Bewaffnete Ersthelfer oder Hilfssheriffs, Braucht Deutschland mehr verdeckte Waffen im Alltag? |
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Bewaffnete Ersthelfer oder Hilfssheriffs, Braucht Deutschland mehr verdeckte Waffen im Alltag? |
2. Nov 2018, 21:48 | Beitrag
#1
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Oberleutnant Beiträge: 2.023 Gruppe: Members Mitglied seit: 28.07.2014 |
Hi Leute,
ich habe da mal eine Frage zu Thema Selbstverteidigung, vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen. In meinem Bekanntenkreis ist vor kurzem das Thema "tragen von Waffen zur Selbstverteidigung" aufgekommen. Kurz gesagt ging es um die Frage, ob man zum Eigenschutz eine Waffe bei sich tragen sollte oder nicht. Ich persönlich habe da so meine Zweifel, ob man bei einen Überfall eine Waffe ohne lange Ausbildung und Erfahrung wirklich effektiv einsetzen kann. So weit ich weiß rät auch die Polizei eher vom Tragen einer Waffe ab. Ich wollte aber nochmal mit Leuten darüber diskutieren, die Ahnung von der Materie haben Würdet ihr sagen, dass meine Zweifel bezüglich des Tragens einer Waffe zum Selbstschutz berechtigt sind? Gruß Scipio |
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4. Nov 2018, 20:05 | Beitrag
#2
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Oberleutnant Beiträge: 2.420 Gruppe: Members Mitglied seit: 03.01.2006 |
Dieses in der Broschüre erzählte NRA-Märchen vom bewaffneten Bürger als Ersthelfer ist ein geistiger Furz.
Laut einer Untersuchung der Gesellschaft für Anästhesiologie von 2012 starten gerade 15% der Deutschen in (medizinischen) Notsituationen überhaupt einen Wiederbelebungsversuch. Das zeigt bereits bei einer zwar zeitkritischen aber planbaren Situation ohne hohes Eigenrisiko (Infektionsgefahr) eine Überforderung der Mehrheit der Deutschen. Das jetzt auf einen bewaffneten First Responder übertragen, muss doch von einer weiter höheren Überforderung des First Responders ausgegangen werden. Das resultiert alleine schon daraus, dass dieser durch sein Eingreifen sich selbst mit Leben und Gesundheit in Gefahr bringt. Selbst wenn bei diesen First Respondern die Bedingung ist, dass sie eine Ausbildung machen müssen und in Anlehnung an den Einstellungstest der Polizei auch die Charaktereigenschaften überprüft werden: der Denkfehler bei dem Ansatz ist, dass der First Responder Schlimmeres verhindert, weil er sich zufällig am Tatort befindet. Das heißt, er wird selbst überrascht und ist damit gegenüber dem Täter mental und taktisch im Nachteil. Der Täter ist im Gegensatz zu ihm auf die Tat mental vorbereitet und hat den Vorteil des Handelnden. Der First Responder muss jetzt in einer Ausnahmesituation seinen Schrecken überwinden, erfassen, wie viele Personen beteiligt sind und wer Täter und wer Opfer ist. Dann muss er bewerten, wie er eingreifen kann, ohne das/die Opfer, Unbeteiligte, sich selbst und letztendlich auch den/die Täter unnötig zu gefährden. Das Handeln dieses First Responders ist einzig und alleine durch § 32 - §35 StGB "Notwehr" gedeckt. Das wird in Deutschland sehr eng gefasst und kann für den First Responder in einem Urteil wegen verlässigem Totschlag enden - das sollte jeder bedenken, der zu einem First Responder werden wollen würde. Die Broschüre nennt als Beispiel den Anschlag auf das Konzert im Club Bataclan (1500 Besucher): Der First Responder wäre zuerst ein Besucher des Konzert der Band Eagles of Death Metal gewesen, seine Aufmerksamkeit hätte sich auf das Konzert gerichtet und er wäre u.U. bereits durch alkoholische Getränke in seiner Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Laut Medien haben bei diesem Anschlag die Konzertbesucher die Terroristen zuerst nicht wahr genommen, da sie die Schussgeräusche zuerst für einen Teil des Konzerts hielten. Auch die Band, welche die Terroristen vermutlich zuerst gesehen haben, brauchten einige Sekunden um die Gefahr zu realisieren. Die Broschüre argumentiert, dass drei - vier First Responder hier die Terroristen hätten abwehren können. Die Broschüre erklärt aber nicht ob für den Erfolg ein schnelles Eingreifen der First Responder notwendig gewesen wäre, was nach bekannten Ablauf des Anschlags nicht erfolgt wäre. Sie erklärt auch nicht, wie die First Responder bei ausbrechender Panik, unklarem Schussfeld und schlechten Sichtverhältnissen (Abgedunkelter Konzertraum; Tribüne über zwei Etagen) die Terroristen lokalisieren hätten sollen und diese First Responder zwischen sich und diesen unterscheiden hätten sollen, wenn die einzige Gemeinsamkeit der drei - vier First Responder die ist, dass sie Besucher des Konzertes sind und sich sonst nicht kennen. Die Borschüre klärt auch nicht, wie eine erfolgreiche Gegenwehr hätte aussehen müssen und was die Folgen gewesen wären, wenn die Gegenwehrgescheitert wäre. Die Anzahl der Terroristen war zum Zeitpunkt des Anschlags unbekannt und es hätten sich wie bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater auch Selbstmordattentäter unter den Geiselnehmer befinden können. Die Broschüre ist nichts anderes als ein Gutenachtmärchen, mit dem sich ein Waffennarr wie Bruce Wills fühlen kann - und ich unterscheide zwischen Sportschützen, Waffensammlern, Jägern und Waffennarren. Der Beitrag wurde von Havoc bearbeitet: 4. Nov 2018, 20:06 |
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