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> Bunkerbau im 2. Weltkrieg
ramke
Beitrag 20. Nov 2020, 10:31 | Beitrag #1
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Hallo Forenkameraden,

ich arbeite für ein sehr namhaften deutschen Rohstofflieferanten im Zement und Zuschlagstoffbereich und habe mir die Frage gestellt, inwiefern der Bunkerbau im 2. Weltkrieg vonstatten ging. Leider kann ich in unserem Konzern dazu wenig finden, zumal viele Kleine Betonlieferanten im Laufe der letzten 80 Jahre zu größeren Verschmolzen sind.

Speziell Frage ich mich, inwiefern die Logistik von Sand/Kies und Zement vonstatten ging, um befestigte Bunkeranlagen (wie z.B. Westwall oder die Bunker in der Normandie) innerhalb kurzer Zeit mit den Mitteln aus den 40er Jahren hochzuziehen.

Hat jemand Ahnung, wo ich gute Lektüre darüber finden kann? Ich stelle mir dabei folgende Fragen, über die der ein oder andere hier sicherlich Infos hat.

- Welche Unternehmen haben wie viel Zement, Sand und Kies pro Kriegsjahr geliefert. Gibt es da eine Statistik drüber?
- Welche Unternehmen haben besagte Rohstoffe abgebaut und wurden dafür Zwangsarbeiter in den Steinbrüchen genutzt?
- Wie steht es um die Festigkeit/Qualität des Betons der 40er Jahre im Vergleich zum heutigen Standard Beton C20/25. Viele Bunker sind ja auch nach fast 80 Jahren sehr gut erhalten
- Wie wurde vor Ort so ein Bunker überhaupt gebaut - wurde da eine große Schalung Stück für Stück hochgezogen, mit Stahl gefüllt und dann Beton eingefüllt? Und wurde der Beton direkt vor Ort angerührt?
- Wurde dafür die Pio. Truppe vor Ort beauftragt, zivile Unternehmen aus dem besetzten Gebiet oder der RAD?

Bonusfrage: Wieviel Beton ging in so einen Artilleriebeobachtungs Bunker in der Normandie? Wie viel in einen Flakturm in z.B. Hamburg?

Für mich klingt das alles nach Kraut-Space Magic, trotz totalem Krieg so mächtige Bunker aufzuziehen inkl. Logistik. Vor allem mit den damaligen Mitteln, ohne kräftige Betonpumpe, befestigte Straßen usw.

Kleines Fun Fact Video: https://www.youtube.com/watch?v=oEL3K45yWUw&t=2m7s wie man in den 40ern noch mit recht primitiven Mitteln große Mörtelmassen angerührt hat.

Der Beitrag wurde von ramke bearbeitet: 20. Nov 2020, 10:48


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K-JAG
Beitrag 20. Nov 2020, 11:31 | Beitrag #2
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Ich glaube die Meisten Informationen wirst du finden wenn von der Organisation Todt anfängst zu suchen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_Todt

Vieleicht findest du auch über folgendes Forum etwas.

https://www.forum-marinearchiv.de

Gruß K-Jag
 
kato
Beitrag 20. Nov 2020, 11:37 | Beitrag #3
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ZITAT(ramke @ 20. Nov 2020, 11:31) *
- Welche Unternehmen haben besagte Rohstoffe abgebaut und wurden dafür Zwangsarbeiter in den Steinbrüchen genutzt?

Steinbrüche waren ähnlich wie die Zementindustrie und die restliche Industrie großteils kartellisiert (u.a. Arbeitsgemeinschaft Westdeusche Steinindustrie, Deutscher Zementverband). Sind halt nur nicht so bekannt wie im Vergleich etwa die IG Farben, und außerhalb von Bundesarchiv etc dürfte der Großteil jeglicher Unterlagen '45 im Ofen gelandet sein.

In franzöischen Foren finden sich zum Teil Aufstellungen über deutsche Firmen, die für Bauten der Operation Todt insbesondere beim Atlantikwall spezifische Baugewerke erstellten (Brunnen-, Straßen-, Stahlbau, Gas-/Elektroinstallation).

Vor allem zwischen ca 1940 and 1942 wurden durch Unternehmen der Kartelle primär "Zivilarbeiter" und teilweise Kriegsgefangene eingesetzt, ab 1943 dann Zwangsarbeiter aus dem Osten. Bei den "Zivilarbeitern" handelte es sich um in den besetzten Westgebieten angeworbene Arbeiter, denen bei der Annahme dieser Arbeit oft keine Wahl gelassen wurde und die in Barackenlagern untergebracht wurden. Auch die Operation Todt selbst - die die Bunker baute - setzte überwiegend solche Zivilarbeiter ein, um 1943/44 bestand 95% des Arbeiterbestands der OT aus nicht-deutschen Zivilarbeitern, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.

Thematisch muss man das etwas abgrenzen von den durch die SS betriebenen Steinbrüchen, für die Konzentrationslager angelegt wurden (insbesondere z.B. Mauthausen). Diese produzierten überwiegend Granit für "Prachtbauten", nicht Rohstoffe für Betonbauten.

ZITAT(ramke @ 20. Nov 2020, 11:31) *
- Welche Unternehmen haben wie viel Zement, Sand und Kies pro Kriegsjahr geliefert. Gibt es da eine Statistik drüber?

Die Zementindustrie gehört heute bekanntermassen überwiegend zu einem Konzern. In den durch deren Firmenmuseum veröffentlicheten Publikationen finden sich aussagekräftige Zahlen für jedes einzelne Werk. Generell mit dem Hinweis, dass zur Aufrechterhaltung dieser Produktion (die oft unter der Vorkriegsmenge lag) auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.

ZITAT(ramke @ 20. Nov 2020, 11:31) *
Bonusfrage: Wieviel Beton ging in so einen Artilleriebeobachtungs Bunker in der Normandie? Wie viel in einen Flakturm in z.B. Hamburg?

Rechne mal im Bereich ab 750 m² für nen kleinen Standardbunker am Westwall bis rauf zu >75.000 m² für extravagantere Flaktürme.

Der Beitrag wurde von kato bearbeitet: 20. Nov 2020, 11:41
 
ramke
Beitrag 20. Nov 2020, 12:16 | Beitrag #4
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In besagtem Konzern arbeite ich, allerdings in der Betonsparte. Die PDFs aus dem HC Museum kenne ich bereits aus früheren Tagen und hatte ich jetzt nicht mehr so sehr auf dem Schirm. Über das Zementwerk welches mir den meisten Zement liefert und auch im selben Ort ist wie ich wohne findet sich folgendes:

"Am 1. April 1945 besetzten amerikanische Kampftruppen die Stadt. Danach kamen sämtliche Zementwerke durch Sperrung des Kraftstroms schlagartig für einige Monate zum Erliegen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage der Zementwerke ohnehin katastrophal. Während sie 1939 noch 440.000 t Zement pro Jahr herstellten, schrumpfte die Produktion im Jahr 1945 auf 55.000 t. "

Ich weiß aber nicht, wie viel von dieser Menge von 440.000 t in den Ausbau von Bunkeranlagen etc lief. Ich versuche das halt größenmäßig einzuordnen, da die Menge an Tonnen Cement ja auch erstmal quer durchs Land gefahren werden muss.

Würde man es auf heute Übertragen, wären das ca 100 Betonmischer. Vergleicht man das mit den Mischern die ein weit weit kleineres Ladevolumen von früher haben, ist das schon ne krasse Hausnummer was da für einen kleinen Betonbunker geleistet wurde. Besagter Flakturm mit 75.000 und mehr grenzt ja schon an Wahnsinn, wenn das mit den Möglichkeiten aus diesen Tagen hochgezogen wurde. Und da Beton bekannterweise nicht wartet, ist son Bunkerbau schon ne stramm durchorganisierte Sache.


Organisation Todt könnte mir sicherlich einiges an Infos bringen. Habs kurz überflogen und lesenswert, was da an Manpower organisiert wurde.

Zu der Sache mit den Zwangsarbeitern, speziell auf mein Werk bezogen:

Es wurde von etwa 60 Mitarbeitern nach dem Krieg namentlich bezeugt, dass die Firma Milke sich grundsätzlich nicht um die Auffassungen der Betriebsangehörigen zu politischen, rassischen oder religiösen Fragen kümmerte.
„Trotz der Grösse des Unternehmens wurden keine Werkscharen und Stosstrupps gebildet, keine politischen Versammlungen besucht oder hierzu aufgefordert, selbst an den öffentlichen Kundgebungen zum 1.5. wurde nie teilgenommen. Die Aufforderungen zur Beteiligung am Leistungskampf der deutschen Betriebe, zur Abgabe von Leistungs- und Monatsberichten wurden einfach ignoriert.“ – so in einem anderen Bericht.

Um solche Schritte zu wagen, musste Hermann Milke sein politisches Umfeld und die Entscheidungsträger bestens kennen und er bewies dabei eine äußerst geschickte Verhandlungsfähigkeit und ein diplomatisch-politisches Fingerspitzengefühl. Dass er so eine „passive
Resistenz“ bis zum Ende des Kriegs durchsetzen konnte, verdankte er sicherlich auch seinem hohen Ansehen in den Branchen Straßenbau und Baustoffindustrie.“

Der Beitrag wurde von ramke bearbeitet: 20. Nov 2020, 12:22


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Ta152
Beitrag 20. Nov 2020, 12:37 | Beitrag #5
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ZITAT(ramke @ 20. Nov 2020, 10:31) *
< snip > inkl. Logistik. Vor allem mit den damaligen Mitteln, ohne kräftige Betonpumpe, befestigte Straßen usw.
< snip >


Man hat sehr häufig Feldbahnen verwendet um die Logistik sicherzustellen.


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xena
Beitrag 20. Nov 2020, 15:06 | Beitrag #6
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Transportbeton gab es damals recht wenig und wenn, dann sehr werksnah. Es wurde viel vor Ort angemischt und auf Grossbaustellen sowieso. Da hat man Silos und grosse Mischer aufgestellt und los gelegt. Die Eisen mussten immer durchgehen eingelegt werden, bzw so weit heraus stehen, dass genug Anbindungslaenge fuer eine statische Festigkeit bleibt, sonst macht es keinen Sinn. Bei grossen Mengen muss sowieso der Beton schichtweise eingefuellt und geruettelt werden. Zu grosse Mengen lassen sich nicht gut ruetteln. Wenn zu wenig geruettelt wird, gibt es zu viele und zu grosse Kiesnester, was die statische Festigkeit mindert und auch der Korrosion des Eisens zutraeglich ist, was wiederum die Statik mindert. Man hat anscheinend sauber gearbeitet, sonst wuerden die Bunker nicht so gut da stehen. Transportiert wurde damals extrem viel per Bahn. Ueber groessere Strecken sowieso. In Frankreich, denke ich, wird man auch franzoesische Zementwerke fuer den Bau der U-Bootbunker eingespannt haben.

Zu knapp duerfte der Zement ueber den ganzen Krieg nicht gewesen sein. Ich hatte Bauantraege noch von 1944 auf dem Tisch. Es wurde also auch durch den Krieg hindurch noch privat gebaut und dafuer gab es noch genug Zement. Mag aber auch regional unterschiedlich gewesen sein.

Kurz nach dem Krieg haben die Amis die Deutschen Archive durchstoebert und allerlei Statistiken der Deutschen Wirtschaft und vor allem Kriegswirtschaft aufgestellt, die es vor einiger Zeit mal kompakt zu kaufen gab. Ich kann mal da rum blaettern und gucken ob ich was belastbares finde, wenn ich die Zeit finde...


PS: habe mal auf schweizer Rechtschreibung umgestellt, weil das kann doch kein Mensch lesen... biggrin.gif

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 20. Nov 2020, 15:16


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Schon seit 20 Jahren: Waffen der Welt
 
Ta152
Beitrag 20. Nov 2020, 18:11 | Beitrag #7
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Hier ein paar bewegte Bilder vom Bau. Interessant vermutlich vor allem Minute 2
https://www.youtube.com/watch?v=X6RY84Lq3gc


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Gepard B2L
Beitrag 23. Nov 2020, 12:49 | Beitrag #8
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ZITAT(ramke @ 20. Nov 2020, 10:31) *
Hallo Forenkameraden,


Bonusfrage: Wieviel Beton ging in so einen Artilleriebeobachtungs Bunker in der Normandie? Wie viel in einen Flakturm in z.B. Hamburg?


Nur, um mal eine gewisse Relation zu schaffen:

Für einen Bunker vom Typ Regelbau 1 (etwa 8 x 6m, 6 Mann Besatzung, 1 MG) im Bereich Westwall wurden 169 m³ Beton bei einer Wand- und Deckenstärke von 1,5 m verarbeitet.


 
 
 

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Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 29. March 2024 - 09:15