

Ist Ziegler vielleicht in der falschen Partei? Als die Mauer gefallen ist, ist er der SPD beigetreten. Aus Naivität, wie er heute sagt. Am Ende hätten sich doch nur alle um den eigenen Vorteil gesorgt. Nach einem halben Jahr war er wieder draußen. Hört man ihn so über „das System“ reden, man könnte meinen, einen Linken-Politiker vor sich zu haben. 2009 ging Zieglers Wahlkreis an die Linke. „Gucken Sie sich das an“, sagt er, während er durch Bitterfeld fährt, „20 Prozent dieser Leute werden vom System anscheinend nicht mehr gebraucht, keiner kümmert sich um sie, keiner interessiert sich für sie. Sie werden nur noch als Konsumenten benötigt.“ Warum ist er eigentlich nicht bei der Linken? „Das sind für mich unrealistische Träumer.“ Ziegler will lieber Pragmatiker sein. Er besitzt ein paar Bekleidungsgeschäfte in der Innenstadt von Bitterfeld, hat neun Mitarbeiter. Seine Tochter wohnt bei ihm, ist 15 Jahre alt und muss sich in der Schule für ihren AfD-Vater rechtfertigen, so erzählt es Ziegler, weil er unbequeme Themen anspreche. Immer wieder vergleicht er die Bundesrepublik mit der DDR, in der er groß geworden ist, in Eisleben, keine Autostunde von Bitterfeld entfernt. Er hat an der Fachhochschule studiert und 1986 seinen Abschluss als Veterinäringenieur gemacht. Veterinäringenieur, nicht Tierarzt. „Und als die Mauer gefallen ist, da gab es diesen Beruf auf einmal nicht mehr.“

Die Wut der Abgehängten
Ziegler und viele der Leute, die an dem Abend da sind, glauben, dass ein Teil der Gesellschaft sich von ihnen abgesetzt hat. Ganz real die etlichen Tausend, die aus der Region abgewandert sind und nun in den großen Städten und reichen Vororten wohnen. Oder diejenigen, die sich auf ihren Privatgrundstücken an der Goitzsche vom restlichen Bitterfeld separieren. Aber nicht nur die: „Manchmal glaube ich, die Theorie der Paralleluniversen muss stimmen“, sagt Ziegler. Die Bertelsmann-Stiftung hat vor ein paar Wochen gesagt, Muslime seien überdurchschnittlich gut integriert. „Aber ich sehe doch hier mit eigenen Augen ein anderes Bild“, sagt Ziegler fassungslos. „Wieso kommen Journalisten aus Hamburg, Berlin und Frankfurt und sagen uns, dass wir Flüchtlinge toll finden müssen und dass wir im Osten ja gar nichts über Ausländer wüssten? Wir sind doch nicht blöd!“, sagt AfD-Frau Simone Rausch nach Zieglers Rede. Auch ihr Mann und ihr Sohn sind in der AfD.

Die Wut, die an diesem Abend immer wieder hochgekocht ist, war keine, die sich nur gegen Flüchtlinge gewandt hat. Sondern auch Wut, nicht mehr gehört zu werden, nicht ernst genommen zu werden. Und dann sind da diese „Blockparteien“, die sich wie der Rest der Gesellschaft gegen die AfD zu verschworen haben scheinen. Das schweißt zusammen.

Und warum geht es bei der AfD am Ende dann doch immer wieder um die Flüchtlinge? Ziegler denkt nach, er weiß, dass das kein einfaches Thema ist. „Jahrelang haben wir immer nur gehört, dass kein Geld da ist. Nicht für Schulen, nicht für Straßen, nicht für Polizei. Für nichts. Und dann kommen da diese Migranten, und plötzlich spielt Geld keine Rolle mehr.“

Mit solchen Sätzen schaffen sie es immer wieder in die Nachrichten. Wie viele Flüchtlingsheime gibt es eigentlich in Ihrem Wahlkreis, Herr Ziegler? Ziegler denkt kurz nach. „Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht“. In der Region würde aber auch die dezentrale Unterbringung überwiegen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung
 
Madner Kami
Beitrag 13. Sep 2017, 12:12 | Beitrag #99
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Wollte die AfD nicht vor kurzem Ziegler noch abwürgen, weil er sich gegen die AfD-Landesspitze gestellt hatte oder so was? Aber egal, der Mann ist ein gutes Beispiel dafür, was die AfD hätte werden können. Der vorletzte Abschnitt zeigt allerdings auch sehr gut, warum die AfD nicht wählbar sein sollte. Warum sie trotzdem gewählt werden wird und die 10% mit einiger Wahrscheinlichkeit erreichen dürfte, zeigt der Rest des Artikels.

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 13. Sep 2017, 12:12


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Freestyler
Beitrag 13. Sep 2017, 13:35 | Beitrag #100
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Der vorletzte Abschnitt? Dass die Infrastruktur und öffentliche Gebäude marode waren, sich die etablierten Parteien nicht darum und die Sorgen der Leute gekümmert haben, und nach der Flüchtlingswelle plötzlich Geld für eben diese Flüchtlinge vorhanden, aber für die übrige Bevölkerung immer noch nicht, halte ich tatsächlich für einen logisch nachvollziehbaren Grund, die AfD zu wählen. Eigentlich hätten sich insbesondere Linke und Sozialdemokraten für diese Leute einsetzen sollen und müssen, aber damit gewinnt man keine Stimmen außerhalb dieser Region. Mit der sichtbaren und öffentlich inszenierten Aufnahme und Hilfe für Flüchtlinge in Kombination mit Warnungen vor der *ganz plötzlich erstarkten AfD" dagegen schon viel eher wink.gif
Ähnliche Berichte über die jahrelange Vernachlässigung öffentlicher Investionen vs. plötzlicher Geldregen nach Beginn der Flüchtlingswelle und den Ärger der örtlichen Bevölkerung, der sich dann gegen die Flüchtlinge richtete, gab es aus vielen Orten, insbesondere aus Ostdeutschland.
 
xena
Beitrag 13. Sep 2017, 13:52 | Beitrag #101
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Komisch, bei uns in der Gegend gab es das nicht. Hier laufen Flüchtlinge herum und keinen interessiert das. Und was sagt uns das nun? Der Osten hat ein verschlepptes Problem mit "Rechtskonservativen", das von allen ignoriert wurde und das rächt sich nun.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 13. Sep 2017, 13:52


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Madner Kami
Beitrag 13. Sep 2017, 14:22 | Beitrag #102
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ZITAT(Freestyler @ 13. Sep 2017, 14:35) *
Der vorletzte Abschnitt? Dass die Infrastruktur und öffentliche Gebäude marode waren, sich die etablierten Parteien nicht darum und die Sorgen der Leute gekümmert haben, und nach der Flüchtlingswelle plötzlich Geld für eben diese Flüchtlinge vorhanden, aber für die übrige Bevölkerung immer noch nicht, halte ich tatsächlich für einen logisch nachvollziehbaren Grund, die AfD zu wählen. Eigentlich hätten sich insbesondere Linke und Sozialdemokraten für diese Leute einsetzen sollen und müssen, aber damit gewinnt man keine Stimmen außerhalb dieser Region. Mit der sichtbaren und öffentlich inszenierten Aufnahme und Hilfe für Flüchtlinge in Kombination mit Warnungen vor der *ganz plötzlich erstarkten AfD" dagegen schon viel eher wink.gif
Ähnliche Berichte über die jahrelange Vernachlässigung öffentlicher Investionen vs. plötzlicher Geldregen nach Beginn der Flüchtlingswelle und den Ärger der örtlichen Bevölkerung, der sich dann gegen die Flüchtlinge richtete, gab es aus vielen Orten, insbesondere aus Ostdeutschland.


Abschnitt, nicht Absatz.

ZITAT
Der wunde Punkt der AfD: Rechtsextremismus
Ziegler ist fertig mit seiner Rede, genießt den Applaus, bittet um Fragen. Hinten in der Ecke saß die ganz Zeit über eine Gruppe junger Leute, beinahe unbemerkt. Eine von ihnen steht zögerlich auf, nachdem Ziegler ihr das Wort erteilt, und spricht ihn auf Rechtsextremismus an. Noch bevor Ziegler sein Mikrofon zum Mund geführt hat, gerät der Saal in Aufruhr, und die Diskussion ist beendet, bevor sie beginnt. „Es gibt keinen Rechtsextremismus“, brüllt ein Mann der jungen Frau entgegen. „NSU“, ruft sie zurück.

Lachen mischt sich mit Wut. Dass die überhaupt hierher gekommen sind, argwöhnt es aus dem Publikum. Die Gruppe junger Menschen engagiert sich in lokalen Flüchtlingsheimen. Ziegler ruft seine aufgebrachten Parteifreunde zur Raison, distanziert sich in kurzen Sätzen vom Rechtsextremismus. Warum fällt das den anderen Anhängern der AfD so schwer? Eine Antwort auf diese Frage kann an diesem Abend keiner geben.

[...]


Worauf ich mich bezog ist die letztendlich simple Feststellung, dass die AfD nach und nach zu einer Rechtsaußenpartei kollabiert ist (nicht, dass sie am Anfang sonderlich viel weiter links gestanden hätte, aber dass es immer weiter nach rechts ging und geht, ist ja augenscheinlich), bei der sich immer wieder alles um Ausländer und das Blut und Boden Volk und Vaterland dreht. Und sowieso, wie Xena bereits bemerkt, die Ausländer sind kein Problem. Klar gibt es darunter Gesichter die man meinetwegen gerne wieder auf eine Jolle ins Mittelmeer setzen und versenken kann, aber das sind die Ausnahmen und sich darüber derart zu politisieren, zeigt worum es vielen AfDlern wirklich geht. Mangelnde Investition in Infrastruktur, Bildung und Jugend sind bei vielen garnicht das politische Ziel, sondern das Vehikel um Stunk und Missmut gegen Ausländer zu verbreiten. Dahinter sammeln sich, nur logisch, viele sozial Abgehängte und hier rächt sich nun genau was man der Politik spätestens seit der Wendezeit immer wieder unter die Nase reiben muss: Das fehlende Engagement gegen Rechts. Der rechtsnationale Sumpf wurde weder in Ost noch West trocken gelegt und vielerorts sogar gezielt ignoriert, verschwiegen und sogar bestärkt, um ihn als politisches Vehikel zu nutzen. Die braune Brühe die sich daraus ergeben hat, fliegt uns jetzt allen um die Ohren.

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 13. Sep 2017, 14:24


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Luzertof
Beitrag 13. Sep 2017, 15:36 | Beitrag #103
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ZITAT(Freestyler @ 13. Sep 2017, 12:35) *
Der vorletzte Abschnitt? Dass die Infrastruktur und öffentliche Gebäude marode waren, sich die etablierten Parteien nicht darum und die Sorgen der Leute gekümmert haben, und nach der Flüchtlingswelle plötzlich Geld für eben diese Flüchtlinge vorhanden, aber für die übrige Bevölkerung immer noch nicht, halte ich tatsächlich für einen logisch nachvollziehbaren Grund, die AfD zu wählen. Eigentlich hätten sich insbesondere Linke und Sozialdemokraten für diese Leute einsetzen sollen und müssen, aber damit gewinnt man keine Stimmen außerhalb dieser Region. Mit der sichtbaren und öffentlich inszenierten Aufnahme und Hilfe für Flüchtlinge in Kombination mit Warnungen vor der *ganz plötzlich erstarkten AfD" dagegen schon viel eher wink.gif
Ähnliche Berichte über die jahrelange Vernachlässigung öffentlicher Investionen vs. plötzlicher Geldregen nach Beginn der Flüchtlingswelle und den Ärger der örtlichen Bevölkerung, der sich dann gegen die Flüchtlinge richtete, gab es aus vielen Orten, insbesondere aus Ostdeutschland.


Wenn ich müde bin, dann gehe ich schlafen und lass mich auch nicht von meiner nackten Partnerin oder einem vermeintlichen Geldgewinn am Telefon wecken.

Wenn aber während des Schlafens plötzlich die Bude brennt, dann stehe ich trotzdem auf, versuche vielleicht zu löschen, rufe die Rettungskräfte und betreibe Aktionismus.


Natürlich ist im Notfall Geld da, denn der Staat kann sich - besser als Privatpersonen - verschulden. Das ist aber nicht zwingend eine sinnvolle und gangbare Alternative, also wird das im Normalfall vermieden. Wer das nicht versteht, der ist wohl grundsätzlich Zielgruppe der AfD.
 
SailorGN
Beitrag 13. Sep 2017, 15:59 | Beitrag #104
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Die Gemengelage in div. Regionen der neuen Bundesländer ist deutlich komplexer. Man kann versuchen vieles mit "Auf dem rechten Auge blind" zu erklären, das trifft es aber nicht. Faktisch hat es keine rechte Fraktion in den neuen BL geschafft, dauerhaft politischen Einfluss zu erringen, im Gegenteil, die zerlegen sich mit schöner Regelmäßigkeit und großem Unterhaltungswert selbst. Die Nazis werden auch nicht gewählt, weil man ihnen irgendwas Besseres zutraut, sondern als reine Protestwahlen. Fakt ist, dass der Osten durch die Wende psychologisch und politisch verloren hat. Jeder Ossi mit ein bissl mehr als Bliemchengaffee im Kopf wusste, das der Staat am Boden liegt, deshalb war der Zusammenbrauch auch eine Erlösung. Aber danach kam die Marginalisierung, in quasi jeder Hinsicht und das ist ein immer noch nicht gelöstes Problem. Der Braindrain der ersten Jahre geht immer noch weiter (wer was kann geht in die nächste Stadt oder eine Metropolregion), der politische Zwangsaustausch in quasi allen Ebenen der Verwaltung und Politik hat mehr als eine Generation der "Einheimischen" von wichtigen Entscheidungsgremien abgekoppelt. Der "Deal" zwischen CDU/SPD zur Verteilung der neuen Landesregierungen hat der Verfilzung derart Vorschub geleistet, dass wirkliche Basisarbeit der Parteien ausserhalb der Linken ausfiel. Die Einführung der Arbeitslosenquote und des Wirtschaftswachstums als alleinige Kennzahlen des Erfolges hat zusammen mit der Gieskanne Aufbau Ost und der Treuhand zu Phantomstrukturen geführt, die bei Wegfall von Förderung sofort zerplatzen. Und vor allem hat niemand den Mut gehabt, den Leuten zu erzählen, dass es "Blühende Landschaften" nur auf den Landesgartenschauen geben wird: Die geplante Ostwirtschaft hat in 50 Jahren real existierenden Sozialismus ebenfalls aufgeblähte Konstrukte (Bitterfeld-Wolfen war so eins) geschaffen, die unter Marktbedingungen scheitern mussten. Vor allem im ländlichen Raum hat der Arbeiter- und Bauernstaat versucht, die Leute zu halten, für viel Geld. 50 Jahre wurden Teile der Urbanisierung, die unter Marktbedingungen natürlich abliefen, verschleppt und verzögert... um dann massiv in den 90igern einzutreten. Das hatte niemand auf dem Schirm und die Leute wundern sich jetzt, warum Mandy lieber in Hamburg irgendwas mit Medien studiert, anstatt daheim in der LPG Kühe zu melken. Die AfD und selbst ihre gemäßigten Paladine haben dafür auch keine Lösung, bzw. werden keine präsentieren, weil "Lösungen" dort wehtun: Rückgängig kann man das nicht machen, man muss eher schauen, bestimmte Regionen, die Potential haben auch aufzubauen. Das sind idR auch schon frühere Zentren, Halle/Leipzig, Dresden, Jena/Erfurt, Berlin, Rostock, Greifswald, Magdeburg.... Es hat doch Gründe, warum riesige Flächen selbst unter den Preußen nie wirklich dicht besiedelt waren und nie als Impulsgeber agierten. Zu DDR-Zeiten wurde dagegen angegangen, künstlich vergrößert und durch Lohn-/Arbeitsplatzpolitik Anreize gesetzt. Die Rechnung kam 1990.


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Warhammer
Beitrag 13. Sep 2017, 17:22 | Beitrag #105
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Um zu denken, dass es kritische Töne zum Umgang mit der Flüchtlingssituation in allen Formen und Farben nicht auch im Westen geben würde, muss man taub und blind sein.

Im Osten fällt das ganze allerdings auch noch auf ein strukturelles Bett in dem radikale Strömungen noch besser gedeihen.


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Cuga
Beitrag 13. Sep 2017, 18:18 | Beitrag #106
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Eventuell sollte man bei der Flüchtlingsthematik beachten, dass das Thema Nation und Volk außerhalb Deutschlands einen deutlich höheren Stellenwert genießen und nicht als grenzwertig betrachtet werden. Zwei der schärfsten Kritiker der Aufnahme von Flüchtlingen in meinem Bekanntenkreis waren ein Inder und ein Nigerianer, beides Politikwissenschaftler. Nichtsdestotrotz ist die Art und Weise wie in der AfD damit umgegangen wird ein kapitaler Grund sie in die Kategorie unwählbar zu verbannen. Sehr schade, wenn man bedenkt, wie es mit dem Recht sympathischen Lucke angefangen hat.


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ZITAT(Nite @ 18. Aug 2023, 23:51) *
Österreich ist wenn man den Balkan mit deutscher Bürokratie kreuzt
 
Madner Kami
Beitrag 13. Sep 2017, 18:38 | Beitrag #107
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Nation als Konzept ist mMn ohnehin ein historisch kurzlebiges Konzept in unserer gewachsenen Welt. Schon in der Zeit der Entstehung der "Nationen" war das Konzept kaum haltbar (wenngleich durchaus sinnvoll um uns dahin zu bringen, wo wir heute sind) und ist in der heutigen Zeit in einer klaren Auflösung. Sich daran festzuklammern, halte ich für einen drastischen Irrweg, denn Nationen sind in vielerlei Hinsicht heute ein Ballast statt einem Segen. Mit einem Bayern verbindet mich als Sachsen ungefähr so viel mit einem Holländer und so geht es eigentlich überall in Europa zu. Wenn die EU an etwas scheitern wird, dann ist es die Unfähigkeit die Nation in die Geschichtsbücher zu verbannen.


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Warhammer
Beitrag 13. Sep 2017, 19:06 | Beitrag #108
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Also mich verbinder mit einem Bayern mehr als mit einem Holländer. Und nun? Konglomerate aus zu unterschiedlichen Einzelregionen (zumindest ohne verbindende Zwischenebenen) sind zu beliebig, als dass das notwendige Gefühl der Zusammengehörigkeit aufkommt.

Zum Thema Flüchtlinge darf ich mich auch nicht mit meinem Türkischen Friseur oder Vietnamesischen Imbissbesitzer unterhalten. Da kriege ich rote Ohren...


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Seneca
Beitrag 13. Sep 2017, 19:55 | Beitrag #109
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Die "Tagesschau" berichtet über eine Untersuchung über die (rechtsextremen) Äußerungen/Nichtabgrenzungen von AfD Bundestagskandidaten.
ZITAT
Vier Reporter des Nachrichtenportals recherchierten in allen 16 Landeslisten der AfD sowie allen 299 Wahlkreisen. Sie prüften sämtliche Äußerungen der AfD-Bundestagskandidaten auf deren sozialen Kanälen und Internetseiten sowie weitere Äußerungen in der Presse und in Videos während der zwölf Monate vor der Bundestagswahl.
...
47 Bundestagskandidaten der AfD haben sich in den vergangenen Monaten rechtsextrem geäußert oder grenzen sich nicht von Rechtsextremen ab. Das geht aus einer Analyse aller 396 AfD-Kandidaten durch "BuzzFeed News" hervor.

https://www.tagesschau.de/inland/btw17/afd-...xtreme-101.html

Gefühlt hätte ich (nach dem Abgang von Lucke und Co.) mit einem höheren Anteil von rechtsextrem orientierten Kandidaten gerechnet. Nach der Meldung sind es knapp 12%. Meine bisherige Wahrnehmung könnte daran liegen, dass man es mit rechtsextremen Äußerungen eher in die Medien schafft.
 
xena
Beitrag 13. Sep 2017, 20:34 | Beitrag #110
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Ja, Nationen befinden sich in der Auflösung, aber nur dort wo sie von Kolonialmächten willkürlich zusammen gewürfelt wurden. Daraus jetzt eine generelle Auflösung der Nationen zu vermuten, geht doch etwas zu weit.

Es mag sein, dass nur ein Teil der AfD Parteimitglieder rechtsextrem ist, aber diese mobilisieren gefühlt den größten Mob/Anhängerschaft, während der angeblich gemäßigte Teil der AfD nur zuschaut und teilweise sogar applaudiert. Die Partei hat IMHO ein mächtiges Problem mit sich selbst.


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SailorGN
Beitrag 14. Sep 2017, 10:41 | Beitrag #111
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Nationen waren und sind wichtig, weil es keine anderen Vehikel entsprechender Größe zur Interessenvertretung gibt. Die EU ist bei allen Problemen die am weitesten fortgeschrittene postnationale Entität und selbst noch weit entfernt von der Nationenlosigkeit. Übrigens nützen Nationen nur dort, wo sie sich selbst konstituiert haben, womit die Probleme postkolonialer Staaten beschrieben werden können. Allerdings haben diese Staaten es nicht geschafft, eigene, neue/andere Konstrukte für sich zu finden. Aber das ginge zu weit an dieser Stelle.

Der gemäßigte Teil der AfD, welcher trotz ALFA und Co. noch zahlenmäßig der größte sein sollte, hat das Problem der Alternativlosigkeit (irgendwie ein sehr schönes Wortspiel). Weitere Zersplitterung bringt Bedeutungslosigkeit und zu den "Alten Parteien" können sie nicht zurück. Also bleibt man dabei, macht gute Miene zum rechten Spiel und hofft auf den politischen Selbstmord der rechten Akteure. Die Hauptursache der rechten "Überlegenheit" ist bei allen Grabenkriegen das "Führerprinzip": Die rechten Wortführer schaffen es, auf sich bezogene Gefolgschaften heranzuziehen, welche gnadenlos die eigene Sache vertreten. In dieser Vehemenz ist das für gemäßigte Politiker undenkbar, bzw. auch nicht kopierbar, weil sie dazu die Taktiken kopieren müssten. Dies wiederum wäre eine Abkehr von den eigenen gemäßigten Vorstellungen. Es fehlt den gemäßigten Kreisen ein eigenes Netzwerk, mit dessen Hilfe sie sich entsprechende Durchschlagskraft auf Parteitagen aufbauen könnten... Der größte Fehler jetzt wäre, Gegenkandidaten auf gleichem Niveau wie die üblichen Idioten aufzubauen, die werden gnadenlos vernichtet. Entweder gibts ne stille Revolution der Mehrheit oder Abstimmung mit den Füßen innerhalb der nächsten 4 Jahre aufgrund der Wirkungslosigkeit politischer Mandate.


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xena
Beitrag 14. Sep 2017, 13:26 | Beitrag #112
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Ich finde das nur eine Ausrede. Sorry. Entweder ich bin ein/e freiheitliche/r DemokratIn, oder eben nicht. Entweder man steht zu seinen Überzeugungen, oder nicht. Anscheinend haben die angeblich gemäßigten Kreise der AfD kein Rückgrat und sind somit sowieso keine Alternative für Deutschland, oder sie sind eben doch nicht die Demokraten für die sie sich ausgeben. Ich tendiere in meiner Wahrnehmung der AfD eher zu letzterem.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 14. Sep 2017, 13:26


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Beitrag 14. Sep 2017, 19:23 | Beitrag #113
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Das ist dein Blick von aussen... und damit irrelevant für deren Eigenwahrnehmung. Diese Menschen können sich trotz aller rechter Rhetorik der üblichen Verdächtigen durchaus für Demokraten halten. Wie in vielen Gruppen geht es jedoch um eine Minderheit, die den Ton angibt und der Rest folgt aus den verschiedensten Gründen. Von aussen alle in einen Topf zu werfen und kräftig einprügeln stärkt nur deren Gruppenzusammenhalt. Irgendwann merken die schon, was für eine Scheisse läuft, aber dann aussteigen? Für das Selbstbewusstsein tödlich, weil man sich eingestehen muss, dass man Scheiße gebaut hat... und das ist bei totalitär angehauchten Gruppen eh immer ein Problem. Da wird immer bis 5 nach 12 geglaubt wink.gif Neben dem bereits geschilderten Szenario gibts noch die Möglichkeit, dass die Rechten durch interne "Säuberungen" (sprich Rausmobben möglichst vieler "Gemäßigten") die eigene Breitenbasis zerstören. Anzeichen innerhalb der verschiedenen Parteiebenen gibts ja bereits.


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Beitrag 15. Sep 2017, 00:56 | Beitrag #114
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Aha, Du erzählst also aus dem Blick von innen?


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Beitrag 15. Sep 2017, 06:08 | Beitrag #115
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Ernsthaft Xena? rolleyes.gif


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Beitrag 15. Sep 2017, 13:46 | Beitrag #116
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Sorry, aber wenn jemand einem anderen vorwirft es nur von außen zu sehen und danach eine Ellen lange Erklärung kommt, wie es tatsächlich sein muss, dann vermute ich, dass er weiß wovon er redet, also Insider ist. wink.gif
Wenn nicht, hat er keinerlei Recht einem vorzuwerfen es nur von außen zu betrachten, weil er es dann auch nicht besser weiß und es auch nur von außen betrachtet. Mit solchen Vorwürfen sollte man sich also in Diskussionen zurück halten.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 15. Sep 2017, 13:48


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Beitrag 15. Sep 2017, 14:02 | Beitrag #117
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ZITAT(xena @ 15. Sep 2017, 14:46) *
Sorry, aber wenn jemand einem anderen vorwirft es nur von außen zu sehen und danach eine Ellen lange Erklärung kommt, wie es tatsächlich sein muss, dann vermute ich, dass er weiß wovon er redet, also Insider ist. wink.gif
Wenn nicht, hat er keinerlei Recht einem vorzuwerfen es nur von außen zu betrachten, weil er es dann auch nicht besser weiß und es auch nur von außen betrachtet. Mit solchen Vorwürfen sollte man sich also in Diskussionen zurück halten.


Mit der Begründung kann niemand über nichts reden.


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Beitrag 15. Sep 2017, 15:02 | Beitrag #118
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ZITAT(Madner Kami @ 13. Sep 2017, 19:38) *
Nation als Konzept ist mMn ohnehin ein historisch kurzlebiges Konzept in unserer gewachsenen Welt. Schon in der Zeit der Entstehung der "Nationen" war das Konzept kaum haltbar (wenngleich durchaus sinnvoll um uns dahin zu bringen, wo wir heute sind) und ist in der heutigen Zeit in einer klaren Auflösung.

Ich sehe das ähnlich, allerdings darf man z.B. über den Wahnsinn wie D <--> F von 1913/14 nicht hinwegblicken. Wesentlich relevanter für die Identität sind die Stadt (nur zum Teil auch das Bundesland) und die Sprache. Andererseits hat sich das Europa der Regionen bislang nicht sichtbar etablieren können, welches vor Garibaldi und dem Hambacher Fest den Kontinent prägte. Man muss sich immer vor Augen führen dass der Nationalstaat gerade einmal 200 Jahre Geschichte aufweisen kann.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. Sep 2017, 15:02
 
Madner Kami
Beitrag 15. Sep 2017, 15:48 | Beitrag #119
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ZITAT(Merowinger @ 15. Sep 2017, 16:02) *
ZITAT(Madner Kami @ 13. Sep 2017, 19:38) *
Nation als Konzept ist mMn ohnehin ein historisch kurzlebiges Konzept in unserer gewachsenen Welt. Schon in der Zeit der Entstehung der "Nationen" war das Konzept kaum haltbar (wenngleich durchaus sinnvoll um uns dahin zu bringen, wo wir heute sind) und ist in der heutigen Zeit in einer klaren Auflösung.

Ich sehe das ähnlich, allerdings darf man z.B. über den Wahnsinn wie D <--> F von 1913/14 nicht hinwegblicken. Wesentlich relevanter für die Identität sind die Stadt (nur zum Teil auch das Bundesland) und die Sprache. Andererseits hat sich das Europa der Regionen bislang nicht sichtbar etablieren können, welches vor Garibaldi und dem Hambacher Fest den Kontinent prägte. Man muss sich immer vor Augen führen dass der Nationalstaat gerade einmal 200 Jahre Geschichte aufweisen kann.


Ach genau, danke fürs dran erinnern, dazu wollte ich ja noch etwas schreiben, aber dazu in dem Absatz unten. Kriege sind nur eine logische, wenngleich nicht zwingende Folge der Abgenzung nach außen über den Begriff der Nation, denn das Konzept hat einen inhärenten Gegensatz zwischen "Uns und den anderen", der Konfliktstoff zur Verfügung stellt. Das ist natürlich nicht was ich mit "sinnvoll" meinte, falls darauf der Verweis auf die Weltkriege folgt (und eigentlich jeden Krieg in und um Europa ab Napoleon). Sinnvoll war die Nation um eine überkommene Gesellschaftsordnung zu beseitigen, die dem Fortschritt sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich im Weg stand und die entscheidend ist für die Entwicklung Europas in der gesamten industriellen Phase der Geschichte. Das "Europa der Regionen" der vornationalen Zeit war eine Katastrophe in wirtschaftlicher und auch sozialer Hinsicht, der sich nur durch die Zusammenfassung mehrerer Gebiete in größere Einheiten auflösen lies und Vereinigungsbestrebungen sind ja nun auch keine Erfindung des Industriezeitalters. Ohne die Nation als Grundgerüst ist alles was Europa wurde und heute ist und eigentlich sogar die gesamte Welt, aufgrund der Bedeutung Europas für die moderne Weltgeschichte, einfach nicht vorstellbar (im Guten wie im Schlechten, aber ich denke das Gute überwiegt).

ZITAT(xena @ 13. Sep 2017, 21:34) *
Ja, Nationen befinden sich in der Auflösung, aber nur dort wo sie von Kolonialmächten willkürlich zusammen gewürfelt wurden. Daraus jetzt eine generelle Auflösung der Nationen zu vermuten, geht doch etwas zu weit.


Zum einen ziehe ich meine Einschätzung nicht aus dem logischen Verfall der ehemaligen Kolonialgebiete und zum anderen braucht man noch nicht mal in den Nahen Osten schauen um den wortwörtlichen Zerfall der Nationen zu sehen. Man denke nur an Irland, Belgien, Spanien, Italien und auch wieder heißer als je zuvor, das Vereinigte Königreich. Worum es mir ging ist der Zerfall der Nation als Taktgeber zur Begrenzung. Klar spricht der Pole eine andere Sprache als ich und feiert andere Feste, aber bedingt durch Wirtschaft und interkulturelle Vermischung sowohl aufgrund der politischen Realität und der modernen Technologien, gibt es zwischen mir und dem Polen zunehmend weniger Unterscheide. Das gleiche in den anderen Grenzgebieten. Vor zwanzig Jahren hatten die Grenzen zwischen den Nationen in Europa noch eine faktische Trennung hergestellt, aber diese Trennung existiert für viele in der Realität garnicht mehr. Zum Beispiel nach Polen oder Tschechien einkaufen zu gehen und in Luxemburg zu tanken, ist für viele Deutsche Alltag. Schengen, Internet, verflochtene Wirtschaft, gleiche Gesetzgebung. Das alles weicht die Abgrenzung die die Nation bietet immer weiter auf und dieser Prozess wird auch weiter voranschreiten. Die Nation hat hier in Europa im zunehmenden Maße einfach keinen Zweck mehr, außerhalb von Fussballspielen.

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 15. Sep 2017, 15:51


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Styx
Beitrag 16. Sep 2017, 11:56 | Beitrag #120
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ZITAT(xena @ 13. Sep 2017, 14:52) *
Komisch, bei uns in der Gegend gab es das nicht. Hier laufen Flüchtlinge herum und keinen interessiert das. Und was sagt uns das nun? Der Osten hat ein verschlepptes Problem mit "Rechtskonservativen", das von allen ignoriert wurde und das rächt sich nun.


Genau das ist der Blick von aussen, den Sailor meinte. Die ganze Sache ist deutlich komplizierter als es von aussen aussieht und hat auch viel mit der Wende und den Jahren danach zu tun. Um das zu verstehen müsste man sich aber mal mit den Problemen befassen und mit den Leuten reden und nicht nur "Alles Nazis" schreien. Das ist allerdings viel einfacher besonders da viele Politiker und auch die Medien sich aufführen als wäre das ganze schon aufgegeben.


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Rund 550 Millionen Kleinwaffen befinden sich weltweit im Umlauf. Das ist eine Waffe für jeden zwölften Menschen auf diesem Planeten! Daher stellt sich mir die Frage: Wie können wir auch noch die anderen elf bewaffnen?  
"Yuri Orlov, Lord of War - Händler des Todes"
Wen Gott strafen will den lässt er in Afgahnistan einmarschieren. (asiat. Sprichwort)
 
 
 

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