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WHQ Forum _ Politik-und Geschichteforum _ Neutralität der Schweiz und Österreichs

Geschrieben von: Glorfindel 18. Apr 2023, 13:22

ZITAT(Holzkopp @ 17. Apr 2023, 17:53) *
Österreich ist nicht neutral.

Dass Österreich und die Schweiz nicht mehr neutral seien, wird auch von Daniele Ganser stark bedauert. Ganser meint, dass dies ein grosser Fehler sei, dass sich die Schweiz am "Wirtschaftskrieg gegen Russland" beteiligt. Nur in Europa, den USA und wenigen anderen Ländern wie Japan und Südkorea würde man dies Sache so einseitig sehen. Der Westen würde da auf dem moralischen hohen Ross sitzen, denn es sei zu einfach, Russland alleine die Schuld zu geben (NATO-Osterweiterung, CIA-Putsch und blablabla). Das ist aber ein viel zu weit ausgelegter Neutralitätsbegriff. Tatsächlich bedeutet Neutralität hauptsächlich:

- sich der Teilnahme an Kriegen zu enthalten
- alle Kriegsparteien im Hinblick auf den Export von Rüstungsgütern gleich zu behandeln
- den Kriegsparteien keine Söldner zur Verfügung zu stellen
- den Kriegsparteien sein Staatsgebiet nicht zur Verfügung zu stellen

Neutralität bedeutet insbesondere nicht, dass sich ein Staat politisch nicht äussern muss. So ist aus Schweizerischer Sicht Russland der Aggressor und die Schweiz steht der Ukraine bei (wenn auch nicht militärisch). Auch oder gerade auch Staaten wie die Schweiz und Österreich haben ein Interesse an Frieden und Stabilität sowie Wahrung des Völkerrechts in Europa. Russland Handlungen wirken sich auch negativ auf die objektiven Interessen dieser Staaten aus. Sowohl die Schweiz wie auch Österreich müssen ein starkes Interesse daran haben, dass Russland mit seiner Politik der Gewaltanwendung nicht durchkommt.

Neutralität ist kein Selbstzweck und soll dem neutralen Staat helfen, sich aus fremden Konflikten herauszuhalten. Sie hat vermutlich in Europa weitgehend ihre Bedeutung verloren, was ja z.B. auch der NATO-Beitritt von Finnland (und dann auch einmal Schwedens) zeigt. Es sind gerade einmal die Schweiz, Österreich und Irland in Europa noch neutral (wobei Österreich und Irland EU-Mitglieder sind und die EU durchaus Elemente eines Vertrages der kollektiven Sicherheit kennt). Diese noch eher kleineren Staaten sind nicht in der Lage ihre eigene Sicherheit zu garantieren, erst recht nicht Österreich. Europas Sicherheit wird kollektiv gewahrt, insbesondere an Europas Grenzen. Meines Erachtens hat die Neutralität ziemlich ausgedient, sie ist teilweise sogar schädlich (insbesondere im Verbund mit einem zu rigiden Kriegsmaterialexportgesetz.). Es ist meiner Meinung nach klar, dass die Schweizer Haltung, auch wenn sie klar politisch Position bezogen hat, im Ukrainekrieg, insbesondere die verweigerten Munitionslieferungen an Deutschland und die verweigerten Exportgenehmigungen für die Weiterleitung von Schweizer Waffen, welche sich im ausländischen Besitze befanden,

Es ist klar, dass wenn die Schweiz oder Österreich sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen, Russland dies ausnutzen wird und man damit Russland unterstützt. Es würde aber auch ein schiefes Licht auf einen solchen Staat werfen und er würde riskieren ebenfalls sanktioniert zu werden.


PS: Ich war hier gestern einen Post am Schreiben und als ich in abschickte, hatte das Forum eine Panne. Und im Moment kann ich zwar noch Quoten aber nicht mehr ordnungsgemäss Posten.

Geschrieben von: muckensen 18. Apr 2023, 20:56

Das Konzept der Neutralität, wie es v.a. von der Schweiz und Österreich gelebt wird, ist meines Erachtens ein Relikt des neunzehnten Jahrhunderts. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die ideologisch motivierten unter seinen Verteidigern seine imperialistische Komponente übersehen. Was bedeutet denn etwa die Neutralität, die im Zeitalter der imperialen Gegenrevolution der Schweiz auferlegt wurde? Sie bedeutet: Wenn der Kuchen spricht, schweigt der Krümel.

In Zeiten des Systemkonflikts ist diese Haltung nicht nur obsolet, sondern sogar ein Schnitt ins eigene Fleisch. Einem Napoleon oder Wilhelm II. konnte es halbwegs egal sein, wer in der Schweiz regiert, aber die ideologisch motivierten Potentaten erhoben ab dem 20. Jahrhundert Anspruch auf die absolute Vorherrschaft, bis hin zur Herrschaft über jedes Wohnzimmer. Es ist irrsinnig zu glauben, dass die Schweiz ein freier Staat geblieben wäre, hätten Hitler oder Stalin Europa erobert.

Ich verstehe ja durchaus, dass man beiderseits von Liechtenstein die eigene Neutralität mit einem langen Frieden bzw. einem wirtschaftlichen Aufstieg verbindet, und ich würde wirklich keinem Schweizer oder Österreicher widersprechen, der meint: Wir müssen neutral bleiben, weil es uns nützt. Das ist ein zwar kurzsichtiger, aber vertretbarer Standpunkt. Regierungen haben zuallererst an das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung zu denken.

Nur glaube ich nicht mehr, dass solche Überlegungen heuer noch eine nennenswerte Rolle spielen. Die Rechten wie die Linken in beiden Ländern reden von Neutralität, aber aussagen tun sie, dass ihnen teilweise ganz Recht ist, was Russland tut. Auch das ist eine Form von Parteinahme. Und das Märchen, dass Putin nur darauf warten würde, dass Nehammer oder Berset ihn zum Stuhlkreis mit Selenskyy, Biden, Sunak, Scholz und Macron einladen, ist schlicht und ergreifend kindischer Blödsinn. Es waren nicht Wien oder Bern, die den "Getreidedeal" vermittelt haben. Es waren auch nicht Wien oder Bern, die – zwar fehlgeleitet, aber doch immerhin – Minsk I und Minsk II vermittelt haben.

Geschrieben von: Glorfindel 18. Apr 2023, 22:01

Die Neutralität als Konzept hat lange ins 20. Jahrhundert Bedeutung gehabt für Länder wie die Schweiz, Finnland oder Schweden. Ich würde Österreich da nicht direkt einordnen. Wäre die Schweiz während den Weltkriegen nicht neutral geblieben, dann wäre sie in den Krieg reingezogen worden. Und die Schweiz blieb verschont, obwohl die Deutschen teilweise an allen Grenzen standen und 10 europäische Staaten besetzt hatten. Die Schweiz blieb verschont. Sie wäre möglicherweise auch bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der NATO und WAPA (anders als vermutlich Österreich) verschont geblieben.

Die Neutralität wurde der Schweiz nicht auferlegt (auch wenn so beim Wiener Kongress beschlossen), sondern war auch frei gewählt und lange Zeit sinnvoll, um nicht zwischen den europäischen Grossmächten zerrieben zu werden.

Die Neutralität hat imho erst im 21. Jahrhundert ihre Bedeutung verloren, was sich aber erst jetzt deutlich zeigt. Dem Wohl der Bevöljerung dient sie eher nicht mehr. Tatsache ist, dass die Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz durch Leute wie Putin oder Xi bedroht ist (auch durch Ereignisse, welche am Rand Europas oder sogar anderswo stattfinden). Z.B. steht schon seit etwa 10 Jahreb in unseren nachrichtendienstlichen Berichten, dass die Politik Chinas im Ostchinesischen Meer durchaus negative Auswirkungen auch auf die Schweiz hat, nur für denn Fall, dass Politiker wieder behaupten, niemand hätte damit gerechnet. Ich will nicht, dass wir in einer von Xis, Putins und Erdogans dominierten Welt leben und wenn wir das verhindern wollen, müssen sich die freien Länder zusammenschliessen. Die Neutralität ist nach dem die Schweiz damit 200 Jahre von Kriegen verschont geblieben ist (mit Ausnahme des Krieges von 1847) und diese durch die geistige Landesverteidigung während rund 60 Jahren den Leuten eingetrichtet worden ist, nur schwer aus den Köpfen der Menschen zu bringen. Der Ukrainekrieg hat aber vielen die Augen geöffnet. Die Bevökerung ist progressiver als die Politik und eine Mehrheit der Bevölkerung würde Waffenexporte in die Ukraine befürworten. Die Neutralität war auch ein bewährtes Konzept, sie hat sich nun aber imho überlebt und sollte überdacht werden.

Was schliesslich die Schweiz und Österreich betrifft, so sind dies zwei völlig unterschiedliche Modelle. Ich kenne Österreich sehr gut, zumindest Voralberg und Tirol, aber Österreich ist eine Bananenrepublik und weder politisch noch militärisch oder wirtsxhaftlich mit der Schweiz zu vergleichen. Die Schweiz spielt (noch) in einer anderen Liga.

Btw: Es war weder Napoleon noch Willhelm egal, wer die Schweiz regierte und beide waren auch Ideologie getrieben. Dem konservativem Ausland war die liberale Schweiz ein Dorn im Auge. Wenn der Sonderbundskrieg nicht so schnell dank Geberal Dufour gewonnen worden wäre, hätten die wohl in der Schweiz interveniert

Geschrieben von: Glorfindel 18. Apr 2023, 22:15

ZITAT
Und das Märchen, dass Putin nur darauf warten würde, dass Nehammer oder Berset ihn zum Stuhlkreis mit Selenskyy, Biden, Sunak, Scholz und Macron einladen, ist schlicht und ergreifend kindischer Blödsinn. Es waren nicht Wien oder Bern, die den "Getreidedeal" vermittelt haben. Es waren auch nicht Wien oder Bern, die – zwar fehlgeleitet, aber doch immerhin – Minsk I und Minsk II vermittelt haben.

Die Schweiz war bei der Beilegung der meisten Konflikte nicht beteiligt, sie hat eher andere Rollen eingenommen. Hier glaubt auch niemand daran, dass man mit Putin verhandeln könnte und ich glaube auch nicht, dass die Schweiz sich beim Abschluss eines dreckigen Kompromiss die Hände schmutzig machen wollte. Die Sympathien der Schweiz sind bei der Ukraine und es ist der Schweiz durchaus klar, dass sie von Russland als feindlich eingestellter Staat angesehen wird.

Geschrieben von: muckensen 18. Apr 2023, 22:28

ZITAT(Glorfindel @ 18. Apr 2023, 23:01) *
Und die Schweiz blieb verschont, obwohl die Deutschen teilweise an allen Grenzen standen und 10 europäische Staaten besetzt hatten. Die Schweiz blieb verschont. Sie wäre möglicherweise auch bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der NATO und WAPA (anders als vermutlich Österreich) verschont geblieben.
Wie denn? Was hätte ein ganz Europa kontrollierendes Nazi-Deutschland oder eine in eine ebensolche Position versetzte Sowjetunion daran hindern sollen, sich auch die Schweiz unter den Nagel zu reißen? Selbst wenn von einer Invasion einstweilen abgesehen worden wäre; auch dann wäre das hohe Gut, das die Neutralität bewahren sollte – die nationale Eigenständigkeit – bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt worden, und sei es schleichend. Mit wem hätte die Schweiz Handel treiben wollen, wenn nicht mit ihren Nachbarn, angewiesen auf diese, ohne dass diese angewiesen wären auf die Schweiz? Wie oft hätte die Schweiz eine politische oder gar militärische Einflussnahme des Auslands (verbietet gefälligst diese Partei, liefert mir gefälligst jenen Flüchtling aus) mit der impliziten Drohung abwehren können, dass jeder Angriff auf die Schweiz in einem Blutbad für die Angreifer ausarten würde? Früher oder später hätte dieses Argument nicht mehr gezogen, zumal ein totalitär regiertes Europa eine freie Schweiz im Sinne des Systemkonflikts genauso wenig hätte dulden können, wie Wladimir Putin eine sich demokratisierende Ukraine dulden konnte.

Es scheint mir klar, dass sich die Schweiz unter solchen Vorzeichen entweder gefügt hätte, oder sie wäre unterjocht worden, und sei es zeitweise.
ZITAT(Glorfindel @ 18. Apr 2023, 23:01) *
Btw: Es war weder Napoleon noch Willhelm egal, wer die Schweiz regierte und beide waren auch Ideologie getrieben. Dem konservativem Ausland war die liberale Schweiz ein Dorn im Auge. Wenn der Sonderbundskrieg nicht so schnell dank Geberal Dufour gewonnen worden wäre, hätten die wohl in der Schweiz interveniert
Imperialismus würde ich nicht als Ideologie bezeichnen. Napoleon oder Wilhelm wollten eine gefügige Schweiz ohne Strahlkraft auf demokratische Bewegungen im eigenen Land, aber sie wollten nicht jeden Schweizer und jede Schweizerin zu ideologisch genormten Untertanen des Nationalsozialismus bzw. Kommunismus machen, mit dem einzigen Daseinszweck, dem Staat ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Zwar erscheint der Putinismus nicht gar so radikal, aber klar ist: Könnten Putin und seine Clique frei entscheiden, wäre die Schweiz keine Demokratie mehr, sondern ein faschistoider Obrigkeitsstaat, der vor allem den Wohlstand Russlands zu mehren hat. Napoleon oder Wilhelm konnten die Schweiz angreifen. Hitler und vor allem Stalin mussten die Schweiz angreifen, jedenfalls den Grundsätzen ihrer Ideologie gemäß.

Geschrieben von: Glorfindel 18. Apr 2023, 22:46

ZITAT
Es scheint mir klar, dass sich die Schweiz unter solchen Vorzeichen entweder gefügt hätte, oder sie wäre unterjocht worden, und sei es zeitweise.

Wie schon geschrieben, die Schweiz erlebte bereits ein von Nazis beherrschtes Europa während rund fünf Jahren und sie blieb ein freies Land.

ZITAT
interveniertImperialismus würde ich nicht als Ideologie bezeichnen. Napoleon oder Wilhelm wollten eine gefügige Schweiz ohne Strahlkraft auf demokratische Bewegungen im eigenen Land, aber sie wollten nicht jeden Schweizer und jede Schweizerin zu ideologisch

- Imperialismus ist durchaus eine Ideologie, es ging damals aber v.a. um Konservatismus. Das ging damals soweit, dass es in der Schweiz zwischen liberalen und konservativen Kräften zum Bürgerkrieg gekommen ist.
- Napoleon war durch und durch ideologisch und der Einmarsch der Franzosen wurde genau aus diesem Grund von vielen progressiven, unter dem Einfluss der Aufklärung stehenden Leuten begrüsst. Die Franzosen haben sich dann einfach vielerorts wie Okkupanten aufgeführt, hatten aber durchaus auch viele Unterstützer. Napoleon hat die Schweiz auch politisch nachhaltig geprägt. Ohne Einmarsch der Franzosen würde es die moderne Schweiz so nicht geben.
ZITAT
Zwar erscheint der Putinismus nicht gar so radikal

Es ist Faschismus und als solcher sehr radikal, auch wenn ihm die ideologische Leuchtkraft fehlt. Er durchdringt das Leben der Russen trotzdem bis auf das Innerste. Wer sich Putin widersetzt labdet im Gefängnis oder wird umgebeacht. Das ist schon radikal.

Geschrieben von: Salzgraf 18. Apr 2023, 23:56

ZITAT(Glorfindel @ 18. Apr 2023, 23:46) *
ZITAT
Es scheint mir klar, dass sich die Schweiz unter solchen Vorzeichen entweder gefügt hätte, oder sie wäre unterjocht worden, und sei es zeitweise.

Wie schon geschrieben, die Schweiz erlebte bereits ein von Nazis beherrschtes Europa während rund fünf Jahren und sie blieb ein freies Land.


einerseits sind 5 Jahre historisch keine Dimension. Zwischen der Krimannexion und dem großen Überfall liegen 8,5 Jahre.

andererseits war die Schweiz hilfreich als Mittler für Rohstoffimporte ins Deutsche Reich und für den internationalen Zahlungsverkehr.
2 Jahre nachdem sich die Wehrmacht vor dem Ural eingegraben und sich in Baku eingerichtet hätten, hätte man sich Gedanken um die Alpenrepublick gemacht. Ich glaube einen "Fall Violett" gab es noch nicht.

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 05:07

Es wurde behauptet,

ZITAT
die ideologisch motivierten Potentaten erhoben ab dem 20. Jahrhundert Anspruch auf die absolute Vorherrschaft, bis hin zur Herrschaft über jedes Wohnzimmer. Es ist irrsinnig zu glauben, dass die Schweiz ein freier Staat geblieben wäre, hätten Hitler oder Stalin Europa erobert.

Tatsache ist, dass Hitler Europa bis auf ein paar Ausnahmen, u.a. die Schweiz und Schweden fast ganz Festlandeurops eroberte und dass die Neutralität, nebst anderen Gründen die Schweiz davor bewahrte. Und es gab damals eben gerade keine NATO, sondern für die Befreiung von Europa war der Kriegseintritt der USA mit ihrer Wirtschaftamacht von Bedeutung.

Es gab im Übrigen diverse Operationsplanungen der Deutschen für einen Einmarsch in die Schweiz. Man weiss auch, dass die Sowjetunion und die WAPA vermutlich die Neuttalität der Schweiz in einem Krieg mit der NATO beachtet hätten. Aber natürlich, bei einem nuklearen Schlagabtausch wäre auch die Schweiz betroffen gewesen.

Geschrieben von: 400plus 19. Apr 2023, 06:15

ZITAT(Glorfindel @ 19. Apr 2023, 06:07) *
Man weiss auch, dass die Sowjetunion und die WAPA vermutlich die Neuttalität der Schweiz in einem Krieg mit der NATO beachtet hätten. Aber natürlich, bei einem nuklearen Schlagabtausch wäre auch die Schweiz betroffen gewesen.


Beim ebenfalls neutralen Österreich wäre das allerdings nicht der Fall gewesen.

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 07:13

Österreich wäre eher bedroht gewesen, aus mehreren Gründen. Afaik hätten die WAPA-Planungen die Neutralität grundsätzlich aber auch respektieren wollen.

Geschrieben von: 400plus 19. Apr 2023, 08:14

Ich glaube das Problem Österreichs wäre gewesen, dass beide Seiten davon ausgingen, dass die andere Seite die Neutralität missachten würde.

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 08:29

Es gibt zu diesen Fragen einige Publikationen, welche teilweise auch im Internet abrufbar sind:
https://www.bundesheer.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=62
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-37274-3_35
https://www.derpragmaticus.com/r/neutral-oesterreich/
https://www.truppendienst.com/themen/beitraege/artikel/der-weg-zur-raumverteidigung-2/

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 08:47

Obwohl die Schweizer Armee über diverse Ausrüstungslücken aufweist und diversen Bereichen nur noch Fähigkeitserhalt betreibt, besteht zwischen den Fähigkeiten der Schweizer Armee und jenen des Bundesheeres ein grosser Unterschied, was die Grösse, die beherrschten Fähigkeiten, die Finanzierung und das Selbstverständnis der Armee betreffen. Es gibt dazu einen (zumindest im zeiten Teil) guten Artikel von Franz-Stefan Gady vom IISS:

ZITAT
Immerhin hat die österreichische Politik sachte Zustimmung zu den Forderungen des Bundesheeres signalisiert, den Wehretat von 0,62 auf ein Prozent des BIP anzuheben und eine einmalige Sonderfinanzierung von zehn bis 14 Milliarden Euro bereitzustellen. Doch reicht das, um auf das militärische Niveau der Schweiz zu kommen? Thomas Starlinger, 2019 Heeresminister und Mitglied von Österreichs einziger Expertenregierung, sah den Betrag von 16,2 Milliarden Euro gar nur als Startpunkt der Truppenmodernisierung. (...)

Aus ihrem Selbstverständnis einer wehrhaften Demokratie heraus investiert die Schweiz eben in hochwertiges Militärmaterial. Österreich hinkt da aus politischem Opportunismus (Das Billigste reicht locker! Wer soll uns schon angreifen?!) seit Jahrzehnten hinterher. Mit der Folge, dass der Materialbestand des Bundesheeres mehr einem Freilichtmuseum gleicht denn einer modernen Armee. (...)

In einer militärischen Einbindung auf EU-Ebene wäre vielleicht eine gut ausgerüstete und ausgebildete Brigade (etwa 3.000 bis 5.000 Personen) zielführend, die sowohl auf dem Land als auch in der Luft sowie im Cyberraum operieren kann. Was mit Sicherheit nicht ausreicht, ist die oft genannte Spezialisierung in den Bereichen Cyber- und ABC-Abwehr oder im Pionierwesen ohne eine Aufwertung der militärischen Grundfähigkeiten.

Das hängt mit dem bereits erwähnten Konzept der verbundenen Waffen zusammen. Es lässt sich am besten mit dem alten Schere-Stein-Papier-Spiel erklären: Jede militärische Einheit (etwa ein Kampfpanzer) hat Schwächen (beispielsweise Angriffe mit Panzerabwehrlenkwaffen oder durch Drohnen), die es durch eine andere Einheit (etwa durch die Flugabwehr oder Panzergrenadiere) zu kompensieren gilt. Setzte man also nur auf eine oder zwei Fähigkeiten (Stein und/oder Schere), wäre das Bundesheer durch die fehlende dritte Fähigkeit im Cyberspace (Papier) enorm verwundbar. Mit einer Spezialisierung würden wir also unsere Versicherungspolizze schwächen, was zur Folge hätte, dass die Chancen eines militärischen Konfliktes steigen.

Das Schere-Stein-Papier-Prinzip gilt genauso, wenn wir uns auf die wahrscheinlichsten kurzfristigen Einsatzszenarien konzentrieren. Setzen wir etwa alles auf die wahrscheinlichste Karte, erhöhen wir damit nur die Chancen, dass unwahrscheinliche Szenarien mittelfristig eintreten. Konzentrieren wir uns also nur auf Cyberverteidigung und ABC-Abwehr, erhöht das nach der paradoxen Logik des Krieges die Chancen, dass uns ein potenzieller Gegner mit konventionellen Mitteln (zum Beispiel mit Drohnen und Raketen) angreift.

Dennoch gibt es Leute, die der Meinung sind, dass Österreich auf eine Spezialisierung im Rahmen einer europäischen Streitkraft setzen sollte. Ein großer Irrtum! Denn ohne die Fähigkeit im Kampf der verbundenen Waffen ist die Integration mit anderen Streitkräften in Europa rein technisch bald nicht mehr möglich.

Und es gibt ein Verständnisproblem zwischen Militärstrategen und dem Rest der Bevölkerung: Das Hauptziel jeder neuen militärischen Anschaffung ist, sie nie einsetzen zu müssen. Das macht die Anschaffung von Waffen, die noch dazu nicht gerade für einen Pappenstiel zu haben sind, politisch schwierig. Denn wer kauft schon etwas um viel Geld, was er nie benutzen will? Die Antwort: ein vernünftiger Verteidigungspolitiker. Auf parlamentarische Anfragen, ob wir denn diese ganzen Waffen wirklich brauchen, sollte der Bundeskanzler – inspiriert von der paradoxen Logik des Krieges – antworten: Wenn wir es gescheit machen, nicht zu unseren Lebzeiten.

(...) Zumindest ein Kern des Bundesheeres muss im kleinen Rahmen fähig sein, im gesamten militärischen Spektrum tätig zu sein. Das heißt, wir brauchen eine kleine, aber feine Panzertruppe mit Langstrecken-Präzisionsartillerie, die vor Angriffen aus der Luft durch eine Flugabwehr geschützt ist. Wir brauchen eine Jägertruppe, die im Verbund mit bewaffneten Drohnen operieren kann. Wir brauchen eine effektive Cyberverteidigung, die von elektronischen Kampftruppen und unseren Nachrichtendiensten unterstützt wird. Und wir brauchen eine Luftwaffe, die auch in der Lage ist, Kampfmissionen zu fliegen.

https://www.derpragmaticus.com/r/oesterreich-heer/

Der Artikel spricht einiges an, welches ich genauso sehe. Eine Spezialisierung ist nutzlos, wenn man die Kerntätigkeiten wie den Kampf der verbundenen Waffen bzw. die Verteidigung schlechthin nichtg beherrscht. Und das Ziel von Armeen und Waffen ist gerade, dass man sie nicht einsetzen muss bzw. dass sie einen dissuasiven Effekt erzielen. Das Problem des Bundesheeres ist, dass es derart unterfinanziert ist, dass es ganz massive Investitionen benötigen würde, um wieder auf ein einigermassen brauchbares Niveau zu kommen und dass sich die Politiker davor scheuen, diesen Effort zu leisten.

Und bereits zur Zeit des Kalten Krieges konnte sich das Bundesheer nicht mit der Schweizer Armee messen, was zusammen mit der Möglichkeit durch Österreich entweder den Deutschen im Südosten in die Flanke zu fallen oder Richtung Italien zu stossen, einen Durchmarsch des Warschauer Paktes wahrscheinlicher machte.

Geschrieben von: Madner Kami 19. Apr 2023, 09:23

Dass die Schweiz nicht Ziel Deutschlands wurde, liegt vor allem daran, dass es stets größere Brötchen zu backen gab und, dass West-/Mitteleuropa für die Naziideologie nicht das erklärte Ziel war. Der Lebensraum war im Osten.

Geschrieben von: 400plus 19. Apr 2023, 09:25

Und man muss auch die Neutralität im Krieg von der Neutralität danach trennen. Eine "neutrale Schweiz" hätte es weder in einer von der Sowjetunion, noch in einer von Nazideutschland dominierten europäischen Nachkriegsordnung gegeben.

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 09:50

ZITAT(Madner Kami @ 19. Apr 2023, 09:23) *
Dass die Schweiz nicht Ziel Deutschlands wurde, liegt vor allem daran, dass es stets größere Brötchen zu backen gab und, dass West-/Mitteleuropa für die Naziideologie nicht das erklärte Ziel war. Der Lebensraum war im Osten.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Schweiz im 2. Weltkrieg vom Krieg verschohnt geblieben ist. Es gab durchaus diverse deutsche Operationsplanungen gegen die Schweiz und die Wehrmacht rechnete mit dem Einsatz von 12 bis 24 Divisionen. Ab September 1941 war die Wehrmacht allerdings stark im Osten gebunden und man hatte kein Interesse, sich ein neues Problem aufzuhalsen. Da spielten wohl einige Überlegungen auf deutscher Seite rein. Die Schweiz war in der Lage, sehr viele Soldaten zu mobilisieren (1939 hatte man 430 000 Soldaten mobilisiert), sie hatte starke Verteidigungsstellungen in den Alpen und sie hatte angekündigt, erbittert Widerstand aus den Alpen erhaus zu leisten, die Schweizer Bevölkerung war mehrheitlich antideutrsch eingestellt und eine Integration der deutschsprachigen Schweizer ins 3. Reich hätte sich schwierig gestaltet und schliesslich war die Gotthard-Einsbahnlinie nach Italien von grosser Bedeutung für Deutschland. Diese Linie wäre in einem Krieg gegen die Schweiz zerstört worden (das Zentrum der Schweizer Verteidigung lag am bzw. unter dem Gotthardmassiv).

ZITAT
Und man muss auch die Neutralität im Krieg von der Neutralität danach trennen. Eine "neutrale Schweiz" hätte es weder in einer von der Sowjetunion, noch in einer von Nazideutschland dominierten europäischen Nachkriegsordnung gegeben.

Die Schweiz hat unbeschadet den 2. Weltkrieg überstanden und das hätte sie nicht, wenn sie sich Deutschland oder Frankreich angeschlossen hätte. Die Schweiz blieb auch ein demokratisches Land während dem 2. Weltkrieg, obwohl es zeitweise vollständig von den Deutschen umschlossen war und es durchaus Erpressungsversuche von Deutschland gab. Und nach dem 2. Weltkrieg blieb die Schweiz (wie im Übrigen auch Schweden) neutral, da sich die Neutralität (zusammen mit anderen Faktoren) bewährt hatte. Der NATO schlossen sich ja nur die vormals neutralen Ländern an, welche in den Krieg hineingezogen worden waren, wie die Niederlande oder Dänemark.

Geschrieben von: 400plus 19. Apr 2023, 10:01

ZITAT(Glorfindel @ 19. Apr 2023, 10:50) *
Die Schweiz hat unbeschadet den 2. Weltkrieg überstanden und das hätte sie nicht, wenn sie sich Deutschland oder Frankreich angeschlossen hätte. Die Schweiz blieb auch ein demokratisches Land während dem 2. Weltkrieg, obwohl es zeitweise vollständig von den Deutschen umschlossen war und es durchaus Erpressungsversuche von Deutschland gab. Und nach dem 2. Weltkrieg blieb die Schweiz (wie im Übrigen auch Schweden) neutral, da sich die Neutralität (zusammen mit anderen Faktoren) bewährt hatte. Der NATO schlossen sich ja nur die vormals neutralen Ländern an, welche in den Krieg hineingezogen worden waren, wie die Niederlande oder Dänemark.


In meinem Szenario geht es um eine hypothetische Nachkriegsordnung nach entweder einem deutschen Sieg im Zweiten Weltkrieg oder einem sowjetischen Sieg im Dritten Weltkrieg. Die Schweiz wäre dann dauerhaft von ideologisch feindlich gesinnten Mächten umschlossen gewesen. Das ist was anderes, als die Zeit 1940-44 (als der Kriegsausgang in der Schwebe war und sich die Niederlage zunehmend abzeichnete) oder 1945-1989 (als die Schweiz keinen direkt feindseligen Nachbarn hatte).

Geschrieben von: stefanpaul65 19. Apr 2023, 13:48

ZITAT(Glorfindel @ 19. Apr 2023, 08:50) *
ZITAT(Madner Kami @ 19. Apr 2023, 09:23) *
Dass die Schweiz nicht Ziel Deutschlands wurde, liegt vor allem daran, dass es stets größere Brötchen zu backen gab und, dass West-/Mitteleuropa für die Naziideologie nicht das erklärte Ziel war. Der Lebensraum war im Osten.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Schweiz im 2. Weltkrieg vom Krieg verschohnt geblieben ist. Es gab durchaus diverse deutsche Operationsplanungen gegen die Schweiz und die Wehrmacht rechnete mit dem Einsatz von 12 bis 24 Divisionen. Ab September 1941 war die Wehrmacht allerdings stark im Osten gebunden und man hatte kein Interesse, sich ein neues Problem aufzuhalsen. Da spielten wohl einige Überlegungen auf deutscher Seite rein. Die Schweiz war in der Lage, sehr viele Soldaten zu mobilisieren (1939 hatte man 430 000 Soldaten mobilisiert), sie hatte starke Verteidigungsstellungen in den Alpen und sie hatte angekündigt, erbittert Widerstand aus den Alpen erhaus zu leisten, die Schweizer Bevölkerung war mehrheitlich antideutrsch eingestellt und eine Integration der deutschsprachigen Schweizer ins 3. Reich hätte sich schwierig gestaltet und schliesslich war die Gotthard-Einsbahnlinie nach Italien von grosser Bedeutung für Deutschland. Diese Linie wäre in einem Krieg gegen die Schweiz zerstört worden (das Zentrum der Schweizer Verteidigung lag am bzw. unter dem Gotthardmassiv).

ZITAT
Und man muss auch die Neutralität im Krieg von der Neutralität danach trennen. Eine "neutrale Schweiz" hätte es weder in einer von der Sowjetunion, noch in einer von Nazideutschland dominierten europäischen Nachkriegsordnung gegeben.

Die Schweiz hat unbeschadet den 2. Weltkrieg überstanden und das hätte sie nicht, wenn sie sich Deutschland oder Frankreich angeschlossen hätte. Die Schweiz blieb auch ein demokratisches Land während dem 2. Weltkrieg, obwohl es zeitweise vollständig von den Deutschen umschlossen war und es durchaus Erpressungsversuche von Deutschland gab. Und nach dem 2. Weltkrieg blieb die Schweiz (wie im Übrigen auch Schweden) neutral, da sich die Neutralität (zusammen mit anderen Faktoren) bewährt hatte. Der NATO schlossen sich ja nur die vormals neutralen Ländern an, welche in den Krieg hineingezogen worden waren, wie die Niederlande oder Dänemark.


Die eigentlichen Gründe habt Ihr schön ausgearbeitet...

https://www.uek.ch/de/index.htm

Ich lese: Ihr habt das Raubgold gut verwaltet und wart ein wichtiger Teil der deutschen Rüstungsindustrie, der aufgrund der Unerreichbarkeit über Land nur hätte bombardiert werden können, was die Neutralität ausschloß...
Ihr habt Glück mit eueren Immobilien. wie sagt man beim Häuserkauf? Lage, Lage, Lage...


Und ja, es gibt dazu sicher noch sehr viel mehr zu sagen, ich latsch da jetzt mal aus dem Minenfeld wieder raus...

Geschrieben von: Glorfindel 19. Apr 2023, 14:42

Ja, wenn Du einfach ein paar Schlagworte rausposaunst, dann begibst Du Dich tatsächlich in ein Minenfeld, weil die Sache ist viel komplizierter. Die Ereignisse und die Politik der Schweiz waren immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Untersuchungen. Jeder interessierte Schweizer weiss darüber bescheid und jeder interessierte Schweizer weiss auch, dass es hier kein schwarz und weiss gibt und auch nicht eine monokausale Erklärung.

ZITAT(stefanpaul65 @ 19. Apr 2023, 13:48) *
(...)
Ich lese: Ihr habt das Raubgold gut verwaltet und wart ein wichtiger Teil der deutschen Rüstungsindustrie, der aufgrund der Unerreichbarkeit über Land nur hätte bombardiert werden können, was die Neutralität ausschloß...
(...)

Wichtiger Teil der deutschen Rüstungsindustrie ist wohl übertrieben, auch wenn man sich die Schweizer Rüstungsexporte nach Deutschland mit der gesamten Rüstungsproduktion des 3. Reiches vergleicht. Es gingen insbesondere 20mm Kanonen, 20mm Munition und Zünder nach Deutschland. Von wichtigem Teil der deutschen Rüstungsindustrie würde ich jetzt nicht sprechen.

Grund weshalb Rüstungsgüter nach Deutschland exportiert wurden war insbesondere die Tatsache, dass die Franzosen den Krieg 1940 verloren hatten und die Schweiz danach Mühe hatte, die Alliierten zu beliefern. Vorher ging der Grossteil der Rüstungsexporte an die Westalliierten.

Ich glaube, sowohl die Goldexporte der Deutschen in die Schweiz wie auch die Rüstungsindustrie waren nicht wirklich entscheidend dafür, dass die Schweiz im 2. Weltkrieg verschont geblieben ist. Im Übrigen ist die Behauptung, die Schweiz sei wegen Raubgold und Rüstungsexporten verschont geblieben, genauso einseitig wie die Behauptung, dies sei alleine aufgrund des starken Wehrwillens und hervorragenden Armee der Fall gewesen. Es gibt verschiedene Gründe, welche zusammenspielen und ein gewisser Zufall oder Beliebigkeit wird auch eine Rolle spielen.

Dazu Jakob Tanner, ein Mitglieder der Bergier-Kommission (eben, die von Dir genannte unabhängige Expertenkommission) und (armeekritischer) Historiker:
ZITAT
Guisan bleibt eine zwiespältige Figur, die sich weder als Nationalheiliger noch als Buhmann eignet. Er hat im Sommer 1940 einiges richtig gemacht. Das habe ich schon 1986 in meiner Dissertation festgestellt. Mir ist es wichtig, die Reduit-Strategie auch wirtschaftspolitisch zu beurteilen. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs ermöglichte es das Einschwenken auf eine Reduit-Strategie, im Zeitfenster der grössten militärischen Bedrohung zwei Drittel der Soldaten nach Hause zu schicken, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Im August kam ein Handelsvertrag mit Deutschland zustande. (...) das Umschwenken auf eine Reduit-Strategie hat zur inneren Stabilität der Schweiz beigetragen. Unter anderem holte Guisan dadurch die Linke ins Boot, mit der er sich schliesslich gut arrangierte. Im Kernpunkt – also der Frage, ob es letztlich die Verteidigungsbereitschaft oder die Kooperation war, die Hitler davon abhielt, die Schweiz zu überrennen – bleibe ich agnostisch. Wir werden es nie wissen. Man kann den «deutschen Führer» eben nicht als rational handelnde politische Figur betrachten, so wie etwa Churchill. (...) Allerdings war Nazideutschland ein polykratisches Regime, keine straff organisierte Einheitsdiktatur. Da spielte es natürlich eine Rolle, was Reichsbank und Rüstungsbeschaffer sagten. Aus deren Sicht war es gut und wichtig, dass es eine unabhängige Schweiz gab, die im grossen Stil deutsches Raubgold gegen international konvertible Franken aufkaufte. Aber wie gesagt: Die Nazis haben immer wieder Entscheidungen getroffen, die völlig widersinnig waren. (...) Im Big Picture komme ich zum Schluss, dass Guisan im entscheidenden Moment der höchsten Bedrohung (...) mit der Reduit-Strategie und der Ausschaltung seiner deutschfreundlichen Gegner um Ulrich Wille junior das Klügste gemacht hat.

https://www.fsw.uzh.ch/static/medien/tanner_das_magazin_37_2015.pdf

Jakob Tanner ist auchhttps://www.srf.ch/play/tv/news-clip/video/jakob-tanner-die-schweiz-hat-den-krieg-nicht-verlaengert?urn=urn:srf:video:55b88652-b1c0-44e8-8829-5b7332988997, dass nicht gesagt werden könne, die Schweiz hätte irgendwie den 2. Weltkrieg verlängert, weil 1. der Beitrag der Schweiz an die deutsche Rüstung gering gewesen sei und 2. der Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden worden sei. Ich hatte das Interview noch in Erinnerung, er hat aber noch mehr dazu gesagt.

Die Sache ist leider politisch sehr aufgeladen, weil die Aktivgeneration und die Nationalkonservativen jahrzehntelang behaupteten, dass die Armee die Schweiz gerettet hätte und dann Linke und armeekritische Kreise genau das Gegenteil behaupteten und der Schweizer Regierung und insbesondere auch der Industrie Kumpanei mit den Nazis vorwarfen.

Geschrieben von: Seneca 19. Apr 2023, 16:37

Die Schweiz war nie primäres Interesse Hitlers. Der Osten war sein Ziel. Selbst Frankreich wäre, hätte es den deutschen Angriff auf Polen toleriert, zunächst nicht von Hitler angegriffen worden. Hitler wollte keinen Zweifrontenkrieg. Die interessante Frage ist, was nach einem erfolgreichen Russlandfeldzug mit der Schweiz passiert wäre. Wahrscheinlich nichts Gutes, Neutralität hätte da nicht geschützt. Vermutlich wäre die Schweiz zu einem Vasallenstaat gepresst worden.

Geschrieben von: xena 20. Apr 2023, 04:31

ZITAT(Glorfindel @ 19. Apr 2023, 13:42) *
Grund weshalb Rüstungsgüter nach Deutschland exportiert wurden war insbesondere die Tatsache, dass die Franzosen den Krieg 1940 verloren hatten und die Schweiz danach Mühe hatte, die Alliierten zu beliefern. Vorher ging der Grossteil der Rüstungsexporte an die Westalliierten.

Das mit den Alliierten haben sie ganz einfach durch Lizenzen gelöst. Dadurch musste auch nichts mehr geliefert werden und man hat mit den immensen Produktionen in den USA gutes Geld verdient, vielleicht mehr als mit Deutschland.

Ähnlich hat es Bofors ja auch gemacht. So viel hätten sie selbst nie herstellen können, wie in den USA in Lizenz produziert wurde.

Aber um die eigenen Werke im Land weiter am Laufen zu halten und die Leute in Lohn und Brot zu halten war der Export nach Deutschland sicherlich nötig.

Geschrieben von: Salzgraf 20. Apr 2023, 09:10

ZITAT(xena @ 20. Apr 2023, 05:31) *
ZITAT(Glorfindel @ 19. Apr 2023, 13:42) *
Grund weshalb Rüstungsgüter nach Deutschland exportiert wurden war insbesondere die Tatsache, dass die Franzosen den Krieg 1940 verloren hatten und die Schweiz danach Mühe hatte, die Alliierten zu beliefern. Vorher ging der Grossteil der Rüstungsexporte an die Westalliierten.

Das mit den Alliierten haben sie ganz einfach durch Lizenzen gelöst. Dadurch musste auch nichts mehr geliefert werden und man hat mit den immensen Produktionen in den USA gutes Geld verdient, vielleicht mehr als mit Deutschland.

Ähnlich hat es Bofors ja auch gemacht. So viel hätten sie selbst nie herstellen können, wie in den USA in Lizenz produziert wurde.

Aber um die eigenen Werke im Land weiter am Laufen zu halten und die Leute in Lohn und Brot zu halten war der Export nach Deutschland sicherlich nötig.

OT: Es wäre mal spannend zu betrachten, ob man mit den Lizenzeinnahmen eine Art "bedingungsloses (Teil-)Einkommen" für alle hätte schaffen können: 20 h-Woche mit Ausgleich aus den Lizenzeinkommen.

Geschrieben von: goschi 20. Apr 2023, 10:04

mata.gif

Das ist mehr als nur Offtopic.... Das ist Fantasia

Geschrieben von: Seneca 23. Apr 2023, 22:18

Wahlen im Bundesland Salzburg. Knapp 38% für Extremisten. Knapp 26% für die FPÖ, knapp 12% für die KPÖ.
Gut , das Bundesland Salzburg hat deutlich weniger Einwohner als das Saarland. Trotzdem wundert mich, was da in Österreich so gewählt wird . Erinnert an Sachsen . Die Ausrede " Folge der Teilung" fällt im Bundesland Salzburg aber weg.
https://salzburg.orf.at/stories/3204298/

Geschrieben von: Glorfindel 3. May 2023, 12:12

Auch in Österreich gibt es Überlegungen zur Neutralität, wenn auch eher ausserhalb der Politik.

ZITAT
Die neue geopolitische Lage erfordere eine Neuorientierung, befindet man im Verteidigungsressort: Soldaten und Soldatinnen sollen sich in Zukunft auf genuin militärische Aufgaben konzentrieren statt auf Katastrophen- und Hilfseinsätze. Aber wie die österreichische Version der "Zeitenwende", wie sie in Deutschland genannt wird, genau aussieht, ist noch offen: Denn die Neutralität wird hinter vorgehaltener Hand als Risiko bezeichnet, offiziell aber nicht angerührt. (...)

Der Republik soll nun eine neue Sicherheitsdoktrin verpasst werden, kündigte die Regierungsspitze Anfang April an. Die aktuell gültige ist zehn Jahre alt, Russland wird darin noch als "wesentlicher Partner" bezeichnet. (...)

Er halte die Neutralität für einen wichtigen Teil der neuen heimischen Sicherheitsstrategie, sagte Nehammer auch beim jüngsten "Kanzlergespräch", einem regelmäßigen Hintergrundgespräch mit Journalistinnen und Journalisten, an dem auch DER STANDARD teilnahm. Österreich erfülle damit eine "Brückenbau-Funktion" und leiste als "Türöffner in den europäischen Raum" einen besonders wertvollen Beitrag. (...)

Seit dem Nato-Beitritt Finnlands (vollzogen) und Schwedens (geplant) haben außer Österreich nur mehr Irland, Malta und Zypern diesen Status, drei Inseln also und ein Land, das lange den Mythos gepflegt hat, eine Insel der Seligen zu sein. Politikwissenschafterin Velina Tchakarova sagt, es sei eher eine "Insel der sicherheitspolitischen Realitätsverweigerer". (...)

Aber auch aus dem Bundesheer selbst kommt Bewegung in die Neutralitätsdebatte: Die Österreichische Offiziersgesellschaft (...) hat in ihrem Positionspapier 2023 jüngst eine "ergebnisoffene Analyse über die bestmögliche sicherheits- und verteidigungspolitische Ausrichtung" und eine Debatte "ohne ideologische Einschränkungen und populistische Vereinfachungen" gefordert. Österreich sei "keine sicherheits- und verteidigungspolitische Insel, sondern liegt inmitten eines sich dynamisch verändernden Europas" (...) Es stehe Österreich nicht gut an, sicherheitspolitischer "Trittbrettfahrer" zu sein, sich also ohne Gegenleistung auf Schutz der Nachbarstaaten zu verlassen.

In der aktiven Politik stellt dagegen niemand Österreichs neutralen Status in Frage, weder die Regierung, noch die Opposition. (...) Warum das so ist? Zumindest einen wesentlichen Teil der Antwort liefern die Meinungsumfragen. Denn dort spricht sich regelmäßig eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für die Beibehaltung der Neutralität aus. Neutralität fordert, hat damit politisch nichts zu gewinnen.

Dass sich die Neutralität gar zu einem "Risiko" entwickeln könnte, hält man unterdessen sogar in einem internen Bericht des Verteidigungsressorts fest, der jüngst der "Presse" zugespielt wurde. Der Staat sei nur eingeschränkt strategiefähig, wird im vertraulichen "Risikobild 2032" gewarnt. Auf Österreich kämen "Positionierungsfragen bezüglich Beistandspflicht" zu, sollte ein EU-Staat angegriffen werden. Verweigere Österreich diese Solidarität, drohe der Regierung in Wien politische Isolation.


https://www.derstandard.at/story/2000145927113/bleiben-wir-ewig-selig-auf-der-neutralen-insel-oesterreich

Geschrieben von: swizzly 11. May 2023, 18:18

(swizzly @ 6. Mar 2023, 22:56) *
22.3557 Abschaffung der Nichtwiederausfuhrerklärung für Länder mit gleichen Werten und vergleichbarem Exportkontrollregime abgelehnt, 06.03.2023
23.402 Nichtwiederausfuhrerklärungen sollen auf 5 Jahre begrenzt sein, schlägt in die gleiche Kerbe wie die 22.3557, nur als parlamentarische Initiative statt Motion -> offen
23.401 Wiederausfuhren in die Ukraine werden explizit erlaubt -> offen
23.3005 Wiederausfuhren werden erlaubt, sofern die Vereinten Nationen einen Bruch vom Völkerrechtlichen Gewaltverbot feststellt. entscheidender Absatz abgelehnt, 08.03.2023
23.403 Kombiniert 23.402 und 23.3005 -> offen
22.3692 Gibt dem Bundesrat wieder die Kompetenz, Wiederausfuhren von bestimmten Staaten zu erlauben. Würde aber laut Bundesrat Ausfuhren in die Ukraine trotzdem nicht ermöglichen. -> offen
23.3585 Der Bundesrat kann Ausnahmen vom Kriegsmaterialgesetz beschliessen. -> neu, offen


23.403 wurde überarbeitet und hat eine erste Hürde genommen, 23.3585 kam neu dazu
Ein nächster Versuch wird gestartet: https://www.nzz.ch/schweiz/waffenweitergabe-an-die-ukraine-die-formel-fuer-den-kriegsmaterial-kompromiss-lautet-uniting-for-peace-ld.1737417
Wiederausfuhren sollen erlaubt werden können wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Geschrieben von: muckensen 19. May 2023, 04:44

ZITAT
Keine Kampfjets für Selenskjy über Österreich

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Mittwoch von Rom nach Berlin geflogen. Dabei wurde er von jeweils von zwei Eurofightern aus Italien und Deutschland begleitet, die jedoch über Österreich pausieren mussten. Selenskyj ist damit einige Minuten an Österreichs Neutralität erinnert worden.

Anders als auf der restlichen Strecke hatte der Airbus A319 der deutschen Luftwaffe im österreichischen Luftraum keine Kampfflieger-Eskorte, bestätigte Bundesheer-Sprecher Michael Bauer. Für den Regierungsflieger selbst war hingegen keine konkrete Überfluggenehmigung nötig. (https://www.krone.at/3010346)
Schön tendenziöser Artikel. Und die Leserkommentare: Putinversteherei, Judenhass und Neutralitäts-Autofellatio.

Geschrieben von: Madner Kami 19. May 2023, 14:30

Man stelle sich vor, auf den NATO-Radaren tauchen plötzlich zwei Blips auf. Sie bewegen sich aus dem weißrussischen Luftraum, kreuzen die ungarische Grenze, überfliegen das ungarische Staatsgebiet und dringen in den österreichischen Luftraum ein. Ihr Vektor bringt sie auf einen Kollisionskurs mit Selenskys Maschine. Alle Stellen in höchster Alarmbereitschaft, aber Ungarn hat bereits abgewiegelt und ab der österreichischen Grenze herrscht weißes Rauschen im Äther. Schnell stellt sich heraus, dass ein Cyberangriff sämtliche Kommunkationsnetze in Österreich lahm gelegt hat, aber niemand kann etwas tun. Es knallt. Selenskys Maschine stürzt, in zwei Teile zerbrochen, brennend vom Himmel. Die Blips machen kehrt und verschwinden im ungarischen Luftraum, bevor nichtungarische NATO-Abfangjäger heran geführt werden können, dank der Verzögerung aus Budapest... Das ist österreichische Neutralität.

Geschrieben von: goschi 19. May 2023, 14:58

Wir leben aber dann doch nicht in einem Tom Clancy oder Eric L. Harry Roman rolleyes.gif

Geschrieben von: Schwabo Elite 19. May 2023, 15:04

Und Ungarn müsste dann eben auch mindestens weggucken. wink.gif

Geschrieben von: Nite 19. May 2023, 15:26

ZITAT(goschi @ 19. May 2023, 15:58) *
Wir leben aber dann doch nicht in einem Tom Clancy oder Eric L. Harry Roman rolleyes.gif

Weil die Realität oft weitaus verrückter ist als selbst die absurdesten Ideen dieser Herren wink.gif

Geschrieben von: Thomas 19. May 2023, 19:48

Wäre tatsächlich jemand so wahnsinnig gewesen einen deutschen Luftwaffen Airbus abzuschießen... Dann wäre das ein kriegerischer Akt gegen die NATO.

Geschrieben von: Holzkopp 19. May 2023, 20:29

ZITAT(Nite @ 19. May 2023, 16:26) *
ZITAT(goschi @ 19. May 2023, 15:58) *
Wir leben aber dann doch nicht in einem Tom Clancy oder Eric L. Harry Roman rolleyes.gif

Weil die Realität oft weitaus verrückter ist als selbst die absurdesten Ideen dieser Herren wink.gif


Lukaschenka hat auch ein Flugzeug zur Landung gezwungen um einen Regimegegner da rauszuholen. Das war staatliche Luftpiraterie.

Warum sollte man da nicht für ein Hochwertziel wie Selenskiy auch mal mehr riskieren?

Österreich halte ich mittlerweile für einen fast idealen Ort für sowas, dem äußeren Anschein nach ein Rechtsstaat, aber ausreiuchend korrumpiert durch Verflechtungen mit dem russischen Machtbereich. Da gibts zwar einen Skandal, vom Bundesheer erwartet auch niemand wirksame Luftverteidigung, man startet eine Untersuchung und wird nichts finden.

Gegen wen soll die Nato denn dann vorgehen? Österreich wird auf seine Neutralität verweisen und irgendwas untersuchen.

Wenn Putin die Chance bekommt, Selenskiy physisch zu vernichten glaube ich wäre er bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Und da vermute ich ist alles drin unterhalb des Kriegseintritts der Nato.

Geschrieben von: muckensen 19. May 2023, 20:37

Ich bezweifle, dass Selensky auf NATO-Territorium militärisch bedroht war. Ein Anschlagsversuch durch einen angeblichen Einzeltäter, das vielleicht, oder eher schon (und ich denke, dies wurde zumindest deutscherseits befürchtet) irgendeine Propagandanummer mit als ukrainischen Demonstranten verkleideten Russen, die ihn mit Eiern bewerfen. Was mir bei dem ganzen Vorgang in Österreich nur aufgefallen war – abgesehen natürlich von dem tendenziösen Artikel und der Zustimmung heulenden Meute unter den Lesern –, ist, dass Wien nach wie vor in die eine Richtung blinkt und in die andere Richtung lenkt. Warum? Der eigenen Bevölkerung wegen, die immerhin in Scharen zu FPÖ und KPÖ strömt, oder um sich Russland gegenüber abzusichern?

Geschrieben von: Brünnhilde 19. May 2023, 20:39

ZITAT(Madner Kami @ 19. May 2023, 15:30) *
Schnell stellt sich heraus, dass ein Cyberangriff sämtliche Kommunkationsnetze in Österreich lahm gelegt hat, aber niemand kann etwas tun. Es knallt.


Wenn ich das richtig gelesen habe, kontrolliert Deutschland den Luftraum über Tirol.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Airbus auch nur eine Sekunde aus dem Blick der deutschen oder italienischen Jagdflieger war.

Dass die A-Presse was anderes schreibt, ist Folklore.

ZITAT(Holzkopp @ 19. May 2023, 21:29) *
… man startet eine Untersuchung und wird nichts finden.


A bsoffene Gschicht halt. biggrin.gif


Geschrieben von: Holzkopp 19. May 2023, 20:58

Ok, wenn schon etwas Tom Clancy, dann vielleicht diese Variante:

sollte sich da was von Osten nähern und weder Ungarn noch Österreich Abwehrmaßnahmen starten dann könnte doch eine Alarmrotte aus Deutschland oder Tschechien -in diesem Fall ohne Zustimmung der Österreicher- über deren Territorium die Gefahr beseitigen.

Da gäbs ganz gewichtige Argumente für. Und die Österreicher müssten erklären, warum sie das nicht selbst hinbekommen haben. Zumal wenn dann noch Trümmerteile eines (bela)russischen Fliegers auf österreichischem Staatsgebiet niedergehen und Bilder davon auftauchen.

Ich glaube nicht, dass man wenn man so eine Gefahr erkennt und Handlungsoptionen hat diese nicht nutzt.

Eher entsteht daraus die Frage, ob Österreich nicht disqualifiziert ist für vertrauliche Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Wenn Neutralität zur passiven Komplizenschaft wird ist das ein Sicherheitsrisiko für die Nato.

Mal schauen, wer da da neue Oberst Redl werden will.

Geschrieben von: General Gauder 19. May 2023, 21:06

ZITAT(Holzkopp @ 19. May 2023, 21:58) *
Ok, wenn schon etwas Tom Clancy, dann vielleicht diese Variante:

sollte sich da was von Osten nähern und weder Ungarn noch Österreich Abwehrmaßnahmen starten dann könnte doch eine Alarmrotte aus Deutschland oder Tschechien -in diesem Fall ohne Zustimmung der Österreicher- über deren Territorium die Gefahr beseitigen.

Da gäbs ganz gewichtige Argumente für. Und die Österreicher müssten erklären, warum sie das nicht selbst hinbekommen haben. Zumal wenn dann noch Trümmerteile eines (bela)russischen Fliegers auf österreichischem Staatsgebiet niedergehen und Bilder davon auftauchen.

Ich glaube nicht, dass man wenn man so eine Gefahr erkennt und Handlungsoptionen hat diese nicht nutzt.

Eher entsteht daraus die Frage, ob Österreich nicht disqualifiziert ist für vertrauliche Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Wenn Neutralität zur passiven Komplizenschaft wird ist das ein Sicherheitsrisiko für die Nato.

Mal schauen, wer da da neue Oberst Redl werden will.

Hat Olaf und Franky dann auch fertige blanko "du kommst aus dem Gefängnis frei" Schreiben im Tresor?

Geschrieben von: muckensen 19. May 2023, 22:33

Österreichs Neutralit, die Zweite:

Bundespräsident van der Bellen kritisiert die pauschale Absage der Regierung an die Bitte des ukrainischen Botschafters, Minenräumspezialisten in Gebiete hinter der Front zu entsenden. Darauf entgegnet Kanzler Nehammer auf https://twitter.com/karlnehammer/status/1659490470945275905: "Es wird kein österreichischer Soldat für einen operativen Einsatz zur Räumung von Minen ukrainischen Boden betreten, solange das ein Kriegsgebiet ist. Wer österreichische Soldaten in ein Kriegsgebiet schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkommen." Und: "In der Regel werden solche Einsätze von beauftragten Unternehmen bzw. internationalen Organisationen durchgeführt. Österreich prüft derzeit die finanzielle Beteiligung an solch einer Initiative."

Abgesehen davon, dass mögliche Gefahren für die Soldaten Wien nicht daran hinderten, Auslandseinsätze auf dem Balkan, in Mali oder Afghanistan zu beginnen – will Nehammer wirklich sagen, dass ein Einsatz in der Ukraine für private Unternehmen oder gemeinnützige Organisationen aus dem Bereich der Minenräumung nicht zu gefährlich wäre, für das Bundesheer aber schon?

Geschrieben von: General Gauder 19. May 2023, 22:42

Nun den Militärs wird befohlen dort hinzugehen und Minen zu räumen, die haben keine große Wahl, bei einem privaten Unternehmen schaut das anders aus, da können die Angestellten sehr wohl sagen nein, das mache ich nicht.
Das ist also schon ein Unterschied, wobei ich zugeben muss, dass die Formulierung eher unglücklich ist.

Geschrieben von: Elbroewer 19. May 2023, 22:54

Wie viele deutsche Pioniere räumen in der Ukraine gerade Minen?

Geschrieben von: muckensen 19. May 2023, 23:04

ZITAT(Elbroewer @ 19. May 2023, 23:54) *
Wie viele deutsche Pioniere räumen in der Ukraine gerade Minen?
Meinst Du wirklich, das wäre relevant für die Frage, was von Nehammers Behauptung zu halten ist?

Aber die Antwort lautet: keine. Es wurden keine angefragt. Nicht zuletzt deshalb, weil Deutschland bereits mit hunderten Soldaten (als Ausbildern) und vielen Milliarden Euro in die ukrainischen Kriegsanstrengungen eingebunden ist. Sicherlich, Berlin würde einer solchen Bitte ebenfalls nicht entsprechen, allerdings eher vor dem Hintergrund, das russische Narrativ nicht zu bestärken, dass die NATO in der Ukraine aktiv sei.

Allerdings: Gerade deswegen könnte Österreich als neutraler Staat einspringen. Wenn Österreicher, wie von der Ukraine erbeten, in einem Ort wie Buchta Minen und Kampfmittelrückstände beseitigen würden, die nur Zivilisten gefährden, und das hunderte Kilometer von der Front, so wäre dies eine rein humanitäre Hilfeleistung. Niemand, der nicht gerade russischen Lack gesoffen hat, könnte behaupten, Österreich würde seine Neutralität verletzen.

Geschrieben von: Holzkopp 19. May 2023, 23:32

Na dann würde ich Folgendes Vorschlagen:

Österreich und die Schweiz als neutrale Staaten bieten der Ukraine und Russland an, jeweils auf dem völkerrechtlich anerkannten Territorium beider Staaten Minen zu räumen. Natürlich dort, wo keine Kampfhandlungen stattfinden.

Die Russen werden lange suchen müssen bis sie auf eigenem Territorium (nein, weder die Krim noch der Donbass gehören dazu) ukrainische Minen finden.

Und da die Russen wahrscheinlich keine Minen zum Räumen finden können Österreich und Schweiz ihre humanitäre Aufgabe völlig neutral erfüllen.

Na, Herr Nehammer, wie wäre das?

Davon ab glaube ich, dass es für solch eine Aktion tatsächlich noch zu früh ist, die Kampfhandlungen laufen ja noch. Das ist was für die Zeit eines Waffenstillstandes oder Friedensschlusses.

Geschrieben von: muckensen 22. May 2023, 04:34

Vielleicht unterliege ich ja einem Denkfehler, aber wie soll das gehen?

ZITAT
Die Österreicher sind begeistert von der Neutralität. Wie passt es da zusammen, dass das Bundesheer mit EU- und NATO-Staaten an einem Schutzschild arbeitet?

Tanner: Aufgrund unserer Verfassung bleibt uns nichts anderes übrig, als den Luftraum selbst zu schützen. Unsere Abfangjäger werden das auch in Zukunft übernehmen. Der angesprochene European Sky Shield ist noch eine Ebene über den Eurofightern, also in den höheren Sphären. Und hier ist es technisch wie finanziell undenkbar, dass ein EU-Land allein einen Schutzschirm aufspannt. Ich hoffe, dass wir im Juli einen ersten „Letter of Intent“ unterschreiben können. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis der Schutzschirm aktiv ist.

Wenn sich ein unbekanntes Flugobjekt Österreich nähert, wer entscheidet beim Sky Shield über einen möglichen Abschuss?

Tanner: Diese Entscheidung muss immer bei uns bleiben.
(https://kurier.at/politik/inland/tanner-wiederbetaetigung-muss-amtsverlust-bedeuten/402456918)
Wenn sich ein unbekanntes Flugobjekt Österreich nähert, befindet es sich doch logischerweise außerhalb österreichischen Luftraums. Warum sollte die Entscheidung zum Abschuss dann bei Österreich verbleiben? Warum sollten Österreichs Nachbarstaaten zuschauen, wie sie z.B. von einer Kinschal überflogen werden? Außerdem ist Sky Shield ein System der kollektiven Sicherheit. Wie könnte es da überhaupt für Österreich eine "Opt out"-Klausel geben, wie sie Wien offenbar vorschwebt? Was soll denn bspw. passieren, wenn Russland die NATO angreift, stellt Österreich dann aus Neutralitätsgründen die Zusammenarbeit ein? Es muss sich doch jedes Mitglied darauf verlassen können, dass sich die anderen Mitglieder gerade nicht auf den Standpunkt zurückziehen: "Das Ding geht jenseits der Grenze nieder, das geht mich nichts an."

Geschrieben von: 400plus 24. May 2023, 12:42

https://www.nzz.ch/schweiz/bundesrat-will-25-leopard-2-kampfpanzer-an-deutschland-abgeben-ld.1739355

ZITAT
Aus dem Bestand der Schweizer Armee sollen 25 von 96 stillgelegten Kampfpanzern ausser Dienst gestellt werden. Dies wäre die juristische Voraussetzung für einen Rückverkauf. Gleichzeitig hat die SiK die Ausserdienststellung an die Bedingung geknüpft, dass die Fahrzeuge zwingend an die Herstellerfirma zurückgehen müssen und nicht sonst wo landen dürfen. [...] Die Grünen verlangen hier Zusicherungen. Die SVP wird das Vorhaben bekämpfen.

Geschrieben von: Stormcrow 24. May 2023, 13:46

Immerhin (und ein weiterer Schandfleck für die SVP).
Die Panzer an die Herstellerfirma zu übergeben, sollte ja kein großes Problem sein. 25 A4 für die Umrüstung auf A7V/A8 können bis zu 25 A6 für die Ukraine aus BW-Beständen.

Das ist vielleicht aus Sicht des Übungsbetriebs nicht geträumt, aber das ist dann so.

Geschrieben von: Glorfindel 24. May 2023, 14:29

Wie auch schon besprochen, es ist nicht die Herstellerfirma der Schweizer Leopard 2, sondern die Lizenzgeberin (auch wenn im Artikel dies etwas anders drin steht).

Geschrieben von: Salzgraf 24. May 2023, 15:07

ZITAT(Stormcrow @ 24. May 2023, 14:46) *
Immerhin (und ein weiterer Schandfleck für die SVP).
Die Panzer an die Herstellerfirma zu übergeben, sollte ja kein großes Problem sein. 25 A4 für die Umrüstung auf A7V/A8 können bis zu 25 A6 für die Ukraine aus BW-Beständen.

Das ist vielleicht aus Sicht des Übungsbetriebs nicht geträumt, aber das ist dann so.

Da A7 breitere Wannen haben als die A4 ist ein Umbau zu Pionierpanzern naheliegend.

Geschrieben von: Glorfindel 1. Jun 2023, 09:00

ZITAT
Der Rüstungskonzern Ruag hat beim Staatssekretariat für Wirtschaft ein offizielles Exportgesuch für 96 Leopard-1-Panzer eingereicht. Die Panzer sollen der Ukraine zugutekommen.

https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/other/ruag-reicht-gesuch-f%C3%BCr-panzerverkauf-ein/ar-AA1bY4qc?ocid=msedgntp&cvid=bba13f7165934d048632c50b16a0be1c&ei=8

Geschrieben von: muckensen 1. Jun 2023, 12:53

Die RUAG-Chefin Brigitte Beck hat Anfang Mai einigen Staub aufgewirbelt in der Schweiz, als sie bei einem Symposium sagte, ihrer Meinung nach sollten Deutschland und Spanien einfach die von der Schweiz blockierten Rüstungsgüter liefern, die Schweiz könne sowieso nichts dagegen machen. Daraufhin musste sie sich sogar bei der Belegschaft entschuldigen, Politiker fast aller Parteien warfen ihr vor, ausländische Regierungen zu ermuntern, schweizerische Gesetze zu brechen. (Ein unpassender Vorwurf, natürlich gilt Schweizer Recht nur in der Schweiz.) Kann, vor diesem Hintergrund, Bern da irgendetwas anderes tun, als das Gesuch ablehnen?

Geschrieben von: swizzly 1. Jun 2023, 13:14

Bern muss das Gesuch aufgrund der "Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine" ablehnen.
Es sei denn, das Parlament kann sich endlich zu einer Anpassung durchringen. Das wäre aber - glaube ich - frühstens in der Herbstsession möglich.

Ob der Anfrage bin ich dennoch verwundert, ich ging davon aus, dass RUAG und Rheinmetall zwischenzeitlich ein Hintertürchen gefunden haben.

Geschrieben von: Glorfindel 1. Jun 2023, 13:53

Die RUAG möchte eine Begründung und vermutlich auch die Diskussion anwerfen.
_________________________________________________________________

Es ist dringend angezeigt, dass in der Schweiz eine Debatte über die Neutralität geführt wird. Es ist heute so, dass die Neutralität teilweise die Interessen der Schweiz, namentlich auch die Sicherheitsinteressen der Schweiz, beeinträchtigt.

- so hat die Schweiz in Interesse daran, dass Russland diesen Krieg verliert, weil zukünftige Aggressoren dadurch abgeschreckt würden. Die Neutralität schützt aber im Moment Russland;
- die Neutralität beeinträchtigt die Schweizer Rüstungsindustrie, eine strategisch wichtige Industrie, namentlich wenn man sich auch selber mit Rüstungsgüter versorgen will;
- die Neutralität schadet der Schweiz im Umgang mit westlichen Staaten, weil diese glauben, dass die Neutralität in diesem Konflikt Russland nützt.
- die Sicherheit der Schweiz wird an den Rändern Europas und überall dort verteidigt, wo Demokratien an potentielle Aggressoren angrenzen. Es betrifft die Schweiz, wenn China im ostchinesischen Meer andere Staaten, namentlich Taiwan, Südkorea und Japan bedroht.
- die Schweiz leistet sich seit mindestens zwanzig Jahren keine autonome Verteidigung mehr, d.h. auch die Schweiz kann sich ganz alleine gegen einen potentiellen Angreifer nicht verteidigen bzw. erhebt gar nicht diesen Anspruch, aber in Zusammenarbeit mit anderen Staaten kann die Schweiz etwas beisteuern. Auch hier sollte sich die Regierung, das Parlament und das Volk bewusst werden, dass wenn man nicht bereit ist, entsprechende Verteidigungsanstrengungen (ich spreche hier von Dingen wie Tankflugzeugen, AWACS, strategischem Feuer, einer massiven Vergrösserung der Armee, Kampfdrohnen etc.) zu unternehmen, man konsequenterweise über einen NATO-Beitritt sprechen müsste.


Ich kann mir gut vorstellen, dass es die Neutralität in 20 Jahren so nicht mehr geben wird, der Bundesrat und das Parlament sollten dringend die Diskussion führen, ob man wirklich noch so lange warten will.

Geschrieben von: muckensen 2. Jun 2023, 15:03

Der Nationalrat der Schweiz hat die Vorlage des Bundesrats abgelehnt, unter bestimmten Bedingungen Exportgenehmigungen für Kriegsmaterial in Länder zu erteilen, die sich verteidigen. Somit wird die Schweiz auch weiterhin keine Genehmigung erteilen, dass von Schweizer Firmen produziertes Rüstungsmaterial in die Ukraine exportiert werden darf. Die Kritiker der Vorlage hatten teils grundsätzliche Bedenken, teils hielten sie die Vorlage für mit dem Gleichbehandlungsgebot der Neutralität nicht für vereinbar. (https://www.blick.ch/politik/keine-weitergabe-von-schweizer-kriegsmaterial-nationalrat-sagt-nein-zu-lex-ukraine-id18629342.html)

Ein beschämender Beschluss. Vielleicht sollte man den Vorschlag der RUAG-Chefin doch noch einmal aufgreifen. Und außerdem in Zukunft keine Waffen mehr in der Schweiz kaufen. Ich halte es für sehr gut, keine Rüstungsgüter in Nationen zu exportieren, die gegen Nachbarstaaten aggressiv vorgehen oder die Menschenrechte verletzen, aber es ist absurd, auf die Einhaltung von Konzepten aus napoleonischer Zeit zu beharren, wenn ein Land um Hilfe bittet, das Ziel eines Vernichtungskrieges wird.

Geschrieben von: swizzly 2. Jun 2023, 15:52

(muckensen @ 2. Jun 2023, 16:03) *
Der Nationalrat der Schweiz hat die Vorlage des Bundesrats abgelehnt, unter bestimmten Bedingungen Exportgenehmigungen für Kriegsmaterial in Länder zu erteilen, die sich verteidigen.

Das stimmt so nicht. Die beantragte Änderung hätte sich explizit auf Wiederausfuhren in die Ukraine im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg bezogen. (siehe hier: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20230401)
Dass so spezifische Artikel abgelehnt werden ist üblich. Die Schweiz muss sich grundsätzlich Gedanken machen, wie man sich in solchen Situationen positioniert, sonst gibt es die gleichen Diskussionen immer und immer wieder. Meiner Meinung ist dieser Entscheid richtig. Die erfolgversprechendsten Vorstösse wurden noch gar nicht behandelt.

Ich verstehe den Frust. Mir geht es auch viel zu langsam.


Somit ist das der aktuelle Stand, es sind also noch einige Geschäfte offen:
(swizzly @ 6. Mar 2023, 22:56) *
22.3557 Abschaffung der Nichtwiederausfuhrerklärung für Länder mit gleichen Werten und vergleichbarem Exportkontrollregime abgelehnt, 06.03.2023
23.3005 Wiederausfuhren werden erlaubt, sofern die Vereinten Nationen einen Bruch vom Völkerrechtlichen Gewaltverbot feststellt. entscheidender Absatz abgelehnt, 08.03.2023
23.401 Wiederausfuhren in die Ukraine werden explizit erlaubt abgelehnt, 01.06.2023
23.402 Nichtwiederausfuhrerklärungen sollen auf 5 Jahre begrenzt sein, schlägt in die gleiche Kerbe wie die 22.3557, nur als parlamentarische Initiative statt Motion -> offen
23.403 Kombiniert 23.402 und 23.3005 -> offen
22.3692 Gibt dem Bundesrat wieder die Kompetenz, Wiederausfuhren von bestimmten Staaten zu erlauben. Würde aber laut Bundesrat Ausfuhren in die Ukraine trotzdem nicht ermöglichen. -> offen
23.3585 Der Bundesrat kann Ausnahmen vom Kriegsmaterialgesetz beschliessen. -> offen

Geschrieben von: swizzly 7. Jun 2023, 12:42

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20230402 wurde heute vom Ständerat angenommen und geht nun zum zweiten Mal an die Sicherheitspolitische Komission vom Nationalrat, der das im Februar schon mal zurückgewiesen hat. Ich gehe davon aus, dass das Geschäft erneut abgelehnt wird, da mit https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20230403 ein verbesserter Vorschlag offen ist, der von den Komissionen beider Räte unterstützt wird.

Geschrieben von: Glorfindel 7. Jun 2023, 14:43

Es ist zwingend angesagt, dass die Politik die Diskussion über die Neutralität führt, gleich mit welcgem Ergebnis. Die Formel: Ist so, weil ist so (u.a. BR Berset) überzeugt nicht.

Geschrieben von: Merowinger 7. Jun 2023, 14:50

Das politische Tempo ist - von aussen betrachtet - atemberaubend langsam.

Geschrieben von: Glorfindel 7. Jun 2023, 14:52

Schweizer Politik ist grundsätzlich langsam, für Schweizer Verhälnisse ist durchaus eine gewisse Dynamik erkennbar.

Geschrieben von: goschi 7. Jun 2023, 16:12

diesen Herbst ist Parlamentswahl, da will sich keiner aufs Glatteis wagen, vor allem weil man weiss, wie dankbar die SVP nationalistische Diskussionen anstösst und dann besorgte Wähler abholt, daher wird das Thema zwar durchaus geführt, zB aus GLP und auch etwas Mitte Perspektive, aber eher im kleinen Rahmen, nicht zu laut.
Nach der Wahl könnte da durchaus mehr Dyxnamik reinkommen.

Und ja, bei sowas ist die schweizer Politik vor Wahlen immer eher feige und zurückhaltend, niemand, nichtmal die Linke, wagt sich dann mit progressiven Themen wirklich vor (ausser der GLP, die eine moderne Sachpolitik als ziel vertritt, aber sie engt damit ihren Wählerkreis direkt ein hmpf.gif )

Geschrieben von: Glorfindel 15. Jun 2023, 18:52

Es gibt vernehrte Forderungen der Polituk, die Schweizer Armee solle NATO-kompatibel werden. In der Armee ist man der Ansicht, dass die Führungsprozesse, welche darauf ausgelegt sind, dass Miliz-Kommandanten bzw. Milizstäbe zeitgerecht zweckmässige Entschlüsse fällen können, nicht NATO-kompatibel gemacht werden können.

Nachdem ich vermute, dass z.B. die Finnische Armee ähnliches Personal hat, glaube ich nicht, dass die Führungsprozesse wirklich ein grosses Problem sind. Allerdings ist es auch nicht sinnvoll Sachen anzupassen, wekche sich für die Schweiz bewährt haben.

Geschrieben von: muckensen 15. Jun 2023, 19:05

Die SVP hat heute auf FPÖ gemacht und Selenskys Ansprache ans Schweizer Parlament boykottiert. Roger Klöppel begründete den Boykott, dem sich immerhin zwei Abgeordnete nicht anschlossen, damit, dass die ukrainische Regierung die Neutralität der Schweiz ignoriere und versuche, sie in den Krieg hineinzuziehen. (https://www.blick.ch/politik/wolodimir-selenski-umschmeichelt-das-parlament-vielen-dank-liebe-schweiz-id18669753.html)

Geschrieben von: Holzkopp 16. Jun 2023, 22:51

https://www.spiegel.de/ausland/karin-kneissl-oesterreichs-ex-aussenministerin-uebernimmt-thinktank-in-russland-a-76f00709-3a19-4b67-b184-7d0053427621

ZITAT
Durch einen Walzer mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin auf ihrer eigenen Hochzeit hatte die damalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl 2018 weltweit für Schlagzeilen gesorgt – nun soll sie Präsidentin eines neu gegründeten Thinktanks in St. Petersburg werden.

Es handele sich um eine an die staatliche Universität der russischen Metropole angegliederte Denkfabrik, sagte die 58-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe das Projekt gerade zusammen mit Uni-Rektor Nikolaj Kropatschew beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg vorgestellt.

Der Thinktank bekommt den Namen »Gorki«, was für »Geopolitical Observatory for Russia’s Key Issues« ( »Geopolitisches Observatorium für Russlands Schlüsselthemen« ) stehen soll. Er soll laut einer von Kneissl verbreiteten Broschüre dabei helfen, die Politik Russlands vor allem im Nahen und Mittleren Osten zu definieren.


Wir haben Gerhard Schröder und Österreich hat Karin Kneissl. Wobei die sogar die Dreistigkeit besitzt, während Russlands Angriffskrieg einen Job in Russland anzunehmen. Schröder weigert sich ja "nur", seine Russenkontakte abzubrechen.
Da hätte sie auch gleich bei Wagner anfangen können.

Aber klar, Österreich ist neutral, besonders der sehr breite rechte Rand da.

https://www.n-tv.de/politik/Ex-Ministerin-Kneissl-leitet-russischen-Thinktank-article24197450.html

Geschrieben von: muckensen 17. Jun 2023, 01:15

ZITAT
Mit Verweis auf Lew Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ klagte Österreichs Ex-Außenministerin Karin Kneissl am Donnerstag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dass Österreich Russland verraten habe und sie selbst „eine Art Kollateralschaden“ dieser Sache gewesen sei. Kneissl dachte in St. Petersburg zudem laut über eine Übersiedlung nach Russland nach und kündigte die Gründung eines von ihr geleiteten Russland-Thinktanks an. (https://www.krone.at/3035495)
"Verraten" kann man nur, wem man Treue schuldet. Schuldet Österreich Russland Treue? mata.gif

Geschrieben von: Wraith187 17. Jun 2023, 06:16

ZITAT(muckensen @ 17. Jun 2023, 02:15) *
ZITAT
Mit Verweis auf Lew Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ klagte Österreichs Ex-Außenministerin Karin Kneissl am Donnerstag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dass Österreich Russland verraten habe und sie selbst „eine Art Kollateralschaden“ dieser Sache gewesen sei. Kneissl dachte in St. Petersburg zudem laut über eine Übersiedlung nach Russland nach und kündigte die Gründung eines von ihr geleiteten Russland-Thinktanks an. (https://www.krone.at/3035495)
"Verraten" kann man nur, wem man Treue schuldet. Schuldet Österreich Russland Treue? mata.gif

Nun ja, jeder Arbeitnehmer schuldet seinem Arbeitgeber Treue (Treuepflicht). Daher könnte man sagen das ggf. nicht ganz Österreich (alle Österreicher) Russland Treue schuldig ist, aber bestimmte von Russland bezahlte Österreicher durchaus.

Geschrieben von: Xizor 19. Jun 2023, 17:13

ZITAT(Holzkopp @ 16. Jun 2023, 23:51) *
Aber klar, Österreich ist neutral, besonders der sehr breite rechte Rand da.


Passend dazu:

ZITAT
Asylbehörde wies Gesuch von russischem Wehrdienstverweigerer ab

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) geht nicht davon aus, dass die russische Armee systematische Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen begehe, heißt es etwa im Bescheid

https://www.derstandard.at/story/3000000175228/bfa-weisst-asylgesuch-eines-russischen-re

Geschrieben von: muckensen 19. Jun 2023, 21:24

Das ist ja wohl mal krank! mad.gif

Geschrieben von: muckensen 27. Jun 2023, 00:25

Österreichs Kanzler https://www.instagram.com/p/Ct6bYSIs1A1/: "Wir lassen nicht zu, dass eine innerrussische Angelegenheit auf österreichischem Boden ausgetragen wird". Das sorgt derzeit für viel https://www.krone.at/3043675 bei unseren südlichen Nachbarn, zumal niemand weiß, was Nehammer eigentlich genau meint. ORF-Russlandkorrespondent Krisai https://twitter.com/PaulKrisai/status/1673003612715331585:"Kann mir jemand erklären, was damit gemeint ist? Vielleicht krieg ich’s in Moskau gerade nicht mit, dass da irgendwas Innerrussisches auf ö. Boden ausgetragen wird?"

Geschrieben von: goschi 27. Jun 2023, 06:33

Dass die russischen Gelder plötzlich nicht mehr frei fliessen?

Geschrieben von: swizzly 28. Jun 2023, 12:20

(swizzly @ 1. Jun 2023, 14:14) *
Bern muss das Gesuch aufgrund der "Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine" ablehnen.
Es sei denn, das Parlament kann sich endlich zu einer Anpassung durchringen. Das wäre aber - glaube ich - frühstens in der Herbstsession möglich.

Ob der Anfrage bin ich dennoch verwundert, ich ging davon aus, dass RUAG und Rheinmetall zwischenzeitlich ein Hintertürchen gefunden haben.


Das Gesuch für den Verkauf der 96 Leopard 1 der RUAG wurde wie erwartet abgelehnt: https://www.blick.ch/politik/wuerde-gegen-gesetz-verstossen-bundesrat-lehnt-panzer-deal-ab-id18705359.html

Der Verkauf von 25 Leopard 2 an Deutschland muss noch durch den Ständerat und kommt wahrscheinlich durch.

Der Unterschied: Die Leo 2 werden in Deutschland bleiben, die Leo 1 würden in die Ukraine gehen.

Geschrieben von: muckensen 29. Jun 2023, 22:16

"Nicht mit uns", echauffiert sich Österreichs Regierungschef Nehammer ob der Beschlüsse des EU-Gipfels, der Ukraine Solidarität und Sicherheit zuzusichern. Und lässt sich eine Klausel festschreiben, dass die Solidaritätsverpflichtung nicht für die Neutralen in der EU gilt, zu deren Anführer er sich kurzerhand gemacht hat. (https://www.derstandard.at/story/3000000176957/das-neutrale-oesterreich-driftet-ins-abseits)

Eine überflüssige Klausel, denn die EU-Verträge enthalten bereits einen entsprechenden Blankoscheck. Man kann wirklich die Uhr danach stellen, was Regierungschefs in EU-skeptischen Mitgliedsstaaten machen, wenn sie innenpolitisch unter Druck geraten.

Geschrieben von: Seneca 29. Jun 2023, 22:31

Die " Neutralität" Österreichs bedeutet: Wir wollen anderen nicht militärisch helfen, noch nicht mal ein klein wenig. Aber natürlich wollen wir die Vorteile der EU ( und indirekt der NATO) für uns.
Der Staat Österreich wird mir immer unsympathischer.

Geschrieben von: Madner Kami 29. Jun 2023, 23:56

ZITAT(Seneca @ 29. Jun 2023, 23:31) *
Der Staat Österreich wird mir immer unsympathischer.


*snark* Wann war Alpenbayern jemals sympathisch? Aber gut, familiär komme ich auch eher aus den französisch-preußischen Teilen der Welt.

Geschrieben von: muckensen 30. Jun 2023, 03:03

ZITAT(Seneca @ 29. Jun 2023, 23:31) *
Der Staat Österreich wird mir immer unsympathischer.
Ehrlich gesagt, mir auch. Zugegeben, die Neutralität hat für Österreicher einen ähnlichen Stellenwert wie Trümmerfrauen und Wirtschaftswunder für uns Deutsche. Ein nationaler Mythos, das ist nicht leicht abzulegen. Sie denken, ihre Neutralität ist der Grund, dass sie in Frieden und Wohlstand leben. Mit der Schweiz ist es eine ähnliche Geschichte, allerdings wirkt die schweizerische Neutralität auf mich "natürlicher". Sie ist älter, und die Schweizer waren schon immer Eigenbrötler. Wogegen Österreich lange Zeit nach der Vormacht in Europa gegriffen hat. Vergeblich, und ich denke schon, dass das eine Rolle spielt, wie eben in Deutschland auch, nur viel ungefilterter. Österreich ist, was Deutschland hätte werden können, wenn Stalin seinen Willen durchgesetzt hätte.

Die Haltung vieler Österreicher wirkt auf mich so, als hätte vielleicht auch Österreich besser den heilsamen Schock erlitten, den die Alliierten uns Deutschen verdientermaßen zugefügt haben. Wir witzeln ja gerne, dass die Österreicher es geschafft hätten, aus Hitler einen Deutschen und aus Beethoven einen Österreicher zu machen, aber man merkt schon, dass dieses Land sich erfolgreich ein halbes Jahrhundert eingeredet hat, es sei "Hitlers erstes Opfer" gewesen. Österreichs Entnazifizierung war noch ungenügender als die von Deutschland. Was man unter anderem daran merkt, wie verbreitet Antisemitismus in Österreich noch ist, sogar die ostdeutsche Provinz kann da kaum mithalten. In der öffentlichen Meinung, den Karikaturen, den Leserbriefen wird oft auf "den Juden Selenskij" geschimpft. Mit Nazisprech wird die Mär von der nötigen Entnazifizierung der Ukraine weitergesponnen.

Es kommt mir so vor, als trauerten viele Österreicher immer noch der früheren Bedeutung ihres Landes nach. Und sie lindern ihren Schmerz, indem sie in ihrer Ecke der Alpen schmollen und mit dem Rest der Welt nichts zu tun haben wollen. Vor allem nicht mit den "Angelsachsen", die ihr Imperium zerschlagen haben. Es fällt schon auf: Nirgends in Westeuropa, nicht mal in Frankreich, wird Amerika so abgelehnt wie in Österreich, wird die NATO so als Werkzeug des "amerikanischen Imperialismus" verunglimpft. Und seit Großbritanniens Austritt ist die EU in keinem Mitgliedsstaat unbeliebter als in Österreich. Viele Österreicher scheinen zu glauben, dass sie auf einer Insel der Seligen leben, die sie selbst erschaffen haben, und der Rest der Welt soll sie in Ruhe lassen. So eine Denke gibt es natürlich auch in der Schweiz, aber nicht so sehr. Und in Irland gar nicht, die Iren halten sich bloß für zu klein.

Geschrieben von: Amorphium 30. Jun 2023, 05:21

Zu Österreichs Neutralität wurde hier auch mal ein Video einer Fragerunde mit Oberst Reisner verlinkt (hab leider vergessen von wem), in welchem er den Österreichern schon etwas den Kopf wäscht, was deren "Neutralität" angeht, eigentlich ganz sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=aW3Is6ZF0BM. Die Stellen mit dem komischen Priester kann man getrost überspringen.

Geschrieben von: Seneca 1. Jul 2023, 22:24

Geh bitte ! Wos neutral is oder ned b'stimm i scho sölber.

ZITAT
Unter Berufung auf seine Neutralität verweigert Österreich der Ukraine europäische Sicherheitsgarantien. Selbst sucht die Regierung in Wien allerdings Schutz bei europäischen Partnern: Kanzler Nehammer will Österreich unter das von Deutschland initiierte Luftverteidigungssystem "Sky Shield" führen.



https://www.n-tv.de/politik/Osterreich-will-Luftabwehr-Sky-Shield-beitreten-article24231839.html

Geschrieben von: Holzkopp 1. Jul 2023, 22:29

ZITAT(Amorphium @ 30. Jun 2023, 06:21) *
Zu Österreichs Neutralität wurde hier auch mal ein Video einer Fragerunde mit Oberst Reisner verlinkt (hab leider vergessen von wem), in welchem er den Österreichern schon etwas den Kopf wäscht, was deren "Neutralität" angeht, eigentlich ganz sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=aW3Is6ZF0BM. Die Stellen mit dem komischen Priester kann man getrost überspringen.


Das war ich. Und ja, der Priester ist skurill. Irgendwie sagt der immer was Unpassendes wie so ein Automat, in den jemand eine Münze einwirft. Und mehr als "Fürchtet den Herrn!" hat er auch nicht beizutragen. Ein sonderbarer Mann.


ZITAT(Seneca @ 1. Jul 2023, 23:24) *
Geh bitte ! Wos neutral is oder ned b'stimm i scho sölber.
ZITAT
Unter Berufung auf seine Neutralität verweigert Österreich der Ukraine europäische Sicherheitsgarantien. Selbst sucht die Regierung in Wien allerdings Schutz bei europäischen Partnern: Kanzler Nehammer will Österreich unter das von Deutschland initiierte Luftverteidigungssystem "Sky Shield" führen.



https://www.n-tv.de/politik/Osterreich-will-Luftabwehr-Sky-Shield-beitreten-article24231839.html


Nö. Finde ich nicht. Nehammer kann Frau Kneissl fragen ob er in Russland was billiger bekommt. Ich bin schlecht gelaunt was Österreichs Positionierung zu diesem Konflikt angeht.

Geschrieben von: muckensen 1. Jul 2023, 22:58

In den österreichischen Medien werden indes Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Neutralität laut. Nebulös wird eine Opt-Out-Klausel verlangt. Wie soll das gehen, bei einem Verteidigungsmechanismus, der schnell und unbürokratisch funktionieren muss? In 'ZIB1' etwa, den 19:30h-Nachrichten des ORF 2, nannte BrigGen a.D. Walter Feichtinger folgende Einschränkung: "Der Schießbefehl zur Abwehr eines Flugobjekts muss in Österreich liegen". Ein ähnlicher Vorbehalt soll für die Bereitstellung von Radardaten gelten. Wie soll das in der Praxis funktionieren? Es geht doch um die Abwehr von Bedrohungen, die sich auf Österreich zubewegen. Warum sollten andere Staaten auf Österreichs Okay warten, während sie z.B. von einem Marschflugkörper überflogen werden?

Geschrieben von: Broensen 2. Jul 2023, 01:31

ZITAT(muckensen @ 1. Jul 2023, 23:58) *
Wie soll das in der Praxis funktionieren? Es geht doch um die Abwehr von Bedrohungen, die sich auf Österreich zubewegen. Warum sollten andere Staaten auf Österreichs Okay warten, während sie z.B. von einem Marschflugkörper überflogen werden?

Es geht wahrscheinlich eher darum, dass niemand von Österreich erwarten darf, dass sie Radardaten anderen zur Verfügung stellen oder gar Bedrohungen für andere Staaten abschießen. So nach dem Motto, wenn Putin vorher bescheid sagt, dass die Raketen Österreich nur überfliegen, um dann in Italien oder Deutschland einzuschlagen, dann lässt Österreich sie durch, damit es neutral bleiben kann. Wo kämen wir denn da auch hin, wenn man innerhalb eines Bündnisses nicht mal mehr Marschflugkörper vorbeiziehen lassen dürfte, die den verbündeten Nachbarn angreifen?! Man stelle sich nur vor, Bündnis hieße, dass man zusammenhalten und auch den anderen schützen müsste, statt nur dessen Schutz zu genießen! hmpf.gif


Geschrieben von: muckensen 2. Jul 2023, 01:58

Du machst Witze, aber ich finde es wirklich bemerkenswert, dass nirgends erklärt wird, was sich die Regierung Nehammer vorstellt, wie das Ganze funktionieren soll.

Geschrieben von: goschi 2. Jul 2023, 08:32

Du verstehst Populismus wirklich nicht, oder? rolleyes.gif

Geschrieben von: Salzgraf 2. Jul 2023, 11:00

ZITAT(muckensen @ 2. Jul 2023, 02:58) *
Du machst Witze, aber ich finde es wirklich bemerkenswert, dass nirgends erklärt wird, was sich die Regierung Nehammer vorstellt, wie das Ganze funktionieren soll.

Ein Sager ist ein Sager auch wenn es ein Nicht-Sager ist.

Hinweis inden Ostalpen ist Sager=Ausspruch/Aussage.

Geschrieben von: muckensen 2. Jul 2023, 15:29

ZITAT(goschi @ 2. Jul 2023, 09:32) *
Du verstehst Populismus wirklich nicht, oder? rolleyes.gif
Eine neutralistische Regierung in einem isolationstischen Land, das sich von Russland nicht bedroht fühlt, wird wohl schwerlich aus populistischen Motiven heraus eine kooperative Politik betreiben, die vom Wähler weder gewünscht noch goutiert wird. Passend dazu haben die tatsächlich populistischen Parteien FPÖ und KPÖ Widerstand angekündigt. Kickl will bereits klagen.

"Populismus" erklärt auch nicht, wie es Wien geschafft hat, die anderen ESSI-Staaten davon zu überzeugen, dass es ein verlässlicher Partner wäre.

Geschrieben von: Merowinger 2. Jul 2023, 16:05

Verlässliche Unzuverlässigkeit halt. Der oberste General der EU ist ... ein Österreicher. Liebe Alpenrepublik, wir müssen reden.

Geschrieben von: muckensen 3. Jul 2023, 22:46

Selbst das Bundesheer weiß noch nicht, ob es im Ernstfall im Rahmen von ESSI eine Österreich überfliegende, aber nicht auf Österreich gezielte Bedrohung bekämpfen dürfte:

ZITAT
Wer entscheidet über einen Abschuss?
Über einen Waffeneinsatz würde Österreich souverän entscheiden, reine Radardaten tauschen wir bereits jetzt aus. Offen bleibt, was ein feindlicher Überflug etwa in Richtung Deutschland für uns bedeutet. Jedenfalls muss die Entscheidung auch dann national getroffen werden. (https://www.krone.at/3050205)
Es braucht keinerlei militärischen Sachverstand, um zu begreifen, dass ein löchriger Schutzschirm überhaupt kein Schutzschirm ist.

Geschrieben von: Glorfindel 3. Jul 2023, 23:21

Das Problem ist, dass das Bundesheer (fast) nichts kann. Wenn man den eigenen Luftraum nicht verteidigen kann, operieren halt andere im eigenen Luftraum. In einem solchen Fall wird niemand mehr nachfragen.

Die Österreicher gaben sämtliche Kriege seit 1815 verloren, weshalb sie wohl die Notwendigkeit in eine starke Armee nicht einsehen. Andere Staaten eie die Schweiz, Schwedrn oder Finnland haben da andere Erfahrungen gemacht.

Geschrieben von: muckensen 3. Jul 2023, 23:34

Sie wollen sich ja durchaus mit Effektoren an der ESSI beteiligten und feindliche Flugobjekte bekämpfen können; derzeit scheint IRIS-T SLM das Rennen zu machen. Es ist aber schon bezeichnend, dass man unter einen Schutzschirm schlüpfen und sich an einem System kollektiver Sicherheit beteiligen, doch keinen Schutz gewähren will. Und gerade einem Generalmajor des Bundesheeres sollte klar sein, dass die zeitkritische Bekämpfung auswärtiger Bedrohungen nicht unter Vorbehalt gestellt werden kann.

Vermutlich wird man in Wien bald argumentieren, die Frage, was im Ernstfall passieren solle, sei sowieso rein akademisch, schließlich seien Österreichs östliche Nachbarn ja auch ESSI-Mitglieder und könnten die Bekämpfung übernehmen. Aber so einfach ist das nicht, wie der Vorfall mit der Tu-114-Drohne bei Zagreb gezeigt hat. Eine Bedrohung kann "Frontstaaten" immer auch mal durch die Lappen gehen.

Ich frage mich, was Deutschland geritten hat, Wien ohne feste Zusagen diesbezüglich unterschreiben zu lassen. So dringend braucht die ESSI Österreich nun auch nicht.

Geschrieben von: General Gauder 3. Jul 2023, 23:36

ZITAT(Glorfindel @ 4. Jul 2023, 00:21) *
Das Problem ist, dass das Bundesheer (fast) nichts kann. Wenn man den eigenen Luftraum nicht verteidigen kann, operieren halt andere im eigenen Luftraum. In einem solchen Fall wird niemand mehr nachfragen.

Die Österreicher gaben sämtliche Kriege seit 1815 verloren, weshalb sie wohl die Notwendigkeit in eine starke Armee nicht einsehen. Andere Staaten eie die Schweiz, Schwedrn oder Finnland haben da andere Erfahrungen gemacht.

Nicht ganz, der https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-D%C3%A4nischer_Krieg wurde gewonnen, wobei da waren sie ja eher zweite Geige wink.gif

Geschrieben von: Broensen 3. Jul 2023, 23:43

ZITAT(muckensen @ 4. Jul 2023, 00:34) *
Ich frage mich, was Deutschland geritten hat, Wien ohne feste Zusagen diesbezüglich unterschreiben zu lassen. So dringend braucht die ESSI Österreich nun auch nicht.

Ist man denn mit einem unsicheren Österreich im Verbund schlechter dran also ohne - WENN man vorher weiß, dass es unsicher ist?

Man bekommt die Daten, solange man sie bekommt, aber man weiß halt, dass man sich im Zweifelsfall nicht darauf verlassen kann. Insofern kann eine ESSI-Beteiligung Österreichs unter diesen Voraussetzungen immer nur als eine Art Redundanz gewertet werden. Aber wirklich schaden tut das ja nicht, auch Redundanz kann hilfreich sein. Und wenn sie sich an der gemeinsamen Beschaffung beteiligen, hilft auch das dem Projekt insgesamt.

Geschrieben von: muckensen 4. Jul 2023, 00:19

Das wäre natürlich eine Überlegung wert. Aber auf die Gefahr hin, polemisch zu werden: Ich bin mir nie sicher, inwiefern die deutsche Regierung überhaupt zu strategischem Denken imstande ist. smile.gif

Geschrieben von: Seneca 4. Jul 2023, 19:10

Die Schweiz will auch den Schutz von sky shield.

ZITAT
Die Schweiz will sich am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield beteiligen. Die entsprechende Absichtserklärung wird Verteidigungsministerin Viola Amherd voraussichtlich am Freitag unterzeichnen.

https://www.srf.ch/news/schweiz/europaeische-luftverteidigung-so-soll-sky-shield-mit-der-schweiz-dereinst-funktionieren

Nein , ich würde nie, wirklich nie gegenüber der schweizer Regierung das böse Wort " Rosinenpickerei" in den Mund nehmen....

Geschrieben von: hanuta 4. Jul 2023, 19:55

ZITAT(Seneca @ 4. Jul 2023, 20:10) *
Nein , ich würde nie, wirklich nie gegenüber der schweizer Regierung das böse Wort " Rosinenpickerei" in den Mund nehmen....

War auch mein erster Gedanke rofl.gif

Geschrieben von: 400plus 4. Jul 2023, 19:56

Sky Shield ist doch vor allem eine Beschaffungsinitiative, entsprechend ist die Teilnahme ein win-win-Geschäft.

Geschrieben von: Seneca 4. Jul 2023, 22:00

Mit Beschaffung allein ist es nicht getan. Ein Raketenwarn- und Abwehrsystem kann die Schweiz nicht allein betreiben. Sie braucht dafür die ( Radar-)Daten der Nachbarstaaten .

Geschrieben von: muckensen 4. Jul 2023, 23:02

ZITAT(400plus @ 4. Jul 2023, 20:56) *
Sky Shield ist doch vor allem eine Beschaffungsinitiative, entsprechend ist die Teilnahme ein win-win-Geschäft.
Hinter ESSI steckt schon noch etwas mehr, wenn ich es richtig deute. Die Idee war, dass kleinere Staaten sich die Kosten für weitreichende Sensoren (wie Super Green Pine) und Effektoren (wie Arrow 3) sparen können und unter den Schutzschirm der großen Staaten schlüpfen, und im Gegenzug die frontnahen Air Defence Layer nach unten schließen. Das impliziert, dass die Kleinen genauso wenig Drohnen und Marschflugkörper durchlassen, wie die Großen die ballistischen Raketen: ein System der kollektiven Sicherheit. Ursprünglich ging es sogar nur darum, die Sensoren auf deutsche Kosten in Deutschland aufzustellen, und die Effektoren mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland in den östlicheren Staaten. Wenn das Ganze mittlerweile zu einer bloßen Sammelbestellung geworden ist, wurde es jedenfalls von Berlin nicht kommuniziert. (Wäre nicht das erste Mal.)

Geschrieben von: Thomas 4. Jul 2023, 23:22

Die Effektoren im OSTEN aufzustellen ergibt technisch nicht so viel Sinn, wenn wir Deutschland schützen wollen.... Just saying....

Geschrieben von: Salzgraf 4. Jul 2023, 23:25

ZITAT(Seneca @ 4. Jul 2023, 20:10) *
Die Schweiz will auch den Schutz von sky shield.
ZITAT
Die Schweiz will sich am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield beteiligen. Die entsprechende Absichtserklärung wird Verteidigungsministerin Viola Amherd voraussichtlich am Freitag unterzeichnen.

https://www.srf.ch/news/schweiz/europaeische-luftverteidigung-so-soll-sky-shield-mit-der-schweiz-dereinst-funktionieren

Nein , ich würde nie, wirklich nie gegenüber der schweizer Regierung das böse Wort " Rosinenpickerei" in den Mund nehmen....

Ich versuche es positiv zu deuten: Diese Initiative kann die Diskussion um Neutralität anstossen. Die Schweiz müsste sich dann entscheiden, ob sie z.B. ihre Luftraumverteidigung ganz allein stemmen möchte (mit entsprechendem Kostenansatz und ggf. Lücken) oder ob sie sich für diesen Sektor in eine EU-Initiative* eingliedert. In diesem Kontext kann auch noch einmal über die Perspektive der schweizer Waffen- und Munitionsproduktion nachgedacht werden.
Im Endeffekt braucht es die Entscheidung zwischen "Isolatiopnistisch" vs. "Beibehaltung der Anlehnung an die EU"


*da die Schweiz aus wirtschaftlichen Gründen sich an die EU koppelt (auch mit entsprechenden Schmerzen), wäre das Label "EU" für das ESSI-Projekt sicher einfacher zu "verkaufen" als das Label "NATO".

Geschrieben von: muckensen 5. Jul 2023, 00:17

ZITAT(Thomas @ 5. Jul 2023, 00:22) *
Die Effektoren im OSTEN aufzustellen ergibt technisch nicht so viel Sinn, wenn wir Deutschland schützen wollen.... Just saying....
Inwiefern? Arrow 3 hat doch 2.400 km Reichweite und eine Dienstgipfelhöhe von 100 km. Verbessert eine (gewisse) Verlagerung in die östlichen NATO-Staaten nicht die Reaktionszeit?

Geschrieben von: Thomas 5. Jul 2023, 01:00

Nope. Cross Range ist das Zauberwort wink.gif

Reichweite ist eine Sache. Aber um ein Ziel hinter dir zu schützen benötigst du Laterale Reichweite. Die beträgt IN DER REGEL. DAS IST EINE FAUSTFORMEL. Bevor wieder einer meckert.... ca. 1% Deiner nutzbaren Reichweite. Das ist der Korridor, den du effizient verteidigen kannst. Und wenn du eine ballistische Rakete von sagen wir..... Nordwestrussland oder Sibirien (ich rede von deren Distrikten, vielen Dank) nach Deutschland schiessen willst, dann fliegt die auf einem suborbital-korrigierten Grosskreis wo lang? Richtig. Nicht über Rumänien...

Geschrieben von: muckensen 5. Jul 2023, 02:09

Du hast natürlich Recht. facepalmfji3.gif Ich hatte simpel Downrange gerechnet, was freilich nur bei einem rein ballistischen Wiedereintritt relevant ist.

Geschrieben von: 400plus 5. Jul 2023, 08:59

ZITAT(Seneca @ 4. Jul 2023, 23:00) *
Mit Beschaffung allein ist es nicht getan. Ein Raketenwarn- und Abwehrsystem kann die Schweiz nicht allein betreiben. Sie braucht dafür die ( Radar-)Daten der Nachbarstaaten .


ZITAT(muckensen @ 5. Jul 2023, 00:02) *
ZITAT(400plus @ 4. Jul 2023, 20:56) *
Sky Shield ist doch vor allem eine Beschaffungsinitiative, entsprechend ist die Teilnahme ein win-win-Geschäft.
Hinter ESSI steckt schon noch etwas mehr, wenn ich es richtig deute. Die Idee war, dass kleinere Staaten sich die Kosten für weitreichende Sensoren (wie Super Green Pine) und Effektoren (wie Arrow 3) sparen können und unter den Schutzschirm der großen Staaten schlüpfen, und im Gegenzug die frontnahen Air Defence Layer nach unten schließen.


Primär geht es darum, "https://www.ispk.uni-kiel.de/de/publikationen_neu/ispk-policy-briefs/Policy_Brief_European%20Skyshield%20Initiative_Final.pdf". Diese sollen dann grundsätzlich Teil der integrierten NATO-Luftverteidigung werden, aber das ist kein Muss. So wie ich es verstehe, ist es auch kein Muss, dass ein Land sich an allen drei Systemen beteiligt, siehe z.B. https://www.osw.waw.pl/en/publikacje/analyses/2022-10-14/germanys-european-sky-shield-initiative:
"Some of the countries that have joined the initiative are developing their own air defence programmes, and so they see participation in the European Sky Shield Initiative as an opportunity to complement existing capabilities and acquire new ones – to the extent that this suits their needs, modernisation plans and financial resources." (*)

Ich gehe davon aus, dass weder die Schweiz noch Österreich Interesse am "full package" haben, sondern sich einfach an die IRIS-T-SLM-Beschaffung dranhängen werden. Siehe dazu auch https://oe1.orf.at/player/20230703/725565/1688364375926.525 (vom Link am besten noch 20-30 Sekunden zurückspulen)

(*) Die Niederlande und Norwegen beispielsweise werden sicher weiter auf NASAMS setzen, und nicht auf IRIS-T-SLM.

Geschrieben von: goschi 5. Jul 2023, 11:20

Die Schweiz beschafft gerade Patriot wink.gif

Geschrieben von: Salzgraf 5. Jul 2023, 11:49

ZITAT(goschi @ 5. Jul 2023, 12:20) *
Die Schweiz beschafft gerade Patriot wink.gif

und?

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Der Kernpunkt für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ist doch Arrow. Da mögen größere Länder autonom handeln können, aber bei den kleineren wäre ein autonomer Betrieb zu teuer.
Schweiz und Östreich können natürlich sagen Datenaustausch gern, aber die Raketen auf Basel schiessen wir ab und die auf Friedrichshafen ihr, analog Bratislawa und Wien. Oder man schließt einen Staatsvertrag über eine einheitlich Luftraumverteidigung gegen Ballistische Raketen.

Geschrieben von: 400plus 5. Jul 2023, 11:51

ZITAT(goschi @ 5. Jul 2023, 12:20) *
Die Schweiz beschafft gerade Patriot wink.gif


Stimmt, ich hatte noch IRIS-T als Bodluv-Kandidaten im Hinterkopf. Gut, dann wird sich die Schweiz an die Patriot-Beschaffung hängen und Österreich an IRIS wink.gif

Edit: Wobei ich es https://www.srf.ch/news/schweiz/europaeische-luftverteidigung-so-soll-sky-shield-mit-der-schweiz-dereinst-funktionieren so lese, als könnte Systeme mittlere Reichweite auch für die Schweiz noch interessant werden.

ZITAT(Salzgraf @ 5. Jul 2023, 12:49) *
Der Kernpunkt für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ist doch Arrow.


Sehe ich nicht unbedingt so, ich glaube, dass sich das einfach aus der zeitlichen Nähe zwischen ESSI und Arrow-3 ergab.

Geschrieben von: Glorfindel 5. Jul 2023, 11:57

Die Schweiz muss sich da niergends dranhängen. Das Geld ist gefprochen und d7e Beschaffung läuft. Allerdings wird nur eine eher kleine Zahl von Kenkwaffen beschafft.

Geschrieben von: Glorfindel 5. Jul 2023, 12:05

Die Beschaffung von Iris-T war umstritten und wurde teilweise sabotiert. Schliesslich entschied man sich für Patriot wegen den begrenzten Mitteln, da Patriot fürs Geld mehr bietet.

Vorgesehen ist wohl auch die Beschaffung von Skyranger auf Pirhana 5.

Geschrieben von: Amorphium 5. Jul 2023, 12:12

Ein bisschen wünschte ich mir ja schon, man würde die Schweiz und Österreich jetzt auch mal am langen Arm verhungern lassen, die Systeme könnten in einem anderen Land sicher besser eingesetzt werden

Geschrieben von: Glorfindel 5. Jul 2023, 13:44

Eben, die Schweiz ist daran Patriot zu beschaffen. Da hat Deutschland relativ wenig zu sagen. Die Evaluation von BODLUV GR hat auch schon vor dem Ukrainekrieg begonnen. Patriot schliesst eine Fähigkeitslücke der Schweizer Armee, welche seit 1999 besteht, als man Bristol Bloodhound BL-64 ausmusterte. Die Schweizer Armee hat im Übrigen etwas andere Ambitionen als das österreichische Bundesheer. Wenn die Schweiz bei einem Projekt wie Sky Shield mitmacht, dann wird sie auch etwas einbringen. Natürlich sind die Fähigkeiten der Schweizer Flugabwehr auch begrenzt, es hat v.a. von allem zu wenig, aber sowohl von den technischen Möglichkeiten wie auch von den Anzahl Flab-Truppen ist die Schweizer Armee ein etwas anderes Kaliber als das Bundesheer.

Geschrieben von: muckensen 7. Jul 2023, 00:40

Die 'Gruppe für eine Schweiz ohne Armee' läuft Sturm gegen den Sky Shield-Beitritt. Und stellt zumindest eine berechtigte Frage:

ZITAT
Sensibler Datenaustausch

An Skyshield sind 17 Länder beteiligt, neben Deutschland und Grossbritannien auch Länder wie Ungarn. Neutralitätspolitisch ist dies äusserst heikel. Die Koordination verschiedener Waffen- und Radarsysteme erfordert einen hochsensiblen Datenaustausch mit anderen Staaten. «Als militärisch neutrales Land, ist diese Entwicklung für die Schweiz äusserst fragwürdig», führt Anja Gada aus. «Es stellt sich nämlich dutzende Folgefragen bezüglich hochsensiblen Daten. Wer hat Einsicht? Wer entscheidet über einen allfälligen militärischen Einsatz? Sind sich die Partnerländer bewusst, dass die Schweiz zwingend in dem Moment jegliche Zusammenarbeit einstellen müsste, in dem die Länder in einen bewaffneten Konflikt verwickelt werden? Wie wird sichergestellt, dass die Schweiz trotz Datenaustausch unabhängige Entscheidungen treffen kann? Und was ist die Rolle der Schweizer Armee?»

Ungeklärte Fragen

Auch die zentrale Frage, was es in der Praxis konkret bedeutet, sich bei Skyshield zu beteiligen, wird vom Bundesrat nicht beantwortet. «Ich habe den Verdacht, dass im Verteidigungsdepartement kein Plan vorliegt, wie im Falle einer Verwendung der gemeinsamen Luftschutzabwehr vorgegangen werden soll. (https://gsoa.ch/nato-annaeherung-durch-undemokratische-salamitaktik/)
Mitte-Chef Gerhard Pfister (Präsident der Partei von Verteidigungsministerin Viola Amherd):
ZITAT
«Die Schweiz hat als neutrales Land die Chance, dass sie von anderen Ländern mitgeschützt wird.» Deshalb solle die Schweiz diese Chance nutzen. (https://www.blick.ch/politik/europaeisches-verteidigungsprojekt-die-gsoa-waeffelt-gegen-schweizer-teilnahme-an-sky-shield-id18722979.html)
Mit anderen Worten, auch in der Schweiz selbst geht man von einem System kollektiver Sicherheit aus, will aber selbst keine Sicherheit bieten.

Geschrieben von: goschi 7. Jul 2023, 09:33

ZITAT(muckensen @ 7. Jul 2023, 01:40) *
Mit anderen Worten, auch in der Schweiz selbst geht man von einem System kollektiver Sicherheit aus, will aber selbst keine Sicherheit bieten.

Nein

Gerade Gerhard Pfister trat sehr aktiv für eine internationale, kollektive Zusammenarbeit aus.

@muckensen, du kannst in der Schweizer Politik nicht einfach Haltungen verschiedener Leute und Menschen wild kombinieren und das eine den anderen zuschreiben.
gerade die MITTE tritt aktuell durchaus für eine normalisierung der Neutralität ein, weg von dieser radikalen isolationistischen Politik, die gerade laute Populisten betreiben.
Und zB BR Amherd trat für eine Unterstützung der Ukraine ein.


Ich weiss, die Schweizer Politik ist kompliziert, wir haben weder eine Regierungspartei, noch eine einheitliche Regierung, wir haben 7 gleichberechtigte Regierungsmitglieder von 4 sehr verschiedenen Parteien, die alle eigenständig agieren (nichtmal innerhalb einer Partei gibt es wirklich immer stabile Linien, es sind eben einzeln exekutive Regierungsmitglieder, als Person gewählöt, nicht als Parteimitglied), die zwar gemeinsam abstimmen, aber eben nicht das gleiche sind, innerhalb ihrer Aufgabengebiete können Bundesrät:innen sehr frei und selbständig agieren.
Und bei gemeinsamen Abstimmungen gilt dann eben das Kollegialitätsprinzip, dass man auch gegenteilige Meinungen, so sie die Mehrheit hat, gemeinsam vertritt. Dazu kommt der extrem starke parlamentarismus des schweizer Regierungssystems, der eben wieder aus 246 durchaus auch einzeln agierenden Parlamentarier:innen besteht und keine einheitliche Linie hat, mehrere der parteien haben zB nur einen extrem lockeren Fraktionsdruck (eigentlich hat nur die SVP einen Fraktionszwang mit bestehen auf Einheitlichkeit)

Das alles ist von aussen zuweilen unverständlich, aber es ist wichtig, du kannst eben nicht einfach alles in einen Topf schmeissen und wenn du diese Feinheiten, die sehr relevant sind, nicht verstehst, solltest du dir manch absolutes Urteil sparen.

Man kann auch nachfragen, weder Glorfindel noch swizzly noch Kampfhamster noch ich (als die prominenstesten Schweizer) sind irgendwie radikale Neutralisten oder prinzipielle Vertteidiger von allem, was die Schweizer Politik tut, im gegenteil haben wir uns alle hier als klare Kritiker vieler Haltungen gerade betreffend Neutralität und internationaler Einbindung erwiesen.
Aber dein generöses verallgemeinern ist anstrengend, es ist schlicht sehr oft der Komplexität der Realität nicht ansatzweise entsprechend.



Kurz: bitte komm doch weg davon, einfach Dinge zu vermischen, weil "Schweiz = neutral = alle gleich!" und das dann verallgemeinernd alles zusammenzuschmeissen und zu urteilen.

Geschrieben von: muckensen 7. Jul 2023, 14:26

@goschi

Ich gebe zu, der Satz war missverständlich, weil ich zwischen Pfister und der Position des Staates sprachlich nicht unterschieden hatte, aber in der Konsequenz ist er richtig: In der Schweiz geht man davon aus, dass ESSI kollektive Sicherheit bedeutet oder zumindest bedeuten kann, aber die Position des Staates ist, wie auch die Aussagen Amherds und Bersets beweisen, dass die Schweiz kollektive Sicherheit nicht bieten darf. Dass Pfister selbst davon abkommen will, ist ja schön und gut, ändert aber nichts daran. Und das ist in der Tat bemerkenswert und rechtfertigt auch die Kritik der GSoA.

Geschrieben von: goschi 7. Jul 2023, 14:46

Nein, man geht eben nicht "in der Schweiz davon aus"

Genau das ist eben nicht der Fall rolleyes.gif

Geschrieben von: muckensen 7. Jul 2023, 15:13

Wenn ein führender Politiker auf Bundesebene und Parteifreund der Verteidigungsministerin diese Position äußert und kein Regierungsmitglied klarstellt: "Nein, das hat der Pfister falsch verstanden", ist das selbstverständlich eine Position, die in der Schweiz Relevanz besitzt. Du tust, als hätte ich mir da was aus den Fingern gesaugt, dabei zeigt die Kritik der GSoA doch ebenso wie die der SVP und von Teilen der SP, dass weite Teile des politischen Spektrums der Schweiz eben doch glauben: ESSI bedeutet offenbar kollektive Sicherheit.

Geschrieben von: goschi 7. Jul 2023, 15:27

GSoA und SVP sind extreme Pole, die GSoA nur eine kleine Vereinigung und die SVP bekommt ja schon Panikschübe, wenn sie kuhEUter lesen.
Bei der SP fehlt (wie bei der GSoA) generell jedwede Sicherheitspolitische Kompetenz, da wird erstmal alles was nach Armee und gar international klingt verteufelt.

Daraus lassen sich schlicht nicht mehr Schlüsse ziehen, als dass diese drei Gruppen schreien, ohne nachzudenken, Hauptsache geschrien.

Aber eben, es gibt dazu keine Linie, keine "Schweizer Haltung"

Geschrieben von: Glorfindel 7. Jul 2023, 15:32

Und glaubt den Schweizer vielleicht auch Mal, wenn sie Ausführungen zur Schweiz machen. Wir sind ein wesentlich kleineres Land als Deutschland, mit mehreren Sprachgruppen, weshalb wir Schweizer uns wesentlich intensiver mit dem befassen was in Deutschland oder Frankreich abgeht als umgekehrt. Meiner Auffassung nach haben wir im Umgang mit anderen gesellschaftlichen Gruppen auch mehr Toleranz, weil wir mehr Erfahrung damit haben (ich habe dies u.a. beim KFOR-Einsatz erlebt). (Wenn wir Schweizer z.B. sagen, dass in der Schweiz akademische Titel insgesamt weniger wichtig sind als in Deutschland (ohnehin sind wir weniger hierarchisch), dann ist etwas mühsam, wenn Leute, die keine Ahnung, etwas anderes behaupten). Auch wenn man das in Deutschland eher weniger versteht, aber Schweizer sind mentalitätsmässig keine Deutschen, sie haben eine völlig unterschiedliche Geschichte - mindestens seit 1499 - und eine andere Gesellschaft gebildet. Ich meine dies wertneutral. Zur Schweizer Gesellschaft gehört, dass wir regelmässig Volksabstimmungen durchführen, auf kommunaler, kantonaler und Bundeseben und politische Themen in einer vergleichsweise grossen Tiefe öffentlich diskutieren, so dass das Niveau einer Anne WilIn unserem Parlament werden auch echte Debatten geführt und Abstimmungen können Überraschungen bieten.

Ich habe das Gefühl, gewisse Leute sehen nur ein Zerrbild der Schweiz, ohne diese wirklich zu kennen. Ich sage dies ohne irgend eine Angst, dass die Schweiz wirklich diesem Zerrbild entsprechen könnte.

ZITAT(muckensen @ 7. Jul 2023, 00:40) *
Die 'Gruppe für eine Schweiz ohne Armee' läuft Sturm gegen den Sky Shield-Beitritt. Und stellt zumindest eine berechtigte Frage:
ZITAT
Sensibler Datenaustausch
(...) Neutralitätspolitisch ist dies äusserst heikel. Die Koordination verschiedener Waffen- und Radarsysteme erfordert einen hochsensiblen Datenaustausch mit anderen Staaten. «Als militärisch neutrales Land, ist diese Entwicklung für die Schweiz äusserst fragwürdig», führt Anja Gada aus. (...)

So heikel ist dies gar nicht und es ist völlig naiv zu glauben, dass keine Radardaten ausgetauscht werden. Gerade auch Frankreich, Italien und Österreich sind aus topographischen Gründen nicht in der Lage, den sie betreffenden Luftraum in Grenznähe von sich aus auszuleuchten. Die Schweiz natürlich auch nicht.

Die Schweizer Armee hat jahrelang gut mit Frankreich zusammen gearbeitet, F-18 werden durch französische Tankflugzeuge betankt, man wird sicherlich auch mit den französischen AWACS zusammen gearbeitet haben und alle Schweizer F-18-Piloten können Bomben abwehren (auch wenn die Schweizer Armee keine Bomben hat), aber man die Fähigkeiten dazu. Natürlich wird zusammengearbeitet. (Zur Zeit ist das Verhältnis allerdings nicht sehr gut, weil die Schweiz den F-35 statt den Rafale, Eurospike statt MMP, Patriot statt

ZITAT
(https://gsoa.ch/nato-annaeherung-durch-undemokratische-salamitaktik/)Mitte-Chef Gerhard Pfister (Präsident der Partei von Verteidigungsministerin Viola Amherd):
ZITAT
«Die Schweiz hat als neutrales Land die Chance, dass sie von anderen Ländern mitgeschützt wird.» Deshalb solle die Schweiz diese Chance nutzen. (https://www.blick.ch/politik/europaeisches-verteidigungsprojekt-die-gsoa-waeffelt-gegen-schweizer-teilnahme-an-sky-shield-id18722979.html)
Mit anderen Worten, auch in der Schweiz selbst geht man von einem System kollektiver Sicherheit aus, will aber selbst keine Sicherheit bieten.

Nein und Nein. Offenbar geht man nicht davon aus, dass es ein System der kollektiven Sicherheit ist (ansonsten dies politisch völlig anders zu handhaben wäre) und selbstverständlich bietet die Schweiz auch etwas. Die Schweiz verfügt vier Luftraumüberwachungsradar auf Höhenstandorten (wer schon jemals im Skigebiet Parsenn Skifahren war, hat vielleicht sogar einmal einen ausgefahrenen FLORAKO-Radar gesehen) und über taktisches Fliegerradar (TAFLIR / AN/MPQ-64 Sentinel), die Schweizer Armee verfügt über F-18-Kampfflugzeugen mit AMRAAM und ist am Beschaffen von F-35, weiter über acht Flugabwehrabteilungen mit Oerlikon 35mm und Stinger und ist am Beschaffen von zwei Abteilungen mit Patriot.

In der Schweiz haben wir in den letzten 30 Jahren durchaus über Sicherheitspolitik diskutiert, NATO, die Stellung der Armee usw.. Man ist sich (vermutlich im Gegensatz zu Österreich, vielleicht auch teilweise zu Deutschland) durchaus bewusst, dass wenn man selber mitbestimmen will, man eine Gegenleitung bieten muss. Die Schweiz kann diese Gegenleistung bieten und wir Schweizer sind uns durchaus bewusst, dass Sicherheit auch etwas kostet (goschi, Kampfhamster und ich haben alle Militärdienst geleistet und nicht nur das Minimum, uns hat das alle auch gekostet). Wenn man eine Vollkostenrechnung machen würde (in der Schweiz tragen ein Teil der Kosten der Verteidigung die Unternehmen, welche ihre Angestellten im Militärdienst haben sowie die Bürger, welche Militärdienst leisten selber), dann ist das Schweizer Militär nicht so günstig. Es gibt keine Sicherheit, die nichts kostet und es gibt keine Sicherheit durch andere, wenn man selber nicht für Sicherheit sorgt. Der Ukraine wird geholfen, weil sie kämpft und nicht umgekehrt. Dies ist den Schweizern völlig bewusst. Aber natürlich, die Schweiz ist Mitten in Europa und durch die Tatsache, von befreundeten Ländern umgeben zu sein, relativ gut geschützt.

Ich erachte die European Sky Shield Initiative grundsätzlich absolut sinnvoll, weil bei der Luftverteidigung eben 1+1 nicht 2 sondern 3 ergeben kann. Allerdings ergibt 0 + 0 immer noch 0. Eine Vernetzung der Flugabwehrsysteme und Radardaten ist absolut sinnvoll, bedingt aber logischerweise auch, dass man selber dazu beiträgt.

Es sind aber andere Staaten und nicht die Schweiz, welche das Gefühl haben, sie könnten die Sicherheitspolitik auf die EU-Ebene auslagern und sie seien dann aus dem Schneider.

Geschrieben von: Glorfindel 7. Jul 2023, 15:47

ZITAT(muckensen @ 7. Jul 2023, 14:26) *
@goschi

Ich gebe zu, der Satz war missverständlich, weil ich zwischen Pfister und der Position des Staates sprachlich nicht unterschieden hatte, aber in der Konsequenz ist er richtig: In der Schweiz geht man davon aus, dass ESSI kollektive Sicherheit bedeutet oder zumindest bedeuten kann, aber die Position des Staates ist, wie auch die Aussagen Amherds und Bersets beweisen, dass die Schweiz kollektive Sicherheit nicht bieten darf. Dass Pfister selbst davon abkommen will, ist ja schön und gut, ändert aber nichts daran. Und das ist in der Tat bemerkenswert und rechtfertigt auch die Kritik der GSoA.

Nein, Pfister spricht nicht von "System Kollektiver Sicherheit", ein Ausdruck aus dem deutschen Grundgesetzt, der in der Schweiz so nicht verwendet wird. Hier wird der Ausdruck "Organisation der kollektiven Sicherheit" und ESSI ist keine "Organisation der kollektiven Sicherheit" und wird nicht als solche vom Bundesrat betrachtet. Das ist derart offensichtlich, dass Amherd da nichts dazu zu sagen hat.

Und Pfister hat auch nicht gesagt, dass die Schweiz keine Gegenleistung bieten will. Das ist rein deine Interpretation. Die Schweiz weiss, dass es nichts gratis gibt ohne Gegenleistung. Wir erbringen dauernd Gegenleistungen.

Zur SVP und zur GSoA: Die sind einfach dagegen, erstere weil sie mehr oder weniger gegen alle Kooperationen mit dem Ausland sind (einige sind sogar dagegen, wenn die Schweizer Armee mit anderen Armeen trainiert oder dass sie sich an Friedensförderungseinsätzen beteiligt) und die letzteren sind dagegen, weil sie gegen alles sind, was mit Armee zu tun hat. Sowohl Teile der SVP wie auch Teile der GSoA haben ein dogmatisches Neutralitätsverständnis, die Neutralität ist dort Glaubensgrundsatz und Selbstzweck. Das ist Glaube und nicht rational. Tatsache ist, dass die Neutralität von der Schweiz deshalb gewählt wurde, weil sie damals der Schweiz Schutz vor Ambitionen der benachbarten Grossmächten bot und sie davor bewahrte, in deren Konflikte reingezogen zu werden. Man kann sich aber fragen, ob die Neutralität heute noch einen Nutzen hat oder aber - das haben wir hier auch schon diskutiert - ob sie nicht eher hinderlich geworden ist. Die Sicherheitsinteressen der Schweiz gehen heute weit über die Landesgrenzen hinaus, sie existieren an den Schengen-Aussengrenzen, sie existieren aber auch am Horn von Afrika oder im ostchinesischen Meer. Will die Schweiz ihre Interessen weltweit wahren, dann muss sie sich zwingend von diesem starren Neutralitätsbegriff, wie ihn die SVP oder die GSoA haben, lösen. Und das wird auch passieren. Schweizer mögen bedacht sein, sie sind aber auch in der Lage sich langsam an andere Verhältnisse anzupassen. Und wenn dies geschieht, dann mit Überzeugung bzw. mit dem Willen der Bevölkerung.

Geschrieben von: goschi 7. Jul 2023, 16:15

ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:47) *
Und Pfister hat auch nicht gesagt, dass die Schweiz keine Gegenleistung bieten will. Das ist rein deine Interpretation. Die Schweiz weiss, dass es nichts gratis gibt ohne Gegenleistung. Wir erbringen dauernd Gegenleistungen.

Es ist vor allem Quatsch, weil sogar BR Amherd wie auch gerhard Pfister direkt erwähnten, dass man Patriot beschaffe und dies einbringen wolle, wie auch eben von der Kooperation hier Vorteile erhoffe.
Man bringt also gerade eben ein sehr potentes Flugabwehrsystem, als auch eine nachweislich sehr gute und dichte Luftraumüberwachung mit ein.

Bei der Luftraumüberwachung hat die Schweiz übrigens schon lange partnerschaften mit Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich, um, zB anfliegende Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, im Rahmen von WEF und ähnlichen Grossanlässen (G7 in Evian damals zB) gibt es sogar Vereinbarungen, dass Flugzeuge der Partner jeweils im Luftraum der anderen agieren dürften, bei Frankreich sogar gegenseitige Einwilligung zum notfallmässigen Abschuss.



Übrigens - und das ärgert mich hart - kann man Militärisch und Sicherheitspolitisch Österreich und die Schweiz einfach nicht gleichsetzen, nichtmal vergleichen, denn die Schweiz hat seit 1815 und seit 1848 in der Verfassung, explizit die wehrhafte/bewaffnete neutralität mit dem Willen sich möglichst vollumfänglich auch potent gegen jeden Angreifer verteidigen zu können und ja, wir nehmen das noch immer durchaus ernst, gesamtgesellschaftlich ist das schlussendlich ein konsens.
Österreich hat eine Armee... das ist das beste, was man sagen kann, kein Sicherheitspolitisches Denken, keine Strategie, keine Weitsicht und keinerlei Selbstverständnis.
Nichtmal die Neutralität wird gleich verstanden.

Geschrieben von: muckensen 9. Jul 2023, 06:00

ZITAT(goschi @ 7. Jul 2023, 16:27) *
GSoA und SVP sind extreme Pole, die GSoA nur eine kleine Vereinigung und die SVP bekommt ja schon Panikschübe, wenn sie kuhEUter lesen.
Bei der SP fehlt (wie bei der GSoA) generell jedwede Sicherheitspolitische Kompetenz, da wird erstmal alles was nach Armee und gar international klingt verteufelt.

Daraus lassen sich schlicht nicht mehr Schlüsse ziehen, als dass diese drei Gruppen schreien, ohne nachzudenken, Hauptsache geschrien.

Aber eben, es gibt dazu keine Linie, keine "Schweizer Haltung"
Meine Formulierung lautete "in der Schweiz geht man davon aus". Das ist eine sachlich richtige Aussage, weil Politiker und zivilgesellschaftliche Akteure in der Schweiz diesen Standpunkt vertreten haben. @Goschi und @Glorfindel, ich schätze Eure Beiträge sehr, aber hier übertreibt Ihr. Wenn ich schreibe: "In Washington ist man der Ansicht", dann würdet Ihr auch niemals annehmen, dass ich damit behaupten will, jeder einzelne amerikanische Politiker oder gar jeder einzelne Einwohner der Stadt würden diese Ansicht vertreten. Ist die Aussage falsch, dass in der Schweiz eine Debatte über Art und Umfang etwaiger Verpflichtungen aus dem ESSI-Beitritt geführt wird?
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:32) *
Und glaubt den Schweizer vielleicht auch Mal, wenn sie Ausführungen zur Schweiz machen. Wir sind ein wesentlich kleineres Land als Deutschland, mit mehreren Sprachgruppen, weshalb wir Schweizer uns wesentlich intensiver mit dem befassen was in Deutschland oder Frankreich abgeht als umgekehrt. Meiner Auffassung nach haben wir im Umgang mit anderen gesellschaftlichen Gruppen auch mehr Toleranz, weil wir mehr Erfahrung damit haben (ich habe dies u.a. beim KFOR-Einsatz erlebt). (Wenn wir Schweizer z.B. sagen, dass in der Schweiz akademische Titel insgesamt weniger wichtig sind als in Deutschland (ohnehin sind wir weniger hierarchisch), dann ist etwas mühsam, wenn Leute, die keine Ahnung, etwas anderes behaupten). Auch wenn man das in Deutschland eher weniger versteht, aber Schweizer sind mentalitätsmässig keine Deutschen, sie haben eine völlig unterschiedliche Geschichte - mindestens seit 1499 - und eine andere Gesellschaft gebildet. Ich meine dies wertneutral. Zur Schweizer Gesellschaft gehört, dass wir regelmässig Volksabstimmungen durchführen, auf kommunaler, kantonaler und Bundeseben und politische Themen in einer vergleichsweise grossen Tiefe öffentlich diskutieren, so dass das Niveau einer Anne WilIn unserem Parlament werden auch echte Debatten geführt und Abstimmungen können Überraschungen bieten.

Ich habe das Gefühl, gewisse Leute sehen nur ein Zerrbild der Schweiz, ohne diese wirklich zu kennen. Ich sage dies ohne irgend eine Angst, dass die Schweiz wirklich diesem Zerrbild entsprechen könnte.
Die Sache mit den akademischen Titeln richtete sich wohl eher an @Thomas als an mich, aber sei's drum. Nichts für ungut, aber wenn Du mich dazu bringen willst, darüber nachzudenken, ob ich hinsichtlich der Schweiz unzulässig pauschalisiert habe, ist es kurios, dergestalt zu pauschalisieren, dass Schweizer toleranter seien als andere und einen genaueren Einblick in die deutsche Innenpolitik hätten als umgekehrt.

Und wenn ich als studierter Staatsrechtler und ehemaliger Mitarbeiter einer Bundestagsfraktion damit leben kann, dass mir @goschi ständig die politischen Verhältnisse Deutschlands erklärt, könnt Ihr zwei auch mit deutschen Meinungen zur Innenpolitik der Schweiz klarkommen, und seien sie noch so unqualifiziert. wink.gif
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:32) *
So heikel ist dies gar nicht und es ist völlig naiv zu glauben, dass keine Radardaten ausgetauscht werden. Gerade auch Frankreich, Italien und Österreich sind aus topographischen Gründen nicht in der Lage, den sie betreffenden Luftraum in Grenznähe von sich aus auszuleuchten. Die Schweiz natürlich auch nicht.

Die Schweizer Armee hat jahrelang gut mit Frankreich zusammen gearbeitet, F-18 werden durch französische Tankflugzeuge betankt, man wird sicherlich auch mit den französischen AWACS zusammen gearbeitet haben und alle Schweizer F-18-Piloten können Bomben abwehren (auch wenn die Schweizer Armee keine Bomben hat), aber man die Fähigkeiten dazu. Natürlich wird zusammengearbeitet. (Zur Zeit ist das Verhältnis allerdings nicht sehr gut, weil die Schweiz den F-35 statt den Rafale, Eurospike statt MMP, Patriot statt
Was in Friedenszeiten bzw. im Alltagsbetrieb stattfindet, ist für diese Diskussion und die neutralitätspolitische Dimension von ESSI doch uninteressant? Was geschieht, wenn z.B. ein Krieg ausbricht zwischen Russland und der NATO? Wird die Schweiz dann auch noch Radarbilder teilen? Wird die Schweiz Flugkörper abfangen, die z.B. von russischen Schiffen im Mittelmeer nordwärts abgeschossen werden könnten? Das ist doch die interessantere Frage, und ich behaupte doch nicht die Unwahrheit, wenn ich schreibe, dass die Regierung der Schweiz betont hat, dass sie keinem System kollektiver Sicherheit beitreten kann und wird, und folglich in einem Krieg, der die Schweiz nicht betrifft, sich neutral verhalten wird. Daraus geht zwingend hervor, dass man keiner Seite irgendwie zu einem Vorteil verhelfen wird.
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:32) *
Nein und Nein. Offenbar geht man nicht davon aus, dass es ein System der kollektiven Sicherheit ist (ansonsten dies politisch völlig anders zu handhaben wäre)
Wie interpretierst Du den Satz: "die Schweiz wird mitgeschützt"? Mir ist aufrichtig unklar, warum meine Interpretation abwegig sein soll. Mitgeschützt = von anderen beschützt werden, und zwar im Konfliktfall, nicht in Friedenszeiten. Denn in Friedenszeiten braucht niemand Schutz.
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:47) *
Nein, Pfister spricht nicht von "System Kollektiver Sicherheit", ein Ausdruck aus dem deutschen Grundgesetzt, der in der Schweiz so nicht verwendet wird.
"System kollektiver Sicherheit" ist die deutschsprachige Form eines auf internationaler Ebene durchaus gebräuchlichen Terminus, z.B. sprechen die UN-Berichte der Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel (2004 und 2019) von der Bedeutung, die regionale Systeme kollektiver Sicherheit für die Friedenssicherung übernehmen können. Gemeint ist lediglich eine Organisationsform, in der wechselseitige Verantwortung für die äußere Sicherheit von Vertragspartnern übernommen wird.

In meinen Augen geht Pfister von einem kollektiven Mechanismus aus, siehe oben.
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:47) *
ESSI ist keine "Organisation der kollektiven Sicherheit" und wird nicht als solche vom Bundesrat betrachtet. Das ist derart offensichtlich, dass Amherd da nichts dazu zu sagen hat.
Es mag sein, dass der Bundesrat sie nicht als solche betrachtet, oder dies zumindest nach außen kommuniziert, aber das heißt nicht, dass sie das nicht ist. ESSI wäre nicht die erste zwischenstaatliche Übereinkunft, die mit unterschiedlichen Auslegungen hinsichtlich ihrer Bedeutung beginnt.

Stimmen in der Schweiz scheinen zu glauben, dass es sich um ein System kollektiver Sicherheit handelt: Die SVP glaubt es, die GSoA glaubt es, der Präsident der Partei der Mitte glaubt es offenbar auch (oder er würde nicht von Mitschützen sprechen). Eine ähnliche Diskussion findet in Österreich statt, getragen von FPÖ, SPÖ und KPÖ. Und in Schweden wurde die Frage diskutiert, ob ESSI mit den Verpflichtungen kollidiert, die Schweden im Rahmen der NATO eingehen wird. Geschuldet ist diese Ambivalenz sicherlich auch dem Tempo, mit dem viele nationale Regierungen den Beitritt zur ESSI durchgepeitscht haben, sowie dem nicht besonders ergiebigen Informationsfluss.

Möglicherweise wird die Position der Gründungsmitglieder auch durch den Umstand kontaminiert, dass die betreffenden Staaten sowieso durch EU bzw. NATO verbunden sind und sich ohnehin Beistand leisten werden; dennoch lautet die im vorigen Jahr kommunizierte Ausgangslage wie folgt: Wir spannen einen Schutzschirm über Europa, alle helfen sich. Gut möglich, dass demnächst nationale Caveats bekannt werden, eben etwa der Schweiz’. Aber dazu muss es erst mal kommen. Bis dahin stellt sich die Frage: Was macht die Schweiz, was macht Österreich, wenn andere ESSI-Staaten sich im Krieg befinden?
ZITAT(Glorfindel @ 7. Jul 2023, 16:47) *
Und Pfister hat auch nicht gesagt, dass die Schweiz keine Gegenleistung bieten will. Das ist rein deine Interpretation.
Nochmals: Ich habe nicht behauptet, dass er es gesagt hätte.

Wegen eines simplen Missverständnisses scheinst Du hier die Schweiz als Partner auf internationaler Ebene herabgesetzt zu sehen. Das war nicht meine Absicht.

Geschrieben von: Salzgraf 9. Jul 2023, 09:06

Vieles dürfte momentan einfach noch unklar sein.
Ich kann mir vorstellen, daß es drei Mitgliedskategorien gibt:
A) nur Radardatenaustausch mit definierter Qualität (Raum, Auflösung...)
B) Unterstützung (Abschuss) im grenznahen Bereich (z.B. 200 km)
C) alle Teilnehmer schützen sich im gesamten Luftraum gegenseitig: eine Rakete auf Warschau wird in Nordungarn abeschossen, eine Rakete auf Berlin in Ostpolen.

Um Basel, Genf etc. schützen zu können, wäre für die Schweiz Variante B zu überlegen.
Variante A könnte für nordafrikanische Staaten oder Georgien ein Angebot sein.

Geschrieben von: Glorfindel 9. Jul 2023, 09:35

ZITAT(muckensen @ 9. Jul 2023, 06:00) *
(...)
Was in Friedenszeiten bzw. im Alltagsbetrieb stattfindet, ist für diese Diskussion und die neutralitätspolitische Dimension von ESSI doch uninteressant? Was geschieht, wenn z.B. ein Krieg ausbricht zwischen Russland und der NATO? Wird die Schweiz dann auch noch Radarbilder teilen? Wird die Schweiz Flugkörper abfangen, die z.B. von russischen Schiffen im Mittelmeer nordwärts abgeschossen werden könnten? Das ist doch die interessantere Frage, und ich behaupte doch nicht die Unwahrheit, wenn ich schreibe, dass die Regierung der Schweiz betont hat, dass sie keinem System kollektiver Sicherheit beitreten kann und wird, und folglich in einem Krieg, der die Schweiz nicht betrifft, sich neutral verhalten wird. Daraus geht zwingend hervor, dass man keiner Seite irgendwie zu einem Vorteil verhelfen wird.

Ja, wie Du richtig mehrmals betonst, stellt sich tatsächlich die Frage, was im Kriegsfall passiert. Und die Frage stellt sich jetzt und sie wird sich dann nochmals stellen, wenn sie jetzt damit beantwortet wird, dass man im Kriegsfallnicht mitmacht.

Die Schweiz wird im Kriegsfall Raketen, die ihren Luftraum überfliegen abschiessen. Dazu sieht sie sich neutraliätsrechtlich verpflichtet. In einem Kriegsfall würde es aber wohl auch starken Druck Seitens der NATO auf die Schweiz geben.

ZITAT
Denn in Friedenszeiten braucht niemand Schutz.

Das stimmt so nicht und so ist die Realität nicht. goschi hat dies bereits treffend erklärt:
ZITAT(goschi @ 7. Jul 2023, 16:15) *
(...)
Bei der Luftraumüberwachung hat die Schweiz übrigens schon lange partnerschaften mit Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich, um, zB anfliegende Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, im Rahmen von WEF und ähnlichen Grossanlässen (G7 in Evian damals zB) gibt es sogar Vereinbarungen, dass Flugzeuge der Partner jeweils im Luftraum der anderen agieren dürften, bei Frankreich sogar gegenseitige Einwilligung zum notfallmässigen Abschuss.


ZITAT
Stimmen in der Schweiz scheinen zu glauben, dass es sich um ein System kollektiver Sicherheit handelt: Die SVP glaubt es, die GSoA glaubt es, der Präsident der Partei der Mitte glaubt es offenbar auch (oder er würde nicht von Mitschützen sprechen).

Nochmals nein. Afaik geht niemand, der etwas davon besteht davon aus. Es wird in keiner mir bekannten Zeitung postuliert und mir ist Staatsrechtler bekannt, der sowas behaupten würde.

Wäre es nämlich so, so müsste ein entsprechender Entscheid zwingend mittels obligatorischen Referendum dem Volk und den Ständen nach Art. 140 Abs. 1 lit. der Bundesverfassung zur Abstimmung vorgelegt werden. Darüber hört man aber kein Wort mit Ausnahme der SVP.
ZITAT
(...) Gut möglich, dass demnächst nationale Caveats bekannt werden, eben etwa der Schweiz’. Aber dazu muss es erst mal kommen. Bis dahin stellt sich die Frage: Was macht die Schweiz, was macht Österreich, wenn andere ESSI-Staaten sich im Krieg befinden? (...)

Die Absichtserklärungen, die Amherd und Tanner am Freitag unterzeichneten, sind mit «neutralitätsrechtlichen Vorbehalten» versehen. Der Inhalt der Zusatzerklärungen ist im Moment nicht im Detail bekannt. Aber es ist (im Moment) nicht vorgesehen, dass die Schweiz oder Österreich sich im Kriegsfall gleich beteiligen wie in Friedenszeiten.

Geschrieben von: Glorfindel 9. Jul 2023, 10:05

Der Tages Anzeiger zur https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz-und-nato-projekt-european-sky-shield-raketenschirm-neutralitaet-viola-amherd-549372503580:

ZITAT
Was ist der «European Sky Shield» genau?
Es handelt sich um eine gemeinsame Reaktion europäischer Länder auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Ziel ist es, ein wirksames Luftverteidigungssystem aufzubauen – insbesondere gegen Raketenangriffe (...)

Handelt es sich um ein Nato-Projekt?
Nicht im formellen Sinn, doch die klare Mehrzahl der am Raketenschirm beteiligten Staaten gehört der Nato an. Mit der Schweiz und Österreich schliessen sich nun erstmals zwei Länder an, die weder Nato-Mitglied sind, noch es werden wollen. (...)

Warum ist Frankreich nicht dabei?
Scholz lancierte seine Initiative offenbar ohne vorgängige Absprache mit Emmanuel Macron. (...) Den Franzosen missfällt es in strategischer Hinsicht, dass Scholz und seine Verbündeten zur Raketenabwehr auf Technologie aus den USA und Israel setzen. (Anmerkung: und das frz.-ita. System Aster nicht berücksichtigt ist) (...)

Ist ein Schweizer Beitritt zum Raketenschirm mit der Neutralität vereinbar?
Die Absichtserklärungen, die Amherd und Tanner am Freitag unterzeichneten, sind mit «neutralitätsrechtlichen Vorbehalten» versehen. Damit werde jede Teilnahme an internationalen militärischen Konflikten ausgeschlossen, betonte Amherd. (...)

Hat Amherd denn recht mit ihrer Einschätzung?
Zu unterscheiden gilt es zwischen juristischen und politischen Aspekten. Das Neutralitätsrecht ist eindeutig kodifiziert; hier ist es wohl tatsächlich möglich, mit Vorbehalten etwaige Verletzungen zu vermeiden. Politisch kann die Beurteilung hingegen unterschiedlich ausfallen. (...)

Wird das Volk über den Raketenschirm abstimmen können?
(...) Amherd hielt (...) an der Medienkonferenz fest, dass der Bundesrat den Entscheid in eigener Kompetenz treffen könne, ohne Mitwirkung des Parlaments und des Volks. Eine Volksabstimmung über den Raketenschirm wäre somit nur durch eine Volksinitiative herbeizuführen.

Was erhofft sich Amherd von der Teilnahme konkret?
Das Verteidigungs­departement will laut Communiqué «prüfen, in welchen Bereichen die Zusammenarbeit gestärkt werden soll». Vorstellbar seien zum Beispiel «Synergien» beim Betrieb des Luftverteidigungssystems Patriot. (...)

Und welche Verpflichtungen lädt sich die Schweiz auf?
Jedes Land könne selber bestimmen, wo und in welchem Umfang es sich am Schirm beteiligen wolle, betont Amherds Departement. Boris Pistorius versuchte an der Medienkonferenz, etwaige Bedenken zu zerstreuen. Danach gefragt, welche Erwartungen er an die Schweiz und Österreich habe, antwortete der deutsche Verteidigungsminister kurz und bündig: «Keine.»

Geschrieben von: Glorfindel 9. Jul 2023, 10:27

Die https://www.nzz.ch/schweiz/schutzlos-und-finanziell-ausgezehrt-oesterreich-fluechtet-unter-sky-shield-ld.1746277 zu Österreich und ESSI:

ZITAT
Schutzlos und finanziell ausgezehrt: Österreich flüchtet unter Sky Shield
Österreichs Armee ist allerdings mittlerweile so schwach, dass sie nur funktioniert, wenn sie mit anderen Ländern kooperiert.

Für Österreichs Armee ist Sky Shield gleichsam ein Geschenk des Himmels. Das Land kann mit diesem Luftverteidigungssystem (...) rasch und verhältnismässig günstig ein Problem lösen. Sein Auftrag sei es, Österreichs Lufthoheit zu wahren und die Bevölkerung zu schützen, sagt Gerfried Promberger, der Chef von Österreichs Luftstreitkräften. «Das kann ich mit unseren Mitteln derzeit aber nicht.» Österreich verfügt nur über leichte Flugabwehrlenkwaffen und Zwillingsabwehrkanonen. (...)

Die Armee gilt nach Jahren der finanziellen Auszehrung als marode. (...)

Ausser im Westen an der Grenze zur Schweiz und zu Liechtenstein ist das Land von Nato-Mitgliedsstaaten umgeben. Laut Kritikern hat man diese Lage ausgenutzt, um die Verteidigung günstig an die Nato gleichsam auszulagern.

Der Krieg in der Ukraine und der mysteriöse Absturz einer Militärdrohne in Zagreb im März 2022 (...) haben die Politiker aber aufgeschreckt. Probleme schieben sie zwar gerne vor sich her, die Schwäche der Luftverteidigung und der generell schlechte Zustand der Armee nehmen sie nun aber als Risiko wahr. (...)

Österreichs Militär ist in den vergangenen Jahren auch die Fähigkeit abhandengekommen, Gerät in nützlicher Frist zu bestellen. Die Finanzen und die Prozesse genügten, um Uniformteile zu besorgen, darüber hinaus stosse man aber an Grenzen, sagt ein Offizier im Gespräch.

Gerade deshalb kommt Sky Shield dem Land wie gerufen. Die Kosten lassen sich auf mehrere Länder verteilen, und es gibt Mengenrabatt. Zudem profitiert man von Ländern, die im Beschaffungsbereich mehr Erfahrung haben als Österreich.

Das mögen überzeugende Argumente sein, im Land lösten die Pläne der Regierung trotzdem eine heftige Debatte aus. Im Jahr 1955 ist in Österreich die «immerwährende Neutralität» nach Schweizer Vorbild eingeführt worden.

Kaum jemand in der Bevölkerung macht sich zwar tiefschürfende Gedanken darüber, was das mittlerweile genau bedeutet. Besonders die rechtspopulistische FPÖ treibt aber mit dem Thema Neutralität gerne die anderen Parteien vor sich her. «Sky Shield stellt einen weiteren Schritt zu Bedrohung und Aushöhlung unserer immerwährenden Neutralität dar», sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker (...)

Genau solche Aussagen fürchtet die konservative Regierungspartei ÖVP (...)

Aber auch andere Parteien wissen, dass man mit einer Neutralitätsdebatte nichts gewinnt. (...)

Geschrieben von: Madner Kami 9. Jul 2023, 10:34

ZITAT(Glorfindel @ 9. Jul 2023, 10:35) *
Nochmals nein. Afaik geht niemand, der etwas davon versteht davon aus. Es wird in keiner mir bekannten Zeitung postuliert und mir ist Staatsrechtler bekannt, der sowas behaupten würde.

Wäre es nämlich so, so müsste ein entsprechender Entscheid zwingend mittels obligatorischen Referendum dem Volk und den Ständen nach Art. 140 Abs. 1 lit. der Bundesverfassung zur Abstimmung vorgelegt werden. Darüber hört man aber kein Wort mit Ausnahme de SVP.


Widersprichst du dir da nicht gerade selber?

Geschrieben von: Broensen 9. Jul 2023, 11:02

ZITAT(Glorfindel @ 9. Jul 2023, 11:05) *
ZITAT
Danach gefragt, welche Erwartungen er an die Schweiz und Österreich habe, antwortete der deutsche Verteidigungsminister kurz und bündig: «Keine.»

Das ist auch schon ein hartes Urteil. Bereits beim Abschluss einer Vereinbarung bekanntgeben, dass man sich nichts davon erwartet.

Geschrieben von: Salzgraf 9. Jul 2023, 15:07

ZITAT(Broensen @ 9. Jul 2023, 12:02) *
ZITAT(Glorfindel @ 9. Jul 2023, 11:05) *
ZITAT
Danach gefragt, welche Erwartungen er an die Schweiz und Österreich habe, antwortete der deutsche Verteidigungsminister kurz und bündig: «Keine.»

Das ist auch schon ein hartes Urteil. Bereits beim Abschluss einer Vereinbarung bekanntgeben, dass man sich nichts davon erwartet.

Ich verstehe es so, daß D keinen Druck hinsichtlich der Neutralität machen wird.

Geschrieben von: 400plus 9. Jul 2023, 15:16

Ich auch- quasi "alles kann, nichts muss".

Geschrieben von: swizzly 7. Aug 2023, 10:25

(muckensen @ 1. Jun 2023, 13:53) *
Die RUAG-Chefin Brigitte Beck hat Anfang Mai einigen Staub aufgewirbelt in der Schweiz, als sie bei einem Symposium sagte, ihrer Meinung nach sollten Deutschland und Spanien einfach die von der Schweiz blockierten Rüstungsgüter liefern, die Schweiz könne sowieso nichts dagegen machen. Daraufhin musste sie sich sogar bei der Belegschaft entschuldigen, Politiker fast aller Parteien warfen ihr vor, ausländische Regierungen zu ermuntern, schweizerische Gesetze zu brechen. (Ein unpassender Vorwurf, natürlich gilt Schweizer Recht nur in der Schweiz.) Kann, vor diesem Hintergrund, Bern da irgendetwas anderes tun, als das Gesuch ablehnen?
RUAG CEO Brigitte Beck tritt unter anderem wegen dieser Geschichte nun zurück: https://www.tagesanzeiger.ch/ruag-chefin-brigitte-beck-tritt-zurueck-412088987036
Meiner Meinung nach völlig berechtigt. Als CEO eines staatlich kontrollierter Rüstungsbetrieb waren ihre Aussagen ein absolutes No-Go. Dass sie sich in aller Öffentlichkeit zu so Aussagen hinreissen lässt, lässt auch stark an der Eignung für diesen Posten zweifeln.

(Glorfindel @ 1. Jun 2023, 14:53) *
Die RUAG möchte eine Begründung und vermutlich auch die Diskussion anwerfen.
Es war scheinbar viel banaler. RUAG und Rheinmetall hatten die Verträge schon unterschrieben. RUAG musste gemäss Vertrag eine offizielle Ablehnung vorlegen, um da wieder rauszukommen.

Geschrieben von: hanuta 8. Aug 2023, 21:16

Vorallem ist sie ihren Aktionären verpflichtet und entgangenes Geschäft macht sich da eben schlecht.

Geschrieben von: swizzly 9. Aug 2023, 08:43

Ja, Brigitte Beck war ihren Aktionären verpflichtet. Nur ist der Staat der einzige Aktionär und alleiniger Besitzer der RUAG. wink.gif
Darum hatten ihre Aussagen auch diese Folgen. Dass dieses Geschäft zustandekommt war von Anfang an nicht realistisch, von daher kann man kaum von entgangenem Geschäft sprechen.

Geschrieben von: Glorfindel 17. Aug 2023, 18:46

Armeechef Thomas Süssli hat neue Pläne für die Schweizer Armee vorgelegt, die angesichts des Ukraine-Krieges eine Neuausrichtung der Verteidigungsfähigkeit erfordern. Die bisherige Ausrichtung auf Schutzaufgaben wird überdacht, und die Armee konzentriert sich wieder auf ihre Kernaufgabe der Landesverteidigung. Dabei sollen militärische Angriffe am Boden, in der Luft und im Cyberraum abgewehrt werden. Die Neuausrichtung erfordert den Wiederaufbau der Verteidigungsfähigkeiten, einschließlich der Wiedernutzung von Bunkern und Geschützen in den Alpen.

Um die Verteidigung zu stärken, plant die Armee kleinere, rasch umsetzbare Schritte anstelle großer Reformen. Dies beinhaltet die Stärkung der Bodentruppen und die Nutzung Übungsanlagen im Ausland. Die Modernisierung von Artillerie, Panzern und Luftabwehr sowie die Erweiterung der Cyberabwehr und Nachrichtenbeschaffung sind ebenfalls geplant. Die Annäherung an die NATO, beispielsweise durch das europäische Luftverteidigungssystem "Sky Shield", wird verfolgt, obwohl dies Kritik hervorruft. Auch soll sich die Schweizer Armee vorberriten, in einem Konflikt mit der NATO zusammen zu arbeiten

Der Bericht von Süssli ist noch nicht von der Politik bewilligt, aber die Armee plant bereits Budgetmittel in Höhe von 13 Milliarden Franken bis 2031 für die Umsetzung der Pläne ein. Es wird erwartet, dass die schrittweise Budgeterhöhung dieses Vorhaben ermöglicht, jedoch wird die Umsetzung mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich geplant.

Nachdem sich die Politik sehr träge verhält, ergreift die Armee selber die Initiative, um ihre Vorstellungen der Weiterentwicklung der Armee zu präsentieren. Von der armeekritischen Linke kommt bereits die Kritik, dass sei völlig unangemessen, ein Krieg sei sehr unwahrscheinlich von rechtsnationalen Kreisen, Kritik an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der NATO (obwohl die Schweiz sich 2004 von der autonomen Verteidigung verabschiedet hat.

https://www.blick.ch/politik/verteidigung-wieder-verstaerken-armee-muss-das-steuer-herumreissen-id18849308.html?utm_medium=social&utm_campaign=share-button&utm_source=copy-to-clipboard
https://www.watson.ch/schweiz/armee/290806785-so-will-armeechef-suessli-die-verteidigung-der-schweiz-reformieren
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/schweizer-armee-richtet-fokus-auf-verteidigung?id=12440206

Geschrieben von: Glorfindel 17. Aug 2023, 19:51

Die NZZ hat auch gerade einen https://www.nzz.ch/schweiz/die-schweizer-armee-zwischen-autonomer-landesverteidigung-und-internationaler-kooperation-ld.1748002 von Geotg Häsler veröffentlicht:

Der hybride Krieg, den autoritäre Regime führen, zielt darauf ab, die Einheit des Westens zu untergraben. Dies stellt auch die Schweiz vor eine komplexe Herausforderung, weshalb sie in Anbetracht der veränderten Sicherheitslage ihre Strategie neu gestalten muss. Die jüngsten Pläne von Armeechef Thomas Süssli betonen die Notwendigkeit, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken und sich an neue Bedrohungsszenarien anzupassen.

Die Grundlagen der schweizerischen Sicherheitspolitik lassen sich in einem Koordinatensystem veranschaulichen, das verschiedene Positionen umfasst. Dazu gehören die bewaffnete Neutralität, die aktive Friedenspolitik, die militärische Kooperation und die militärische Integration. Die Abhängigkeit von diesen Positionen beeinflusst die Bandbreite der möglichen sicherheitspolitischen Ansätze.

Innerhalb dieses Rahmens gibt es verschiedene Optionen für die schweizerische Sicherheitspolitik. Eine Möglichkeit ist die "Enhanced Opportunity Partner" (EOP)-Strategie, bei der sich die Schweiz als privilegierter Partner der NATO annähert und sich an Übungen und Aktivitäten beteiligt, die die kollektive Sicherheit trainieren. Alternativ könnte die Schweiz eine dynamische Raumverteidigungsstrategie verfolgen, bei der die Armee in der Lage sein müsste, einen Angreifer an der Landesgrenze aufzuhalten und zu besiegen. Oder sie könnte auf "Sicherheit und Kooperation" setzen, wobei die Armee technologisch modernisiert wird und im Falle einer Bedrohung eine kombinierte Herangehensweise verfolgt.

Die laufende Diskussion über die Ausbalancierung der Neutralität und die Anpassung der militärischen Strategie ist von entscheidender Bedeutung. Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihre Position in der sich verändernden europäischen Sicherheitslandschaft zu finden, während sie gleichzeitig die Modernisierung ihrer militärischen Technologie vorantreibt. Dieser Prozess erfordert nicht nur politische Abstimmung, sondern auch die Bereitschaft, sich flexibel auf neue sicherheitspolitische Realitäten einzustellen.

ZITAT
(...) der hybride Krieg autoritärer Regimes zielt auf die Einheit und die enge Verflechtung des Westens. Bei einem schleichenden Sieg Russlands in der Ukraine droht deshalb auch eine Fragmentierung Europas. Gelingt es, das System der kollektiven Sicherheit, eine Konstante seit dem Zweiten Weltkrieg, aufzubrechen, werden bewaffnete Konflikte im näheren Umfeld der Schweiz wahrscheinlicher. Ein Krieg unter europäischen Staaten rückte näher an die Landesgrenze.

Aus einer militärischen Perspektive ist der Aufwuchs, der Wiederaufbau der Verteidigungsfähigkeit, auf dieses gefährlichste Szenario auszurichten. Eine Armee muss in der Lage sein, in einem high intensity war, einem Krieg von hoher Intensität, zu bestehen. (...)

Der militärische Erinnerungsort der Schweiz ist (...) die Armee 61, deren Grundkonzeption bis 1994 Gültigkeit hatte: flächendeckende Raumverteidigung und die Fähigkeit zum Gegenschlag.

(...) Die Kernkompetenz, der Kampf, wurde in den letzten drei Jahrzehnten auf das absolute Minimum reduziert. Noch drei Brigaden, eine davon ohne fest eingeteilte Kampftruppen, trainieren seit der letzten Reform, der Weiterentwicklung der Armee (WEA) ab 2017, noch das Gefecht der verbundenen Waffen.

https://q-images.nzz.ch/2023/08/16/01_cw@3x-dd5cdd727d297340ab2f1d9eeed06f8a.png?width=1280&format=webply

Diese beiden Positionen – die Armee 61 und die WEA – bilden zwei Punkte in einem Koordinatensystem militärischer Konzepte: Das Spannungsfeld zwischen einer strikten, integralen Neutralität und dem Beitritt zu einem Bündnis wird auf der einen Achse dargestellt, der Grad der militärischen Kampfkraft auf der anderen. (...)

Aus diesen Abhängigkeiten ergeben sich vier grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen der schweizerischen Sicherheitspolitik:

Bewaffnete Neutralität: Die bis heute gültige Maxime verlangt ein möglichst hohes Mass an autonomer Landesverteidigung. (...) Je neutraler die Schweiz sein will, desto mehr militärische Kampfkraft wird benötigt.

Aktive Friedenspolitik: Das andere Extrem propagiert ein Teil des links-grünen Lagers und fordert bis heute die Abschaffung der Armee. (...) Zur Idee einer Schweiz ohne Armee gehört eine aktive Friedenspolitik und gemäss dem «antimilitaristischen Manifest» eine strikte Neutralität: «Indem sich die Schweiz nicht militärisch an Konflikten beteiligt, kann sie eine umso stärkere Rolle in der internationalen Friedensförderung einnehmen.»

Militärische Kooperation: Eine Zusammenarbeit mit den benachbarten Armeen und Bündnissen reicht von Absprachen im Fall eines Angriffs (...) bis zu einem Beitritt zur Nato. In allen Fällen steht die Normierung der Prozesse und Verfahren im Vordergrund: Die interoperability ist die Voraussetzung, um überhaupt kooperieren zu können. Seit dem Ukraine-Krieg hat die Bedeutung der interchangeability zugenommen: die Fähigkeit, Waffensysteme unter Partnern auszutauschen. Am weitesten geht die militärische Kooperation bei der nuklearen Teilhabe (...).

Militärische Integration:Island verzichtet auf eine eigene Armee, integriert dafür aber eine bestimmte Anzahl militärischer Einheiten in die Strukturen der Nato. Die Niederlande haben ihre schweren Kräfte auf das Minimum reduziert und mit der Bundeswehr zusammengelegt, betreiben dafür aber eine starke Luftwaffe. Seit 2013 wird diese enge Verflechtung namentlich europäischer Armeen Framework Nation Concept genannt oder deutsch: Rahmennationenkonzept. Ein Land übernimmt die Verantwortung für eine militärische Fähigkeit, andere können sich daran «anlehnen».

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine forderte zuerst der FDP-Präsident Thierry Burkart, die Zusammenarbeit der Schweiz mit der Nato müsse massiv ausgebaut werden: «Weder aus technologischer noch aus finanzieller Sicht kann heute eine auf sich gestellte Verteidigung gewährleistet werden», schrieb Burkart in einem Gastbeitrag in der NZZ und hielt fest, dies sei mit der Neutralität vereinbar: Bei einem direkten Angriff erlaube das Völkerrecht eine militärische Zusammenarbeit.

In der Tat wäre ein militärischer Alleingang heute noch schwieriger als im Kalten Krieg (...) Es stellt sich die Frage, ob eine enge Auslegung der Neutralität nicht dem Zweckartikel der Bundesverfassung widerspricht, wonach der Bund die Freiheit und die Rechte des Volkes schützt und die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes wahrt. (...)

Seit dem maximalen Rückbau der Armee in den 2000er Jahren hat die Schweiz (...) die Fähigkeit zur – mindestens weitgehenden – autonomen Landesverteidigung verloren (...)

Die Armee XXI basierte bei ihrem Start 2004 auf dem Konzept «Sicherheit durch Kooperation». Die F/A-18 der Luftwaffe waren als robustes Angebot an mögliche Partner vorgesehen, die Friedensförderung im Rahmen der Uno oder der OSZE als Ersatzangebot eines neutralen Landes anstelle der Bündnissolidarität im Rahmen der Nato. Doch diese Form der militärischen Zusammenarbeit scheiterte an einer Sperrmehrheit der Pole links und rechts. (...) Bis heute begrenzen diese zwei Positionen die sicherheitspolitischen Möglichkeiten, wie die Diskussion über die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial in die Ukraine deutlich zeigt. (...)

in der Landesregierung bilden gegenwärtig Bundesräte mit einem identitären Verständnis der Neutralität und solche, die zu einer aktiven Friedenspolitik tendieren, die Mehrheit. (...)

strukturelle Nichtangriffsfähigkeit der Armee. Deshalb wehrte sich die SP vehement gegen neue Kampfjets – und dürfte bei der Stärkung der schweren Verbände der Armee Widerstand leisten. Die politische Konstellation beeinflusst also nicht nur den Kooperationsgrad, sondern auch den Parameter der militärischen Kraft. (...)

Mehr internationale Kooperation bedeutet nicht automatisch weniger Armee – im Gegenteil. Will die Schweiz von den Partnern profitieren, muss sie auch eine militärische Solidaritätsleistung erbringen. (...)

Im Schraubstock zwischen autonomer Landesverteidigung und militärischer Kooperation hat die Schweiz drei Varianten zur Verfügung, sich auf die gefährlichste Möglichkeit, die Fragmentierung Europas, vorzubereiten:

Enhanced Opportunity Partner (EOP): Die Schweiz nähert sich als privilegierter Partner der Nato maximal an, ähnlich wie Finnland und Schweden vor dem Beitritt – oder auch die Ukraine. Die Schweizer Armee beteiligt sich unter anderem auch mit Bodentruppen an Übungen, die den Bündnisfall, also die kollektive Sicherheit nach Artikel 5, trainieren. Dies hätte Konsequenzen auf das Milizprinzip, etwa längere Dienstzeiten im Ausland. Die Schweiz wäre immer noch ein bündnisfreies Land, könnte aber in einem Konflikt in Europa einen aktiven Beitrag zur Stabilität leisten.

Dynamische Raumverteidigung: Für eine echte Rückkehr zur bewaffneten Neutralität muss die Armee in der Lage sein, einen Gegner grundsätzlich an der Landesgrenze aufzuhalten und mit offensiven Mitteln zu vernichten. Damit würde das Konzept der Armee 95, der Zwischenschritt zwischen der Armee 61 und der Armee XXI, reaktiviert, allerdings mit dem Anspruch, technologisches Topniveau zu erreichen. Die Konsequenz wäre allerdings, dass die Bestände erhöht würden. Die Armeeangehörigen müssten mit längeren Dienstzeiten rechnen.

Sicherheit und Kooperation: (...) Die Armee muss als Gesamtsystem wiederhergestellt werden: allenfalls über das «Zielbild Strategie Aufwuchs», um auch bei einem Zerfall der kollektiven Sicherheit eine dissuasive Wirkung zu entfalten. Gleichzeitig dürfte die Neutralität nicht weiter als Dogma verstanden werden, um den Partnern verbindliche Zusagen für den Fall eines bewaffneten Konflikts oder auch nur erhöhter Spannungen zu machen.

Auch in einer Grauzone, in der kein Krieg herrscht, aber auch nicht mehr richtig Friede, sind potenzielle Sicherheitspartner auf die gegenseitige Solidarität angewiesen. (...)

Im Juli unterzeichnete das VBS nun eine Absichtserklärung, an der European Sky Shield Initiative (ESSI) teilzunehmen, einem gemeinsamen, europäischen Schutzschirm gegen Bedrohungen aus der Luft. Die Schweiz dürfte nicht darum herumkommen, Position zu beziehen, wie sie sich im Konfliktfall verhält. Die ESSI ist wohl die Probe aufs Exempel, ob eine Entwicklung in Richtung «Sicherheit und Kooperation» funktioniert.

Die Gewichtung der Neutralität ist also ein entscheidender Parameter für den militärischen Aufwuchs. Der Diskurs hat erst angefangen (...) Doch ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Auch das hat Tradition: Die Schweiz war noch nie wirklich rechtzeitig bereit, vielleicht im Kalten Krieg, deshalb bleibt die Armee 61 ein Orientierungspunkt, aber auch eine Legende. Der Schlüsselfaktor ist in Zukunft weniger die Masse, sondern vielmehr die Technologie.

Geschrieben von: muckensen 19. Aug 2023, 01:28

Der ORF hat in seinen 'Zeit im Bild'-Hauptnachrichten Aufnahmen von der Verhaftung eines mutmaßlichen russischen Spions durch ukrainische Sicherheitskräfte als Bilder einer angeblichen Zwangsrekrutierung ausgegeben. In dem Beitrag ging es um den Korruptionsverdacht gegen die Leiter regionaler Wehrersatzämter, die tausende junge Ukrainer für Geldzahlungen wehruntauglich erklärt haben sollen. Der verantwortliche Korrespondent Christian Wehrschütz beteuert, er habe keine pro-russische Einstellung. Der Sender nahm den Beitrag erst infolge massiver Proteste in den sozialen Medien zurück, u.a. durch die ukrainische Botschaft. (https://www.krone.at/3088922)

Geschrieben von: General Gauder 19. Aug 2023, 01:31

ZITAT(muckensen @ 19. Aug 2023, 02:28) *
Der ORF hat in seinen 'Zeit im Bild'-Hauptnachrichten Aufnahmen von der Verhaftung eines mutmaßlichen russischen Spions durch ukrainische Sicherheitskräfte als Bilder einer angeblichen Zwangsrekrutierung ausgegeben. In dem Beitrag ging es um den Korruptionsverdacht gegen die Leiter regionaler Wehrersatzämter, die tausende junge Ukrainer für Geldzahlungen wehruntauglich erklärt haben sollen. Der verantwortliche Korrespondent Christian Wehrschütz beteuert, er habe keine pro-russische Einstellung. Der Sender nahm den Beitrag erst infolge massiver Proteste in den sozialen Medien zurück, u.a. durch die ukrainische Botschaft. (https://www.krone.at/3088922)

Also ehrlich gesagt ist mir wirklich unverständlich, wie das in Österreich jetzt noch so vorkommen kann, Österreich hat wirklich ein ernsthaftes Problem, haben die den nichts aus der Ibiza Affäre gelernt? mata.gif

Geschrieben von: xena 19. Aug 2023, 02:23

Das hat mit Ibiza Affäre nichts zu tun. Das ist ein verdammt schlechte Redaktionsarbeit die das Bildmaterial nicht geprüft hat und nicht zum Bericht der Korruption passt. Der ORF leistet im Prinzip echt gute Arbeit für ein so kleines Land und dem Budget. Aber manchmal herrscht bei denen eine haarsträubende Naivität.

Geschrieben von: muckensen 19. Aug 2023, 02:30

Ein Großteil dessen, was die Rechten mit dem Begriff Lügenpresse belegen (in diesem Fall natürlich nicht, kommt ihnen ja gelegen), lässt sich mit dem Wettkampf um Aufmerksamkeit und Quote erklären. Die Nachrichten sollen möglichst schnell rausgehauen werden, natürlich mit entsprechender Aufmachung, und darunter leidet die journalistische Sorgfalt. Allerdings: ZiB gilt definitiv als SPÖ-nahe, und die ORF-Berichterstattung zum Ukraine-Krieg ist schon, sagen wir mal, "betont kritisch". Und freilich lassen auch immer mehr Journalisten ihre politische Haltung mit sich durchgehen; man denke nur an den RTL-Redakteur, der gestern gefeuert wurde, weil er einen Tweet von Frauke Petry erfunden hatte, oder an den Vorfall mit dem Tagesschau-Bericht über Preiserhöhungen zugunsten des Klimas, den eine WDR-Mitarbeiterin vor laufender Kamera loben durfte.

Geschrieben von: 400plus 20. Aug 2023, 14:18

Interview mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Ruag in der NZZ. Geht unter anderem auch um die Abläufe bezüglich der Leo 1 in Italien, aber auch um die Neutralität, insbesondere in Verbindung mit dem Kauf und der Wartung ausländischer Waffensysteme. https://www.nzz.ch/schweiz/ruag-praesident-nicolas-perrin-es-lohnt-sich-nicht-fuer-die-schweiz-waffen-und-munition-voellig-autonom-zu-produzieren-ld.1751962?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-08-19x

Geschrieben von: xena 20. Aug 2023, 16:18

Um was für Leo I Panzer geht es denn, die in Italien rum stehen? Ex italienische Leo I? Und die wurden an die RUAG verkauft? Warum? Wem wollen die Schweizer Leo I weiter verkaufen? Die Italiener hätten doch nicht so strenge Exporteinschränkungen gehabt.

Geschrieben von: KSK 20. Aug 2023, 16:30

ZITAT(xena @ 20. Aug 2023, 17:18) *
Um was für Leo I Panzer geht es denn, die in Italien rum stehen? Ex italienische Leo I? Und die wurden an die RUAG verkauft? Warum? Wem wollen die Schweizer Leo I weiter verkaufen? Die Italiener hätten doch nicht so strenge Exporteinschränkungen gehabt.

Es handelt sich um Leopard 1 die RUAG bereits 2016 in Italien gekauft hat. Nun ging es darum ob RUAG als Schweizer Unternehmen diese an Rheinmetall verkaufen darf, welche sie entsprechend zur Verwendung in der Ukraine weitergeben würden.

https://www.ruag.ch/de/news/14-08-23/gesuch-fuer-den-verkauf-der-kampfpanzer-leopard-1-a5

Geschrieben von: 400plus 31. Aug 2023, 21:49

Der eidgenössische Ringtausch nimmt Fahrt auf: Die Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates hat den Verkauf von 25 Leopard-2 an Rheinmetall gebilligt. Der Nationalrat hat bereits zugestimmt, der Ständerat könnte dies nun im Herbst tun.
https://www.tagesanzeiger.ch/indirekte-unterstuetzung-der-ukraine-staenderaete-geben-gruenes-licht-fuer-panzerdeal-mit-deutschland-515438047730

Geschrieben von: ironduke57 1. Sep 2023, 07:19

Neues bzgl. der italienische Leo1:

ZITAT
Swiss firm already sold Leopard tanks destined for Ukraine

The Swiss company Ruag wanted to sell the tanks to Germany, which intended to send them to Ukraine. But according to an investigation by the Tages-Anzeiger published on Saturday, some of these tanks were already sold four years ago for a derisory price.

In 2019, Ruag sold 25 Leopard 1 tanks to a Bavarian company, Global Logistics Support GmbH (GLS). The company only paid around CHF 12,500 ($14,133) for these 25 tanks, a unit price of CHF 500.
...

- https://www.swissinfo.ch/eng/business/swiss-firm-already-sold-leopard-tanks-destined-for-ukraine/48764992

Oha. Bei RUAG scheint die linke Hand nicht zu wissen was die rechte tut. Das könnte unangenehm werden für die Geschäftsleitung.

Schade das das damals der Morlock nicht mitgekriegt hat. Für den Preis hätte der sich die alle unter den Nagel gerissen! biggrin.gif
Und wenn er sie in Peterlahr hätte Stapeln müssen!

Geschrieben von: Thomas 1. Sep 2023, 07:54

Diese besagten 25 Stück wurden nach mehreren Artikeln nie ausgeliefert. Leider schweigen die Artikel sich dazu aus, WESWEGEN die nie geliefert worden sind. Wissen unsere Eidgenossen hier mehr dazu?

Geschrieben von: goschi 1. Sep 2023, 08:29

ZITAT(ironduke57 @ 1. Sep 2023, 08:19) *
Oha. Bei RUAG scheint die linke Hand nicht zu wissen was die rechte tut. Das könnte unangenehm werden für die Geschäftsleitung.

Dafür ist die RUAG aber seit ihrer gründung bekannt, weil das ja eine Ansammlung verschiedenster staatlicher Rüstungsunternehmen war, die durchaus konkurrenzierend auftraten und dazu dann noch diverse ehemals private Unternehmen integriert wurden.
die RUAG hat schon immer den Ruf eine ziemlich anarchistische Firma zu sein, wo ein bisschen jeder bereich macht, was er will um dan plötzlich alles auf links zu drehen.

Und die Geschäftsleitung ist bereits unangenehm betroffen, die CEO hat längst ihren Rücktritt erklärt.


Ich habe den Eindruckm, dass manche hofften einfach tatsachen schaffen zu können, bevor die politik reagiert, zT um Geschäfte zu machen, zT zugunsten der Ukraine. Und das flog ihnen jetzt alles um die Ohren.

Geschrieben von: xena 1. Sep 2023, 11:56

Wer bestimmt denn was weiter verkauft werden darf? Bisher ging es immer um den ursprünglichen Eigner. Der ursprüngliche Eigner der Leopards war doch Italien. Also sollten doch deren Regeln beachtet werden. Die wiederum haben die Lizenz von Deutschland und somit hat auch Deutschland ein Wort mitzureden. RUAG ist doch nur ein Zwischenhändler, der die Leos an ein Deutsches Unternehmen verkauft hat, also an des Ursprungsland mit seinen Export- und Lizenzregeln. Es liegt doch an Deutschland, wohin diese Leos verkauft werden dürfen. Die Schweiz sollte doch da raus sein, weil die Leos nie Schweizer Boden berührt haben.

Geschrieben von: swizzly 1. Sep 2023, 13:26

Du vermischst zwei verschiedene Gesetze.

Das eine ist das Kriegsmaterialgesetzt und betrifft in der Schweiz Hergestellte Rüstungsgüter. Das betrifft nur die LEO 2 (und Piranhas und Eagles), die LEO 1 nicht.

Das andere ist die "Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine", die es allen Schweizer Firmen verbietet, irgendwas militärisches in die Ukraine zu liefern - auch wenn die Güter nie in der Schweiz waren.
Verkauft RUAG die LEO 1 im Wissen, dass die in der Ukraine landen, machen sich die Firma selbst als auch die Schlüsselfiguren strafbar. Dazu kommt natürlich auch die heikle Rolle als staatlichen Rüstungsbetrieb -> Was die RUAG macht, macht sie im Namen des Schweizer Staats.

Das Dumme war, dass Rheinmetall transparent über die Absichten informiert und so von Anfang an jegliche Hintertüren zubetoniert hat. Noch dümmer war, dass Leute bei der RUAG dachten, dass dieser Deal realistische Chancen hat.

Geschrieben von: K-JAG 1. Sep 2023, 14:21

Also sollte die Italenische Regierung denn Verkauf-Rückabwickeln(Gegen Entschädigung Eenteignen), alle sind glücklich die Ukranine bekommt Leo1, die RUAG bekommt ihr Geld zurück, die Klage der RUAG kann man aussitzen(sie haben sich gewahrt).

Geschrieben von: Broensen 1. Sep 2023, 21:41

Die neue (griechische) Hintertür wurde doch schon gefunden: http://www.whq-forum.de/invisionboard/index.php?s=&showtopic=31122&view=findpost&p=1506488

Geschrieben von: Seneca 23. Sep 2023, 18:37

Die taz über die " Neutralität" Österreichs, die antiwestlich durchsetzt ist. Der einzige ORF Korrospondent in der Ukraine ist ehemaliges FPÖ Mitglied und dementsprechen berichtet dieser.

ZITAT
Christian Wehrschütz. Der Reporter, bis 2002 FPÖ-Mitglied, fällt dabei immer wieder mit prorussischen Narrativen auf, etwa jenem, dass es sich beim Ukrainekrieg zuvorderst um einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland handle. Oder jenem der Mitschuld des Westens, Stichwort Nato-Erweiterung. Auf seiner Facebook-Seite teilte er Beiträge von Breitbart News, Russia Today (RT) und Sputnik – alle berüchtigt für massive Propaganda und Fake News.

https://taz.de/Oesterreich-russische-Beziehungen/!5959246/

Geschrieben von: Holzkopp 23. Sep 2023, 19:23

Österreich sitzt dermaßen tief in Putin-Russlands Darm, da kann man fast nur noch von optischer Neutralität sprechen.

Die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas ist weiterhin enorm, ich finde gerade die Quelle nicht mehr, habe aber in Erinnerung, dass etwa 80 Prozent der österreichischen Gasimporte weiterhin aus Russland kommen.

Der Fall Kneissl" ist da nur ein bizarres Symptom der staatlichen Entgleisung. Österreich ist in seiner gegenwärtigen Verfassung, Verflechtung und Ausrichtung ein Sicherheitsrisiko und könnte sich eher wieder mit Ungarn ins Boot setzen als mit der westlichen Allianz gegen Russlands imperiale Bestrebungen.

Man wird sich in Wien entscheiden müssen: Teil einer westlichen Sicherheits- und Werteallianz oder Russlandkuschelei. Bei letzterem heißt das aber auch Verzicht auf jedwede Sicherheitskooperation.

Gegen wen will sich das -schon heute faktisch unbewaffnete- Österreich eigentlich verteidigen? Für die NATO ist Österreich ein Risiko. Ich warte da eigentlich nur drauf, dass man den nächsten Oberst Redl irgendwo entdeckt.

Geschrieben von: speedy100 23. Sep 2023, 20:09

Ich würde den Österreichern momentan keine sensible , westliche Wehrtechnik verkaufen. Ich fürchte es ist mehr als ein Riedl , von dem man ausgehen muss.
Selbiges gilt für Ungarn.

Geschrieben von: Sparta 23. Sep 2023, 22:09

Sie wollen ja bei Skyshield dabei sein, eventuell hat man da dann einen Druckpunkt.

Geschrieben von: xena 24. Sep 2023, 02:56

Ach, hört doch auf. Da ist es wieder, diese schwarz/weiß Denke. Es kann nur ein Freund oder ein Feind sein. Dazwischen gibt es nichts. So ist derzeit auch der gesellschaftliche Diskurs. Es ist nicht auszuhalten.

Die Österreicher versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten so gut es geht ihren Lebensstandard zu halten. Daraus jetzt den großen Putinversteher zu sehen ist übergriffig. Die Österreicher informieren sich durchaus auch bei Deutschen Medien und nicht nur beim ORF. Sie sind durchaus im Bilde was läuft und trollen auch nicht Putin hinterher. Der Österreichische Weg mag nicht jedem schmecken, aber weltweit gesehen, sind sie in guter Gesellschaft. Sie mögen eher unsolidarisch mit dem Rest in Europa sein, aber Österreich ist nicht in der NATO und somit müssen sie auch nicht solidarisch mit der NATO sein. Sie sind ja neutral. Ich werfe auch der Schweiz nichts vor, wenn sich diese aus allem raus hält. Das ist nun mal das Wesen von Neutralität.

Geschrieben von: Forodir 24. Sep 2023, 08:54

Ja, schon blöd, wenn man verlangt, dass man sich positioniert in einem Konflikt. Vor allem, wenn der entsprechende auch noch was vom Kuchen haben will.
Neutralität hat sich überlebt (eigentlich schon seit dem Ersten Weltkrieg) und faktisch war in den bisherigen Konflikten niemand wirklich neutral. Aber diese Rosinen-pickerei ist genau das was schädlich ist und wurde übrigens auch Deutschland oft genug zu Recht vorgeworfen.

Ach ja, ich würde da jetzt übrigens nicht so stolz sein auf die internationale Clique die einen ähnlichen Kurs wie Österreich fahren.

Geschrieben von: HerrRossi 24. Sep 2023, 10:49

ZITAT(xena @ 24. Sep 2023, 03:56) *
Ach, hört doch auf. Da ist es wieder, diese schwarz/weiß Denke. Es kann nur ein Freund oder ein Feind sein. Dazwischen gibt es nichts. So ist derzeit auch der gesellschaftliche Diskurs. Es ist nicht auszuhalten.

Mich würde mal der "gesellschaftliche Diskurs" in Österreich und der Schweiz interessieren, wenn diese Länder an den Außengrenzen Europas lägen und nicht im Inneren, umgeben von "Freunden" tounge.gif
ZITAT
Die Österreicher versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten so gut es geht ihren Lebensstandard zu halten.

Dann sollten sie sich den Realitäten stellen, und mal schauen was in der Welt so los ist. Ein sinkender Lebensstandart wird durch viele Faktoren ausgelöst, unteranderem durch Kriege wie in der Ukraine. Die daraus resultierenden Folgen sind hier Flüchtlingswellen, Energiekrisen (Öl Gas), sinkende Lebensmittelversorgung (Getreide etc. und deren Folgen), Handel etc. Man kann auf Dauer seinen Lebensstandard nicht halten, wenn man so tut als würde es einem nichts angehen (Neutralität) und glaubt dass es eben die Probleme der Anderen sind. Über kurz oder lang, wirken sich die Negativen Folgen auf die "neutralen Staaten" auch aus.

ZITAT
... Sie mögen eher unsolidarisch mit dem Rest in Europa sein, ...

Danke, solche Staaten haben wir in Europa genug, siehe Ungarn, Polen etc. .
Wann begreift eigentlich die Menschheit, das wir die Probleme der Welt nur gemeinsam lösen können, ohne uns gegenseitig um zu bringen, oder sonst wie zu bekämpfen. Am Egoismus wird die Menschheit scheitern und untergehen, man sieht des ja immer wieder, und aktuell sehr deutlich. confused.gif

Geschrieben von: 400plus 26. Sep 2023, 09:45

ZITAT(400plus @ 31. Aug 2023, 21:49) *
Der eidgenössische Ringtausch nimmt Fahrt auf: Die Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates hat den Verkauf von 25 Leopard-2 an Rheinmetall gebilligt. Der Nationalrat hat bereits zugestimmt, der Ständerat könnte dies nun im Herbst tun.
https://www.tagesanzeiger.ch/indirekte-unterstuetzung-der-ukraine-staenderaete-geben-gruenes-licht-fuer-panzerdeal-mit-deutschland-515438047730


Ist erfolgt: https://www.nzz.ch/schweiz/leopard-panzer-staenderat-stimmt-fuer-die-weitergabe-von-25-exemplaren-nach-deutschland-ld.1757982?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-09-26
Die Panzer können damit an Rheinmetall verkauft werden.

Geschrieben von: KSK 26. Sep 2023, 09:57

ZITAT(xena @ 24. Sep 2023, 03:56) *
Ach, hört doch auf. Da ist es wieder, diese schwarz/weiß Denke. Es kann nur ein Freund oder ein Feind sein. Dazwischen gibt es nichts. So ist derzeit auch der gesellschaftliche Diskurs. Es ist nicht auszuhalten.

Die Österreicher versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten so gut es geht ihren Lebensstandard zu halten. Daraus jetzt den großen Putinversteher zu sehen ist übergriffig. Die Österreicher informieren sich durchaus auch bei Deutschen Medien und nicht nur beim ORF. Sie sind durchaus im Bilde was läuft und trollen auch nicht Putin hinterher. Der Österreichische Weg mag nicht jedem schmecken, aber weltweit gesehen, sind sie in guter Gesellschaft. Sie mögen eher unsolidarisch mit dem Rest in Europa sein, aber Österreich ist nicht in der NATO und somit müssen sie auch nicht solidarisch mit der NATO sein. Sie sind ja neutral. Ich werfe auch der Schweiz nichts vor, wenn sich diese aus allem raus hält. Das ist nun mal das Wesen von Neutralität.

Sich als EU-Mitglied in dieser Frage auf Neutralität zu berufen ist gelinde gesagt auch Blödsinn.

Geschrieben von: Thomas 26. Sep 2023, 10:10

ZITAT(400plus @ 26. Sep 2023, 08:45) *
ZITAT(400plus @ 31. Aug 2023, 21:49) *
Der eidgenössische Ringtausch nimmt Fahrt auf: Die Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates hat den Verkauf von 25 Leopard-2 an Rheinmetall gebilligt. Der Nationalrat hat bereits zugestimmt, der Ständerat könnte dies nun im Herbst tun.
https://www.tagesanzeiger.ch/indirekte-unterstuetzung-der-ukraine-staenderaete-geben-gruenes-licht-fuer-panzerdeal-mit-deutschland-515438047730


Ist erfolgt: https://www.nzz.ch/schweiz/leopard-panzer-staenderat-stimmt-fuer-die-weitergabe-von-25-exemplaren-nach-deutschland-ld.1757982?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-09-26
Die Panzer können damit an Rheinmetall verkauft werden.



Oh! Der Mensch von der FDP (Schweiz) schlägt vor die übrigen 71 zu reaktivieren?!?! Das überrascht mich ehrlich gesagt etwas. Frage an unsere Eidgenossen: Wie ist dieser Vorschlag einzuordnen? Heiße Luft, oder könnte daraus etwas werden?

Geschrieben von: goschi 26. Sep 2023, 10:27

das steht seitens der Armee schon länger im Raum, die Armee war mit der (konstenseitig erzwungenen) Reduktion des aktiven Panzerbestands nie glücklich und der aktuelle Armeechef Korpskommandant Süssli hat schon länger angesagt, die Armee wieder weg von Subsidiär- und Raumsicherungseinsätzen hin zu mechanisierter Kriegsführung zu stärken.
Dazu gab es auch eine konkrete Planung loetztens.

Geschrieben von: Thomas 26. Sep 2023, 10:30

Alles klar. Danke. Dann drücken wir den Kameraden dort mal die Daumen, daß sie ihre Eisenschweine zurückbekommen.

Geschrieben von: muckensen 24. Oct 2023, 20:38

ZITAT
https://www.diepresse.com/17764600/deutsche-raketenabwehr-koennte-oesterreich-mitschuetzen

Völkerrechtler Obwexer und Griller lotsen in einem Gutachten für das Verteidigungsressort aus, wie weit Österreichs Teilnahme an der europäischen Luftabwehr gehen darf. Eine einseitige Beistandspflicht zugunsten Österreichs könnte neutralitätsrechtlich zulässig sein.

Geschrieben von: Merowinger 24. Oct 2023, 20:45

Ohne den link gelesen zu haben: Das wäre Schutz gegen Kohle?

Geschrieben von: St74 24. Oct 2023, 20:51

Darf sich Ö. ohne Gegenleistung schützen lassen? Das ist die Diskussion?

Geschrieben von: muckensen 24. Oct 2023, 20:55

@Merowinger

Nein, es wird nur der rechtliche Aspekt beleuchtet. Wie eine "einseitige Beistandspflicht" realistischerweise politisch ausgestaltet werden könnte, darum geht es den Autoren des Gutachtens nicht. Das wäre auch verlorene Liebesmüh, denke ich. Zumindest bei der gegenwärtigen deutschen Regierung mit ihrer wertegeleiteten Außenpolitik erscheint es eigentlich auch wenig vorstellbar, dass man sich darauf einlassen würde, selbst für Geld.

Wie würde man den Kostenanteil auch berechnen wollen?

Geschrieben von: Elbroewer 24. Oct 2023, 22:37

Eventuell anteilig an zu schützender Fläche? Wäre mein Vorschlag.

Geschrieben von: Salzgraf 28. Oct 2023, 13:25

ZITAT(Elbroewer @ 24. Oct 2023, 23:37) *
Eventuell anteilig an zu schützender Fläche? Wäre mein Vorschlag.

wobei das Geld unter allen Nachbarländern aufzuteilen wäre.

Geschrieben von: Glorfindel 12. Apr 2024, 09:04

In der Schweiz will eine Volksinitiative den Begriff "Immerwährende Neutralität" in der Bundesverfassung festschreiben. Georg Hässler, der militärische Experte in der NZZ und selbst Oberst in der Schweizer Armee hat dazu einen https://www.nzz.ch/meinung/die-schweiz-steckt-in-der-neutralitaetsfalle-es-braucht-einen-befreiungsschlag-ld.1825155geschrieben. Er warnt davor, in die Falle der (versteckten) russischen Propganda zu tappen, welche das Reizwort "Neutratliät" für eigene Interessen nutzt.

ZITAT
Der Initiativtext sieht dabei eine Beton-Neutralität ohne jeden Raum zur situativen Gestaltung vor. Im Klartext: Es wäre nicht mehr möglich, so wie jetzt nach dem Überfall auf die Ukraine, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen. Die Schweiz müsste in einem Konflikt politisch absolute Äquidistanz wahren und dürfte nicht mehr zwischen dem Angreifer und dem Verteidiger unterscheiden. Gefordert ist faktisch eine Gesinnungsneutralität. Am Donnerstag wurden in Bern 130 000 Unterschriften eingereicht.

Die Initianten beten nach, was ihr Vordenker, alt Bundesrat Christoph Blocher, predigt: Die Schweiz sei wegen ihrer Ukraine-Politik zur Kriegspartei geworden. Der Schutzpatron der Konservativen (...) will einen Sonderfall wiederherstellen, den es so nie gegeben hat. Die Neutralitätsinitiative ist sein Vehikel, um den Diskurs gegen die Nato zu beherrschen. (...)

Schon in den 1990er Jahren wurde jeder Gedanke über einen strategischen Aufbruch verödet. Unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung aber vernetzte sich die Schweiz wirtschaftlich derart stark, dass sie zu den Pionieren der Globalisierung gehört. (...)

Die Houdini-Technik – die Welt einfach wegzuzaubern, wenn’s brenzlig wird – funktioniert nicht mehr. Als globalisierter Kleinstaat ist die Schweiz existenziell auf eine regelbasierte Sicherheitsordnung angewiesen. Gleichzeitig steht sie als eines der erfolgreichsten Länder der Welt unter ständiger Beobachtung – der westlichen Partner sowieso, aber auch Russlands. Weil sie den Krieg gegen die Ukraine verurteilt, gilt die Schweiz als unfreundlicher Staat.

Daran liess auch ein Vortrag des russischen Botschafters Sergei Garmonin im vergangenen März keinen Zweifel. Er sprach in Kloten vor Corona-Skeptikern und eifrigen Befürwortern der Neutralitätsinitiative. Die Annäherung an die Nato, zu der die Schweiz «von äusseren und innern Kräften gedrängt» werde, so mahnte Garmonin das Publikum, nütze den Beziehungen keineswegs. (...)

Der Grundtenor: Wer Russland nicht angreift, braucht keine Angst zu haben. Doch was genau ein Angriff auf Russland ist, bestimmt der Kreml selbst. (...)

«Nicht alle in der Schweiz, auch nicht die hier Anwesenden, wissen, dass die Wurzeln der Schweizer Neutralität in Russland liegen», so klittert Garmonin die Geschichte. Tatsächlich unterstützte der russische Gesandte Ioannis Kapodistrias (...) die Eidgenossen am Wiener Kongress. Der Treiber der Neutralität war aber der Genfer Diplomat Charles Pictet de Rochemont.

Russland hat das Konzept nicht erfunden, pflegt aber eine eigentümliche Affektion zur Idee der Neutralität. (...) Nach einer russischen «Befriedung» kann auch eine Rumpf-Ukraine höchstens auf einen neutralen Status hoffen. (...) Neutralität bedeutet in der russischen Lesart, einen Staat zu neutralisieren und zu dominieren. Dieses Denken ist tief in der Vergangenheit begründet. (...) Polen wurde mehrfach geteilt und verschwand zeitweise von der Landkarte, Finnland hatte etwas mehr Glück und wurde bloss neutralisiert.

Genau so will Präsident Wladimir Putin das russische Reich wiederherstellen – mit allen Mitteln der Machtpolitik. Das grösste Hindernis für seinen Plan ist die Nato. Die Idee der kollektiven Sicherheit schützt ausdrücklich die Souveränität kleinerer Bündnispartner. Deshalb strebten die osteuropäischen Staaten sofort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in die Nato: um ja nie mehr unter die Herrschaft des Kremls zu geraten.

Von einer Umzingelung Russlands durch das westliche Verteidigungsbündnis, wie Moskau seit der Rede Wladimir Putins an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 behauptet, kann keine Rede sein. Dennoch argumentieren auffällig viele Apologeten der Schweizer Neutralität auf genau dieser revisionistischen Linie Russlands. Fast täglich referiert Roger Köppel, der Verleger der «Weltwoche», in seiner Videoandacht die geopolitische Position des Kremls.

Diese eigentümliche Sehnsucht nach der Vergangenheit trifft auf eine reanimierte Friedensbewegung im Stil der 1980er Jahre. Linke und rechte Anti-Nato-Rhetorik vermischen sich. Falken werden zu Tauben. Schlüsselbegriffe werden umgedeutet. Frieden in der Ukraine bedeutet offensichtlich auch, einen russischen Sieg im Krieg und das Recht des Stärkeren zu akzeptieren. Es entsteht ein alternatives Weltbild, ein Gegenentwurf zur freiheitlichen Ordnung.

Eine Herausforderung in der Debatte über die Neutralitätsinitiative dürfte also sein, nicht in die Falle der hybriden Kriegsführung Russlands zu tappen. Die russischen Nachrichtendienste befeuern auch in anderen Ländern interne Auseinandersetzungen – besonders, wenn sich diese um die tiefere nationale Identität drehen. Das Reizwort für Deutschland ist der Frieden, in der Schweiz ist es die Neutralität.

Der Gefahr einer Beeinflussung der Debatte steht die robuste Erfahrung entgegen, auch über Sachfragen zu streiten, ohne eine totale Spaltung der Gesellschaft zu riskieren. Es geht um Argumente, um unterschiedliche Perspektiven auf das Land, aber nicht um den Sieg um jeden Preis. Der kommende Abstimmungskampf muss ein Signal der demokratischen Resilienz aussenden. Mit einer ehrlichen Diskussion der Argumente gewinnt die Schweiz sogar an geopolitischer Kontur.

In den nächsten Monaten soll eine Studienkommission unter der Leitung des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Valentin Vogt einen Bericht über die Schweizer Sicherheitspolitik veröffentlichen. Es ist damit zu rechnen, dass darin vor allem die Position des Bundesrats argumentativ untermauert wird: der Spagat zwischen einer Neutralität pro domo und einer pragmatischen Nato-Kooperation.

Das Volk wird über einen unbestimmten Status quo und das Modell Blocher abstimmen, das dem Bundesrat in einem Konflikt jede Handlungsfreiheit entziehen will. Diese Idee einer absoluten Neutralität entspricht nicht der Tradition, sondern wäre ein Bruch mit der Geschichte – und erst noch unglaubwürdig, weil die Neutralität nur noch schwach bewaffnet ist. Selbst die SVP hat keinen realpolitischen Plan, wie der minimale Wiederaufbau einer schlagkräftigen Armee bezahlt werden soll.

Die Schweiz braucht strategische Möglichkeiten, um militärische Gewalt möglichst fernzuhalten. In seiner uneindeutigen Gestalt hat der Krieg die Landesgrenzen bereits überschritten – die Schweiz ist längst mit angegriffen. Die ehrliche Alternative zur absoluten Neutralität ist deshalb die Nato-Option: ein Beitrittsplan für den Fall, dass sich die Lage weiter dramatisch verändert. Anders als 1815 ist die Schweiz heute ein gefestigtes Staatswesen mit einem klaren westlichen Profil. Eindeutigkeit wäre ein Akt echter Souveränität.

Ich stimme dem Kommentar ohne wenn und aber zu. Grundsätzlich bin ich froh, dass die Diskussion über die Neutralität geführt wird, aber ich würde mir tatsächlich wünschen, dass über die NATO-Option ebenfalls diskutiert würde. Die Neutralität ist leider etwas zur heiligen Kuh in der Schweiz verkommen, denen sowohl die ganz rechten wie auch die ganz linken teilweise bedingungslos anhängen. Die sind nämlich auch in der Schweiz sich oft viel näher als viele wahrhaben wollen. Natürlich gibt es auch Anhänger in Mitte, aber die sind sicherlich weniger ideologisch.

Geschrieben von: Glorfindel 22. Apr 2024, 10:03

ZITAT
(Keystone-SDA) Der Aussenminister Sergej Lawrow hat die Schweiz in einem Interview als “offen feindseliges Land” bezeichnet. Sie sei deshalb für Verhandlungen über den Ukraine-Konflikt nicht geeignet, wurde Lawrow am Freitag von der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti zitiert. (...)

https://www.swissinfo.ch/ger/russischer-aussenminister-bezeichnet-schweiz-als-%22offen-feindselig%22/76037916

Zum selben Thema die (prorussische) https://weltwoche.ch/daily/kriegstreibende-medien-und-politiker-haben-es-geschafft-russlands-aussenminister-sergej-lawrow-bezeichnet-die-schweiz-als-offen-feindseliges-land-unsere-neutralitaet-ist-beerdigt/von Roger Köppel:
ZITAT
Kriegstreibende Medien und Politiker haben es geschafft: Russlands Aussenminister Sergei Lawrow bezeichnet die Schweiz als «offen feindseliges Land». Unsere Neutralität ist beerdigt (...)

(...) Die Eidgenossenschaft ist ein x-beliebiges Land, das nach der Pfeife von Washington und Brüssel tanzt. Denn genau so redet Lawrow auch über andere Staaten.

Der Unterschied: Beim Verhalten der Schweizer sitzt der Frust bei den Russen tief. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Bern seine jahrhundertealte Neutralität einfach über den Haufen wirft. (...)

Von Seiten der Köppels, Wagenknechts und Varwicks wird immer wieder betont, dass in Westeuropa von Russland niemand was zu befürchten hat. Dies trifft aber auch nur soweit zu als dass man sich den Wünschen Russlands unterwirft. Die Schweiz hat eine sehr zurückhaltende Rolle eingenommen und z.B. Munitionsbestellungen von Deutschland, welche am Ende in die Ukraine hätten gehen sollen, nicht abgewickelt. Ich denke eher, dass man sich bewusst sein sollte, dass die Neutralität vor dem Zorn Russlands gerade nicht schützt. Die beiden vormals neutralen Länder Schweden und Finnland - immer wieder auch verbal bedroht durch die Russland - wissen genau, weshalb sie sich der NATO angeschlossen haben.

Geschrieben von: goschi 25. Apr 2024, 19:10

die Ständerätliche Sicherheitskommission hat ein sehr spannendes Paket geschnürt, von Mitte-Links aus kommend.

https://www.watson.ch/schweiz/armee/392130560-mega-deal-im-bundeshaus-schafft-erste-huerde

ZITAT
15 Milliarden für Armee und Ukraine: Mega-Deal im Bundeshaus schafft erste Hürde
Es ist ein Deal, wie man ihn in Bern kaum je gezimmert hat. Jetzt hat eine erste Kommission Ja gesagt dazu, das Armee-Budget schnell aufzustocken und zugleich den Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen. In einem Punkt ist dies sehr brisant.

[..]
Die Aargauer Zeitung hatte berichtet, dass sich eine Mehrheit für einen Milliardendeal abzeichnet. In der Tat hat die SIK am Donnerstag mit 8 zu 5 Stimmen einer Kommissionsmotion zugestimmt. Demnach sollen 15 Milliarden Franken für die Armee und die Ukraine freigegeben werden – ausserhalb des ordentlichen Budgets. Angesichts der geopolitischen Lage sind die Sicherheitspolitiker bereit, die Schuldenbremse auszuhebeln. Es ist gewissermassen die Schweizer Zeitenwende, zwei Jahre, nachdem Deutschlands Kanzler Scholz diese ausgerufen hat.

Die Armeeausgaben sollen schon bis 2030 anstatt, wie bislang geplant, bis 2035 massiv steigen. Und zwar auf 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit soll die Armee nachgerüstet werden. Kostenpunkt: 10,1 Milliarden Franken. Darüber hinaus sollen gemäss dem Mega-Deal 5 Milliarden Franken in den Wiederaufbau der Ukraine fliessen. Mit diesem Kniff konnten linke SiK-Mitglieder für den Deal gewonnen werden, die sonst gegen Mehrausgaben bei der Armee kämpfen.

SP-Ständerätin Franziska Roth (SO) spricht von einem «Kompromiss der Vernünftigen». So kann der Plan des Bundesrats abgewendet werden. Dieser will die Ukraine-Gelder aus dem Budget der internationalen Entwicklungszusammenarbeit abzweigen. Das lehnt die Linke ab.

Warum umdribbelt die Kommissionsmehrheit das Heiligtum Schuldenbremse? Sie hält es angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes für unmöglich, eine solch hohe Summe über das ordentliche Budget zu stemmen. Das Instrument der Ausserordentlichkeit, so heisst es in der Kommissionsmotion, biete die nötige Flexibilität für Ausnahmefälle. Bereits bei Einführung der Schuldenbremse seien kriegerische Ereignisse als ausdrücklich als Ausnahmeregelung genannt worden für nicht steuerbare Eventualitäten. «Was soll eine ausserordentliche Situation sein, wenn nicht ein Krieg in Europa?», fragt Kommissionspräsidentin Andrea Gmür (Mitte/LU) rhetorisch.

[..]
Widerstand kommt von SVP und FDP. Die beiden Parteien, die für eine rasche Aufstockung des Armeebudgets einstehen, sehen den Spezialfonds als Angriff auf die Schuldenbremse. Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli sagt, er halte weder etwas von der Verknüpfung der beiden Geschäfte noch von der Umgehung der Schuldenbremse. «Der Bundesrat hat klar gesagt, dass die Mehrausgaben für die Armee nicht als ausserordentlich verbucht werden können. Das ist nicht gesetzeskonform.»
[..]
Nebst dem Spezialfonds hat die Kommission auch entschieden, das Armeebudget bereits 2025 stärker zu erhöhen als vom Bundesrat geplant. So sollen zusätzlich 662 Millionen Franken für Bodengestützte Luftverteidigung ausgegeben werden. Woher das Geld stammen soll, liess die Kommission offen.
[..]


Es ist die erste Kommission, aber es ist ein guter Wurf, und das von einer sonst dazu widerspenstigen Seite, die Ratrechte, die immer für robuste Verteidigung ist, kommt jetzt in Zugzwang und das Mittel der Ausserordentlichkeit ist geschickt, weil wirklich begründbar.
natürlich muss das jetzt noch lange Wege gehen, aber... der erste ist sehr spannend!

Geschrieben von: Glorfindel 25. Apr 2024, 19:36

Ich finde es richtig. Im Endeffekt sollte man nicht einfach sklavisch sich durch die Schuldenbremse einengen lassen und es ist nicht so, dass es 10 Miliarden kostet, sondern ohne die Erhöhung bis 2030 fehlen der Armee 10 Miliarden.

Es wurde zudem schon vor vielen Jahren ausgewiesen, dass man angesichts der Sparmassnahmen bei der Armee in den letzten 25 Jahren man bei einer Verschlechterung der Sicherheitslage 40 Miliarden für Wiederaufrüstung benötigt.

Geschrieben von: goschi 25. Apr 2024, 20:13

finde den Wurf auch gelungen, und dringend nötig!

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