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> Wargames, Strategische Simulation / Analyse per Großrechner
Tankman
Beitrag 16. Dec 2023, 09:36 | Beitrag #1
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Hallo!

Das folgende Thema passt in keines der Unterforen, also habe ich mich für "Großgerät" entschieden.

"Kriegsspiele" zur Schulung von Offizieren wurden 1824 in Preußen entwickelt.
Nach einer gewissen Zeit wurden diese auch dazu genutzt um reale Schlachten auf realen Karten vorab durchzuspielen
um Fehler in den Planungen zu finden oder mögliche Ausgänge bzw. unerwartete Entwicklungen zu untersuchen.


Immer wieder liest man darüber, daß (vorallem die Amerikaner) den Krieg in der Ukraine, aber auch andere
Konflikte per Simulation analysieren und danach Handlungsempfehlungen entwickeln. Die Informationen
im Netz dazu, wie das funktioniert sind quasi nicht existent.
Die Bundeswehr hat das Gefechtssimulationszentrum in Wildflecken. Das dient aber wohl mehr
dem Üben als der Analyse.

Ich glaube, solche Systeme haben enorme Auswirkungen auf die Kriegsführung und sind viel wichtiger
als ein einzelnes neues Waffensystem oder die Leistungsdaten eines Kampflugzeuges oder einer neuen Handwaffe,
aber es gibt kaum Infos darüber. Es wäre sehr interssant zu wissen, wie detailliert solche Systeme arbeiten,
wie Logistik, Wetter, Infrastruktur und Terrain in die Analyse einfließen. Wie werden Verbandsstrukturen und einzelne Waffensysteme abgebildet?



Meine konkreten Fragen dazu lauten:

Kennt jemand Informationsquellen / Bücher / Links zu diesem Thema?
Gibt es etwas ähnliches bei der Bundeswehr / Bundesheer / Schweizer Armee?
Stehen solche Systeme nur der obersten Führung zur Verfügung, oder können auch Divisions- oder Brigadekommandeure
ihre Pläne vor der Ausführung simulieren?

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 16. Dec 2023, 09:38
 
400plus
Beitrag 16. Dec 2023, 11:18 | Beitrag #2
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Die (zumindest in diesem Forum biggrin.gif) berühmte RAND-Analyse zur Verteidigung des Baltikums beruhte auf Kriegsspielen, ein bisschen Details gibt es im Anhang ab S. 12 Das Buch Battlegroup! von Jim Storr beruht ebenfalls zu großen Teilen auf Kriegsspielen, die er mit seinem Bruder ausgetragen hat (allerdings gibt das Buch auch hier nicht allzuviele Details).
 
Merowinger
Beitrag 16. Dec 2023, 18:30 | Beitrag #3
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Ich habe einen Grundsatz fest im Kopf: Mit Wargames kann man Pläne falsifizieren aber nicht verifizieren. Sprich man findet heraus was wahrscheinlich fehlschlagen wird, aber nicht was wahrscheinlich funktionieren wird.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 16. Dec 2023, 19:04
 
Tankman
Beitrag 18. Dec 2023, 04:16 | Beitrag #4
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@ 400Plus: Danke für die Lesetipps. Aber:

RAND arbeitet mit Tabletop und Figürchen auf Hexfeldern?
Das ist... ernüchternd. Da wäre man ja mit Spielen wie HOI und Steel Panthers besser bedient.
[edit: Wäre ich ein Verschwörungstheoretiker würde ich glauben, dass das Bild mit dem Tabletopspiel in der RAND-Studie eine gezielte
Desinformation ist. Als Realist weiß ich aber, dass die Wahrheit oft sehr banal ist)

Ich ging eher davon aus, dass tief im Keller des Pentagon ein fetter Rechenknecht mit Satellitenkarten und allen
verfügbaren sonstigen Daten gefüttert wird, dann ein paar Millionen "Spiele" durchrechnet und wahrscheinliche Ergebnisse bzw. Entwicklungen
ausspuckt, sowie vor unwahrscheinlichen aber gefährlichen Extremergebnissen bei bestimmten Ausgangsfaktoren warnt. Ich ging nicht davon aus,
dass ein paar Oberste sich mit einem Bier in die Kellerbar setzen und dort ihre Zinnsoldaten auspacken...

Wie bereits gesagt: Die Infolage dazu im Netz ist äußerst rar.

Was sagen denn unsere höheren Dienstgrade im Forum dazu? Gibt es z.B. bei der BW die Möglichkeit bestimmte Operationspläne
testweise durch einen Rechner zu jagen bzw. Simulationen zur Planentwicklung zu nutzen?
Und einige Ebenen unterhalb einer Simulation: Rechnen Generalstäbe immer noch selber den Spritverbrauch, Munitionsbedarf, Marschgeschwindigkeit
usw. anhand von Tabellen selber aus, oder wird zumindest das durch eine Planungssoftware erleichtert?

Ich kann nicht glauben, dass in einer Welt in der komplexeste Modelle zur Wettervorhersage, Klimaforschung oder Strukturbildung im Universum
täglich durch Großrechner im zivilen Bereich erstellt werden, das Militär diese Möglichkeit nicht intensiv und ausgefeilt nutzt.

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 18. Dec 2023, 04:29
 
Glorfindel
Beitrag 18. Dec 2023, 07:51 | Beitrag #5
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ZITAT(Tankman @ 16. Dec 2023, 09:36) *
Meine konkreten Fragen dazu lauten:

Kennt jemand Informationsquellen / Bücher / Links zu diesem Thema?
Gibt es etwas ähnliches bei der Bundeswehr / Bundesheer / Schweizer Armee?
Stehen solche Systeme nur der obersten Führung zur Verfügung, oder können auch Divisions- oder Brigadekommandeure
ihre Pläne vor der Ausführung simulieren?

- Links:
http://www.checkpoint-online.ch/CheckPoint...imCond95-D.html
https://www.spartanat.com/2019/03/osiris-ne...chweizer-armee/
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sol-004:2015:90::989
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschwe...ugen-ld.1044152
https://www.unilu.ch/weiterbildung/wf/mas-i...ulationsuebung/
Schweizer Armee und andere
- die Schweizer Armee betreibt in Kriens einen Führungssimulator, welcher auch dazu dient, Entschlüsse zu überprüfen. Ich selber war in den letzten 23 Jahren fünf Mal auf dem Simulator, u.a. an der grössten Übung in den letzten 20 Jahren, der SU KEVLAR. Geübt wurde ein Angriff von Norden auf Basel, gespielt wurden das Heer mit drei Mech Brigaden + 1 Ter Div (die allerdings nur simuliert wurde ohne das Personal von denen vor Ort waren) mit u.a. einen mechanisierten Gegenstoss aus dem Raum Kt. Jura durch den Sundgau an den Rhein nördlich von Basel.
- Das Bundesheer hat offenbar auch einen Führungssimulator (und damit wohl viele Streitkräfte wohl auch). Ich kann über diesen Simulator aber nichts sagen. Die Bundeswehr hat das sicher auch.
- auf dem Taktik-Simulator können von Brigade - Division bis Heer geübt werden.

Das Ganze funktioniert etwa so:
- Simulationsteam baut auf Anweisung der Übungsleitung das Simulationsszenario und führt diese auch
- Division, Brigade und Bataillonsstäbe beziehen ihre KP's bzw. Führungspanzer (diese stehen in einer Halle)
- Kompaniekommandanten sitzen zusammen mit Operators, welche das System kennen an PC,s in Räumen in einem separatem Gebäude. Diese auf den PC's u.a. eine Karte, geben die Befehle an ihre (virtuelle Truppen) und erhalten vom System Rückmeldungen, was sie sehen und was passiert (wo ihre Gruppen/Trupps und Fahrzeuge sich befinden und was diese machen), Zustand von Truppe, Material und Munition, Treibstoff etc., was sie sehen, eigene Verluste, erfasste Verluste Gegner etc.) und leiten das via Funk oder Telefon an die Bat KPs und oder Brigade KPs weiter. Dort werden die Infos weiter verarbeitet und geführt bzw. an Stufe Division/ Heer weiter geleitet.
- natürlich wird Munitionsverbrauch etc. noch berechnet, allerdings kann/ wird
das Alles im Simulator auch berechnet.

Ich hoffe, damit die Fragen beantwortet zu haben.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 18. Dec 2023, 09:13


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Glorfindel
Beitrag 18. Dec 2023, 09:10 | Beitrag #6
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Es gibt noch einen älteren Thread zu diesem Thema:
http://www.whq-forum.de/invisionboard/inde...26145&st=30

Wie dort erwähnt, betreibt die Schweizer Armee noch einen weiteren Simulator, den "Elektronischen Taktiksimulator". In diesem kann das Gefecht bis zirka Stufe Bataillon geübt werden. Mit den Führungsfahrzeugen kann man im Gelände herumkurven, weshalb man auch Besatzer für die Fahrzeuge benötigt. Diese stehen innerhalb von 360° Leinwänden, welche von 8 Beamern beleuchtet werden, weshalb man "Rundumsicht" hat in diesen Fahrzeugen. Dort benötigt man nicht nur die Kompaniekommandanten, sondern die unterste Stufe sind die Zugführer, welche ihren Zügen in Echtzeit Befehle erteilen. Die Zugführer sitzen vor zwei Bildschirmen, einer zeigt die Sicht ins Gelände und der anderen enthält Infos zum Zug etc. Die Zufführer melden dann via Funk an die Kompanien, wo die Konmpaniekommandanten zusammen mit ihren Führungsgehilfen in einem Führungsfahrzeug sitzen oder allenfalls in einem KP. Auch auf Stufe Bataillon sind Führungsfahrzeuge + Bat KP vorhanden. Zusätzlich können auch Schiesskommandanten/Artilleriebeobachter etc. zum Einsatz gebracht werden.

Der ELTAM wird rege benutz, auch von anderen Armee, dient aber weniger der Überprüfung von Entschlüssen. Das simulierte Gelände befindet sich allerdings am Taubergraben (u.a. Rothenburg ob der Tauber), südlich von Würzburg und ist grösster als 1000km2. Es ist quasi ein riesiges Operation Flashpoint mit erweiterten Funktionen. Wieso das Gelände dort ist, weiss ich nicht, vermutlich war das Gelände beim Hersteller Rheinmetall bereits digital vorhanden (wobei das Gelände im Laufe der Zeit immer wieder vergrössert wurde).

Video (ab 28'13') über ELTAM.


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Glorfindel
Beitrag 18. Dec 2023, 13:02 | Beitrag #7
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Ich würde wohl noch einen Unterschied machen zwischen Simulation und Kriegsspiel, auch wenn die Abrenzung unscharf ist. Simulationen sind realistischer und oft auch Echtzeit, Kriegsspiele sind abstrakter, i.d.R. wesentlich weniger aufwendig und eher rundenbasiert.


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Salzgraf
Beitrag 18. Dec 2023, 13:37 | Beitrag #8
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bei welchen der dargestellten Simulationen wird der Gegenpart von guten menschlichen Gegnern geleitet? Oder spielt man nur mit den eigenen Assets und der Gegner macht seine vorher (den Übungsteilnehmern nicht bekannten) festgelegten Züge?

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In Richtung Sicherheitspolitik machen die Jugendoffiziere sowas mit Schülern. Da gibt es mehrere Parteien, die jeweils autonom Entscheiden, was sie aus ihren Mitteln machen.
 
Forodir
Beitrag 18. Dec 2023, 13:46 | Beitrag #9
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ZITAT(Salzgraf @ 18. Dec 2023, 13:37) *
bei welchen der dargestellten Simulationen wird der Gegenpart von guten menschlichen Gegnern geleitet? Oder spielt man nur mit den eigenen Assets und der Gegner macht seine vorher (den Übungsteilnehmern nicht bekannten) festgelegten Züge?

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In Richtung Sicherheitspolitik machen die Jugendoffiziere sowas mit Schülern. Da gibt es mehrere Parteien, die jeweils autonom Entscheiden, was sie aus ihren Mitteln machen.


Bei SIRA hast du einen Gegenpart ROT der durch Personal eingespielt wird, natürlich hat man ein Rollenbuch geschrieben und die Simulation soweit durchgeplant, es soll ja vergleichbar bleiben.

Es gibt auch noch KORA, dort werden die bestehenden Systeme vernetzt und in eine Simulation eingebunden. Vor allem für CAX (Computer assisted Exercise) genutzt.



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Niemand hat gesagt das es Spaß machen muss!
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Glorfindel
Beitrag 18. Dec 2023, 13:50 | Beitrag #10
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In der Schweizer Armee wird der Gegner vom Simulatiosteam gesteuert. In einem ersten Durchgang kommt der Gegner meistems so, wie in der Planungsannahme als sog. bestimmende gehnerische Möglichkeit vorausgesagt. Damit wird überprüft, ob der Entschluss auf die Planungsannahme abgestimmt ist.

Kriegsspiele: die ganz simple Variante zur Überprüfung des Entschlusses beinhaltet ebenfalls eine Person oder ein Team, welches des Gegner spielt, meist aus dem Bereich S2 / G2. Und dann wird rundenweise die Operation durchgegangen. Schiesrichter/Leiter braucht es auch. Zufallselemente können auch eingebaut werden. Die etwas komplexeren verwenden 6-seitige Felder und sind ähnlich den (früher? v.a. in Grossbritannien populären) Brett-Kriegssimulationsspiele.


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Tankman
Beitrag 19. Dec 2023, 21:40 | Beitrag #11
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Vielen Dank für die Links, Glorfindel!

Zur weiteren Diskussion sollte man vielleicht noch unterscheiden zwischen "Üben" und "Analysieren".
Damit meine ich folgendes: natürlich kann man ein bestimmtes Szenario solange "beüben", bis man daraus in der Analyse auch breitere Schlüsse ziehen kann.
Mir geht es aber eher um das Analysieren. Dafür habe ich folgende Kriterien, die z.B. der Führungssimulator in der Schweiz oder auch das Gefechtsimulationszentrum in Wildflecken nicht erfüllen:
(zumindest vermute ich, dass die das nicht können)

1. Darstellung fremder Streitkräfte und deren Gerät / Taktik / Organisation auf fremden Territorium
2. Automatisiertes Durchrechnen von gegebenen Ausgangsbedingungen mit bestimmten vorgebebenen Regieanweisungen (z.B. Blau im Angriff bis zu Fluss X, Rot in der Verzögerung)
3. Keine menschlichen "Mitspieler", alle Parteien (müssen ja nicht nur zwei sein) werden vom Rechner gesteuert
4. Hauptzweck des Programmes dient der Analyse und Optimierung von miltärischen Operationen, nicht dem Üben
5. Hierzu tausende Simulationen eines Gefechts oder eines gesamten Feldzuges bis Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Entwicklungen absehbar sind

Beispielsweise könnte das interessant sein, wenn in einem Konflikt 3 grundsätzlich unterschiedliche Angriffspläne (z.B. an verschiedenen Frontabaschnitten)
bewertet werden sollen. Der Angriff mit der besten Erfolgschance und den bestem Ergebnis soll per Analyse aller Daten errechnet werden.
Als Nebenbedingung gebe ich noch meine maximal vertretbaren Verluste ein. Denkbar wäre auch, dass ich ein zwingendes geografisches Ziel vorgebe und wissen möchte
wie hoch die Verluste wahrscheinlich sein werden. Die Analyse dient dann der Heeresleitung zur Entscheidungsfindung. Ebenfalls wäre eine Fragestellung
"Wie viele Kräfte benötige ich um Ziel X zu erreichen?" möglich.

Natürlich sind solche Analysen nicht exakt und keine Zukunftsvorhersage. Aber sie wären eine Hilfestellung oder grobe Richtschnur.
 
Glorfindel
Beitrag 19. Dec 2023, 22:54 | Beitrag #12
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Zu den Punkten und dem Führungssimulator:
- Punkt 1 ist natürlich gegeben
- Punkt 2 und 3: man kann imho meistens nicht einfach etwas "durchrechnen" ohne menschlichen Faktor. Wenn es so wäre bräuchte es ja gar keine menschliche Entschlussfassung mehr. Das funktioniert so einfach nicht. Der Simulator liefert die Gefechtsergebnisse, aber entscheiden kann er (im Moment) nur begrenzt. Im beschränkten Rahmen geht das, ich denke aber unter Einbezug von menschliechen Entschlüssen funktioniert es besser. KI kann es noch nicht besser als Menschen
- Punkt 4: doch eigentlich schon. Auf dem Führungssimulator würden, wenn immer möglich, echte Entschlüsse überprüft werden. Er dient mindestens soviel dem analisieren als dem üben. Aufgrund der Simulationen erfolgt dann auch eine "Revision der Pläne", eine Überarbeitung, in welche die Ergebnisse aus den Simulationen einfliesst.
- Punkt 5: das geht wohl weniger. Man kann den Gegner nicht synchronisieren oder durch einen Computer vorberechnen lassen. Deshalb ist es auch wichtig, dass der Gegner durch Menschen in der Simulation. Du kennst ja das Sprichwort: Jeder Plan überlebt nur bis zum erste Gefecht.

Analysen zu Kräftebedarf, Velusten etc. werden selbstverständlich gemacht, aufgrund gewisser Parameter. Für etwas gibt es ja Generalstabsoffiziere. Und ja, das Durchspielen von Szenarien ist sinnvoll.


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Glorfindel
Beitrag 19. Dec 2023, 23:15 | Beitrag #13
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Im Schweizer Simulator kann man unter reduzierten Personalbedarf gewisse Dinge "durchrechnen," aber automatisiert geht das nicht.


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Tankman
Beitrag 19. Dec 2023, 23:46 | Beitrag #14
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Danke Glorfindel. Damit kann ich arbeiten ;-)!

Dann habe ich ein neues Geschäftsfeld eröffnet:

Die Programmierung eines KI-gesteuerten Gefechtsanalyserechners für das Pentagon, welcher wirklich alle vorhanden Daten
millionenfach durch den Wolf dreht um einzelne Gefechte bishin zu einem Gesamtkonflikt in ein paar Stunden durchzurechen.

Dann haben wir "WarGPT". Ich verwette wichtige Körperteile, dass man bereits daran arbeitet.

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 19. Dec 2023, 23:54
 
Glorfindel
Beitrag 19. Dec 2023, 23:56 | Beitrag #15
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Spielst Du auch Strstegiedpiele? Hast Du das Gefühl die KI sei besser als ein nenschlicher Spieler?


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Merowinger
Beitrag 20. Dec 2023, 00:20 | Beitrag #16
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ZITAT(Tankman @ 19. Dec 2023, 23:46) *
welcher wirklich alle vorhanden Daten millionenfach durch den Wolf dreht um einzelne Gefechte bishin zu einem Gesamtkonflikt in ein paar Stunden durchzurechen
Es gibt zu viele Randbedingungen die man nicht kennt, was auf ein ähnliches Problem wie bei der Qualität einer mittelfristigen Wettervorhersage hinausläuft. Schlimmer noch, der Gegner reagiert und rechnet und denkt selbst, das tut das Wetter nicht. Einfacher wäre, die Fußballbundesliga Saison auszurechnen und sich die teuren Stadien zu sparen. Hinzu kommt, daß wie schon oben erwähnt der menschliche Faktor - es sind ja tatsächlich viele verschiedene - wirklich wichtig ist. Klar, auf taktischer Ebene kann man gut mit Simulator üben, die Ergebnisse hängen dabei aber auch dort sehr von Ausbildungsstand und Erfahrung ab. Potentiale und Bedrohungen lassen sich hingegen recht gut grob durchrechnen um z.B. einen notwendigen Kräfteansatz zu ermitteln.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 20. Dec 2023, 00:31
 
muckensen
Beitrag 20. Dec 2023, 00:36 | Beitrag #17
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ZITAT(Merowinger @ 20. Dec 2023, 00:20) *
Es gibt zu viele Randbedingungen die man nicht kennt, was auf ein ähnliches Problem wie bei der Qulität einer mittelfristigen Wettervorhersage hinausläuft.
Das ist sogar ein ziemlich gutes und eindrückliches Beispiel, glaube ich.

Dazu gab es erst vor ein paar Tagen einen Beitrag von einem DWD-Meteorologen, mal sehen, ob ich den noch finde (es ging um Klimawandelleugnung und das Argument, dass Wettervorhersagen doch auch unpräzise seien).

Stand der Technik aus europäischer Sicht ist offenbar eine Prognose über 5 Tage mit einer Eintreffwahrscheinlichkeit über 66%. Über 3 Tage sind mehr als 75% möglich. Genaue Wettervorhersagen über Perioden von mehr als zehn Tagen sind nach heutigem Stand mittelfristig unmöglich, weil es nicht ökonomisch machbar ist (und noch eine ganze Zeitlang nicht machbar sein wird), die nötige Rechenleistung bereitzustellen, um das Ergebnis auch rechtzeitig zu bekommen.

Und jetzt muss man bedenken: Die Anzahl der zu berücksichtigenden Parameter für eine Wettervorhersage ist relativ gering (nur die Zahl der Werte, die die Parameter einnehmen können, ist enorm groß), außerdem sind die Parameter meistens alle (oder fast alle) bekannt, da Großwetterlagen mehrere Tage anhalten.

Kann man das von einem militärischen Lagebild auch sagen? Vermutlich nicht. Die zu bewältigende Komplexität zeigt sich bereits daran, dass eine entsprechende Simulation auch das Wetter vorhersagen müsste, um dessen Einfluss auf das Geschehen und die Entscheidungsfindung beider Seiten vorherzusagen. Was anscheinend schon schwer genug ist.

Und kann eine künstliche Intelligenz auch sozusagen typisch menschliche Faktoren berücksichtigen? Dumme Fehler? Motivationen, die keiner Logik zugänglich sind?

Nehmen wir nur den Ukraine-Krieg als Beispiel. Ich kann mich an genau eine (öffentliche) Stimme erinnern, bezeichnenderweise eines pensionierten russischen Offiziers, der den Entschluss zur Invasion und den groben Ablauf der Invasion selbst vorhergesagt hat. Hätte eine Simulation den Entschluss zur Invasion auch vorhergesagt? Oder die vielen militärisch unsinnigen Entscheidungen der ersten Tage und Wochen dieses Krieges?

Der Beitrag wurde von muckensen bearbeitet: 20. Dec 2023, 00:45


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ZITAT(ramke @ 13. Jan 2023, 20:09) *
Bald heisst es, Leopard Panzer werden nur geliefert wenn der Jadeaffe vor Vollmond zurück im Tempel ist.

 
Tankman
Beitrag 20. Dec 2023, 02:40 | Beitrag #18
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Alle Vorredner: Ihr habt in vielen Punkten recht!
Um auf alles einzugehen müsste ich eine Multiquote-hölle eröffnen.

Es gibt aber Dinge, die ein fiktives "WarGPT" sehr viel besser kann als jeder Mensch:

- Irrsinnige Datenmengen zusammenführen und schnell verabeiten
- entscheidende Details in einem Datenwust finden
- ALLE Varianten testen und die wahrscheinlichsten ausgeben bzw. bewerten

Die mangelnde strategische Kompetenz von KI-Gegnern wird in Spielen meist durch deren überlegene Geschwindigkeit kompensiert.
Das macht "WarGPT" dann auch. Es versucht nicht einen besonders klugen strategischen Plan zu entwickeln. Es spielt einfach ALLE
möglichen Ausgänge inklusiver der Zufallsfaktoren durch und erhält dadurch die statistisch aussichtreichsten Strategien.
Ähnlich wie ein Schachprogramm ALLE Züge des Spiels durchspielt und dann statistisch Entscheidungen trifft.

Wetterdaten sind nicht viel einfacher als Kriegsrelevante Daten. Es werden Daten tausender Wetterstationen, Satellitenbilder u.v.m.
mit eine komplexen physikalischem Modell abgeglichen.

WarGPT würde mit einer Menge bekannter Datensätze gefüllt werden, jedoch auch zahlreichen Annahmen.

Beispielsweise wären bekannt:
- Zahl und Standort der eigenen Einheiten
- Geografie
- Infrastruktur
- Klimadaten langfristig
- Wetterdaten kurzfristig
- Kampfkraft der eigenen Waffensysteme
- Kampfkraft fremder Waffensystem sofern untersucht
- Marschgeschwindigkeiten
- Logistikbedarfe
- tatsächliche Versorgung
- Geschwindigkeit von Entscheidungszyyklen eigener Führer
- Ausbildungsstand eigener Truppen
- Truppenstärke
- Materialzustand

Beim Gegner wird es schon deutlich schwammiger.
Interessant ist natürlich auch die Frage, wie man oben genannte Daten in Zahlen ausdrückt und Modelle daraus formt.
Simuliert man einzelne Soldaten, Fahrzeuge oder ganze Verbände?


Gegnerische Aktionen: Darin liegt die Herausforderung und das erhöht die Unschärfe pro Zeiteinheit erheblich.
Aber auch gegnerische Aktionen sind nicht vollkommen willkürlich. Faktoren wie
- Absicht
- Kampfkraft der Systeme
- Stärke
- Dislozierung

des Gegners limitieren seine Möglichkeiten. "WarGPT" wird auch die unwahrscheinlichen Szenarien berechnen, also z.B. "Verteidigung bis zum letzten Mann",
"Verzweifelter Sturmangriff unterlegener Feindkräfte", "Unerwarteter Flussübergang in Planquadrat x/y". Die Extreme mitteln sich dann aber statistisch wieder aus.
Sollte ein Extrem eine besondere Gelegenheit oder Bedrohung darstellen, weist "WarGPT" das dem Analyseteam als besonderen Fall aus, den es zu beachten gilt.

Viele Daten werde ich per Annahme und auch nur näherungsweise in "WarGPT" eingeben könnnen. Aber das machen menschliche Generale auch. Sie unterstellen Dinge,
schätzen Werte und vergleichen das mit bekannten Größen und Erfahrungen und treffen dann einen Entschluss. "WarGPT" macht das ebenfalls, jedoch schneller
und auf detaillierterer Grundlage als das ein Mensch könnte.

Also ja, es ist noch ein Weg bis dahin zurück zu legen. Angesichts der Fortschritte in Rechenleistung und KI sollten solche Systeme in naher Zukunft
für Staaten die sich das leisten können ein Thema sein. Wir reden hier ja nicht von einem Heim-PC sondern von ganzen Serverfarmen, die sich z.B. die Amis zu diesem
Zweck auf ein paar Maisfelder in Ohio stellen.

Der Beitrag wurde von Tankman bearbeitet: 20. Dec 2023, 02:45
 
muckensen
Beitrag 20. Dec 2023, 03:04 | Beitrag #19
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Wie verhält es sich denn mit den Führungsunterstützungssystemen auf KI-Basis, die in der Ukraine bereits im Einsatz sind; was genau können die, und wie funktionieren sie?

Kann jemand dazu Auskunft geben, @Glorfindel vielleicht?

Denn was die Ukrainer in öffentlichem Material gezeigt haben, sah nämlich zwar schon sehr praktisch aus, aber nicht so spektakulär, wie die Berichterstattung vorher vermuten ließ. Das hatte mehr etwas von Assistenzfunktionen im Auto, und sollte wohl eher dafür sorgen, dass der Entscheidungsträger nichts Wichtiges vergisst, als dass da autonomes Planen stattgefunden hätte, wie es @Tankman vorschwebt.

Ich erinnere mich z.B. an ein Video, da wurde ein Programm gezeigt, das auf der Lagekarte das taktische Zeichen der aufgeklärten Feindkräfte automatisch mit einem Warnsymbol versehen konnte, wenn man sich in Reichweite ihrer Waffensysteme befand. Das Programm machte auch Routenvorschläge auf der Lagekarte, wie man die von den feindlichen Waffen rechnerisch bedrohten Bereiche (dargestellt als Threat Bubble) umgehen könnte, und man bekam automatisch Informationen eingeblendet, etwa zu Zustand und Tragfähigkeit der Brücken. Das Programm spuckte auch relevante Text-Warnungen aus (laut Untertitel, der Text war verpixelt).

Alles nützliche Sachen, aber doch recht weit entfernt davon, dem Entscheidungsträger das selbständige Denken abzunehmen.

Der Beitrag wurde von muckensen bearbeitet: 20. Dec 2023, 03:08


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ZITAT(ramke @ 13. Jan 2023, 20:09) *
Bald heisst es, Leopard Panzer werden nur geliefert wenn der Jadeaffe vor Vollmond zurück im Tempel ist.

 
400plus
Beitrag 20. Dec 2023, 08:40 | Beitrag #20
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ZITAT(Merowinger @ 20. Dec 2023, 00:20) *
Es gibt zu viele Randbedingungen die man nicht kennt, was auf ein ähnliches Problem wie bei der Qualität einer mittelfristigen Wettervorhersage hinausläuft. Schlimmer noch, der Gegner reagiert und rechnet und denkt selbst, das tut das Wetter nicht. Einfacher wäre, die Fußballbundesliga Saison auszurechnen und sich die teuren Stadien zu sparen. Hinzu kommt, daß wie schon oben erwähnt der menschliche Faktor - es sind ja tatsächlich viele verschiedene - wirklich wichtig ist. Klar, auf taktischer Ebene kann man gut mit Simulator üben, die Ergebnisse hängen dabei aber auch dort sehr von Ausbildungsstand und Erfahrung ab. Potentiale und Bedrohungen lassen sich hingegen recht gut grob durchrechnen um z.B. einen notwendigen Kräfteansatz zu ermitteln.


Sehe ich auch so, wobei ich als Vergleich eher die Volkswirtschaft genommen hätte (nicht umsonst gibt es dort ja die Spieltheorie). Einfach mal bei Hayeks Pretence of Knowledge "the market" durch "war" ersetzen und "Strategie" großzügig zu den "social sciences" zählen:

ZITAT
While in the physical sciences it is generally assumed, probably with good reason, that any important factor which determines the observed events will itself be directly observable and measurable, in the study of such complex phenomena as the market, which depend on the actions of many individuals, all the circumstances which will determine the outcome of a process, for reasons which I shall explain later, will hardly ever be fully known or measurable. And while in the physical sciences the investigator will be able to measure what, on the basis of a prima facie theory, he thinks important, in the social sciences often that is treated as important which happens to be accessible to measurement.


Ein Kriegsspiel ist im Endeffekt ein theoretisches Modell und lebt von der Abstrahierung- das ist es, was es "unrealistisch", aber auch hilfreich macht. Modelle werden nicht unbedingt besser, wenn man sie komplexer macht. Die London Tube Map ist extrem unrealistisch und verfälscht viele Distanzen, aber wenn ich wissen will, wie ich von Heathrow nach Tottenham Court Road komme, dann ist sie hilfreicher als eine detaillierte, maßstabsgetreue Karte im Maßstab 1:2500. Deswegen würde es mich auch nicht überraschen, wenn bei RAND tatsächlich auf Brettspielen gespielt wurde: Dort geht es um die absolute Makroebene- wie viele Brigaden braucht man zur Vertedigung des Baltikums? Detaillierte Geografie, Wetterdaten etc sind dafür nicht notwendig, und auch bei Logistik u.ä. kann man erst einmal davon ausgehen, dass der Angriff logistisch vorbereitet wird- usw usw man reduziert die Dimensionen des Problems, reduziert es auf das Wesentliche und leitet dann die für diese Ebene wichtigen Schlussfolgerungen hinaus.

Vielleicht ist das sogar besser so, denn bei dem Brettspiel sind die Einschränkungen jedem klar. Bei komplexen Computermodellen, die niemand so wirklich durchsteigt (vor allem noch mit dem AI-Buzzword wink.gif ) wäre meine Sorge, dass man sich zu sehr darauf verlässt: "Der Computer sagt es, also muss es so sein."
 
Forodir
Beitrag 20. Dec 2023, 09:29 | Beitrag #21
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ZITAT(Tankman @ 19. Dec 2023, 23:46) *
Danke Glorfindel. Damit kann ich arbeiten ;-)!

Dann habe ich ein neues Geschäftsfeld eröffnet:

Die Programmierung eines KI-gesteuerten Gefechtsanalyserechners für das Pentagon, welcher wirklich alle vorhanden Daten
millionenfach durch den Wolf dreht um einzelne Gefechte bishin zu einem Gesamtkonflikt in ein paar Stunden durchzurechen.

Dann haben wir "WarGPT". Ich verwette wichtige Körperteile, dass man bereits daran arbeitet.


Nein, daran arbeitet man nicht. Solche Systeme sind, dürfen und müssen immer nur Unterstützung für tatsächlichen Input durch menschliche Entscheider sein. Man kann viele Berechnungen automatisieren, was Logistik angeht, aber tatsächliche Entscheidungen auf dem Gefechtsfeld sind da zu mannigfaltig.
Was ein Netzwerk mit deep Learning machen würde, wäre die alten Entscheidungen nehmen und versuchen diese auf ein aktuelles Szenario anzupassen, das würde aber schon an der Datenlage scheitern. Wie zum Beispiel der Einsatz der Drohnen in der Ukraine, dies wurde bisher so nicht durchgeführt und könnte daher gar nicht abgebildet werden.

@muckensen
AI ist weit davon entfernt, komplexe Strategien zu entwickeln. Im Moment ist der stand, dass sie ein Assistenzsystem sind, was die Datenlage beherrschbar macht und da glänzt auch KI (der begriff AI/KI ist halt auch sehr irreführend in der Nutzung)
Solche Führungssysteme werden mehr und mehr eingesetzt werden, sie sortieren aber nur die Datenlage und präsentieren diese übersichtlich. Z.B. bei der Planung eines Marsches, bei der mir direkt Schäden der Infrastruktur angezeigt werden oder durch Gegner einsehbare Strecken, ich kann den Start und Zielpunkt angeben, die Strecke wird mir vorgeschlagen inklusive technischer Halte, Verbrauch des Treibstoffes und Raum-Zeit Berechnung.
Oder eine Zielmeldung wird angezeigt und alle verfügbaren und wirkungsbereite Artilleriesystem, die dieses Ziel bekämpfen können, bekommen diese automatisiert und die Einheit, die dafür Zeit hat, übernimmt den Feuerauftrag und für den Rest verschwindet diese Zielmeldung aus dem System (oder es gibt eben die Rückmeldung das diese Ziel zur Zeit nicht bekämpft werden kann) , hier sind dann nur die Beobachter involviert, die die Zielmeldung generiert haben und die Artillerieeinheit, die die Bekämpfung vornimmt, alle anderen Randbedingungen sind durch die KI bereits abgedeckt worden aber das erfordert auch das jeder in diesem System seine Daten auf Vordermann hält.

Aber das sollte nicht unterschätzt werden, ein BMS, das dies kann und jedem Soldaten zur Verfügung steht, wäre eine riesige Erleichterung. Vereinfacht Befehlsgebung und Meldung und wäre eine enorme Beschleunigung in der Befehlskette. Denn das ist es, was am meisten aufhält, die Zuordnung von Meldungen (bestes Beispiel der overload an Informationen während des Golfkrieges), nicht die Bewertung und der Entschluss, da sind Menschen eigentlich sehr gut darin.

Der Beitrag wurde von Forodir bearbeitet: 20. Dec 2023, 09:35


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Beitrag 20. Dec 2023, 10:17 | Beitrag #22
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- AI wird unter anderem eingesetzt für das Targeting, also mögliche Ziele zu identifizieren und zu bewerten. Dafür benötigte man früher sehr viele Offiziere. Ein weiterer Einsatzbereich von AI ist die Bildauswertung und Lokalisierung.

- Wie bereits erwähnt, ist AI bereits bei gewöhnlichen Strategiespielen menschlichen Mitspielern unterlegen. Dies dürfte umso mehr auf komplexe Simulationen zu treffen.

- ich glaube schon, dass computergestützte Simulationen im Rahmen bis Stufe Corps bessere Ergebnisse liefern als einfache Brettspiele, wenn man denn eine gute Plattform verwendet. Immerhin kann man da jedes Fahrzeug und im Prinzip jeden Schützen simulieren, inklusive die ganze Logistik etc.

- CSIS hat die Invasion Taiwans auf einem Brettspiel durchgespielt.

- Die Schweizer Armee entwickelt gerade ein Brettkriegsspiel auf Sechseck-Felder-Basis. Sobald ich einen entsprechenden Bericht gefunden habe, werde ich diesen verlinken.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 20. Dec 2023, 10:22


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Beitrag 20. Dec 2023, 11:03 | Beitrag #23
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Ich habe das Thema ins PuG verschoben, da wir relativ weit weg von Grossgerät sind, Kriegsspiele durchaus auch eine geschichtliche Komponente haben und im PuG auch taktische und strategische Fragen besprochen weden.


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Beitrag 20. Dec 2023, 11:14 | Beitrag #24
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Es gab da doch noch diese Simulation der US Marine vs Iranische Marine die ernüchternder ausfiel als vielen Admiralen lieb war.


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Beitrag 20. Dec 2023, 11:17 | Beitrag #25
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ZITAT(Glorfindel @ 18. Dec 2023, 07:51) *
[...]

Das Ganze funktioniert etwa so:
- Simulationsteam baut auf Anweisung der Übungsleitung das Simulationsszenario und führt diese auch
- Division, Brigade und Bataillonsstäbe beziehen ihre KP's bzw. Führungspanzer (diese stehen in einer Halle)
- Kompaniekommandanten sitzen zusammen mit Operators, welche das System kennen an PC,s in Räumen in einem separatem Gebäude. Diese auf den PC's u.a. eine Karte, geben die Befehle an ihre (virtuelle Truppen) und erhalten vom System Rückmeldungen, was sie sehen und was passiert (wo ihre Gruppen/Trupps und Fahrzeuge sich befinden und was diese machen), Zustand von Truppe, Material und Munition, Treibstoff etc., was sie sehen, eigene Verluste, erfasste Verluste Gegner etc.) und leiten das via Funk oder Telefon an die Bat KPs und oder Brigade KPs weiter. Dort werden die Infos weiter verarbeitet und geführt bzw. an Stufe Division/ Heer weiter geleitet.
- natürlich wird Munitionsverbrauch etc. noch berechnet, allerdings kann/ wird
das Alles im Simulator auch berechnet.

Ich hoffe, damit die Fragen beantwortet zu haben.

Klingt im grossen und ganzen wie SIRA bei der Bw.


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Beitrag 20. Dec 2023, 11:43 | Beitrag #26
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Ich denke es ist ähnlich. Beim Führungssimulator geht es allerdings über die Stufe Bataillon hinaus, sondern auch Brigade- und Divisionsstäbe werden gespielt.

Bataillonsstab und Kompanieführung wäre bei uns der elektronische Taktiksimulator in Thun.


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Beitrag 20. Dec 2023, 12:00 | Beitrag #27
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Hier haben wir noch einen (eher mageren) Artikel von VICE über Kriegsspielen:

ZITAT
Antoine Bourguilleau, Historiker und Forscher am Institut für Kriegs- und Friedensforschung der Sorbonne Universität in Paris, hat ein Buch über Kriegsspiele geschrieben. Seit Jahrzehnten werden sie benutzt, um Konflikte zu simulieren und Militärs zu trainieren.

Kriegsspiele können mehrere Wochen dauern, extrem komplizierte Spielfelder und Regelbücher mit 60 Seiten haben. Bis heute benutzten Militärs sie, um Konflikte besser zu verstehen. Wir haben mit Antoine Bourguilleau gesprochen um herauszufinden, wie genau Gesellschaftsspiele zu einer strategischen Waffe für Armeen geworden sind.

Antoine Bourguilleau: Ein Kriegsspiel ist ein Hilfsmittel, um dich auf einen Konflikt vorzubereiten und ihn besser zu verstehen. Super praktisch: Es tötet keine Menschen und kostet nicht viel, was für viele Militärs wichtig ist.

Am Ende des 18. Jahrhunderts bemerkte das preußische Militär ein Problem: alle Soldaten waren auf den Krieg vorbereitet, abgesehen von den Offizieren, die sie führen sollten. Infanteristen waren geschult darin, zu schießen und in Formation zu laufen. Aber die Offiziere hatten nur eine sehr theoretische Ausbildung genossen. Zu dieser Zeit gab es Militärakademien, auf denen Offiziere Abkommen, Schlachten und Kampagnen studierten. Aber sie gingen nur selten aufs Schlachtfeld, um Simulationen von großen Manövern zu beobachten und sich vorzustellen, wie Krieg wirklich aussieht. Das wirkte sich sehr negativ aus. (Anmerkung: viel anders ist das heute ja nicht)

(...) Unbestreitbar brachte der Erfolg der Preußen viele andere Armeen dazu, sich mit dem Kriegsspiel zu beschäftigen.

Preußen beiseite, was können wir noch auf Kriegsspiele zurückführen?
Die Kampagne im Pazifik, die von den Vereinigten Staaten im zweiten Weltkrieg gegen Japan geführt wurde. Das Naval War College (...) nahm Kriegsspiele ab dem 19. Jahrhundert in seine Trainingskurse auf. Zwischen 1918 und 1941 organisierten sie mehr als 200 von ihnen – manche dauerten Wochen.
In den meisten Szenarien ging es um potentielle Konflikte mit der japanischen Marine. Den Amerikanern fiel zum Beispiel auf, dass der Krieg sehr lang andauern würde, weil die Japaner sich über die pazifischen Inseln ausbreiten würden. Sie verstanden auch, dass die Japaner von einer Insel zur anderen reisen müssten, um wieder zurück nach Hause zu kommen. Und genau so war das auch.

Sind Operationen, die auf Kriegsspielen basieren, auch schon mal gescheitert?
Im Vietnam-Krieg. Computer waren damals noch nicht so weit und einige amerikanische Strategen rechneten mit quantitativen Mitteln aus, dass Nordvietnam ihnen nicht gewachsen sein würde (...)

der preußische General Clausewitz sagte mal, dass Kartenspielen dem Krieg am nächsten kommt. Beide haben etwas Ungewisses an sich. Im Krieg gibt es einen Plan und gewisse Dinge könnten diesen Plan scheitern lassen. (...). Kriegsspiele können die Zukunft nicht präzise voraussagen, aber sie helfen bei der Vorbereitung auf mögliche Situationen.

Ist es überhaupt möglich, so komplexe Konflikte wie die, die wir heute kennen, nachzustellen?
Es ist natürlich einfacher, einen klassischen Konflikt mit zwei Fronten zu simulieren. (...) Aber in den frühen 90er-Jahren stellten wir fest, dass Krieg so nicht mehr funktioniert. Insbesondere die Auflösung von Jugoslawien machte das deutlich. Die Nato hatte schon lange Kriegsspiele genutzt. Aber jetzt fehlte ihnen die notwendige Software, um solche Konflikte zu verstehen. Also benutzten sie "Matrix"-Spiele mit mehreren Spielern.

Wie funktionieren "Matrix"-Spiele"?
Die Idee dahinter ist, Politik, Wirtschaft, Diplomatie und Medien in militärische Strategien einfließen zu lassen. Aber diese Bereiche lassen sich oft nicht quantifizieren. Die Regeln sind normalerweise ziemlich simpel. Jeder Spieler sagt, was er tun möchte und nennt drei Gründe für diese Aktion. Dann wird gewürfelt. Wenn ihre Gründe von den anderen Spielern als plausibel angesehen werden, dürfen sie zu ihren gewürfelten Punkten drei hinzufügen (einen oder zwei, wenn nur einer oder zwei der Gründe als plausibel angesehen werden). Erhält der Spieler mehr als sieben Punkte, wird sein Spielzug durchgeführt.


Ansonsten kann ich noch auf die von CSIS nachgespielten Szenarien für eine Invasion Taiwans verweisen.


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Beitrag 20. Dec 2023, 12:43 | Beitrag #28
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Artikel über das in der Schweiz in Entwicklung befindliche War Game

ZITAT
Das «Wargaming Tool» oder Kriegsspiel, welches eine Projektgruppe des Milizstabes der Organisationseinheit Operative Schulung seit letztem Jahr entwickelt, soll als didaktisches Instrument genutzt werden, um die Kernkompetenzen von Kommandanten in der Armee zu festigen. Zu diesen zählen etwa Skills wie die Problemerfassungs-, Entschlussfassungs- und Befehlstechnik, die Taktik, die Feuerführung, das Manövrieren und die Einsatzlogistik.

Das von der Operativen Schulung erschaffene Spiel muss man sich als physisches Spiel mit einem klassischen Spielbrett vorstellen. Als Spiel mit Figuren, die über festgelegte operationalisierte Fähigkeiten in Angriff, Verteidigung und Beweglichkeit verfügen. Ebenso gibt es klar definierte Spielregeln und Kriterien über Sieg oder Niederlage sowie einen unparteiischen Schiedsrichter. (...) Die Spieler können unter Einhaltung der Spielregeln frei agieren. (...)

Bild des Spielbretts

Ziel des Projekts ist es, dass künftig einerseits Berufsoffiziere, aber auch Milizoffiziere die Ausbildungsmethode des Kriegsspiels für ihre Kaderausbildungen nutzen. (...)

Der grosse Vorteil des Kriegsspiels liegt darin, dass es sich als Form der Simulation um ein Instrument handelt, welches infrastrukturunabhängig und günstig genutzt werden kann. (...)

Eine besondere Herausforderung lag darin, dass zu Beginn des Projekts ein Know-how aufgebaut werden musste, wie ein Kriegsspiel überhaupt designt wird. So musste sich das Projektteam akkurat in die zum Thema bestehende Literatur einlesen.

Bild2


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Beitrag 20. Dec 2023, 14:27 | Beitrag #29
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Und ein weiterer Artikel eines ETH-Forschers, welcher auch auf die Unterschiede zwischen Simulation und Wargame, wie von mir oben beschrieben, eingeht: Die genaue Definition von Wargame sei schwierig, aber im Gegensatz zu Modellen und Simulationen beinhalten Wargames narrative Elemente, bei denen die Teilnehmenden den Verlauf beeinflussen. Es gibt Kompromisse zwischen Realität und Spielbarkeit, wie z. B. den zeitlichen Rahmen und die Darstellung des Gefechtsraumes.

In Wargames können politische Strategien und technologische Möglichkeiten getestet werden, bevor Entscheidungen getroffen werden. Sie wurden historisch genutzt, um Flugzeugträger-Doktrinen zu entwickeln und die Stärken und Schwächen neuer Technologien zu prüfen. Dennoch sind Wargames Abstraktionen, basierend auf Annahmen, und können durch falsche Annahmen zu fehlerhaften Schlüssen führen.

Als taktisches Militärtool berücksichtigen Wargames oft nicht die Feinheiten der politischen Realität und können politische Dimensionen nur begrenzt miteinbeziehen. Es kann vorkommen, dass politische Führungspersonen die Erkenntnisse aus Wargames ignorieren. Trotzdem bleiben sie ein wirksames Ausbildungs- und Entwicklungstool für politische und militärische Führung, das Staaten beim Experimentieren mit neuen Technologien unterstützen kann.

ZITAT
Der Begriff «Wargame» ist eine Quelle von Diskussionen. Politische EntscheidungsträgerInnen verwenden ihn nur selten, da sie befürchten, die Bezeichnung «game» (Spiel) könnte den Ernst des Krieges verharmlosen. Berufsmilitärs bevorzugen Begriffe wie «Übung» oder «Szenario», weil diese politisch weniger brisant sind. Auch die konkrete Definition von Wargames ist schwierig, denn auch wenn sie oft mit Modellen oder Simulationen verglichen werden, gibt es Unterschiede. Modelle bilden die Realität ab und Simulationen bilden die Realität im zeitlichen Verlauf ab. Im Gegensatz dazu beinhalten Wargames das Element der Narrativerschaffung: Die Beteiligten tauchen in die Welt des Spiels ein und beeinflussendas Ergebnis. Die Umgebung des Wargames ist veränderbar. Anders als bei einer Simulation bestimmt bei einem Wargame nicht nur der Input das Ergebnis. Die AutorInnen von Wargames legen zwar die groben Spielmechanismen fest, doch die Teilnehmenden können und sollen den genauen Verlauf steuern. So wird dasselbe Wargame nie zweimal gleich gespielt.

Schon immer gab es bei Wargames Kompromisse zwischen Wirklichkeit und Spielbarkeit. Zum Beispiel stellt sich die Frage des zeitlichen Rahmens (...) Auch die Darstellung des Gefechtsraumes ist unterschiedlich. Die frühen preussischen Wargames fanden auf abstrakten Gitternetzen ähnlich einem Schachbrett statt. Später wurde daraus ein sechseckiges Grundmuster, das auch heute noch oft verwendet wird. (...)

Schliesslich kann auch die Beziehung zwischen Gegnern auf vielerlei Arten und ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen strukturiert werden. Einige Definitionen von Wargames erfordern ein Gegenspieler-Element (meist Team Rot gegen Team Blau). Andere beinhalten Spiele, bei denen es nur eine Reaktionsseite gibt: Das Spiel selbst dient in vielerlei Hinsicht als Gegner und konfrontiert die Teilnehmenden mit einer Reihe von Inputs, auf die sie reagieren müssen (...)

Im besten Fall können Wargames die Entwicklung politischer Strategien und technologische Investitionen unterstützen. Dank Wargames können politische EntscheidungsträgerInnen sowie MilitärstrategInnen verschiedene Optionen schnell und kostengünstig testen, bevor sie sich auf eine Vorgehensweise festlegen.

In den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte das US Naval War College eine Reihe von Wargames zur Simulation der wachsenden Bedeutung des pazifischen Schauplatzes. (...) Die Wargames des Naval War College halfen Führungskräften auch eine neue Flugzeugträger-Doktrin zu erarbeiten, die sich im späteren Krieg gegen Japan als essenziell erweisen würde. Durch mehrere Spiele erkannten die Mitarbeitenden des War College, dass sie einen Weg finden mussten, um die gegnerischen Flotten schnell mit einer grossen Anzahl an Flugzeugen zu überraschen. (...)

Wargaming kann auch eine schnelle Prüfung der Stärken und Schwächen neuer Technologien ermöglichen, bevor diese in Militärsysteme eingeführt werden. (...)

Wargames können und sollen allerdings nicht endgültige Beweise liefern, sondern vielmehr wichtige Fragen beleuchten und Raum für mögliche Lösungen schaffen. Wargames sind letztlich Abstraktionen, die auf einer Reihe von Annahmen beruhen. Aufgrund der freien, quasi-organischen Interaktion zwischen den Spielteilnehmenden sind sie zwar sehr nützlich. Jedoch bauen Wargame-DesignerInnen Faktoren ein, die den Spielverlauf steuern. Durch falsche oder irreführende Annahmen können Teilnehmende falsche Schlüsse ziehen. (...)

Als taktisches Militärtool konzipiert, bilden Wargames oft nicht die Feinheiten der politischen Wirklichkeit ab. Vor dem Ersten Weltkrieg nutzte Deutschland Wargames, um einen Einmarsch nach Frankreich durch das neutrale Belgien zu simulieren.
Zwar war der Einmarsch selbst erfolgreich – und interessanterweise führte Grossbritannien ein ähnliches Wargame mit einem nahezu identischen Ergebnis durch – doch das Wargame berücksichtigte nicht die öffentliche Empörung, die ein solcher Einmarsch auslösen würde. (...)

Wargames können politische Dimensionen naturgemäss nur begrenzt miteinbeziehen. Dennoch beeinflussen politische Gegebenheiten die militärische Lage oft direkt, etwa durch Mobilisierungsfristen und Reaktionsszenarien. WargamerInnen
müssen die Grenzen ihrer eigenen Schöpfungen anerkennen und dürfen keine Schlüsse ziehen, die über den Anwendungsbereich des Spiels selbst hinausgehen. (...)

Schliesslich kann es auch passieren, dass politische und militärische Führungspersonen die Erkenntnisse aus einem Wargame schlicht nicht beachten. Vor dem Ersten Weltkrieg wargamte die russische Führung mögliche Szenarien mit dem immer gleichen Ergebnis: Russland würde mit seiner geografisch zersplitterten Armee gegen eine effizientere und konzentriertere deutsche Streitmacht vor operativen Herausforderungen stehen. Trotzdem wurden die Führungsprobleme nie gelöst. (...)

Nach wie vor sind Wargames ein wirksames Ausbildungs- und Entwicklungstool für die politische und militärische Führung. Im Rahmen der Vorbereitungen ihrer Gegenoffensive letzten Sommer und Herbst nahm die Ukraine an mehreren Wargame-Übungen der USA teil und arbeitete darauf basierend die finalen Schlachtpläne aus. Die Ukraine hatte zunächst eine breitere Gegenoffensive angestrebt, entschied sich jedoch nach den
Wargames für einen eingeschränkteren Ansatz mit dem Fokus auf die Rückeroberung Chersons von Russland. Im Feld war der Plan erfolgreich.

Wargaming kann Staaten beim Experimentieren mit verschiedenen neuen Technologien helfen und dabei Optionen und mögliche Kampfanwendungen evaluieren, bevor sie Millionen oder mehr investieren. (...)

Trotz aller Vorteile sind die Grenzen von Wargames anzuerkennen. Ein schlecht konzipiertes Wargame kann zu unvollständigen oder sogar falschen Schlussfolgerungen führen. Ein taktisches Wargame kann keine Erkenntnisse über den jeweiligen Anwendungsbereich hinaus bieten. Aus Wargames lassen sich nützliche Lehren ziehen, sie liefern aber für sich genommen keine schlüssigen Beweise. Vielmehr bieten sie einen fruchtbaren Boden, um neue Ideen und neue Technologien auszuprobieren und können die Ausarbeitung einer solideren Militärdoktrin unterstützen.


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Beitrag 20. Dec 2023, 17:32 | Beitrag #30
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Ich möchte zur ganzen KI-Thematik noch zu bedenken geben, dass Entschlussfassung - wenn sie gut ist - auch ein kreatives Element beinhaltet und das kann eine KI nicht, weil eine KI kopiert ihr bekannte Modelle. Dinge wie der Sichelschnitt,, die "schiefe Schlachtordnung" (Schlacht bei Leuthen), auch das Reduit oder die Besetzung der Krim standen damals nicht im Taktiklehrbuch so drin. Eine KI kann immer noch nicht kreativ tätig werden, sondern nur abkupfern und wäre wohl kaum auf diese Lösungen gekommen. Es braucht deshalb menschliches Hirnschmalz, auch auf Seiten der Nachrichtenleuten, welche die Feindmöglichkeiten eruieren.

In der Schweizer Armee werden in der Regel drei Varianten erstellt, wie ein Einsatz durchgeführt werden kann (oder eben, wie der Gegner kommen kann) und dem Kommandanten präsentiert. Die Varianten sollten sich möglichst unterscheiden in Örtlichkeiten, Kräfteansatz, Zeitverhältnisse, Taktik usw..

Es hat sich meines Erachtens folgendes etabliert (rein abstrakt gesagt):
- eine Variante entspricht der gängigen Doktrin - oft langweilig und vorhersehbar, z.B. direkter Vorstoss, gestaffelt, auf dem leistungsfähigsten Verkehrsträger, aufs Angriffsziel.
- eine Variante folgt zwar den militärischen Grundsätzen, wählt aber z.B. nicht den direkten Weg, zum Beispiel eine Umfassungsoperation, um das Angriffsziel einzuschliessen.
- eine Variante ist "out of the box" und folgt nicht militärischen Grundsätzen. Sie muss aber trotzdem durchführbar sein. Halt irgendetwas völlig anderes, infanteristische Infiltration oder was auch immer.

Der Kommandant wählt dann deine Variante aus (wobei er natürlich auch Änderungen vornehmen kann bzw. Varianten kombinieren kann). Die nicht bestimmende Varianten werden jedoch, soweit für gut befunden, ebenfalls weiter verfolgt und können in die Eventualplanung einfliessen. Ich sehe nicht, dass eine KI das heute so bewerkstelligen kann.

Bei einer guten Entschlussfassung gibt es einen kurzen Moment, wo Kreativität gefragt ist. Da kann man auch mit Brainstorming oder anderen Kreativitätswerkzeugen arbeiten. In diesem Moment kommt etwas zum tragen, was man nicht einfach logisch herleiten kann. Das ist gerade das faszinierende daran. Ein guter Plan, kann man vielleicht noch irgendwo logisch auf der Karte herleiten, ein genialer oder zumindest sehr guter gerade nicht mehr.

Das Durchrechnen, Durchspielen und die Simulation der Pläne kommt erst nach dem man sich einmal die Grundgedanken dazu gemacht hat.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 20. Dec 2023, 19:18


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