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> Panzertaktik / Einsatzdoktrin im Ukrainekrieg
Tankman
Beitrag 2. Aug 2022, 15:30 | Beitrag #1
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Im Ukrainekrieg sehen wir auf beiden Seiten erhebliche Unterschiede in der Einsatztaktik gepanzerter / mechanisierter Verbände zwischen dem wie es im Lehrbuch steht
und der tatsächlichen Einsatzweise. Vom modernen hochmobilen Gefecht bis hin zum seit dem 2. WK klassischen Vorgehensweisen wie z.B. dem tiefen Eindringen von Panzerspitzen
in den gegnerischen Raum waren nur am Anfang des Kriegs Ansätze erkennbar. Wir sehen nun statischen Einsatz von MBT, z.T. in der Rolle als Artillerie, Sturmgeschütz usw,
was teilweise an die Anfangsphase des 2. WK erinnert, wo man noch nicht recht wusste, wie man KPZ am besten einsetzt.


Die Fragen lauten:

Warum ist das so?
Lassen sich daraus allgemeine Schlüsse für die Zukunft ziehen?
Muss man Einsatzgrundsätze aufgrund technischer Entwicklungen abändern?
Welche Fehler machen beide Seiten / welchen Zwängen unterliegen sie beim Panzereinsatz?

(In Teilen wurde das schon im Hauptbeitrag "Russischer Krieg in der Ukraine" andiskutiert, aber es ist -denke ich- einen eigenen Thread wert.)
 
Glorfindel
Beitrag 2. Aug 2022, 16:31 | Beitrag #2
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Der Einsatz von Kampfpanzern, sowohl im Häuser und Ortskampf, wie auch in der Verteidigung, entspricht imho durchaus der Doktrin. Sowohl die Russen wie auch die Ukrainer führen ein Gefecht der Verbundenen Waffen, mit dem Einsatz von mechanisierten Verbänden und der Unterstützung von viel Artillerie.

Überbautes Gelände begünstigt die Verteidiger. Der Angreifer kann es umgehen und versuchen einzunehmen. Der Anfang des Krieges war imho davon geprägt, dass die Russen vermutlich rasch an den Dnepr vorstossen wollten und im Süden sicher auch an den Dnjestr. Aufgrund dessen, dass sie viele grössere Ortschaften nicht einnehmen konnten, und im Bereich nördlich von Kiev auch in sehr ungünstigem Gelände angriffen (keine Möglichkeiten neben die Strasse zu gehen infolge sumpfigem Gelände) und auch des Umstandes, dass die Ukrainer überall Truppen hatten (insbesondere auch die Territorialverteidigung), ist es ihnen nicht gelungen, ihre ursprünglichen Ziele zu erreichen. Im Osten, aber auch im Süden, verteidigen die Ukrainer in der Tiefe ("Defence in Depth"), d.h. nicht alle Truppen stehen an der Front, sondern die Verteidigung der Ukrainer ist in die Tiefe gestaffelt. Damit wird versucht die Russen abzunutzen (was vermutlich mehrheitlich auch gelingt) und den inneren Schwung des Angriffes zu brechen. Die Russen versuchen die Verteidigung mittels Artillerie aufzubrechen. Wenn die Ukrainer Gelände nicht mehr halten können, dann lassen sie sich zurückfallen auf neue Verteidigungsstellungen.

Warum ist das so?
Ich meine zum Teil aufgrund des Geländes, der ukrainischen Taktik und des zu geringen Mittelansatzes der Russen.
Lassen sich daraus allgemeine Schlüsse für die Zukunft ziehen?
Muss man Einsatzgrundsätze aufgrund technischer Entwicklungen abändern?
Ich meine im Moment nicht. Man sollte sich einfach an die Einsatzgrundsätze halten.
Welche Fehler machen beide Seiten / welchen Zwängen unterliegen sie beim Panzereinsatz?
- Bei den Russen ist die mangelnde Zusammenarbeit von Kampfpanzern und Infanterie zu nennen. In schwierigem Gelände, insbesondere aber in überbauten Gelände, sind die Kampfpanzer alleine gegen verteidigende Infanterie hilflos. Es kam immer wieder vor, dass russische Kampfpanzer oder überhaupt russische Fahrzeuge, in Ortschaften reingefahren sind, ohne Begleitinfanterie, und dann von hinten oder von der Seite zusammengeschossen wurde. Das Zusammenspiel von abgesessener Infanterie und Kampfpanzern muss verbessert werden. Die Ukrainer sind imho im Moment (noch?) materiell und quantitativ zu schwach, um die Russen in einem Panzerkrieg zu verwickeln.
- Meiner Meinung nach fehlt den Russen sodann weitgehend eine angemessene Feuerunterstützung mittels Close Air Support und auch gelenkter Artillerie. Stattdessen setzen sie auf Feuerwalzenmethode, TOS-1 und ähnliches.
- Im Weiteren sehe ich den Kräfteansatz der Russen kritisch. Wir haben eine riesige Front und es wird da schwierig ein Schwergewicht zu bilden. Im Moment ist es so, dass die Russen im Osten, im Donbass, ganz langsam vorankommen, ansonsten aber nicht kaum. Wahrscheinlich sind auch die russischen Kräfte überdehnt.
- Schliesslich muss man sich fragen, ob das Denken in BTG's wirklich zielführend ist und nicht zu klein räumig und ob die russische Armee überhaupt in der Lage ist, z.B. mit einer Panzerarmee einen koordinierten und konzentrierten Angriff zu fahren.



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Tankman
Beitrag 2. Aug 2022, 16:50 | Beitrag #3
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Danke Glorfindel!

Da ich in allen Punkten mitgehen kann möchte ich mir nur einen zur näheren Betrachtung rauspicken und eine weitere Frage stellen.

Ist das Denken in BTG zielführend?

Ich glaube, das es ein sehr modernes und zielführendes Konzept ist, bei denen man die Mittel in einer kleineren Einheit bündelt,
welche sonst nur in einer OMG oder Brigade vereint waren. Es ähnelt ein wenig der Armored Cavalery der USA, die auch in einer kleinen Einheit
die Fähigkeiten einer Brigade wiedergespiegelt haben. Das kann sehr effektiv sein, aber man braucht die richtigen Soldaten (vorallem gute Unteroffiziere), Ausbildung und Technik und noch wichtiger: die richtige Taktik dafür. Und genau das haben die Russen alles nicht.
Sie würden mit Ihrer klassischen Doktrin besser fahren.

Wenn das gut gemacht ist, kann man sehr schnelle Entscheidungszyklen erzielen und rasant schnell Gefechte führen ohne dauernde Abstimmung mit "oben".
Dafür ist aber die russische Armee der denkbar schlechteste Apparat.

Zum Anwendungsfall Ukraine bzw. zur Anwendung von BTG in Großkonflikten:
BTG sind aus meiner Ansicht sehr sehr gut für kleine Konflikte oder als Spezialverband, der unabhängige Aufgaben erfüllt (Aufklärung / Verzögerungsgefecht mit maximaler Wirkung und schnellem Absetzen vom Feind). Das geht in dieser Spielart nur als kompakte Einheit.
Wenn es um die Einnahme von Städten oder das durchstoßen ganzer Fronten geht, ist die BTG wieder auf genaue Koordination mit
weiterer Ari und Nachbarverbänden angewiesen und dafür ist sie nicht gemacht.


Frage an alle:
Welche Rolle spielt die Durchsättigung mit Panzerabwehrhandwaffen bis ATGM für die mechanisierten Kräfte und kann man
diesem Problem mit klassischen Einsatzkonzepten beikommen?

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 2. Aug 2022, 16:52
 
xena
Beitrag 2. Aug 2022, 17:11 | Beitrag #4
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Hinsichtlich der Russen sind wir immer noch zu sehr vom Kalten Krieg und dessen Doktrin geprägt. Die heutige Struktur hat aber mit der damaligen kaum noch was zu tun und die damalige Kriegsführung ist heute mit dieser Battlegroup Struktur nicht mehr möglich. Das hat auch damit zu tun, dass der Russe nicht mehr Auge in Auge mit der NATO an einer heißen Grenze steht. Die Wahrscheinlichkeit einen, wenn auch zu Anfang, konventionellen Krieg gegen die NATO tendiert gegen Null, deswegen auch die geänderte Struktur. Die Battle Group Struktur passt aber gut für die Niederschlagung von Konflikten mit den ex sowjetischen Republiken. Tschetschenien war der Prototyp der Kriegsführung der Russen gegen abtrünnige Republiken. In der Ukraine machen die Russen das gleiche wie damals in Tschetschenien und später auch in Syrien. Panzer werden nun als Unterstützung der Infanterie genutzt und man terrorisiert das Volk, indem man Stück für Stück wahllos Teile der Infrastruktur heraus schießt und Wohngebiete immer wieder ab und zu beschießt. Der Panzer ist da auch ein Teil davon, der direkt oder indirekt beteiligt ist. Es werden eben alle Rohre verwendet, die man hat. Der Panzer war schon immer ein Multifunktionsgerät. Gegen Panzer wenn welche da waren, ansonsten gegen Infanterie und Befestigungen.

Im Westen hat sich in der Vorstellung das Bild des duellierenden Panzer festgefressen, weil wir einer schieren Übermacht von Panzern gegenüber standen und der Hauptjob unserer Panzer war nun mal sowjetische Panzer aufzuhalten. Es war nicht in unserm Szenario den Osten zu überfallen und deren Städte einzunehmen. Bei uns ging es immer nur darum andere Panzer auszuschalten.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 2. Aug 2022, 17:15


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Glorfindel
Beitrag 2. Aug 2022, 17:22 | Beitrag #5
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ZITAT(xena @ 2. Aug 2022, 17:11) *
Hinsichtlich der Russen sind wir immer noch zu sehr vom Kalten Krieg und dessen Doktrin geprägt. Die heutige Struktur hat aber mit der damaligen kaum noch was zu tun und die damalige Kriegsführung ist heute mit dieser Battlegroup Struktur nicht mehr möglich. Das hat auch damit zu tun, dass der Russe nicht mehr Auge in Auge mit der NATO an einer heißen Grenze steht. Die Wahrscheinlichkeit einen, wenn auch zu Anfang, konventionellen Krieg gegen die NATO tendiert gegen Null, deswegen auch die geänderte Struktur. (...)

Zumindest ist die heutige Struktur ein Abklatsch der sowjetischen Armee, inklusive deren Material oder Material, dass noch auf der Technologie der 1970er und 1980er Jahre basiert. Aber einverstanden, es fehlt die Masse und es fehlt wohl auch die Vollständigkeit (ausgedünnte Orbat, z.T. fehlende Logistik usw.).

ZITAT
Im Westen hat sich in der Vorstellung das Bild des duellierenden Panzer festgefressen, weil wir einer schieren Übermacht von Panzern gegenüber standen und der Hauptjob unserer Panzer war nun mal sowjetische Panzer aufzuhalten. Es war nicht in unserm Szenario den Osten zu überfallen und deren Städte einzunehmen. Bei uns ging es immer nur darum andere Panzer auszuschalten.

Und dann hat sich halt auch das Bild der Panzerschlachten von 1991 eingebrennt. Diese fanden aber sehr oft in der Wüste statt und mit eher wenig bebauten Gelände.


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Madner Kami
Beitrag 2. Aug 2022, 18:17 | Beitrag #6
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BTG scheinen für mich der Versuch zu sein, eine komplexe Armee im kleinen wiederzugeben. Für einen ausgewachsenen Krieg wo man punktuell viele Mittel braucht, ist das aber der denkbar schlechteste Ansatz, denn auch hier gilt: Viele Köche verderben den Brei. Statt eine Armee auf ein Ziel vorrücken zu lassen, hat man X Armeechen die den gleichen Krieg führen und vom Prinzip her, sogar jedes Armeechen seinen eigenen kleinen Krieg führt (mal vorausgesetzt, dass die Führungsoffiziere auch wirklich in "Auftragstaktik" denken und führen könnten, aber alleine daran scheitert es bei den Russen ja schon). Das kann nur funktionieren, wenn die BTGs sehr gut vernetzt sind und sich gegenseitig zuarbeiten, aber genau das können die Russen nicht. Stattdessen haben sie, so wie ich es verstehe, ihre BTGs komplett von einem mehrschichtigen Zentralkommando abhängig gemacht, das jede Bewegung absegnet oder sogar überhaupt erst selbstständig plant und diesen Plan dann von den BTGs ausführen lässt. Was halt völliger Schwachsinn ist.
Anders ausgedrückt haben sie hundert kleine eigenständige Armeen erzeugt aber trotzdem nur einen Kommandostab der für alles verantwortlich ist. Man versucht die Quadratur des Kreises. Zwei fundamental gegensätzliche, ja nachgerade widersprüchliche militärorganisatorische Systeme sollen zusammen zu einem guten Ergebnis führen. Das kann nicht funktionieren. Wenn ein Zentralkommando alles plant und befiehlt, dann braucht man keine BTGs. Wenn ich meine Armeen "agil" und vor allem flexibel miteinander arbeiten lassen möchte, dann kann ich von den Kommandanten der BTGs nicht erwarten, dass sie erst auf den Befehl warten durch die Lücke in der Front zu stoßen und auf Dünnkirchen vorzurücken, wenn ich dieses nicht ganz passende aber als angedachtes Ergebnis erscheinende Ereignis mal als Beispiel bringen darf.

Alleine an diesem Widerspruch scheitert ja der ganze russische Vorstoß schon und die unterentwickelte Logistik, unzureichende Luftunterstützung und die viel zu wenigen "Boots on the Ground" per BTG tun dann ihr übriges und versalzen die Suppe dann völlig. Beim Versuch eine weniger komplexe Armee aufzubauen, habe sie die Komplexität der Armee weiter erhöht...

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 2. Aug 2022, 18:23


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Sensei
Beitrag 2. Aug 2022, 18:52 | Beitrag #7
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Die wesentlichen Punkte hat wohl Glorfindel schon alle im 2. Post genannt.
Hier gibt es keine revolutionär neuen Erkenntnisse in diesem Konflikt.

Zum Herausstreichen aber noch einzelne Hervorhebungen von mir:

- Bedeutung von Führung (hierarchisch), und Kommunikation (horizontal UND vertikal)!

Ein dynamischer Kampf der verbundenen Waffen kann ohne moderne, ungestörte, abhörsichere Kommunikationsmittel- und Verfahren nicht funktionieren!
Gerade auch die ganze taktische Luftkampagne krankt draunter (und unter fehlenden Aufklärungsmitteln. Wenn die Su-25 die Ziele per Fernglas aufklären muss ... aber anderes Thema)

- tendenziell stärkere Durchsetzung der Front mit Aufkärungsmitteln (nicht ganz neu, aber Drohnentechnologie kommt langsam richtig in der Front an)

- tendenziell stärkere Durchsetzung der Front mit ATGM

- in der Verteidigung ist der einfache Schützengraben immer noch von hoher Bedeutung.

last, but not least:

- Der derzeit mit Abstand stärkste Gegner der NATO ist längst nicht so stark wie erwartet. Dafür aber deutlich konfliktbereiter und unberechenbarer als gedacht.
 
Slavomir
Beitrag 2. Aug 2022, 21:38 | Beitrag #8
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ZITAT(xena @ 2. Aug 2022, 18:11) *
Hinsichtlich der Russen sind wir immer noch zu sehr vom Kalten Krieg und dessen Doktrin geprägt. Die heutige Struktur hat aber mit der damaligen kaum noch was zu tun

Doch, schon. Aber wenn auch die Struktur etwas abweicht, sind die Führung, Kommandostruktur und die Philosophie praktisch dieselben.
Sie haben versucht nach 2008 davon abzukehren, haben aber auf immensen Wiederstand in allen Ebenen gestoßen, weil "old school", "die Großväter haben die Nazis besiegt", aber eher weil das gane System sehr inert und vor allem arbeitsscheu ist.

Die Erfolge 2014-2015 waren die letzten "Zuckungen" der Reformen und die Armee ist mittlerweile von dem Mindset auf dem Niveau von 2000.
 
SailorGN
Beitrag 3. Aug 2022, 10:02 | Beitrag #9
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Das Problem liegt im Workload bei "selbstständigen" verbänden, die ihren gesamten Support mitschleppen. Da ist es grundsätzlich erstmal egal, ob BTG, Brigade oder Division. Bei Division und Brigade klappt es "im Westen" deshalb besser, weil man die Arbeitslast auf mehr Schultern im Stab verteilen kann. Arbeitslast meint hier neben dem Befehlen und dem Alltagsbetrieb vor allem das Filtern/Aufbereiten von Infos und das Anwenden von Knowhow auf die Infos. Damit bekommt der jeweilige Kdr von seinen Spezialisten "mundgerecht" aufbereitete Infos und Vorschläge, die er dann zu "Gesamtentscheidungen" zusammenfügt. Eine BTG als "ad hoc" Formation hat keinen Stab und wenn dochh keinen eingespielten. Westliche Armeen haben eine grundsätzlich bessere Arbeitsteilung und Möglichkeit zur Spezialisierung bereits auf niedriger Ebene (Uffz/FW), womit Arbeitslasten besser verteilt und Aufträge professioneller abgearbeitet werden können.

Dieser Trend wird sich auch weiter verstärken, da neue "Warfare-Areas" auch auf niedrigen taktischen Ebenen eine Rolle spielen (EloKa, Drohnen, Cyber). Gerade bei den Panzern sieht man es jetzt besonders deutlich: Diese sind "Hochwertziele", gleichzeitig haben sie eine große Signatur auf dem Schlachtfeld. Sie werden schneller aufgeklärt als Infanterie und bevorzugt mit Hightech bekämpft. Gleichzeitig sind MBT als Plattformen in der Lage, fast alle anderen Gefechtsteilnehmer in Sichtweite effektiv zu bekämpfen. Ich sehe es als Marinemensch so, dass hochwertige Gefechtsfahrzeuge wie MBT und SPZ noch mehr zu Mehrzweckplattformen werden MÜSSEN, um ihre Dominanz zu behalten. Das bedeutet, sie müssen sich neben den "traditionellen" Gefechtsrollen auch in den neuen "Warfare-Areas" behaupten oder mindestens verteidigen können. Da wir vom Gefecht der verbundenen Waffen ausgehen muss ein MBT nicht alles können, bspw. kann die aktive Drohnenabwehr durch SPZ mit MK durchgeführt werden. Allerdings sollte im Bereich des passiven Schutzes und der passiven Sensorik der MBT aufgrund seiner physikalischen Voraussetzungen (Leistung, Größe/Masse/Volumen) ein Fähigkeitsträger werden...


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Stefan Kotsch
Beitrag 3. Aug 2022, 11:00 | Beitrag #10
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ZITAT
Eine BTG als "ad hoc" Formation hat keinen Stab und wenn doch, keinen eingespielten.

Das tragende Btl. bringt die Grundstruktur des Stabes bereits mit. Die unterstellten Führer gliedern sich ein. Das ist schon immer geübte Praxis.
Ich vermute eher, dieser Stab sieht sich (traditionsgemäß) als 1:1-Transformator des Gefechtsbefehls des vorgesetzten Kommandeurs, mit allen daraus folgenden Limits. Sein Wille geschehe, egal was die BTG denkt. Die russische Gesellschaft funktioniert doch genauso.

Der Beitrag wurde von Stefan Kotsch bearbeitet: 3. Aug 2022, 11:01
 
SailorGN
Beitrag 3. Aug 2022, 11:29 | Beitrag #11
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Naja, aber ein Bat-Stab ist für die Größe und vor allem die Supportelemente doch zu klein. Dazu ist es doch sinnbefreit, wenn bspw. der Batterieführer der unterstellten GRAD eine Stabsrolle einnimmt und die Batterie "führungslos" ist. In der BW würde ich ja dem dienstältesten "Unterführer" dann unterstellen, dass er das Ding wuppen kann, aber nicht bei den russen, die sowieso ein Führungsproblem haben.

Und wenn die BTG dann eh nur der Arm der Brigade/Division ist, warum baut man die Brigade/Div nicht gleich so auf, zumal man in den dortigen Stäben bereits die entsprechenden Stellvertreter hat....? Das ergibt alles keinen Sinn, nicht mal für russen.


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Glorfindel
Beitrag 3. Aug 2022, 11:37 | Beitrag #12
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ZITAT(Stefan Kotsch @ 3. Aug 2022, 11:00) *
(...)
Ich vermute eher, dieser Stab sieht sich (traditionsgemäß) als 1:1-Transformator des Gefechtsbefehls des vorgesetzten Kommandeurs, mit allen daraus folgenden Limits. Sein Wille geschehe, egal was die BTG denkt. Die russische Gesellschaft funktioniert doch genauso.

Das. Die BTG verfügt über einen nach westlichen Massstäben rudimentären Stab, der aber wohl in der Regel keine eigene Entschlussfassung durchführt, sondern die Befehle der Stufe Regiment bzw. Brigade umsetzt, wo die Planung stattfindet, und ansonsten wohl möglichst nach SOP funktioniert


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Beitrag 3. Aug 2022, 12:01 | Beitrag #13
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Gemäß sowj. /russ. Lehre führt der BtlStab eine reguläre Entschlussfassung durch. Das gilt sogar für die KpChefs.
Der Haken dabei ist der, dass kein oder nur extrem wenig Raum für eigene Ausgestaltung gegeben ist. Strenge Kommandotaktik halt. Sozusagen ein Entschluss ohne eigene Ideen. hmpf.gif
 
Glorfindel
Beitrag 3. Aug 2022, 12:21 | Beitrag #14
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ZITAT(Stefan Kotsch @ 3. Aug 2022, 12:01) *
(...) Strenge Kommandotaktik halt. Sozusagen ein Entschluss ohne eigene Ideen. hmpf.gif

Gut formuliert. xyxthumbs.gif


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Beitrag 3. Aug 2022, 13:30 | Beitrag #15
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Ich halte BTG's, so wie sie aufgebaut sind, für einen Irrweg, zumindest für eine moderne-westliche Armee. Man braucht keine Panzerhaubitzen auf Stufe Bataillon, möglicherweise nicht einmal auf Stufe Brigade. Was man benötigt ist Feuer und bei entsprechender Vernetzung bekommt man das auch von der Stufe Division oder Brigade. Das Gleiche gilt auch für die übrigen Unterstützungsmittel, für Génie/Pioniere, für Logistik usw.. Ja, ab- und zu werden Géniemittel wie Brückenlegepanzer, Pionierpanzer usw.., benötigt, um Hindernisse zu überwinden, zu beseitigen oder zu erstellen. Aber wenn ein Bataillon permanent solche schweren Mittel mitführt, blockiert dies das Bataillon einmal rein physisch, es erschwert aber auch die Führung massiv. Man muss sich vorstellen, eine BTG verfügt zirka über doppelt soviele Infanteristen wie eine Panzergrenadierkompanie, aber über massiv mehr Unterstützungsmittel.


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SLAP
Beitrag 3. Aug 2022, 15:55 | Beitrag #16
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Bei den TOS-1 muss ich immer an den hier denken:



Man erhofft sich eine hohe moralische Wirkung bei gleichzeitiger komplexer Versorgung und Logistik.


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Beitrag 3. Aug 2022, 17:13 | Beitrag #17
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Wirkt TOS-1 denn so oder wie stehen die Chancen als Infanterist einen solchen Angriff zu überstehen? Wenn man z.B. einen Zug über 80-100m Frontbreite verteilt, zerlegt es den? Ich meine TOS "saturiert" ja das Gelände....
 
Panzerchris
Beitrag 3. Aug 2022, 17:29 | Beitrag #18
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Auf Videos habe ich gesehen, daß der TOS-1 eine hohe Streuung hat. Vielleicht kann man das Feuer eines einzelnen Werfers überstehen, bei einem Zug sieht das sicher anders aus.
 
Forodir
Beitrag 3. Aug 2022, 18:16 | Beitrag #19
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ZITAT(Glorfindel @ 3. Aug 2022, 13:30) *
Ich halte BTG's, so wie sie aufgebaut sind, für einen Irrweg, zumindest für eine moderne-westliche Armee. Man braucht keine Panzerhaubitzen auf Stufe Bataillon, möglicherweise nicht einmal auf Stufe Brigade. Was man benötigt ist Feuer und bei entsprechender Vernetzung bekommt man das auch von der Stufe Division oder Brigade. Das Gleiche gilt auch für die übrigen Unterstützungsmittel, für Génie/Pioniere, für Logistik usw.. Ja, ab- und zu werden Géniemittel wie Brückenlegepanzer, Pionierpanzer usw.., benötigt, um Hindernisse zu überwinden, zu beseitigen oder zu erstellen. Aber wenn ein Bataillon permanent solche schweren Mittel mitführt, blockiert dies das Bataillon einmal rein physisch, es erschwert aber auch die Führung massiv. Man muss sich vorstellen, eine BTG verfügt zirka über doppelt soviele Infanteristen wie eine Panzergrenadierkompanie, aber über massiv mehr Unterstützungsmittel.


Hmmm, kann ich nicht ganz zustimmen. BTG als dauerhaftes Konstrukt sehe ich auch als nicht notwendig an, dies ist ganz klar ein Ausdruck der Schwierigkeiten die die russische Armee hat mit dem Führen des Gefechtes der verbundenen Waffen.
Aber gerade auch das Einbinden der Artillerie auf derart niedrigen Level ist durchaus normal in der russischen Armee, zudem dies meistens die Typen 2S1 und 2S3 sind, diese werden auch gerne als Sturmartillerie genutzt und folgerichtig mit TOS ergänzt, alles Systeme, die eher für die relative nahe Feuerunterstützung taugen.

Im westlichen Konstrukt sollte auf Höhe der Brigade unbedingt die Feuerunterstützung nur für diesen Verband da sein und eben das was dieser Verband in seinem Gefechtsstreifen braucht für seinen Auftrag
Ebenfalls ist das aufbauen von einer Kampfgruppe durchaus für das Erreichen eines begrenzten Zieles opportun und kann eine sehr Stoßkraft dann aufbieten, ohne auf Unterstützung angewiesen zu sein oder um eben die übliche direkte Unterstützung aus einer Hand zu haben. Das ist aber meiner Einschätzung nach in einer westlichen Armee erfolgreicher aufgrund der besseren Führungsphilosophie, dem umfangreicheren Stab, dem auch Teile mit a.Z.a. zugewiesen werden können und den besseren Führungsmitteln.
Also nicht die Größe ist entscheidend, sondern die mögliche Umsetzung der einzelnen Unterstützer und wie sie geführt werden. Verliere ich mich natürlich im Mikromanagement, dann wird das schiefgehen.


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Stefan Kotsch
Beitrag 3. Aug 2022, 18:21 | Beitrag #20
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Eine BTG schreit ja förmlich nach Führen mit Auftrag. Hier beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz.
 
Forodir
Beitrag 3. Aug 2022, 18:23 | Beitrag #21
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ZITAT(Stefan Kotsch @ 3. Aug 2022, 18:21) *
Eine BTG schreit ja förmlich nach Führen mit Auftrag. Hier beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz.


Genau so sehe ich das auch, BTG oder Kampfgruppe oder Task Force an sich kann durchaus eine gute Idee sein, dann muss aber auch dazu der Rest passen.


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Beitrag 3. Aug 2022, 19:36 | Beitrag #22
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ZITAT
Aber gerade auch das Einbinden der Artillerie auf derart niedrigen Level ist durchaus normal in der russischen Armee, zudem dies meistens die Typen 2S1 und 2S3 sind, diese werden auch gerne als Sturmartillerie genutzt und folgerichtig mit TOS ergänzt, alles Systeme, die eher für die relative nahe Feuerunterstützung taugen.

Natürlich ist es grundsätzlich richtig. Das Problem ist die Fokussierung auf die BTG. Im Endeffekt hat eine BTG aber oft sowohl 120mm Mörser, 122mm Panzerhaubitzen, GRAD-Raketenwerfer und zum Teil auch noch TOS-1. Dazu kommt noch Flugabwehr, Logistik, Drohnen, EKF, Logistik, Pioniere. Man muss sich dann schon fragen, ob die Bataillonsführung da nicht überfordert ist.

Das Auftragstaktik bei gut ausgebildetem Kader und Mannschaft zu besseren Ergebnissen führt, da sind wir uns wohl auch einig. Das hat aber mit der Organisation nichts zu tun.


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Beitrag 4. Aug 2022, 06:00 | Beitrag #23
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Die BTG wirkt auf mich wie der Versuch einer kleinen Expeditionstruppe alles mitzugeben, was sie evtl. brauchen könnte.
Das mag für begrenzte Konflikte in irgendeiner rebellierenden Ecke Russlands gar keine schlechte Idee sein, da Sie dort eigenständig
und ohne große Unterstützung vorgeht.

Russland hat in der Militärtheorie eine große Tradition und die Theorie war seit den 1920ér Jahren ihrer Zeit meist weit vorraus.
Nur in der Umsetzung wollte es nie recht klappen. Wahrscheinlich hat man auch hier versucht eine gute Theorie in die Praxis umzusetzen,
nur kann diese von der russischen Armee aus den o.g. Gründen nicht funktionierend umgesetzt werden.

Mit der BTG wollte man wohl strukturell mehr Flexibilität und Initiative, das Gefecht der verbundenen Waffen, Auftragstaktik usw. erzwingen,
ohne die anderen Vorraussetzungen zu berücksichtigen. In einem großen Konflikt braucht aber die BTG ihrerseits doch wieder Unterstützung
und Abstimmung mit Nachbarverbänden und das erfordert Kommunikation.

Neben den bereits erwähnten Problemen in der Führung, Taktik und Unterführern
besteht offensichtlich auch seit jeher ein großes technisches und strukturelles Kommunikationsproblem bei den Russen.
Die Sovietarmee plante ihre Operationen exzessiv durch und regelte alles durch Befehl.
Eine solche Vorgehensweise minimiert den Kommunikationsbedarf, da alles einem großen Drehbuch folgt und keiner mit eigenen Ideen aus der Reihe tanzt.

Die Kommunikationsmittel, die man dafür bräuchte sind offensichtlich der Kleptokratie zum Opfer gefallen, da (wie schon diskutiert) selbst Oberste mit Privathandys ihre Truppen führen müssen. Auch scheint mir, dass es keine Kultur der Kommunikation nach den Seiten und nach Oben gibt, weil sie nicht
in der Tradition der russischen Armee verwurzelt ist, die nur den o.g. großen Schlachtplan kennt, dem alle folgen.

Nebenbei:
Die BTG orientiert sich m.E.n. an einem Armored Cavalry Regiment. Das hatte auch alles am Start: Schwere Ari, Luftabwehr, Brückenleger usw.:
Gliederung US Cavalry Regiment 94

nur ist die BTG halt noch mal einen Level kleiner und dann wird es wohl zu komplex.

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 4. Aug 2022, 06:01
 
Panzerchris
Beitrag 4. Aug 2022, 14:50 | Beitrag #24
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ZITAT(Tankman @ 4. Aug 2022, 07:00) *
Die Sovietarmee plante ihre Operationen exzessiv durch und regelte alles durch Befehl.
Eine solche Vorgehensweise minimiert den Kommunikationsbedarf, da alles einem großen Drehbuch folgt und keiner mit eigenen Ideen aus der Reihe tanzt.

Das kann doch letztlich nur schiefgehen, den sobald der erste Schuß gefallen ist, entwickelt sich das Gefecht nicht mehr nach Drehbuch. Bedenkt man, daß die Russen immer auf Masse gesetzt haben, mit der sie versuchen, den Gegner zu überollen, ignoriert diese Strategie die Intelligenz und Raffiness der Gegenseite.

Logistik war schon immer ein Problem der Russen. Ich habe mal gelesen, daß 80% der russischen Heerestruppen in den Kampfverbänden gebunden sind. Die Logistik hingegen kam stets zu kurz.
 
xena
Beitrag 4. Aug 2022, 15:17 | Beitrag #25
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Die Sowjetunion war ja im Grunde ein großes Heerlager. Logistik war integraler Bestandteil der Gesellschaft. In einem großen Krieg hätte jeder fahrbare Untersatz für die Logistik herhalten müssen. Es gab damals auch eine eigene Pionierorganisation mit eigenem Material, die die Nachschubwege im Hinterland aufrecht erhalten hätte müssen. Von daher war Nachschub früher™ kein Problem. Aber die Denke von damals dürfte nicht so ganz ins Heute transformiert worden sein und man meint immer noch auf die privaten Transportmittel zurück greifen zu können. Das mag in einem großen Vaterländischen OK sein, aber in einem begrenzten Konflikt ein Unding. Damit nimmt man der lokalen Wirtschaft Betriebsmittel weg die für die Aufrechterhaltung der Wirtschaft notwendig sind.

Naja, die sogenannte Transformation ist jedenfalls noch nicht wirklich in den Köpfen angekommen und die BTG können nur dann wirklich funktionieren, wenn diese auch komplett durchgezogen ist, also auch das mindset aller Beteiligten. Der Krieg trifft die Russen zu einer ungünstigen Zeit. Zum Glück für die Ukraine.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 4. Aug 2022, 15:19


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SailorGN
Beitrag 4. Aug 2022, 15:55 | Beitrag #26
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Ähm, nein, sowohl Panzerchris, als auch xena (im letzten Satz).

Der Mindset ändert sich nicht von heut auf morgen, die Voraussetzungen im der "Denke" waren nie da und sicher auch ein Grund für das Scheitern der Brigadereform. Das grundsätzliche militärische Denken in der SU/russland war/ist anders als im Westen. Der wichtigste Unterschied ist seit dem Bürgerkrieg (ab 1919) die unbedingte Regelungsmacht der Politik über das Militär; das war erkennbar an den Führern der frühen RA, dem Einsatz politischer Führer als Militärs (Stalin hatte da ein ausgesprochen unglückliches Händchen) und der Unterordnung militärischer Planung unter politische Vorgaben (Winterkrieg, div. Offensiven/Operationen im WK2). Gleichzeitig herrschte vor allem im russisch/sowjetischen Militär der Glaube an die Unerschöpflichkeit der eigenen Reserven bis 43 und später ab den 50iger Jahren vor. Die erfolgreichsten Operationen der RA fanden statt, als man eben nicht massive zahlenmäßige Überlegenheit hatte. Die mustergültige Operation Auguststurm (der Angriff auf die Mandschurei/Japan 1945) war absolut untypisch gemessen an den üblichen Vorurteilen und definitiv geprägt von den Lektionen, die man in Europa gesammelt hat: Bezogen auf die Mannstärke hatte man nicht mal 2:1, bei Panzern und Artillerie natürlich mehr... die Japaner hatten insbesondere entlang des Amur extreme Befestigungen und das Gelände war größtenteils abscheulich. Die RA hat hier aber, gemessen an Feind- und Eigenstärke, Operationsdauer und Verlusten die erfolgreichste OP des ganzen Krieges durchgeführt, vergleichbar mit den Blitzkriegerfolgen der Deutschen. Und warum passte es? Ein eigenes Oberkommando für die gesamte Op, dazu mehrere separate Fronten für geografisch unterschiedliche Gebiete. Jede Front hat die Truppen bekommen, die zur Geografie, Klima und Feindlage passten: Der westliche Abschnitt mit Wüste und Gebirge hat mongolische Kavallerie, mechanisierte Kavallerie, BT-7-Panzer und leichte Sturmgeschütze bkommen, weil das Gelände der größte Feind war. Im Westen, am Amur und den Stellungssystemen der Japaner gabs schwere Panzer, schwere Artillerie. Die Infanteriekontingente wurden nach den Kampferfahrungen zugewiesen, Einheiten, welche in Gebirgen wie den Karpaten zuletzt unterwegs waren den Gebirgsabschnitten und Einheiten aus dem Kurland mit Waldkampf- und Stellungserfahrung im Osten. Genauso wurden die "Unterführer" der Fronten, Korps und Armeen ausgewählt.

Die ganze OP war das Gegenteil von dem, was man in der Ukraine heute sieht... und was man in den letzten Jahren von russland gesehen hat.

Die logistischen Erfahrungen des WK2 bei den russen sind durch einen wichtigen Faktor verzerrt: In der 2, Kriegshälfte, also mit Beginn der erfolgreichen Offensiven stand massive Unterstützung aus Lend/Lease bereit. 10.000ende LKW, Jeeps kamen, dazu Stiefel, Effekten, Rationen, fertiger Treibstoff. In der Mandschurei-Op wurden diese Dinge bspw. direkt nach Wladiwostock geliefert; aus dem Westen kam Technik tlw. nagelneu aus den Fabriken am Ural. Auch schon bei OP Bagration, beim Sturm auf Berlin etc. war Logistik eine Sache, die aus den USA kam. Die russen konnten ihre Logistik in den OP ab 43 gut organisieren, weil man bis dahin auch immer realistischer wurde, was die Annahmen betrafen. Bis 45 wussten sie sehr genau, wie viel sie wann brauchten und waren sich auch der Tatsache bewusst, wenn physisch nicht möglich war, genug heranzubringen (wie eben nach Beginn der OP in der Mandschurei). Dann wurde priorisiert. Die russen haben sowohl in der Anfangsphase des WK2 als auch in Afghanistan, in Tschetschenien und jetzt in der Ukraine ihre Planungen auf falschen Grundannahmen fußen lassen bzw. wurden durch völlig unrealistische politische Vorgaben dazu gedrängt.


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Tankman
Beitrag 7. Aug 2022, 01:42 | Beitrag #27
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Und trotz aller Diskussionsbeiträge ist für mich eines nicht wirklich nachvollziehbar:

Wie grundlegende Panzertaktik und Operationstaktik funktioniert ist spätestens seit dem 2.WK bestens bekannt.
Wenn ich RU wäre, hätte ich als Angreifer doch wenigstens versucht (und würde es noch immer versuchen)
an einer geeigneten Stelle einen Schwerpunkt zu bilden und mechanisiert durchzustossen und dann ebenfalls klassisch
im Hinterland Amok zu laufen, Kessel zu bilden, strategische Punkte einzunehmen etc.
Die Technik von heute (im vgl. zum 2. WK) gibt doch bei Manövergeschwindigkeit, Durchhaltefähigkeit
und Unterstützung, Führungsmittel, Aufklärung usw. um Welten mehr her als früher....
Ja, das gilt auch für die Verteidiger, aber grundsätzlich verspricht ein mit Masse ausgeführter Panzerstoß
größeren Lohn als überall kleinteilig auf 1. WK Taktik zu verfallen.

Die Ukraine hat(te) in Teilen panzerungünstiges Gelände. Aber jetzt im Sommer ist die Ukraine doch weitgehend
eine große Ebene mit Feldern. Ja es gibt mehr Dörfer als früher, aber auch dafür gibt es Rezepte: Niederhalten, Umgehen, Infantrie usw.
Man sieht jede Menge kleintaktisches hin und her von BTG aber nichts was man im Zeitalter
der vollmechanisierten Armeen als echte Operation betrachten könnte.

Das Einzige wie ich mir das ansatzweise erklären kann, ist dass man das am Anfang für nicht nötig erachtete und nun einfach
nicht mehr die Kräfte dafür massieren kann....
Aber irgendwo im RU-Generalsstab muss doch einer mal gemerkt haben, dass man zur Abwechslung vielleicht die
erprobte Srategie in Erwägung ziehen sollte?!

Die großmäulige Ankündigung es handele sich bei dieser "Spezialoperation" um Desertstorm auf Steroiden ist in diesem Zusammenhang lachhaft.

Ich würde gerne mal Mäuschen spielen wenn Natogenerale Abends bei einem Bier sich über die russischen Kollegen äußern:
Verwunderung? Stinrunzeln? Lachen?

Edit: Nicht das Ihr denkt, ich wäre von der Ru Performance enttäuscht. Ich bin lediglich massiv irritiert, da ich dachte, dass auf deren Seite
eigentlich auch Profis sitzen müssten

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 7. Aug 2022, 01:56
 
Panzerchris
Beitrag 7. Aug 2022, 06:34 | Beitrag #28
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Frag mal @Delta, er hatte sich im russischen Krieg-Thread schon vor Monaten dazu ausgelassen und den Tränen nahe, weil er vom russischen Vorgehen enttäuscht war. wink.gif
 
Scipio32
Beitrag 7. Aug 2022, 07:16 | Beitrag #29
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Schade, dass die RA trotz all dieser Mängel immer noch Agieren kann.
 
Stefan Kotsch
Beitrag 7. Aug 2022, 08:40 | Beitrag #30
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Lancaster Gesetz. Wer genug Quantität aufbringen kann, der überwiegt erfolgreich die Qualität des Gegners.
 
 
 

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