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> Nutzt die deutsche Justiz Formen von Folter?
Nutzt die deutsche Justiz Formen von Folter?
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casual3rdparty
Beitrag 27. Sep 2015, 22:58 | Beitrag #1
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Nutzt die deutsche Justiz Formen von Folter?

Ich weiss nicht, ob man diese Frage hier stellen sollte. Das soll keine Unterstellung irgendwelcher Art sein, aber nach meinem Eindruck sind einige hier eher mit praktischen Problemen von Kräften beschäftigt, die in erster Linie verantwortlich sind für das aufrecht Erhalten oder Wiederherstellen einer gewissen staatlichen Ordnung.
Eher akademische Fragen der Ethik, die sich schnell in den Wirren theoretischer Tiefen abendlicher studentischer Diskussionen verirren könnten, sind hier vielleicht nicht unbedingt sinnvoll.
Aber ich habs mal versucht.

Nutzt die deutsche Justiz Formen von Folter?

Relativ bekannt ist ja, dass die CIA nach 9/11 Gefangene, aufgegriffen teilweise in völkerrechtlich illegalen Konflikten oder unter anderen fragwürdigen Umständen, zur eingehenderen, intensiveren Befragung in Geheimgefängnisse verbündeter Staaten im Ausland verbrachte.
Diese Gefängnisse und deren Methoden hält man heute einhellig für Instrumente der Folter.
Die CIA hatte diese Aktionen nur ausgelagert, um sich selbst nicht direkt dem Vorwurf der Folter aussetzen zu müssen.

Jetzt gabs kürzlich zwei Fälle in den Medien, die mich zum Nachdenken brachten, ob die deutsche Justiz nicht ähnlich kreative Methoden anwendet:

Eine Frau ist untergetaucht. Nach langer Fahndung und aufwändigen Ermittlungen, auch bei Aktenzeichen-XY, hielt man sie für das Opfer eines unaufgeklärten Mordes und ließ sie für tot erklären.
Später gestand dann ein Häftling den Mord an der Frau.
Die Frau tauchte lebendig wieder auf. Das Mordgeständnis des Häftlings muss offensichtlich falsch gewesen sein.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/dues...-a-1054608.html

Jetzt gibts noch den Fall eines Kindermörders. Nach dem Tod eines Kindes konnte dem Hauptverdächtigen nichts nachgewiesen werden.
Ein späterer Mord an einem Kind konnte ihm allerdings nachgewiesen werden, jedenfalls wurde er dafür zu lebenslanger Haft verurteilt.
In Haft gesteht der verurteilte Mörder dann Mitgefangenen auch den ersten Mord und unterschreibt sogar ein Geständnis. Den Mithäftlingen wurden für diese Leistungen Vergünstigungen versprochen.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/jeni...-a-1054441.html

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Justiz bestimmte fähige Mithäftlinge, etwa körperlich kräftig und eher gewaltbereit, mit Verdächtigen in eine Zelle zusammenlegt und dann diesen Vergünstigungen verspricht, wenn sie den Verdächtigen in intensiven, peinlichen Befragungen Geständnisse entlocken können.
Der modus operandi scheint kaum anders zu sein, als die Methoden der CIA, die die Folter auch an Dritte delegiert hatte.

Immerhin hat der Häftling ein Geständnis unterschrieben und auch Inhaltlich geschildert, das ist erwiesen, da nach diesen neuen Informationen die Leiche des Kindes gefunden werden konnte, ohne dass irgendeine Person zugegen gewesen wäre, die für solche Situationen geschult gewesen wäre. Es war nicht nur kein Polizist, kein Ermittler, kein Justizangehöriger oder gar ein Anwalt zugegen, es gab auch keine Bild oder Tonaufnahmen, die heute gerne für solche Situationen vorhanden sein sollten. Niemand weiß, wie dieses Geständnis zustande gekommen ist. Deswegen müssen die beiden Mithäftlinge das Papier nun auch noch vor Gericht bezeugen.
Ich finde das ganze schon sehr fragwürdig und zudem frage ich mich, ob das nicht längst Methode hat.

Das ist eine Umfrage, also was denkt ihr?


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xena
Beitrag 28. Sep 2015, 00:36 | Beitrag #2
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Folter ist sicherlich nicht das Problem. Wenn, dann eher die zweifelhaft beschafften Beweise. Beweise sind in Deutschland Beweise, egal wie sie herbeigeschafft wurden, solange man es nicht übertreibt.

Die Praxis der extrem langen Untersuchungshaft ist auch so ein Unding in D. Selbst wenn man unschuldig ist, ist das Leben eh verpfuscht, weil alles weg ist, alles was man sich angeschafft hat, die Wohnung, das Ansehen im eigenen Umfeld... Zwei Jahre U-Haft sind keine Seltenheit und gehen nicht spurlos vorbei. Die Entschädigung ist lächerlich. Einerseits muss die Entschädigung wesentlich steigen, andererseits müssen U-Inhaftierte schnellstens vor Gericht und wenn es nicht reicht, dann gehört er wieder in die Freiheit.


http://www.sueddeutsche.de/panorama/unschu...aesst-1.1456053

http://www.taz.de/!5160032/


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Wodka
Beitrag 28. Sep 2015, 11:38 | Beitrag #3
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ZITAT(xena @ 28. Sep 2015, 01:36) *
Folter ist sicherlich nicht das Problem. Wenn, dann eher die zweifelhaft beschafften Beweise. Beweise sind in Deutschland Beweise, egal wie sie herbeigeschafft wurden, solange man es nicht übertreibt.

Die Praxis der extrem langen Untersuchungshaft ist auch so ein Unding in D. Selbst wenn man unschuldig ist, ist das Leben eh verpfuscht, weil alles weg ist, alles was man sich angeschafft hat, die Wohnung, das Ansehen im eigenen Umfeld... Zwei Jahre U-Haft sind keine Seltenheit und gehen nicht spurlos vorbei. Die Entschädigung ist lächerlich. Einerseits muss die Entschädigung wesentlich steigen, andererseits müssen U-Inhaftierte schnellstens vor Gericht und wenn es nicht reicht, dann gehört er wieder in die Freiheit.


http://www.sueddeutsche.de/panorama/unschu...aesst-1.1456053

http://www.taz.de/!5160032/



Kachelmann ist kein "Justizopfer", sondern vielleicht das Opfer einer Falschaussage. Letztlich wurde er nicht verurteilt und kam frühzeitig aus der U-Haft, da keine Fluchtgefahr bestand.

Zur Kritik an der deutschen Justiz. Natürlich foltert die deutsche Justiz nicht, denn das würde bedeuten, dass ein Richter das Foltern anordnet. Damit verkennt der Fragesteller bereits die Gewaltenteilung in Deutschland. Für Folter ist nach der Gewaltenteilung die Exekutive zuständig. Der Kriminalhauptkommissar Pusemuckel, der dem Beschuldigten eine Backpfeife verpasst, gehört nicht zur Justiz. Haut Pusemuckel dem Beschuldigten in die Fresse, dann hat das eine Reihe von sehr unangenehmen Folgen für die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen (und noch unangenehmere für die Karriere von Pusemuckel).

ZITAT
§ 136a StPO
Verbotene Vernehmungsmethoden; Beweisverwertungsverbote

(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.

(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.

(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.


Auch der Trick Häftlinge gezielt in eine Zelle zu verlegen, damit sie den schweigenden Beschuldigten aushorchen fällt unter § 136a StPO (vgl. hierzu nur BGHSt 44, 129.).


Zum Thema zu lange U-Haft:

ZITAT
§ 121 StPO
Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.


Haftsachen sind beschleunigt zu bearbeiten und haben Vorrang vor anderen Verfahren, kommt es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen, dann wird das zuständige Oberlandesgericht den Haftbefehl nach 6 Monaten aufheben und ja die machen das auch.



Edit: Zitat richtig verlinkt.

Der Beitrag wurde von Wodka bearbeitet: 28. Sep 2015, 11:56


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