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> Wargames, Strategische Simulation / Analyse per Großrechner
Delta
Beitrag 21. Dec 2023, 01:24 | Beitrag #31
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Halten wir zunächst mal fest, dass ein Wargame im derzeitigen Verständnis keine Simulation ist, die "durchläuft".
Es gibt Wargames zu Schulungszwecken, die dient meist der Führeraus- und Weiterbildung im Entscheidungsfindungsprozess, sei er nach Heeresdienstvorschrift (ehem. HDv 100/200) oder Military Decision Making Process. Das ist oft nah am Charakter der ursprünglichen preußischen Kriegsspiels.

In der echten Operationsplanung kenne ich das Wargaming unter diesem Begriff nur aus der Comprehensive Operational Planning Directive (COPD) der NATO. Das ist dort ein ein Tool, in der Entwicklung der "Courses of Action" (deutsches Analogon am ehesten "Möglichkeiten des Handelns"). Mit dem Wargame stellt der Stab mit dem Kommandeur die grundlegende Machbarkeit der entwickelten Handlungslinien fest. Erkenntnisse aus dem Wargaming dienen der Anpassung des/der CoA.
vgl. hier im COPD-Handbuch von 2010 auf Seite 217-219

Wir reden hier über einen Planungsprozess, der fast ausschließlich auf der strategischen, operativen und höchsten taktischen Ebene (SHAPE - JFC - Compnent Commands) Anwendung findet und eine ebenengerechte Granularität hat, d.h. man betrachtet vielleicht bis zur Brigadeebene und vergleichbar runter, ggf. sogar nur in Fähigkeiten statt Truppenteilen.

Das Anlegen und Durchführen eines Wargames ist ein Höllenaufwand, den man sich nach Kräften und Zeit auch leisten können muss. Zumal die Anzahl derjenigen, die auf der Ebene tatsächlich adäquat wargamen können echt überschaubar ist. In Deutschland werden Stabsoffiziere im Generalsstabslehrgang da rangeführt und machen das ein/zweimal in unterschiedlicher Ausprägung, die Anzahl der Operateure, die das nach dem Lehrgang auch tatsächlich in der Praxis machen und machen können ist noch viel geringer, ich würde sie auf eine paar Handvoll schätzen. In anderen Nationen (insbesondere USA/UK, aber auch tlw. Südamerika ist die Kultur da etwas ausgeprägter, aber immer noch eine Nische.

Auf Truppenebene bis Division/Korps macht man eher nach Entschlussfindung und Planung einen "RoC-Drill" (RoC = Rehearsal of Concept), bei dem der Stab mit den Führern am Geländesandkasten/begehbarer Karte den eigenen Plan durchspielt, um sicherzugehen, das jeder seine Aufgabe verstanden hat und v.a. Lücken in der Synchronisation zu finden.
Danach kann man das taktisch im Rahmen einer computergestützten Stabsübung (CPX/CAX = Command Post Exercise/Computer Assisted Exercise) z.B. in SIRA mal durchspielen. Aufgrund des Vorbereitungs- und Planungsaufwands macht man sowas auf der Ebene idR ein- bis maximal zweimal im Jahr.

Back to Wargame: Auch in der NATO ist es nmK nicht vorgesehen, das ganze Szenar simulationsgestützt "durchlaufen" zu lassen. Der Ablauf ist in der Vorschrift wie folgt beschrieben:
ZITAT
(3) Conducting Wargames. The conduct of the wargame is determined
largely by the desired outcomes, selected method and the scope. Typically,
wargames will include:
(a) Setting Conditions. An introduction to set the strategic and
operational conditions affecting the operation, including political
considerations, threat conditions, environmental conditions, civil conditions,
information and media conditions etc.
(b) Game Turns. A series of “game turns” considering the action -
reaction - counter-action of opponents, starting with the opponent deemed
to have the initiative.
© Assessment. An assessment of probable results and outcomes
typically follows each game turn and is used to set conditions for the
succeeding game turns


Um das so zu machen braucht man ein "Blue-Team", das mit dem eigenen Plan ins Rennen geht, das ist in der Regel die Joint Operational Planning Group (JOPG), die die Möglichkeiten des Handelns ausgeheckt hat und ein "Red Team", die sind meist aus der Abteilung Militärisches Nachrichtenwesen/Feindanalyse/Aufklärung. Zudem noch ein Schiedsrichterteam, das die Züge der Teams bewertet und entscheidet, wie die Züge ausgehen und wie sich dadurch auch die operative Umgebung ändert.

Denn - und das sind die Knackpunkte, die gegen ein rein AI-basiertes Wargame sprechen:
Das Umfeld ist zeitvariant, d.h. die Regeln ändern sich ggf. mit fortlaufender Zeit auf Basis der Handlungen der Akteuere und der erzielten Effekte und/oder mit dem Hinzukommen oder Wegfall von Akteuren. Ist ein bischen wie wenn in einem Fussballspiel abhängig oder unabhängig von der Performance der Mannschaften jederzeit die Tore verschoben und in der Größe verändert werden können, eine Seite während des Spiels auf einmal 7 neue Spieler einwechselt, die bei Anpfiff noch nicht da waren, genausowenig, wie das dritte Team, das plötzlich auf dem nun doppelt so großen Platz mitspielt und überall auch noch Pylonen aufstellt. Das heisst, im Gegensatz zu z.B. Schach oder GO (wo KI wirklich stark ist) können sich im Konflikt und Krieg ständig die Randbedingungen und Systemparameter ändern. Sowas ist nur mit sehr begrenztem Zeithorizont modellierbar (z.B. in den angeprochenen Simulationen, bei denen idR nur mit den Kräften gespielt wird, die zu Beginn sich bereits innerhalb der absehbaren Simualtionszeit auswirken können)

Es gibt also mehrere Eigenschaften von Konflikten, mit denen KI/Simulation nicht gut klarkommt (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
- Zeitvarianz (das System ändert sich über die Zeit, genauso wie das Verhalten der Akteure),
- Unstetigkeiten/Nichtlinearität (das System oder die Akteure oder deren Verhalten ändern sich sprunghaft/plötzlich)
- zeitvariante Komplexität/Rückkopplung (das Sytem verändert über die Zeit die Akteure und deren Verhalten)
- Chaos (Das System oder die Akteure oder deren Verhalten ändern sich teilweise gravierend und unvorhersehbar bei einer Änderung der Randbedingungen)

Für mich als studierten Systemdynamiker und Militär mit gewisser operativer Erfahrung bedeutet das, dass ich wenig echte Vorhersage treffen kann, wie sich das System über die Zeit entwickeln wird, aber - wenn ich das System unter Kontrolle halten will - ich in meinen Einflussgrößen "genug" (nicht wirklich quantifizierbar) Reserven für solche Entwicklungen vorhalten muss und ggf. schon "außerhalb des Spielfeld" parallel Vorsorge treffen muss. Und da reden wir bei einer so komplexen Sache wie Krieg über politische, strategische, operative und taktische Maßnahemen, wo ich teilweise noch nicht mal Kontrolle über den Ausgang meiner Maßnahmen habe. Das sind systemdynamische Alpträume, die man oft besser in ihrer Dimension und möglichen Wirkung "als Bauchgefühl" oder Möglichkeit beschreiben denn quantifizieren kann. Und das kriegt AI aus meiner Sicht noch nicht hin, weil ihr die Kenntnisse von der Welt fehlen, die für sie nie (zumindest in naher Zukunft nicht) erfahrbar sein wird, genauso wie die Fähigkeit, solche Kenntnisse adäquat zu gewichten.


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Salzgraf
Beitrag 21. Dec 2023, 08:38 | Beitrag #32
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ZITAT(Glorfindel @ 20. Dec 2023, 12:43) *

wie groß ist so eine Kachel etwa real (Länge einer Kante)? 20 km?
 
goschi
Beitrag 21. Dec 2023, 08:50 | Beitrag #33
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ZITAT(Salzgraf @ 21. Dec 2023, 08:38) *
ZITAT(Glorfindel @ 20. Dec 2023, 12:43) *

wie groß ist so eine Kachel etwa real (Länge einer Kante)? 20 km?

eher ca 5km
Bern-Fribourg sind ca 30km und ich komme auf ca 6 Kantenlängen Distanz., das passt auch zur Distanz Bern-Köniz (Vorort)


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
Glorfindel
Beitrag 21. Dec 2023, 08:57 | Beitrag #34
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10 Kilometer.


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Glorfindel
Beitrag 21. Dec 2023, 08:59 | Beitrag #35
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Ich bin aber gerade am überlegen, welche Karte das ist. Vielleicht die sog. Operative Planungskarte. Muss einmal nachschauen.


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Delta
Beitrag 21. Dec 2023, 09:13 | Beitrag #36
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Sind 5km (Abstand zwischen den Parallelen) Ausgemessen an der Strecke Dagmersellen - Sursee


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Beitrag 21. Dec 2023, 09:33 | Beitrag #37
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Das dargestellte Szenario stellt eine Variante von "KEVLAR" dar, einem Übungsszenario, welches die ganze Schweizer Armee seit 2018 verwendet. Vorliegend dürfte je eine elbonische Inf Brigade links und rechts des Rheins an die Grenze bei Basel bzw. (rechtsrheinisch) Kleinbasel gestossen sein. Eine Brigade steht bei Waldshut als Flankenschutz und oder um Schaffhausen zu bedrohen. Und dann ist der Gegner offenbar über den Sundgau in die Schweiz eingebrochen, hat Delsberg/Delémont genommen, das Juragebirge beim Weissenstein überquert und Solothurn genommen. Südlich des Juras fanden Aktionen gegnerische Spezialkräfte vermutlich auf die Autobahn A1 beim Offtringen, südlich von Aarau und beim Bareggtunnel statt (mit dem möglichen Ziel das heranführen von eigenen mechanisierten Kräften zu verhindern). Dann fand eine Luftlandung bei Langenthal statt, auf die ich mir keinen Reim machen kann. Etwas nördlich davon haben sich Schweizer Bürgerwehren formiert. In Kriens und Bern ist zudem die Terrororganisation ELTI (mit Verbindungen zu Elbonia) tätig.

Die Schweizer Panzerkräfte befinden sich offenbar noch im nördlichen Aargau.

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass man hier absichtlich keine wirklich durchgespieltes Szenario darstellte.

Der Beitrag wurde von Glorfindel bearbeitet: 22. Dec 2023, 07:53


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goschi
Beitrag 21. Dec 2023, 10:32 | Beitrag #38
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ZITAT(Delta @ 21. Dec 2023, 09:13) *
Sind 5km (Abstand zwischen den Parallelen) Ausgemessen an der Strecke Dagmersellen - Sursee

Ja, hab's auch nochmal nachgerechnet
Durchmesser 10km, Kantenlänge 5km.
Die Kantenlänge ist in einem Sechseck ja dankbarerweise genau die halbe Diagonale biggrin.gif

Und da Schweizer Kartenmaterial immer genaue Längen hat, wird das auch genau so stimmen


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
Dass die Russen viele Verluste haben aufgrund ihrer offensiven Vorgehensweise, die sie sich bei Zapp Brannigan abgeschaut haben, ist davon unbenommen.
 
Glorfindel
Beitrag 21. Dec 2023, 10:52 | Beitrag #39
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macht irgendwo auch Sinn in 5er-Schritten zu arbeiten:
- 81mm Mörser schiessen um die 5km
- 120mm Mörser schiessen mindestens 5 km, moderne sogar knapp 10 km (meistens etwas weniger)
- etwas ältere Artillerie schiesst 15km (105mm Haubitzen, 122mm Geschütze) bzw. knapp 20km (2S3, ältere M109), neuere 155mm 25km, mit Spezialmunition sogar 40mm
- moderne Raketenwerfer schiessen mit gewöhnlicher Munition um die 40km, mit Spezialmunition sogar noch wesentlich weiter.


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Beitrag 21. Dec 2023, 11:02 | Beitrag #40
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und jeder kann es sich merken und es ist intuitiv von der Karte ablesbar wink.gif


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ZITAT(Forodir @ 31. May 2023, 20:26) *
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