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> Was ist Faschismus?, Ist Putin-Russland faschistisch und falls ja, wie ist damit umzugehen?
Glorfindel
Beitrag 15. May 2023, 18:22 | Beitrag #1
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Nachdem ich erneut auf den Inhalt von russischen Talkshows aufmerksam wurde, in welcher von der Ausrottung der Ukrainer die Rede ist, finde ich, wir könnten hier uns des Themas Faschismus etwas genauer annehmen:
ZITAT
RT's former Director of Broadcasting, Anton Krasovsky, talks to propagandist Akim Apachev about killing millions of Ukrainians, turning Ukrainian children into Russians and other genocidal ideas. They also touch on Bakhmut, Medvedchuk and Prigozhin.

https://twitter.com/JuliaDavisNews/status/1...7395266561?s=20

Noch aus dem Jahre 2022:
ZITAT
On Russian state TV, they discuss not only what it would take to destroy the United States, but also how many Ukrainians have to be massacred. One lawmaker came up with a figure: 2 million. No one in the studio blinked or objected—including the host, who is himself a Duma member.

https://twitter.com/JuliaDavisNews/status/1...5658257409?s=20

ZITAT(Glorfindel @ 30. Jul 2022, 09:35) *
In dem Artikel in der Haaretz wird auf Aussagen des russischen Talkmaster Solowjow verwiesen. Dieser sagte, in Russland gebe es einen patriotischen Konsens: "Erledigt diesen Naziabschaum. Wer will solchen Schmutz als Kriegsgefangener?" Dann sagt er weiter, dass Selenskyj gar kein Jude sei (Solowjow begreift sich als gläubiger Jude), sondern das pure Böse, der Teufel. Die Russen würden nicht nur gegen Nazis, sondern gegen den Teufel kämpfen. "Kämpfer der russischen Armee, tut Eure Arbeit, Brüder"

Ein anderes Mal verglich er den Krieg in der Ukraine mit einer Entwurmungskur eines Tierarztes bei einer Katze, wobei die Ukraine die Katze sei, Russland der Tierarzt und die Ukrainer die Würmer, die es zu beseitigen gibt.
http://www.whq-forum.de/invisionboard/inde...t&p=1462618
(...)


Es ist klar, dass wenn wir von Faschismus reden, wir von einem weiten Faschismusbegriff ausgehen müssen und nicht Mussolini-Italien = Faschismus. Eine der Definitionen lautet gemäss dem Faschismusforscher Roger Griffin:

ZITAT
„Faschismus ist eine politische Ideologie, deren mythischer Kern in seinen diversen Permutationen eine palingenetische Form von populistischem Ultra-Nationalismus ist.“


Mit anderen Worten: Faschismus ist eine extremistische Ideologie, die auf ultranationalistischen und populistischen Prinzipien basiert und nach einer radikalen Veränderung hin zu einer neuen Ordnung strebt aufgrund einer mythologischen Idee der revolutionären Wiedergeburt der Gemeinschaft.

ZITAT(Glorfindel @ 9. Jun 2022, 17:56) *
ZITAT(SailorGN @ 9. Jun 2022, 15:45) *
Timothy Snyder zum kolonialen Charakter des Krieges und der Rolle Deutschlands dabei: FAZ

Dem ist nix hinzuzufügen.

Sehe ich auch so. Lohnt sich sogar zu zitieren:
ZITAT
Gibt es etwas am russischen Staat, was heute nicht faschistisch ist? Hier eine Liste von Merkmalen des Faschismus, die auf Russland zutreffen:
Eins: Einparteienherrschaft.
Zwei: der Kult des Führers.
Drei: Kontrolle der Medien.
Vier: Kult des Imperiums, seiner Toten und seiner historischen Unschuld.
Fünf: Die Welt wird durch Verschwörungstheorien erklärt.
Sechs: ein Ständestaat nach dem Vorbild von Mussolinis Italien, nur noch radikaler.
Sieben: Vernichtungskrieg und Völkermord.
Acht: ein Kult des Willens und der Tat. Russlands hybride Kriegsführung, diese Kombination aus Propaganda und Gewalt, kann als Triumph des Willens über die Realität gesehen werden. Und dann natürlich die Idee vom Feind. Der Ausgangspunkt des Faschismus ist der Begriff des Feindes, und der Feind Russlands in Putins Sicht ist der Westen. So hat Carl Schmitt das definiert: Politik heißt, zu bestimmen, wer der Feind ist.

Schmitt war ein Ideologe des Nationalsozialismus.
(...)
Die westliche Idee vom Kompromiss lautet: Ich respektiere deine Interessen und du meine. Das ist mit Putin kaum möglich. Aber man kann trotzdem mit ihm verhandeln – wenn man zuvor einen Krieg gewonnen hat. Solange Putin glaubt, gewinnen zu können, ist das schwer denkbar.
(...)
Manche sagen, solche Versuche, Putins Krieg mit der Politik der Nazis zu vergleichen, liefen auf Verharmlosung des Holocausts hinaus.

Diese Hemmung macht es schwer, Faschismus heute beim Namen zu nennen und für seine Bekämpfung Verantwortung zu übernehmen. Das gilt auch für Russlands faschistischen Vernichtungskrieg in der Ukraine. Deportation war eine Methode Hitlers. Heute sind anderthalb Millionen Ukrainer deportiert worden. Das ist Völkermord. Ukrainische Kinder werden entführt, um zu Russen gemacht zu werden. Das ist Völkermord. Die Russen töten die Eliten der besetzten ukrainischen Gebiete, und auch das ist Völkermord.
(...)


Es ist schade, dass ein Teil der dt. Politiker das nicht einsehen, zumal Deutschland die Möglichkeit hätte, einmal auf der richtigen Seite und hoffentlich bzw. vermutlich auch auf der der Gewinner zu stehen. Wo ist den das Bekenntnis zu "nie wieder Krieg bzw. nie wieder Faschismus?"



Die NZZ zum Historiker Timothy Snyder, welcher sich für die Ukraine einsetzt:

ZITAT
Seine Deutung des russischen Überfalls auf die Ukraine ruht auf zwei Konzepten, die aus seiner Arbeit an «Bloodlands» stammen:

Erstens bezeichnet er den Putinismus als «schizo-faschistisch», weil die russischen Machthaber die ukrainische Regierung als «faschistische Junta» bezeichnen, aber selbst Faschisten seien.

Zweitens wirft Snyder dem Putin-Regime Völkermord in der Ukraine vor. In Snyders Sicht führt der Kreml die unterschiedlich motivierte, aber auf das gleiche Ziel ausgerichtete Aggression der Sowjetmacht und der NS-Besatzer gegen die Ukraine fort: die Vernichtung der Ukraine als einer Nation, die für sich eine eigene Staatlichkeit beansprucht.

Beide Deutungsmuster erscheinen auf den ersten Blick plausibel, halten aber einer vertieften Prüfung nicht stand: Der Putinismus ist zwar eine Diktatur, aber nicht nach faschistischem Muster. Ein zentrales Merkmal des Faschismus ist die Mobilisierung der Massen. Putin hat jedoch im Gegenteil die russische Gesellschaft in den vergangenen zwanzig Jahren depolitisiert. Heute besteht sein grösstes Dilemma darin, dass er den Menschen, die er so lange Zeit von der Politik ferngehalten hat, plötzlich erklären muss, dass sie für ihr Vaterland in die Schlacht ziehen sollen.

Auch Snyders Übertragung des Völkermordparadigmas vom Holodomor und vom Holocaust auf den heutigen Krieg schiesst über das Ziel hinaus: Es geht dem Kreml nicht um die Auslöschung des ukrainischen Volkes, sondern um die Durchsetzung eines imperialen Paradigmas, in dem Kiew zur Moskauer Kolonie werden soll. (...)

Putin wiederholt mit seinem Krieg nicht Stalins und Hitlers Verbrechen in der Ukraine. Er spielt vielmehr mit Versatzstücken aus der Geschichte und setzt sie zu einer monströsen Ideologie zusammen, die sich in absurden Widersprüchen verstrickt: Wir wollen unbedingt Frieden, darum führen wir Krieg. Wir kämpfen gegen den Westen und bombardieren deshalb ukrainische Städte. Die Ukrainer sind unsere Brüder, darum töten wir sie. Diese Wahnsinnslogik trägt die exklusiven Erkennungszeichen der Diktatur Putins.

Snyders Erklärungen für den russischen Ukraine-Krieg wirken oft überzogen. Sein Einsatz allerdings verdient Anerkennung. Wie kaum ein anderer Historiker setzt er sich für die Zukunft der Ukraine ein. (...)

https://www.nzz.ch/feuilleton/us-historiker...rieg-ld.1732921

Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine schimmert immer wieder das absolut Böse bei gewissen russischen Handlungen durch. Da spreche ich zum Beispiel vom Verhalten der russischen Truppen z.B. bei Butscha, vom Angriff auf das Theater oder auch die Geburtsklinik in Mariupol oder auch zur Rhetorik in den russischen Talkshows oder auch die Massenentführungen von Kindenr und Jugendlichen aus den besetzten Gebieten nach Russland durch die russischen Behörden. Dazu kommt die ganze Symbolik, die Reden im Moskauer Stadion, die grauenhafte Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen durch den russischen Staat, der Militarismus usw..

Wenn man das alles so sieht und hört, dann müsste einem doch Zweifel kommen, oder nicht? Wenn das nicht Faschismus ist, was ist es dann? Es ist doch offensichtlich, dass ein Teil der russischen Propganda, die Ukrainer herabwürdigt, als im Prinizip durch westliche Propganda verweichlichte Russen, die es umzuerziehen gilt oder auszumerzen. In so einer Talkshow wird vieles offen ausgesprochen, z.B. wurde gesagt, dass Böses zu tun ist, um Gutes zu erreichen. Es sei zwar Böse im Moment die Ukrainer anzugreifen und umzubringen, aber wenn dann die Überlebenden alle russifiziert seien, dann sei ein guter Zweck erreicht.

Ich selber finde es eigentlich erstaunlich, wie wenig das alles bei uns thematisiert wird. Wieso ist das so? Und müsste man da nicht viel stärker den Finger drauf haben?

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 15. May 2023, 18:33


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muckensen
Beitrag 15. May 2023, 18:56 | Beitrag #2
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ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 19:22) *
Ich selber finde es eigentlich erstaunlich, wie wenig das alles bei uns thematisiert wird. Wieso ist das so? Und müsste man da nicht viel stärker den Finger drauf haben?
Sicherlich. Ein paar Gedanken, ungeordnet:

1. Zumindest in Deutschland haben wir Hemmungen, die Länder zu kritisieren, die von unseren Vorfahren angegriffen wurden. Vielleicht geistert durch manch andere Gesellschaft auch der Irrglaube, ein Land, das unter dem Faschismus so sehr gelitten hat wie Russland, könne nicht faschistisch sein.

2. Die Anschuldigung, jemand sei ein Nazi, wird heute inflationär verwendet und hat damit ihre Schärfe verloren: Der Hirtenjunge und der Wolf. Ich wette, viele Leute würde es überraschen zu hören, dass die Forschung eine objektive Faschismusdefinition erarbeitet hat. Und sicherlich würde ein großer Teil derer, die es hören, diese Definition als Machwerk der politischen Linken abtun.

3. Der Feind meines Feindes. Auf dem europäischen Kontinent gibt es starke anti-liberale und anti-amerikanische Tendenzen. Man mag die Amerikaner nicht, also ignoriert man geflissentlich, was sich im anti-amerikanischen Lager alles an Gesindel herumtreibt. Meiner Ansicht nach ist das z.B. in Frankreich der springende Punkt.

4. Russland erfährt in Europa viel Zuspruch aus dem rechten Lager, Leute, die naturgemäß nichts davon halten, jemanden als Faschisten zu bezeichnen.

5. Die klassische Linke. Die Hufeisen-Theorie ist in meinen Augen definitiv nicht bloß ein Propaganda-Topos der Konservativen, um Rechts- und Linksradikale miteinander gleichzusetzen. Gerade in Russland selbst, wie auch in der ehemaligen DDR, hatte der real existierende Sozialismus immer einen starken nationalistischen Einschlag. Rechtsradikale Positionen – weg mit den Juden, bloß keine Ausländer, Tod den vaterlandslosen Gesellen – waren vor 1990 durchaus anschlussfähig, und sind es bei den Erben der Regimeparteien immer noch.


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ZITAT(ramke @ 13. Jan 2023, 20:09) *
Bald heisst es, Leopard Panzer werden nur geliefert wenn der Jadeaffe vor Vollmond zurück im Tempel ist.

 
Merowinger
Beitrag 15. May 2023, 19:08 | Beitrag #3
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Die Frage Faschismus ja/nein (und was das ist) wurde von der nun gefestigten Diagnose Imperialismus überholt. Das Rätselraten begann mit "was will Putin" und "wie sieht es in seinem Kopf aus".

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. May 2023, 19:12
 
Nite
Beitrag 15. May 2023, 19:09 | Beitrag #4
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ZITAT(muckensen @ 15. May 2023, 19:56) *
1. Zumindest in Deutschland haben wir Hemmungen, die Länder zu kritisieren, die von unseren Vorfahren angegriffen wurden.

Das bezieht sich allerdings nur auf Russland. Bei Polen oder Ukraine hat man in der Beziehung keinerlei Hemmungen.


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PeterPetersen
Beitrag 15. May 2023, 19:13 | Beitrag #5
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Natürlich ist das Faschismus. Ich habe es in diesem Forum und in anderen Medien schon x-fach angemerkt und sage es gerne wieder. Die aktuelle Rhetorik und leider auch manche Handlungen Russlands tragen ganz klar da faschistische Züge.

Das ist ja die Tragikomik daran. Das Land seinen Nationalstolz in erster Linie auf dem Stolz Faschismus besiegt haben aufbaut ist selbst an der Faschismus-Krankheit erkrankt und merkt es nicht, oder bevorzug es lieber diese Tatsache zu ignorieren.


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ZITAT(Almeran @ 11. Oct 2022, 11:29) *
Für alle Anwendungsfälle im "zivilen" Bereich ist eine RPG-7 doch mit einer RGW-90 etc gleichzusetzen.

 
Merowinger
Beitrag 15. May 2023, 19:19 | Beitrag #6
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Mein Resümee von vor ein paar Monaten: Faschistische Züge ja, Faschismus in Gänze nein (wir hatten das Thema bereits in der Diskussion).
ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 19:22) *
Mit anderen Worten: Faschismus ist eine extremistische Ideologie, die auf ultranationalistischen und populistischen Prinzipien basiert und nach einer radikalen Veränderung hin zu einer neuen Ordnung strebt aufgrund einer mythologischen Idee der revolutionären Wiedergeburt der Gemeinschaft.
Nach aussen will Putin eine neue Weltordnung, nach innen jedoch will er die russische Kultur bewahren so wie sie ist und "nur etwas" von nicht passenden Elementen säubern welche die "Macht" gefährden könnten. Sprich: Radikale Veränderung und Wiedergeburt mit Blick auf das eigene Staatsvolk sind nicht zutreffend bei dieser Definition.
ZITAT
Snyders Erklärungen für den russischen Ukraine-Krieg wirken oft überzogen. Sein Einsatz allerdings verdient Anerkennung.
Das sehe ich auch so.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. May 2023, 19:42
 
Sensei
Beitrag 15. May 2023, 19:33 | Beitrag #7
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ZITAT(muckensen @ 15. May 2023, 19:56) *
ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 19:22) *
Ich selber finde es eigentlich erstaunlich, wie wenig das alles bei uns thematisiert wird. Wieso ist das so? Und müsste man da nicht viel stärker den Finger drauf haben?
Sicherlich. Ein paar Gedanken, ungeordnet:

1. Zumindest in Deutschland haben wir Hemmungen, die Länder zu kritisieren, die von unseren Vorfahren angegriffen wurden. Vielleicht geistert durch manch andere Gesellschaft auch der Irrglaube, ein Land, das unter dem Faschismus so sehr gelitten hat wie Russland, könne nicht faschistisch sein.
...
5. Die klassische Linke. Die Hufeisen-Theorie ist in meinen Augen definitiv nicht bloß ein Propaganda-Topos der Konservativen, um Rechts- und Linksradikale miteinander gleichzusetzen. Gerade in Russland selbst, wie auch in der ehemaligen DDR, hatte der real existierende Sozialismus immer einen starken nationalistischen Einschlag. Rechtsradikale Positionen – weg mit den Juden, bloß keine Ausländer, Tod den vaterlandslosen Gesellen – waren vor 1990 durchaus anschlussfähig, und sind es bei den Erben der Regimeparteien immer noch.


6. Putin(ismus) wird scharf kritisiert - er ist ein Paria, ein Autokrat, ein Kriegstreiber, ein Menschenschlächter, ein einen genuzid versuchender Autokrat.

Ob man ihn jetzt Faschisten nennt oder nicht, ist da recht unerheblich.
Den Begriff Faschismus finde ich eh viel zu beliebig, um ihn sinnvoll zu deskriptiv zu verwenden.
 
Seneca
Beitrag 15. May 2023, 19:44 | Beitrag #8
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Das Putin in einer etwas weiter gefassten Definition ein Faschist ( oder Neo/ Postfaschist) ist, hat Jan Fleischhauer schon 2014 herausgearbeitet.
ZITAT
Wenn man nach historischen Referenzmarken sucht, dann ist der richtige Bezugspunkt nicht Sarajevo 1914, sondern Rom 1919. Wer sich in den Echokammern und Metaphernräumen bewegt, in denen Putin unterwegs ist, erkennt eine ganze Reihe von Topoi wieder, die auch bei der Geburt des Faschismus Pate standen. Da ist der Körperkult, die pathetische Rhetorik der Selbstbehauptung, die Abwertung des Gegners als verkommen und degeneriert, die Verachtung der Demokratie und des westlichen Parlamentarismus, der übersteigerte Nationalismus.

Er weist auch darauf hin, dass Rechtsextremisten ( heute z.B. Chrupalla) dies schon früh gewittert haben.
ZITAT
Bei den Freiheitsfeinden am rechten Rand haben sie die Witterung sehr viel früher aufgenommen. Hier hat man sofort verstanden, dass in Putin jemand zu Europa spricht, der ihre Zwangsvorstellungen und Ressentiments teilt. Putin revanchiert sich bei seinen Bewunderern, indem er sie als Verwandte im Geist anerkennt. "Was das Überdenken von Werten angeht, sehen wir in Europa denselben Prozess", sagte er in seinem Fernsehauftritt am vergangenen Donnerstag und verwies auf den "Sieg von Viktor Orban in Ungarn", den "Erfolg von Marine Le Pen in Frankreich"


Fleischhauer hat das faschistische Element in Putin schon vor 9 Jahren klar beschrieben, als große Teile der deutschen politischen Klasse noch glaubten, es ginge Putin nur um Geopolitik.

ZITAT
"Der Tod ist schrecklich, nicht wahr?", fragte Putin seine Zuschauer am Ende seines Fernsehauftritts. "Aber nein, es scheint, er kann sehr schön sein, wenn er anderen dient: der Tod für einen Freund, für ein Volk oder für das Heimatland, um ein modernes Wort zu nutzen." Das ist nicht nur ein wenig, das ist lupenreiner Faschismus.


https://www.spiegel.de/politik/ausland/puti...r-a-967115.html

Der Beitrag wurde von Seneca bearbeitet: 15. May 2023, 19:44
 
Glorfindel
Beitrag 15. May 2023, 19:46 | Beitrag #9
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ZITAT(muckensen @ 15. May 2023, 18:56) *
(...)
1. Zumindest in Deutschland haben wir Hemmungen, die Länder zu kritisieren, die von unseren Vorfahren angegriffen wurden. Vielleicht geistert durch manch andere Gesellschaft auch der Irrglaube, ein Land, das unter dem Faschismus so sehr gelitten hat wie Russland, könne nicht faschistisch sein.
(...)

Ich glaube, dass man in Deutschland
1.) für sich reklamiert, dass brutalste und einzige "richtig faschistische" System gehabt zu haben, an dessen Grausamkeut und Unmenschlichkeit niemand anderes heran kommt. Dabei wird verkannt, dass andere Regime wie z.B. Nordkorea, China während der Kulturrevolution, der Sralinismus oder Kambodscha unter den Roten Khmer "andere" genauso unbarmherzig verfolgten, wie die Nazis. Ob ich nun unter Stalin als Feind angesehen und umgebracht werde, weilbich Kulake bin, in Kambodscha weil ich eine Brille trage und oder studiert habe oder im 3. Reich, weil ich aus einer jüdischen Familie komme, spielt eigentlich keine Rolle. Es geht immer ums Gleiche: Massenmorde an zu Volksfeinden erklärten Gruppen. Klar, bei den Nazis kommt noch dazu, dass sie relativ einen Krieg entfachten, welcher halb Europa in Schutt und Asche legten. Grund dafür war, dass sie die (militärische) Macht dazu hatten.

2.) Die Deutschen sehen sich aufgrund der Vergangenheit in der Verantwortung. Damit man jedoch nicht eingreifen muss unter dem Motto "nie wieder", werden andere Völkermorde heruntergespielt. Ich mag mich noch erinnern an 1994 als argumentiert wurde, dass nur die Nazis zu industriellem, geplanten Völkermord in der Lage waren und was da die Ruander täten sei mit dem nicht vergleichen. Man wollte nicht wahrhaben, was dort passierte: ein Völkermord bei dem innert vier Monaten zirka 1 mio Menschen umgebracht (bei 8 mio Einwohner), wobei von einer als Tutsi bezeichneten Gruppe 75% - 90% umkamen. Ich muss auch sagen, dass auch in der Schweiz man diesen Völkermord verharmloste.

Bei Russland will man es halt nicht wahrhaben, dass ein Land und ein Präsident, mit dem man sich bis 2014 fast freundschaftlich verbunden fühlte, und dem man auch auf den Leim gekrochen ist und dessen wahren Kern man nicht erkannt hat (obwohl es genügend Anhaltspunkte gab), nun eine nationalistische, verbrecherische und mörderische Diktatur ist.


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Glorfindel
Beitrag 15. May 2023, 19:57 | Beitrag #10
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ZITAT
Gemeinschaft. Nach aussen will Putin eine neue Weltordnung, nach innen jedoch will er die russische Kultur bewahren so wie sie ist und "nur etwas" von nicht passenden Elementen säubern welche die "Macht" gefährden könnten. Sprich: Radikale Veränderung und Wiedergeburt mit Blick auf das eigene Staatsvolk sind nicht zutreffend bei dieser Definition.

Das sehe ich etwas anders. Klar, Putin hat Russland langsam in eine totalitäre Diktatur verwandelt, aber in den Augen von Putin muss Russland zu einer "reinen russischen Kultur" zurückkehren und die russische Kultur ist nicht nur etwas, sondern stark durch unrussische Einflüsse verdorben. Putin will niczt die russische Kultur vewahren wie sie ist, sondern wie sie in seinen Vorstellungen sein sollte (oder vielleicht einmal gewesen ist). Zudem sagt er heute auch sinngemäss: "Russland ist nicht Russland ohne die Ukraine!"

Viele, die radikale Änderungen einleiten, behaupten, sie wollten zum ursprünglichen Zustand zurück . Das war auch diel der Reformatoren: Zurück zum Urchristentum.! Dabei schuffen sie etwas Neues, Modernes.


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SailorGN
Beitrag 15. May 2023, 20:30 | Beitrag #11
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Ein genuin faschistisches Merkmal ist in meinen Augen das "Vorwärts in die Vergangenheit!", welches sowohl der italienische Faschismus als auch der deutsche Nationalsozialismus und der russische Putinismus aufweisen. Dabei will man mit den Mitteln der Moderne in die vermeintlich glorreiche Vergangenheit zurück: Mussolini, Hitler und putin haben sich der seinerzeit modernsten Mittel bedient und waren/sind sich nicht zu schade, die Methoden und Instrumente der verdorbenen Moderne anzuwenden um in eine mystisch verklärte, romantisierte Urkultur zurück zu kehren. Gerade bei Hitler und putin ist auch das rurale, bäuerliche Element, völkisch-verbrämte Halbwahrheiten und absichtlich fehlinterpretierte Erkenntnisse moderner Geschichtswissenschaften sehr stark. Gleichzeitig ist bei den beiden auch das überideologisierte ethnische Moment da, sprich die Betonung einer Rasse/Kultur, des "Volkes", wobei beide das problem haben/hatten zu definieren, wo dieses Volk anfängt und wo es aufhört. Jedoch waren/sind sich beide ziemlich sicher, wer ganz bestimmt nicht dazu gehört und geendlöst werden muss... und weder Hitler noch putin müssen dafür einen expliziten Befehl geben, es gibt/gab genug Handlanger, die das Morden erledigen...

Bei Mussolini war das antike Rom Vorbild, da war nicht mehr viel mit Wehrbauerntum, Blut und Boden... Ich sehe den italienischen Faschismus mehr als eine Protoform der späteren Formen, wobei alle ihre Eigenheiten aus den jeweiligen "Basis-Kulturen" beziehen, wo das Imperium Romanum etwas völlig anderes ist als das germanisch-slawische Bauerntum...




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Dans ce pays-ci, il est bon de tuer de temps en temps un amiral pour encourager les autres - Voltaire
Im Gegensatz zum Hirn meldet sich der Magen, wenn er leer ist.
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Deutsche Waffe mit großer Reichweite: NICHT Taurus
putins Waffe mit großer Reichweite: SPD
 
Merowinger
Beitrag 15. May 2023, 20:46 | Beitrag #12
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Putin will im Inneren keine "radikale Veränderung". Eigentlich genaugenommen das Gegenteil.
 
Nite
Beitrag 15. May 2023, 20:49 | Beitrag #13
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ZITAT(SailorGN @ 15. May 2023, 21:30) *
Ein genuin faschistisches Merkmal ist in meinen Augen das "Vorwärts in die Vergangenheit!"

Eco hat es Traditionskult und Ablehnung des Modernismus ausgedrückt:

ZITAT(Umberto Eco Ur-Fascism)
1. The first feature of Ur-Fascism is the cult of tradition. Traditionalism is of course much older than fascism. Not only was it typical of counter-revolutionary Catholic thought after the French revolution, but it was born in the late Hellenistic era, as a reaction to classical Greek rationalism. In the Mediterranean basin, people of different religions (most of them indulgently accepted by the Roman Pantheon) started dreaming of a revelation received at the dawn of human history. This revelation, according to the traditionalist mystique, had remained for a long time concealed under the veil of forgotten languages — in Egyptian hieroglyphs, in the Celtic runes, in the scrolls of the little known religions of Asia.

This new culture had to be syncretistic. Syncretism is not only, as the dictionary says, “the combination of different forms of belief or practice”; such a combination must tolerate contradictions. Each of the original messages contains a silver of wisdom, and whenever they seem to say different or incompatible things it is only because all are alluding, allegorically, to the same primeval truth.

As a consequence, there can be no advancement of learning. Truth has been already spelled out once and for all, and we can only keep interpreting its obscure message.

One has only to look at the syllabus of every fascist movement to find the major traditionalist thinkers. The Nazi gnosis was nourished by traditionalist, syncretistic, occult elements. The most influential theoretical source of the theories of the new Italian right, Julius Evola, merged the Holy Grail with The Protocols of the Elders of Zion, alchemy with the Holy Roman and Germanic Empire. The very fact that the Italian right, in order to show its open-mindedness, recently broadened its syllabus to include works by De Maistre, Guenon, and Gramsci, is a blatant proof of syncretism.

If you browse in the shelves that, in American bookstores, are labeled as New Age, you can find there even Saint Augustine who, as far as I know, was not a fascist. But combining Saint Augustine and Stonehenge — that is a symptom of Ur-Fascism.

2. Traditionalism implies the rejection of modernism. Both Fascists and Nazis worshiped technology, while traditionalist thinkers usually reject it as a negation of traditional spiritual values. However, even though Nazism was proud of its industrial achievements, its praise of modernism was only the surface of an ideology based upon Blood and Earth (Blut und Boden). The rejection of the modern world was disguised as a rebuttal of the capitalistic way of life, but it mainly concerned the rejection of the Spirit of 1789 (and of 1776, of course). The Enlightenment, the Age of Reason, is seen as the beginning of modern depravity. In this sense Ur-Fascism can be defined as irrationalism.

3. Irrationalism also depends on the cult of action for action’s sake. Action being beautiful in itself, it must be taken before, or without, any previous reflection. Thinking is a form of emasculation. Therefore culture is suspect insofar as it is identified with critical attitudes. Distrust of the intellectual world has always been a symptom of Ur-Fascism, from Goering’s alleged statement (“When I hear talk of culture I reach for my gun”) to the frequent use of such expressions as “degenerate intellectuals,” “eggheads,” “effete snobs,” “universities are a nest of reds.” The official Fascist intellectuals were mainly engaged in attacking modern culture and the liberal intelligentsia for having betrayed traditional values.

4. No syncretistic faith can withstand analytical criticism. The critical spirit makes distinctions, and to distinguish is a sign of modernism. In modern culture the scientific community praises disagreement as a way to improve knowledge. For Ur-Fascism, disagreement is treason.

5. Besides, disagreement is a sign of diversity. Ur-Fascism grows up and seeks for consensus by exploiting and exacerbating the natural fear of difference. The first appeal of a fascist or prematurely fascist movement is an appeal against the intruders. Thus Ur-Fascism is racist by definition.

6. Ur-Fascism derives from individual or social frustration. That is why one of the most typical features of the historical fascism was the appeal to a frustrated middle class, a class suffering from an economic crisis or feelings of political humiliation, and frightened by the pressure of lower social groups. In our time, when the old “proletarians” are becoming petty bourgeois (and the lumpen are largely excluded from the political scene), the fascism of tomorrow will find its audience in this new majority.

7. To people who feel deprived of a clear social identity, Ur-Fascism says that their only privilege is the most common one, to be born in the same country. This is the origin of nationalism. Besides, the only ones who can provide an identity to the nation are its enemies. Thus at the root of the Ur-Fascist psychology there is the obsession with a plot, possibly an international one. The followers must feel besieged. The easiest way to solve the plot is the appeal to xenophobia. But the plot must also come from the inside: Jews are usually the best target because they have the advantage of being at the same time inside and outside. In the U.S., a prominent instance of the plot obsession is to be found in Pat Robertson’s The New World Order, but, as we have recently seen, there are many others.

8. The followers must feel humiliated by the ostentatious wealth and force of their enemies. When I was a boy I was taught to think of Englishmen as the five-meal people. They ate more frequently than the poor but sober Italians. Jews are rich and help each other through a secret web of mutual assistance. However, the followers must be convinced that they can overwhelm the enemies. Thus, by a continuous shifting of rhetorical focus, the enemies are at the same time too strong and too weak. Fascist governments are condemned to lose wars because they are constitutionally incapable of objectively evaluating the force of the enemy.

9. For Ur-Fascism there is no struggle for life but, rather, life is lived for struggle. Thus pacifism is trafficking with the enemy. It is bad because life is permanent warfare. This, however, brings about an Armageddon complex. Since enemies have to be defeated, there must be a final battle, after which the movement will have control of the world. But such a “final solution” implies a further era of peace, a Golden Age, which contradicts the principle of permanent war. No fascist leader has ever succeeded in solving this predicament.

10. Elitism is a typical aspect of any reactionary ideology, insofar as it is fundamentally aristocratic, and aristocratic and militaristic elitism cruelly implies contempt for the weak. Ur-Fascism can only advocate a popular elitism. Every citizen belongs to the best people of the world, the members of the party are the best among the citizens, every citizen can (or ought to) become a member of the party. But there cannot be patricians without plebeians. In fact, the Leader, knowing that his power was not delegated to him democratically but was conquered by force, also knows that his force is based upon the weakness of the masses; they are so weak as to need and deserve a ruler. Since the group is hierarchically organized (according to a military model), every subordinate leader despises his own underlings, and each of them despises his inferiors. This reinforces the sense of mass elitism.

11. In such a perspective everybody is educated to become a hero. In every mythology the hero is an exceptional being, but in Ur-Fascist ideology, heroism is the norm. This cult of heroism is strictly linked with the cult of death. It is not by chance that a motto of the Falangists was Viva la Muerte (in English it should be translated as “Long Live Death!”). In non-fascist societies, the lay public is told that death is unpleasant but must be faced with dignity; believers are told that it is the painful way to reach a supernatural happiness. By contrast, the Ur-Fascist hero craves heroic death, advertised as the best reward for a heroic life. The Ur-Fascist hero is impatient to die. In his impatience, he more frequently sends other people to death.

12. Since both permanent war and heroism are difficult games to play, the Ur-Fascist transfers his will to power to sexual matters. This is the origin of machismo (which implies both disdain for women and intolerance and condemnation of nonstandard sexual habits, from chastity to homosexuality). Since even sex is a difficult game to play, the Ur-Fascist hero tends to play with weapons — doing so becomes an ersatz phallic exercise.

13. Ur-Fascism is based upon a selective populism, a qualitative populism, one might say. In a democracy, the citizens have individual rights, but the citizens in their entirety have a political impact only from a quantitative point of view — one follows the decisions of the majority. For Ur-Fascism, however, individuals as individuals have no rights, and the People is conceived as a quality, a monolithic entity expressing the Common Will. Since no large quantity of human beings can have a common will, the Leader pretends to be their interpreter. Having lost their power of delegation, citizens do not act; they are only called on to play the role of the People. Thus the People is only a theatrical fiction. To have a good instance of qualitative populism we no longer need the Piazza Venezia in Rome or the Nuremberg Stadium. There is in our future a TV or Internet populism, in which the emotional response of a selected group of citizens can be presented and accepted as the Voice of the People.

Because of its qualitative populism Ur-Fascism must be against “rotten” parliamentary governments. One of the first sentences uttered by Mussolini in the Italian parliament was “I could have transformed this deaf and gloomy place into a bivouac for my maniples” — “maniples” being a subdivision of the traditional Roman legion. As a matter of fact, he immediately found better housing for his maniples, but a little later he liquidated the parliament. Wherever a politician casts doubt on the legitimacy of a parliament because it no longer represents the Voice of the People, we can smell Ur-Fascism.

14. Ur-Fascism speaks Newspeak. Newspeak was invented by Orwell, in 1984, as the official language of Ingsoc, English Socialism. But elements of Ur-Fascism are common to different forms of dictatorship. All the Nazi or Fascist schoolbooks made use of an impoverished vocabulary, and an elementary syntax, in order to limit the instruments for complex and critical reasoning. But we must be ready to identify other kinds of Newspeak, even if they take the apparently innocent form of a popular talk show.

Umberto Eco: Ur-Fascism

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Beitrag 15. May 2023, 21:10 | Beitrag #14
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Ich bin auch der Ansicht, dass es diverse erschreckende Paralellen zwischen Putin und Hitler gibt, so glaubten beide, sie könnten unabhängig von der materiellen Stärke des Gegners, gewinnen alleine aufgrund des stärkeren Willens, welchen sie sich selbst und ihrem eigenem, einzigartigen Volk zubilligten. Sie glaubten alleine aufgrund des Willens gewinnen zu können.

Ich habe dazu ein Interview mit den Politologen Harald Müller gefunden:

ZITAT
Sie sagen, Putin sei rational. Das war Hitler in vieler Beziehung auch. Was nicht rational ist, ist die Zielsetzung, die bei beiden die gewaltsame territoriale Restauration eines verlorenen Reiches war und ist. Beide haben den Widerstand nicht einkalkuliert, die solche Ziele nach sich ziehen. Beide haben den Willen der anderen Seite in einer Reihe von Konflikten mit begrenzten Schritten getestet. Beide haben den Schluss gezogen, die Gegenseite ist nicht widerstandswillig. Sie haben sich geirrt. Diese Fehleinschätzungen waren durch den brennenden Wunsch motiviert, die eigenen Ziele zu erreichen. Um das zu erreichen, was sie wollten trafen beide Diktatoren zweckrationale Entscheidungen. Aber ihre Ziele waren unbegrenzt. Deshalb ist Putin kein Partner. Das heißt nicht, dass man nicht irgendwann einen Frieden erreichen kann, wenn beide Seiten vom Krieg erschöpft sind.

Putin hat keine rassistische Vernichtungsfantasie entwickelt und industriell umgesetzt. Aber in allem anderen vergleiche ich beide. In den weiträumigen offensiven Zielen, in der Tarnung durch Lügengespinste, in einer totalitären Propaganda im eigenen Land, im Umbau einer Demokratie in eine brutale Diktatur, in der skrupellosen Ermordung politischer Gegner und in einer brutalen, antihumanitären Kriegsführung, wie wir sie in diesem Ausmaß lange nicht gesehen haben – schon gar nicht von einer Großmacht. Von Punkt zu Punkt ist Putin von Hitler nicht verschieden. Putin ist ein Wiedergänger Hitlers. Es ist daher ein großer Fehler, die heutige Situation mit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu vergleichen, als die Regierungen vorwärts stolperten in einen Weltkrieg. Wir haben es hier mit einem kaltblütig geplanten und vorbereiteten sowie durchgeführten Vernichtungskrieg zu tun. Der richtige Vergleich ist also nicht 1914, sondern 1938/1939. Und damit sterben natürlich viele Hoffnungen. Es ist allerdings auch klar, dass ein Sieg über Putin wie bei Hitler in einem nuklearen Zeitalter nicht gehen wird. Man kann ihn stoppen, aber nicht eliminieren.


Und Timothy Snyder nochmals im SPIEGEL:

ZITAT
SPIEGEL: Sie haben Putins Russland immer wieder als faschistischen Staat bezeichnet . Der Begriff ist umstritten.

Snyder: Ich nutze ihn, weil es eine intellektuelle Tradition des russischen Faschismus gibt, von der Putin offensichtlich beeinflusst ist, etwa von dem Philosophen Iwan Iljin, den er seit fast zwanzig Jahren immer wieder in Reden zitiert, zuletzt im September. Zudem gibt es strukturelle Merkmale: Erstens steht in Russland der Wille über der Vernunft. Zweitens herrschen dort ein Kult der Gewalt und eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Recht. Drittens steht Putin als Anführer über den Institutionen – es gibt keine wirklichen Parteien, keine Nachfolgeregelung, alle Institutionen existieren nur durch oder in Bezug auf Putin. Das vierte faschistische Merkmal ist die Verbreitung von Verschwörungsmythen. Putin behauptet, der Westen wolle Russland zerstören, russische Propagandasendungen nutzen ständig eindeutig faschistische Formulierungen. Und wenn man sich anschaut, wie die russische Führung über »ukrainische Satanisten« spricht, internationales Recht ignoriert, wie sie sich anmaßt, Menschen zu deportieren, auch da zeigen sich in meinen Augen faschistische Praktiken.




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Beitrag 15. May 2023, 21:20 | Beitrag #15
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Putin führt einen Vernichtungskrieg gegen die Wahrheit, und das macht uns - der westlichen Welt - ordentlich zu schaffen. Es ist allerdings auch leichter geworden seitdem die Maske im Dezember '21 und endgültig im Februar '22 gefallen ist: Freund und Feind sind identifiziert und mittlerweile auch sortiert. Die Eliminierung der Wahrheit und die wilden Kapriolen der Propagandisten im Kreml machen es nicht leicht, die "wahre Philosophie" Putins zu erkennen. Maximale Verwirrung ist sozusagen Staatsziel, bis so ziemlich alle das normale Denken drangeben und sagen "ich bin raus, die da oben werden es schon wissen".

Nachtrag: Da ist auch ein starker religöser Aspekt verborgen - was Du nicht verstehen kannst mußt Du glauben.

Eine russische Studentin sagte mir neulich, sie hätte nie gedacht dass sie ihre Schullektüre 1984 in der Realtiät erleben würde. Es lohnt sich wahrscheinlich mehr, den Putinismus zu sezieren und zu verstehen als die sich z.T. widersprechnenden (s. oben) vielzahligen Faschismustheorien durchzudeklinieren, auch wenn dies zugegebenermassen eine historische Einordnung der Geschehnisse besser möglich macht.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. May 2023, 21:35
 
Seneca
Beitrag 15. May 2023, 21:20 | Beitrag #16
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Laut Putin ist das russische Volk etwas ganz besonderes und hat einen überlegenen genetischen Code. Zwar ganz anders entstanden als in den Theorien der Nazis, aber eben doch eine genetische , früher hätte man rassische gesagt, Besonderheit.
ZITAT
Das russische Volk ist den anderen überlegen, betonte Präsident Wladimir Putin zuletzt bei seiner Fernseh-Fragestunde vor wenigen Tagen. Russland habe wie ein Staubsauger verschiedenste Ethnien und Nationalitäten aufgesogen und so sei nicht nur ein besonderer kultureller, sondern auch genetischer Code entstanden: "Dieser genetische Code ist einer unserer Konkurrenzvorteile in der modernen Welt. Er ist sehr zäh und widerstandsfähig.

https://oe1.orf.at/artikel/372696/Putin-bau...ulturpolitik-um
 
Merowinger
Beitrag 15. May 2023, 21:27 | Beitrag #17
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Ich werte das als wenig mehr denn als Durchhalteparole und Mittel zum Zweck.
 
Nite
Beitrag 15. May 2023, 21:28 | Beitrag #18
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ZITAT(Merowinger @ 15. May 2023, 22:20) *
Es lohnt sich wahrscheinlich mehr, den Putinismus zu sezieren und zu verstehen als die sich z.T. widersprechnenden (s. oben) vielzahligen Faschismustheorien durchzudeklinieren, auch wenn dies zugegebenermassen eine historische Einordnung der Geschehnisse besser möglich macht.

Wobei der innere Widerspruch gemäss Umberto Eco zentral für den Faschismus ist, und auch und gerade der Putinismus strotzt vor inneren Widersprüchen, und das schon bevor man anfängt die Projektionen Dritter zu betrachten


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Beitrag 15. May 2023, 21:30 | Beitrag #19
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ZITAT(Nite @ 15. May 2023, 20:49) *
ZITAT(SailorGN @ 15. May 2023, 21:30) *
Ein genuin faschistisches Merkmal ist in meinen Augen das "Vorwärts in die Vergangenheit!"

Eco hat es Traditionskult und Ablehnung des Modernismus ausgedrückt:
(...)
Putins Russland erfüllt alle Punkte von Ecos Urfaschismus.


Dazu noch ein Artikel in der NZZ von Wladislaw Inosemzew:

ZITAT
Ich möchte hier versuchen, mich dem Thema aus einer theoretischen Perspektive zu nähern und auf politische Etiketten zu verzichten. Dabei gehe ich von Robert Paxtons Definition des Faschismus aus. Danach ist Faschismus «eine Form politischen Verhaltens, die durch eine obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang der eigenen Gemeinschaft, ihrer Demütigung oder Opferrolle sowie durch kompensatorische Kulte von Einheit, Stärke und Reinheit gekennzeichnet ist, in denen eine Partei nationalistischer Kämpfer, die in loser, aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten arbeitet, demokratische Freiheiten aufgibt und mit messianischer Gewalt und ohne ethische oder rechtliche Beschränkungen Ziele der internen Säuberung und externen Expansion verfolgt».

Fast jeder dieser Punkte widerspiegelt, was sich seit Jahren in Putins Russland abspielt. Man könnte auch Merkmale hinzufügen, die Umberto Eco zum Verständnis des Faschismus beigesteuert hat, wie den «Kult der Tradition» (oder des «Konservatismus»), den Umstand, dass «Uneinigkeit Verrat ist» (was sich in der Suche nach «ausländischen Agenten» niederschlägt), die «Angst vor dem Unterschied» (präsent als fixe Idee von «Stabilität»), das Vertrauen auf «Antiintellektualismus und Irrationalismus» (was in Russland zur religiösen «Erweckung» geführt hat), die «Besessenheit von einer Verschwörung» (sprich: die Einflussnahme des «untergehenden Westens»), sodann «selektiver Populismus», «Neusprech» und Lüge.

Was Putin in seiner Regentschaft reproduzierte, ist das prototypische faschistische Modell, wie es Benito Mussolini entwickelt hat – versetzt mit sozialdemokratischen Elementen, einem starken Gefühl der Grösse des verlorenen Reiches, einer korporativen Organisation der nationalen Wirtschaft und einer eher massvollen Unterdrückung des politischen Gegners. (...)

Die erste Säule des russischen Faschismus ist das Lob des Irredentismus (des Ziels also, möglichst alle Angehörigen eines «Volkes» in einem Staat zu einigen) und der Militarisierung. Beides hat Putin zu einem Kernstück seiner Ideologie gemacht. (...)

Der Kult um die gloriose Vergangenheit lieferte den allerbesten Vorwand für die militärische Aufrüstung. Daneben pflegte Putin einen Hass auf den Westen, von dem her er das Ende des Kalten Krieges als Ergebnis einer Verschwörung und eines Verrats interpretierte, die zur Niederlage und zum Untergang der Sowjetunion geführt hatten. Zuletzt behaupteten Putin und seine Getreuen gar, der Westen wolle die Russische Föderation selber demontieren und zerstören. Ebendiese Gefahr wurde als Hauptgrund für einen «präventiven» Angriff auf eine Ukraine angeführt, deren Präsident Selenski nichts weiter sei als eine russophobe Marionette Washingtons.

Die zweite Säule war die fortschreitende Etatisierung der russischen Wirtschaft. Vor einem Jahrhundert hatte Mussolini verkündet: «Der faschistische Staat beansprucht die Herrschaft auf dem Gebiet der Wirtschaft nicht weniger als auf anderen Gebieten; er entfaltet seine Wirkung in der ganzen Ausdehnung des Landes mithilfe seiner korporativen Institutionen, wobei alle wirtschaftlichen Kräfte der Nation, die in ihren jeweiligen Verbänden organisiert sind, innerhalb des Staates zirkulieren.»

Nach Emilio Gentile ist eines der wichtigsten Merkmale des Faschismus die «korporative Organisation der Wirtschaft, welche die Gewerkschaftsfreiheit unterdrückt, die Sphäre der staatlichen Intervention ausweitet und versucht, durch Technokratie und Solidarität die Zusammenarbeit der ‹produktiven Sektoren› unter der Kontrolle des Regimes zu erwirken – dies, um die gesteckten Machtziele zu erreichen, aber gleichzeitig das Privateigentum und die Klassenunterschiede zu erhalten». Auch die russische Wirtschaft ist unter Putin von Bürokraten beherrscht. Zugleich wird das Wort «Technokrat» verwendet, um die besten Köpfe der Kreml-Administration zu bezeichnen.

Drittens ist Russland unter Putin zum Land der «Vollstreckungsbehörden» geworden. In den letzten Jahren erfolgte eine zunehmende Umstrukturierung der Administration zu dem Zwecke, dem neuen Duce einen absoluten Durchgriff von Macht und Gewalt zu ermöglichen. Zu den Streitkräften, zum Innenministerium und zum Föderalen Sicherheitsdienst kam 2002 der Föderale Wachdienst hinzu. 2007 erweiterte sich der Machtapparat um das Untersuchungskomitee und 2016 um die Nationalgarde. Alle diese Entitäten werden von Putins treuesten Weggefährten geleitet und finden nicht einmal in der aktualisierten Fassung der russischen Verfassung eine Erwähnung. Im Weiteren entstanden in ganz Russland paramilitärische Einheiten – von «Privatarmeen» staatlicher Unternehmen bis hin zu «ethnischen Garden» wie jenen in Kadyrows Tschetschenien (die jetzt in den Aussenbezirken Kiews gegen die ukrainische Armee kämpfen).

Viertens dürfen hier Symbolik und Propaganda nicht unerwähnt bleiben, beides sind für faschistische Regime wesentliche Faktoren. Im heutigen Russland lassen sich sowohl eine «rechtmässige» Kodifizierung der Geschichte als auch der Versuch beobachten, alternative historische Lesarten zu verfolgen. Es gibt eine willkürliche Definition von «Extremismus» und eine willkürliche Einschränkung politischer Aktivitäten. Die wichtigsten Massenmedien unterstehen staatlicher Kontrolle. Deren populistische Rhetorik über eine «nationale Renaissance», über die «Stärke des Landes» und das «Kräftemessen mit dem Feind» hat sich von Jahr zu Jahr verstärkt.

(...) Putins Propaganda ist mit allen Wassern gewaschen und derart wirksam, dass die Russen kein Problem damit haben, wenn der Kreml-Herrscher Charkiw als «russische Stadt» bezeichnet und gleichzeitig die Bombardierungen als «Kampf gegen die Nazis» proklamiert. Im Jahr 2022 sind die durchschnittlichen Russen genauso indoktriniert und unbeleckt von Moral wie die Italiener und Deutschen in den späten dreissiger Jahren.


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Beitrag 15. May 2023, 21:42 | Beitrag #20
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ZITAT(Merowinger @ 15. May 2023, 21:20) *
(...) Es lohnt sich wahrscheinlich mehr, den Putinismus zu sezieren und zu verstehen als die sich z.T. widersprechnenden (s. oben) vielzahligen Faschismustheorien durchzudeklinieren, auch wenn dies zugegebenermassen eine historische Einordnung der Geschehnisse besser möglich macht.

Ich glaube auch, dass es sich lohnt, den Putinismus zu sezieren. Allerdings halte ich es für sinnvoll Theorien heranzuziehen und mittels Vergleich zu eruieren, wo der Putin-Russland sich von anderen autortären Systemen unterscheidet und wo es Gemeinsamkeiten gibt.

ZITAT(Seneca @ 15. May 2023, 21:20) *
Laut Putin ist das russische Volk etwas ganz besonderes und hat einen überlegenen genetischen Code. Zwar ganz anders entstanden als in den Theorien der Nazis, aber eben doch eine genetische , früher hätte man rassische gesagt, Besonderheit. (...)

Auch so ein Punkt: Putin und viele andere halten das russische Volk für überlegen und opferbereit und zäh wie kein zweites. Auf der anderen Seite besteht ein Minderwertigkeitskomplex und ein Gefühl bei Putin, gedemütigt zu sein.

ZITAT(Merowinger @ 15. May 2023, 21:27) *
Ich werte das als wenig mehr denn als Durchhalteparole und Mittel zum Zweck.

Nein. Das glaube ich nicht. Die russischen Nationalisten meinen es sehr ernst, wenn sie soetwas sagen. Die russische Führung hatte auch das Gefühl überlegen zu sein, über eine überlegene Arnee zu verfügen, so dass niemand die Russen stoppen könne.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 15. May 2023, 22:21


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Beitrag 15. May 2023, 22:19 | Beitrag #21
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ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 22:42) *
Auch so ein Punkt: Putin und viele andere halten das russische Volk für überlegen und ooferbereit und zäh wie kein zweites. Auf der anderen Seite besteht ein Minderwertigkeitskomplex und ein Gefühl bei Putin, gedemütigt zu sein.

Auch hier eine Gemeinsamkeit zum Faschismus (und NS). Überlegenheits- und Opfermythos, die Verschwörungstheorie dient dazu den eklatanten Widerspruch aufzulösen.


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Beitrag 15. May 2023, 22:30 | Beitrag #22
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ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 22:30) *
Dazu noch ein Artikel in der NZZ von Wladislaw Inosemzew
Seine Analyse überzeugt mich und deckt sich mit meinen Beobachtungen. Ich würde noch den Konformismus als Begriff hinzufügen wollen - wer anders ist fällt auf und kriegt schnell und ohne Ankündigung von irgendwem einen übergezogen. Seit mindestens 15-20 Jahren würde ich sagen, also nicht unbedingt auf Putins Mist gewachsen.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. May 2023, 22:31
 
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Beitrag 15. May 2023, 22:37 | Beitrag #23
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ZITAT(Nite @ 15. May 2023, 22:19) *
ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 22:42) *
Auch so ein Punkt: Putin und viele andere halten das russische Volk für überlegen und ooferbereit und zäh wie kein zweites. Auf der anderen Seite besteht ein Minderwertigkeitskomplex und ein Gefühl bei Putin, gedemütigt zu sein.

Auch hier eine Gemeinsamkeit zum Faschismus (und NS). Überlegenheits- und Opfermythos, die Verschwörungstheorie dient dazu den eklatanten Widerspruch aufzulösen.


Genau.

ZITAT(Glorfindel @ 20. Jul 2022, 10:26) *
Ich setze hier eine Diskussion aus dem allgemeinen Kriegs-Thread fort, aber hier passt es fast besser rein:
ZITAT(SailorGN @ 20. Jul 2022, 09:50) *
(...) Da passen auch die martialischen Talkshows ideal rein; allerdings fällt mir der inheränte Widerspruch zwischen "Entmenschlichung/Marignalisierung des Gegners" und "Notwendigkeit zur Steigerung der Opferbereitschaft" auf. Wenn der Gegner derart unterlegen ist, warum müssen dann so viele russen sterben?

Widersprüche treten doch zu Haufen auf: Wieso kämpfen die Ukrainer so verbissen, wenn sie doch gar keine Ukrainer sind? (...) wegen der Nazi-Propaganda? (...) Und die Ukrainer sollen böse Nazis sein, werden aber von einem (aus russischer Sicht drogensüchtigen) Juden mit russischer Muttersprache geführt und haben sogar ein LGBTQ-Bataillon mit Einhorn-Badge. (...) Eine schwul-jüdische Nazi-Armee kann noch gegen die reinen Russen, welche noch Werte haben, keine Chance haben. Ja, man versucht es dann damit herzuleiten, dass die Ukrainer Zombies der USA seien und von dieser aufgerüstet und radikalisiert würden.

Genau das Selbe mit dem Westen: Ist der Westen jetzt dekadent verweichlicht oder verschlagen-böse? Von wo kommt die technische und gesellschaftliche Überlegenheit des Westens? (...) Die Logik geht nicht auf, dass sich der Westen zugrunde richtet. Es sind die Russen, die einen Minderwertigkeitskomplex haben. Hier will kein vernünftiger Mensch Zustände wie in Russland, sei es im Staat oder in der Gesellschaft.

(...)

Die Russen sind in einer ähnlichen Argumentationsschwierigkeit wie die Nazis: Auch diese konnten nur schwer begründen, weshalb die eigentlich überlegenen Deutschen, in Wirklichkeit nicht überlegen waren und die Dekadenten und Minderwertigen so gefährlich.
(...)


Ich warte ja nur darauf, bis die Schuld Verrätern in den eigenen Reihen gegeben wird.


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Beitrag 15. May 2023, 22:39 | Beitrag #24
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Macht Prigoschin sehr fleissig, beinahe täglich. He is raising red flags over (at) the Kremlin. tounge.gif

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 15. May 2023, 22:48
 
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ZITAT(muckensen @ 15. May 2023, 19:56) *
ZITAT(Glorfindel @ 15. May 2023, 19:22) *
Ich selber finde es eigentlich erstaunlich, wie wenig das alles bei uns thematisiert wird. Wieso ist das so? Und müsste man da nicht viel stärker den Finger drauf haben?
Sicherlich. Ein paar Gedanken, ungeordnet:

1. Zumindest in Deutschland haben wir Hemmungen, die Länder zu kritisieren, die von unseren Vorfahren angegriffen wurden. Vielleicht geistert durch manch andere Gesellschaft auch der Irrglaube, ein Land, das unter dem Faschismus so sehr gelitten hat wie Russland, könne nicht faschistisch sein.

da dies eine weit verbreitete Argumentation/Gedanke ist, möchte ich darauf hinweisen, dass die Formulierung irreführend ist, da es Russland und die Sowjetunion gleich setzt.
vom heutigen Russland O-W- Ausdehnung ca. 6.000 km) war "nur" ein Streifen von ca. 350 km jemals deutsch besetzt.
Die heutigen Staaten Litauen, Estland, Lettland, Moldawien, Belarus und Ukraine waren zu 100% von den Deutschen besetzt. Schon daraus ergibt sich, daß die Zivilbevölkerung in diesen Gebieten stärker unter den Deutschen gelitten hat als Russland als ganzes. Bei den Opfern untern den militärischen Personal können ausser den genannten Sowjetrepubliken aus Menschen aus dem Kaukasus und den den asiatischen Sowjetrepubliken (Usbekistan, Kasachstan ...) Opfer geworden sein.
 
Nite
Beitrag 16. May 2023, 10:07 | Beitrag #26
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ZITAT(Salzgraf @ 16. May 2023, 11:02) *
da dies eine weit verbreitete Argumentation/Gedanke ist, möchte ich darauf hinweisen, dass die Formulierung irreführend ist, da es Russland und die Sowjetunion gleich setzt.
vom heutigen Russland O-W- Ausdehnung ca. 6.000 km) war "nur" ein Streifen von ca. 350 km jemals deutsch besetzt.

Ich denke das ist muckensen klar und er bezieht sich auf die deutsche Wahrnehmung die hier von den Fakten abweicht. In Deutschland spricht man landläufig immer noch vom "Russlandfeldzug", hört allerorten dass "Opa in Russland war" (völlig unabhängig davon wo er tatsächlich eingesetzt war) und daraus abgeleitet hält sich die Mär von Russland als "das Land das am meisten unter den Nazis gelitten hat".


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Slavomir
Beitrag 16. May 2023, 10:35 | Beitrag #27
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ZITAT(PeterPetersen @ 15. May 2023, 20:13) *
Das ist ja die Tragikomik daran. Das Land seinen Nationalstolz in erster Linie auf dem Stolz Faschismus besiegt haben aufbaut ist selbst an der Faschismus-Krankheit erkrankt und merkt es nicht, oder bevorzug es lieber diese Tatsache zu ignorieren.

Wie der russische Schriftsteller Jewgenij Schwarz in seiner Drama "Drache" geschrieben hat: Der Drachentöter wird selber zum Drachen.

Interessanterweise ist der Regiseur, der das Buch genial verfilmt hat, jetzt ein überzeugter Z-Patriot.
 
Glorfindel
Beitrag 16. May 2023, 10:59 | Beitrag #28
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ZITAT(Slavomir @ 16. May 2023, 10:35) *
(...)
Interessanterweise ist der Regisseur, der das Buch genial verfilmt hat, jetzt ein überzeugter Z-Patriot.

Irrst Du Dich da nicht? Das Buch wurde doch von Mark Sacharow verfilmt und der Stand 1. Putin wohl eher kritisch gegenüber und 2. hat er den Ukrainekrieg nicht mehr erlebt.


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Beitrag 16. May 2023, 11:21 | Beitrag #29
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ZITAT(Nite @ 16. May 2023, 11:07) *
ZITAT(Salzgraf @ 16. May 2023, 11:02) *
da dies eine weit verbreitete Argumentation/Gedanke ist, möchte ich darauf hinweisen, dass die Formulierung irreführend ist, da es Russland und die Sowjetunion gleich setzt.
vom heutigen Russland O-W- Ausdehnung ca. 6.000 km) war "nur" ein Streifen von ca. 350 km jemals deutsch besetzt.

Ich denke das ist muckensen klar und er bezieht sich auf die deutsche Wahrnehmung die hier von den Fakten abweicht. In Deutschland spricht man landläufig immer noch vom "Russlandfeldzug", hört allerorten dass "Opa in Russland war" (völlig unabhängig davon wo er tatsächlich eingesetzt war) und daraus abgeleitet hält sich die Mär von Russland als "das Land das am meisten unter den Nazis gelitten hat".


Es sei vielleicht auch erwähnt, dass ich nicht glaube, dass Russen irgendwas östlich des Urals wirklich als "Russland" im engeren Sinne verstehen. Das ist vielleicht russisches Gebiet, aber nicht Russland. Der "350km Streifen" ist dementsprechend psychologisch sehr anders zu betrachten.

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 16. May 2023, 11:22


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Beitrag 16. May 2023, 11:47 | Beitrag #30
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ZITAT(Madner Kami @ 16. May 2023, 12:21) *
Es sei vielleicht auch erwähnt, dass ich nicht glaube, dass Russen irgendwas östlich des Urals wirklich als "Russland" im engeren Sinne verstehen.

Das tun sie eben schon, da die Trennung zwischen Imperium und Nation in Russland nie existierte oder zumindest klar definiert war, anders als das beispielsweise in England und Frankreich der Fall war (zugegeben, durch die räumliche Trennung der Kolonien vom Mutterland war die Sache hier wesentlich einfacher).

Ein russische Perspektive dazu:
ZITAT
IS RUSSIA A NATION STATE OR AN EMPIRE?

What is Russia today? Is it a nation or an empire? It is certainly not an empire. This status is bygone. Nor is it a nation state, because in the current Russian realities it is impossible to build a nation state. The lack of political involvement constitutes a problem. A civic nation’s inalienable feature is democracy. There where is no democracy, no civic nation is possible. Russia is not even a federation in its genuine sense, because this type of the state system implies the existence of regional political actors possessing a high degree of autonomy. For the time being there are none and there are no reasons to expect any of them to emerge soon.

Between the nation and the empire there lies the term ‘civilization.’ A civilization state, as Patriarch Kirill says, is the sole term that incorporates ethnic identity, in other words, the prevalence of the Russian cultural element, and, on the other hand, tolerance towards other cultures.

Globalaffairs.ru

Weiter unten folgt allerdings:
ZITAT
Russia is an empire without clearly defined borders. If our peripheral territories and those who cooperate with them are kept from drifting apart, degrading and breaking up into segments and get consolidated instead, the economy will start working, too. Any empire has its own stages of expansion and consolidation. Apparently, Russia is now going through the consolidation phase.

Russia is obliged to play the role of an empire. Just one look at the Caucasus indicates that it is forced to act there like an empire. We may or may not like it, but we are forced to act like an empire both inside and outside the country. In the Russian Empire Russians were not the main ethnos. The empire ruled the diversity that was at its disposal. A certain kind of multi-culturalism was always inherent in the empire. In the Caucasus, for instance, the method of military-popular government was used with great success. The local peoples were allowed to be ruled in accordance with their own adats (sets of local and traditional laws), provided they always remembered that there was one emperor above them all. The current developments in the Chechen Republic are in fact a replica of that military-popular government.


Der Beitrag wurde von Nite bearbeitet: 16. May 2023, 11:55


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#flapjackmafia #GuaranaAntarctica #arrr #PyramidHoneyTruther
 
 
 

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