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> Organisation der russischen Truppen in der Ukraine, Orbat, Kommandanten, Verluste, Auftrag
Glorfindel
Beitrag 28. Mar 2022, 09:53 | Beitrag #31
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ZITAT(Mart @ 28. Mar 2022, 09:45) *
(...)
Da in der russischen Armee (altbekannte) Schemen mit den Truppen geübt werden, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein derart neues Schema ernsthaft intensiv geübt wurde - das meinte ich mit "die können das doch gar nicht".
(...)

Das Schema ist aber nicht neu. Das grundsätzliche Konzept ist in der Sowjetarmee seit zirka Ende der 1960er Jahre bekannt. Die BTG's in der Art, wie im Video vorgestellt, nach 2008. Das Konzept wurde 2014/2015 von den russischen Streitkräfte im Donbass auch mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt. Es ist nicht so, dass das per se nicht funktioniert. Es hat aber sicher auch Nachteile und die Frage ist tatsächlich, inwieweit das Ganze im jetzigen Rahmen noch führbar ist.


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Mart
Beitrag 28. Mar 2022, 10:00 | Beitrag #32
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ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 09:47) *
Damit wurde aus einem Regiment/einer Brigade in der Regel 3 BTG's gebildet.

Und genau das ist mein Punkt. Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug geschrieben: Diese BTG sind ganz real die strukturmäßigen Bataillone, verstärkt mit Hilfskräften aus der übergeordneten Ebene. Mehr ist das nicht.

ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 09:47) *
Ich gehe deshalb davon aus, sofern die Zahl von 150 BTG's stimmt, dass die Russen ihre Regimenter und Brigaden vor dem Krieg auf die Soll-Stärke gebracht haben bzw. das versuchten.

Das mit Ist-Stärke == Sollstärke bezweifle ich deutlich. Woher hätte das denn kommen sollen? Soldaten fallen doch nicht vom Himmel.


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400plus
Beitrag 28. Mar 2022, 10:14 | Beitrag #33
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ZITAT(Mart @ 28. Mar 2022, 11:00) *
ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 09:47) *
Damit wurde aus einem Regiment/einer Brigade in der Regel 3 BTG's gebildet.

Und genau das ist mein Punkt. Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug geschrieben: Diese BTG sind ganz real die strukturmäßigen Bataillone, verstärkt mit Hilfskräften aus der übergeordneten Ebene. Mehr ist das nicht.


Ja, ich würde die BTGs auch in einer gewissen Hinsicht dahin interpretieren, dass man zugibt, die Brigaden/Regimenter nicht komplett in den Einsatz zu bringen.
 
Glorfindel
Beitrag 28. Mar 2022, 11:05 | Beitrag #34
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ZITAT(Mart @ 28. Mar 2022, 10:00) *
(...) Diese BTG sind ganz real die strukturmäßigen Bataillone, verstärkt mit Hilfskräften aus der übergeordneten Ebene. Mehr ist das nicht.

Vereinfacht gesagt: Ja. Im Moment sieht es so aus, als es sich bei den BTG's um verstärkte Bataillone handelt. Dies vielleicht etwas im Gegensatz zu den BTG's von 2014 (jedenfalls was man so hört). Da hat man eine unterdotierte Brigade genommen und daraus eine BTG (oder maximal zwei) gemacht.

ZITAT
ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 09:47) *
Ich gehe deshalb davon aus, sofern die Zahl von 150 BTG's stimmt, dass die Russen ihre Regimenter und Brigaden vor dem Krieg auf die Soll-Stärke gebracht haben bzw. das versuchten.

Das mit Ist-Stärke == Sollstärke bezweifle ich deutlich. Woher hätte das denn kommen sollen? Soldaten fallen doch nicht vom Himmel.

Das wurde so berichtet, dass man die Einheiten auf Soll- oder annähernd Soll-Stärke gebracht hat. Ansonsten hätte man gar keine 150 BTG's bilden können. Wenn man von einem Personalstand von 700 Soldaten je BTG ausgeht, so würden alleine die BTG's schon 105'000 Mann benötigen, d.h. irgendwo zwischen 40% und 50% aller russischen Truppen (inklusive aller Verstärkung durch Nationalgarde, Separatisten, inklusive Luftwaffe, VDV und Marine). Bereits hier sieht man den Ansatz der Russen, möglichst viel Kampftruppen zu generieren, die Unterstützung dahinter, insbesondere auch die logistische schwach ist.

Zum Vergleich (auch wenn ich es nicht kalkuliert habe, also nur ein Beispiel): die Russen haben irgendwo zwischen 50 und 60 grössere Kampfverbände (in Regiments/Brigadengrösse) eingesetzt. Bei dieser Grösse der Armee würden die Amerikaner vielleicht 8 bis 10 Kampfbrigaden eingesetzt (diese sind allerdings etwas grösser als die russischen Brigaden). Die Amerikaner hätten also vermutlich irgendwo um den Faktor 3 weniger Kampftruppen eingesetzt bei gleicher Grösse der Streitkräfte. Das hat Vor- und Nachteile. Die Russen können gleichzeitig viel mehr Kampfkraft aufbieten und mehr Operationen durchführen, allerdings bei geringerer Durchhaltefähigkeit. Je länger der Konflikt geht, desto mehr macht sich dies bemerkbar.

Ein weiterer Vergleich: die Amerikaner haben pro eingesetzte Brigade/Division etwa die Hälfte der Artilleriegeschütze. Sie gleichen dies aber mit entsprechend mehr Versorgungsfahrzeugen aus, d.h. die Russen können mehr Artilleriefeuer schiessen solange auf die Vorräte in den Panzerhaubitzen und in den Artillerieeinheiten mitgeführten Lkw's zurück gegriffen wird. Sobald diese aber leer sind, haben sie viel ein grösseres Problem den Nachschub sicherzustellen als die die Amerikaner hätten.


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ramke
Beitrag 29. Mar 2022, 11:31 | Beitrag #35
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Können gefallene Kommandeure per PN an Glorfindel gemeldet werden, oder kann das hier im Thread kundgetan werden?


Denis Kurilo soll gefallen sein.
https://twitter.com/pmakela1/status/1508749167413407744
Rumint: Commander of the Russian 200th Separate Motorized rifle brigade Colonel Denis Kurilo has been killed around Kharkiv. His unit was mostly destroyed early in the war.

Aus dem Tweed geht in den Kommentaren hervor, dass ein gefallener General wohl gesund gesichtet wurde - jemand eine Idee, wer das sein könnte?

Auch soll Kurilo nach der ersten Woche desertiert sein.
https://odessa-journal.com/the-armed-forces...ian-federation/


Ich habe die Liste hier noch nicht abgeglichen, aber die dürfte sich sehr mit dem Decken was hier geschrieben wurde.
https://www.reddit.com/r/ukraine/comments/t...ssian_officers/

Der Beitrag wurde von ramke bearbeitet: 29. Mar 2022, 11:33


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Nur echt mit "Edit"
 
Fennek
Beitrag 29. Mar 2022, 12:04 | Beitrag #36
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ZITAT(ramke @ 29. Mar 2022, 12:31) *
Können gefallene Kommandeure per PN an Glorfindel gemeldet werden, oder kann das hier im Thread kundgetan werden?


Denis Kurilo soll gefallen sein.
https://twitter.com/pmakela1/status/1508749167413407744
Rumint: Commander of the Russian 200th Separate Motorized rifle brigade Colonel Denis Kurilo has been killed around Kharkiv. His unit was mostly destroyed early in the war.

Aus dem Tweed geht in den Kommentaren hervor, dass ein gefallener General wohl gesund gesichtet wurde - jemand eine Idee, wer das sein könnte?

Auch soll Kurilo nach der ersten Woche desertiert sein.
https://odessa-journal.com/the-armed-forces...ian-federation/


Ich habe die Liste hier noch nicht abgeglichen, aber die dürfte sich sehr mit dem Decken was hier geschrieben wurde.
https://www.reddit.com/r/ukraine/comments/t...ssian_officers/


Es wurde gestern ein Video veröffentlicht, dass Ramzan Khadyrov beim Truppenbesuch bei Mariupol zeigen sollte, zusammen mit dem angeblich toten Gen. Ltn. Andrey Mordvichev von der 8 GCAA. Über die Autentizität kann ich nichts sagen.
 
Merowinger
Beitrag 29. Mar 2022, 12:51 | Beitrag #37
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Das klingt gleich doppelt strange.
 
Glorfindel
Beitrag 29. Mar 2022, 13:00 | Beitrag #38
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ZITAT(ramke @ 29. Mar 2022, 11:31) *
Können gefallene Kommandeure per PN an Glorfindel gemeldet werden, oder kann das hier im Thread kundgetan werden?


Denis Kurilo soll gefallen sein.
https://twitter.com/pmakela1/status/1508749167413407744
Rumint: Commander of the Russian 200th Separate Motorized rifle brigade Colonel Denis Kurilo has been killed around Kharkiv. His unit was mostly destroyed early in the war.

(...)

Ich werde das einmal nachführen. Die Ukrainer haben tatsächlich den Tod von Kurilo gemeldet.


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Glorfindel
Beitrag 29. Mar 2022, 14:49 | Beitrag #39
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ZITAT(ramke @ 29. Mar 2022, 11:31) *
(...)
Ich habe die Liste hier noch nicht abgeglichen, aber die dürfte sich sehr mit dem Decken was hier geschrieben wurde.
https://www.reddit.com/r/ukraine/comments/t...ssian_officers/

Ja, ich habe allerdings nur Kommandanten ab Stufe Regiment und auf Stufe Armee auch Stabschefs und ähnliches aufgeführt. Bataillonskommandanten führe ich nicht auf. Den tschetschenischen General habe ich bis jetzt auch nicht aufgeführt, weil mir dessen Rolle suspekt war. Aber offenbar war er der Kommandant des 141. motorisierten Regiments der Nationalgarde (Kadyrowiten). Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass auch dieses 141. motorisierte Regiment keine Regimentsgrösse hatte.


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NeWToN
Beitrag 29. Mar 2022, 15:05 | Beitrag #40
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ZITAT(Fennek @ 29. Mar 2022, 13:04) *
ZITAT(ramke @ 29. Mar 2022, 12:31) *
Können gefallene Kommandeure per PN an Glorfindel gemeldet werden, oder kann das hier im Thread kundgetan werden?


Denis Kurilo soll gefallen sein.
https://twitter.com/pmakela1/status/1508749167413407744
Rumint: Commander of the Russian 200th Separate Motorized rifle brigade Colonel Denis Kurilo has been killed around Kharkiv. His unit was mostly destroyed early in the war.

Aus dem Tweed geht in den Kommentaren hervor, dass ein gefallener General wohl gesund gesichtet wurde - jemand eine Idee, wer das sein könnte?

Auch soll Kurilo nach der ersten Woche desertiert sein.
https://odessa-journal.com/the-armed-forces...ian-federation/


Ich habe die Liste hier noch nicht abgeglichen, aber die dürfte sich sehr mit dem Decken was hier geschrieben wurde.
https://www.reddit.com/r/ukraine/comments/t...ssian_officers/


Es wurde gestern ein Video veröffentlicht, dass Ramzan Khadyrov beim Truppenbesuch bei Mariupol zeigen sollte, zusammen mit dem angeblich toten Gen. Ltn. Andrey Mordvichev von der 8 GCAA. Über die Autentizität kann ich nichts sagen.


Das Video soll Fake sein. Die Tankstellenmarke im Hintergrund soll es in der Ukraine nicht geben.


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Es gibt zwei Dinge die unendlich sind, die Dummheit der Menschen und das Universum....
....Nur beim Letzteren bin ich mir nicht sicher.

-Albert Einstein-
 
Glorfindel
Beitrag 29. Mar 2022, 16:56 | Beitrag #41
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Es geht um folgendes Video, welches Kadyrow, Puschilin und Gen. Lt. Mordvichev, dessen Tod die Ukrainer vor über einer Woche gemeldet hatten.
https://t.me/skabeeva/10517

Das mit der Tankstelle ist etwas anderes:
http://www.whq-forum.de/invisionboard/inde...t&p=1449080
Ich kenne dort den Hintergrund allerdings nicht und weiss auch nicht, woher diese Bild stammt und wer es zum ersten Mal gepostet hat.


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Delta
Beitrag 29. Mar 2022, 20:14 | Beitrag #42
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ZITAT(Mart @ 28. Mar 2022, 09:17) *
@Glorfindel
Ich bin mir nicht sicher, ob man meine Fragestellung hier diskutieren darf. Ich will keinesfalls Deine Aufstellung der eingesetzten vs. verfügbaren russischen Tuppen stören; real war diese Aufstellung der Grund meiner Anmeldung (ja, SpezNas gehören da mit rein.)

ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 07:39) *
ZITAT(Mart @ 27. Mar 2022, 22:58) *
(...)
Ich habe eine Frage zu den Bataillonskampfgruppen. Ich kenne das Video der österreichischen Militärakademie zu diesem Thema, trotzdem ist mir die Sache und insbesondere der gewünschte Vorteil nicht völlig klar. Ich habe das so verstanden, dass man die Bataillone einer Division nimmt und diese durch die eigentlich zentral unterstellten Einheiten der Regimenter und der Division anteilig verstärkt.

Eine russische Brigade/Regiment bildet einen oder mehrere ad hoc-Verbände für den Kampf, die sog. BTG (Battalion Tactical Group).

Da ich die Ideen bis 1989/1993 glaube so einigerrmaßen verstanden zu haben, würde ich ein fröhliches "das können die doch gar nicht" entgegenhalten wollen.

ZITAT(Glorfindel @ 28. Mar 2022, 07:39) *
ZITAT(Mart @ 27. Mar 2022, 22:58) *
(...)
Wo wird da der taktische Vorteil gesehen? Auf den ersten Blick sehe ich da eher einen Nachteil: Der Stab des Regiments (der Division) kann zentral unterstellte Einheiten nicht mehr lagegemäß einsetzen, zuordnen. (...)


Es ist der Versuch der Russen mit der Komplexität des Kampfes der Verbundenen Waffen umzugehen: Das Mot. Schützenbataillon bekommt alles möglich angehängt und soll damit möglichst autonom operieren können und ist gerade nicht auf Unterstützung der höheren Stufe angewiesen.

Und damit ist die eigentliche Kampfkraft der zentral dem Regiment / der Division unterstellten Einheiten im Grunde ja verloren: Ich will das mit einem Beispiel auf die Spitze treiben: Die Division hat direkt unterstellt ein Ponton-Bataillon. Wenn ich die auf die Kampf-Bataillone um-unterstelle, hat dann jedes einen Kraz mit einem einzelnen Ponton.

Vor allem scheint mir da (und ich sehe mich nach Lagebild bestätigt) jede Führungsfähigkeit abhanden zu kommen. Wie soll denn das Regiment oder gar die Division führen, wenn es gar keine zentralen Spezialkräfte mehr gibt?
Das führt mich übrigens zur nächsten Frage - wer führt diese BTG eigentlich? Der Regimentsstab oder der Divisionsstab?

Also wenn ich das klassische sowjetische/russische Modell annehme, haben wir hier drei Fronten (im Sinne von Heeresgruppen) [Nord Kiew, Ost , Süd] mit jeweils mehreren unterstellten Armeen. Im klassischen Fall haben wir im GenStab den Leiter der Operation, darunter drei Frontkommandeure, darunter je Front zwei/drei Armeekommandeure, darunter undsoweiterundsofort. Und die befehligen jeweils die ihnen unterstellten Truppen, haben dazu auch zentrale Unterstützungskräfte (ok, haben sie in dem Modell aus der Hand gegeben, klar). Und dahinter ist die zweite Staffel gruppiert (gibt es hier auch nicht).

Mal abgesehen davon, dass ich der russischen Seite eine schwere Niederlage wünsche (man überfällt kein anderes Land!), ist mir noch immer unklar, was das mit den Umunterstellungen in BTG soll. Es gibt aus meiner bescheidenen Sicht nicht einen Vorteil, sondern viele Nachteile.

@Glorfindel
Falls Du meinen Beitrag hier im Thread unpassend findest, lösche ich ihn.



Das ist insgesamt eine sehr gute Fragestellung, die mich schon seit dem Aufmarsch umtreibt, als die ganze Welt anfing BTGs zu zählen und ich mir die Frage stellte: WTF? Wird da falsch gezählt, oder haben die das wirklich vor? Wie stellen die sich das vor, mit BTGs ein Land zu erobern? BTGs sind taktische Formationen mit begrenzter Reichweite und Durchhaltefähigkeit. Wo kommt die zweite Welle? Wo ist der Schwerpunkt? Wie wollen die damit einen Durchbruch erzwingen? Wo sind die operativen mobilen Gruppen für freies Operieren in der Tiefe und Umschließungsoperationen? Führen die die ganzen 150 BTGs alle einzeln? Aus diesen Fragen purzeln schon die ein oder anderen operativ-taktischen Schwierigkeiten, die beim Ansatz von 150 BTG zur Eroberung eines Landes absehbar sind und nach dem was ich so beobachte alle voll zuschlagen.

Und bevor jetzt jemand sagt, dass Delta nen smart-ass Armchairgeneral ist; der hinterher alles besser weiß:
Die Frage der Gefechtsgliederung "Rot" treibt das Heer schon seit 2016/2017 um, als man mal angefangen hat, russische Kräftedispositive auf ihre Fähigkeiten zur Einnahme des "Suwalki-Gap" (der eine oder andere erinnert sich; NATO's Schwachstelle zwischen POL/LTU) methodisch zu untersuchen. Das was jetzt in der UKR passiert war ja durchaus auch ein denkbares - und gefürchtetes - Szenar innerhalb der NATO - und spätestens seit DEU die Leitrolle bei der eFP BG in LTU angenommen hat - auch in der Bundeswehr, besonders im Heer.

Die Ausgangslage für alle Betrachtungen war, das RUS aufgrund irgendeinem fabrizierten Vorwand schnell (iSv bevor NATO reagieren kann) das Suwalki-Gap nimmt, sich dort unter dem Deckmantel einer humanitären Operation o.ä. (special military operation anyone?) zur Verteidigung einrichtet, damit das Baltikum vom Rest der NATO abschneidet und weil es so schnell geht, die NATO nicht wirklich mit Truppe reagieren kann und das Ergebnis, abgedeckt durch den aktivierten A2/AD-Schirm in Kaliningrad und eine nukleare Drohung zum Ausgangspunkt für Verhandlungen wird.

Man hat sich damals mal hingesetzt und diesen Auftrag aus der Sicht Befehlshaber Militärbezirk West durch den ganzen (DEU) Führungsprozess (Auswertung des Auftrags, Beurteilung der Lage, Entschlussfassung) gejagt.

Zwei grundsätzliche Möglichkeiten RUS Handelns wurden gesehen:
1. Der "short/no-notice-attack": Kein Truppenaufmarsch; RUS greift über Nacht an, mit 76. GardeLuftSturmDiv, verstärkt durch das Armeekorps in Kaliningrad und macht den Korridor dicht. High Risk; high payoff; Städte weitestgehend umgangen; da wäre v.a. Schlüsselgeläne entlang der POl/LTU Grenze eingenommen worden.

2. Ausgehend aus einer ZAPAD-Übung, bei dem sich der MB West mit 1. GPzArmee und Tle 6. Armee in Belarus aufhalten, macht das Übungsszenar nicht an der Belarussisch-LTU/POL Grenze halt, sondern die Truppen fahren weiter; umgehen Vilnius und stossen nach Westen vor; gleichzeitig nimmt die 76. Gardeluftsturmdivison schonmal das Gap und wird dann 1-2 Tage später von der 4. PzDiv abgelöst.

Allen untersuchten Möglichkeiten war gemeinsam, dass Bevölkerungszentren weitestegehend gemieden wurden, um die operativen Ziele zu erreichen und man sich nicht auf Orts- und Häuserkampf eingelassen hätte, um den Abschluss der Op innerhalb von 72 Stunden zu ermöglichen. Das Gute an dem Plan war, das er operative Erfolg sich einstellen konnte, indem man lediglich leeres Gelände genommen hat (das ggf. notwendige Mop-Up wurde eher den Einheiten des Inneren überlassen).

In der Möglichkeit 2, dem Ansatz von Käften in Armee/MB-Stärke war die elementare Frage, welche Gliederung die RUS SK annehmen würden. Es gab Anzeichen/Beobachtungen (z.B. ZAPAD 2017) und es wurde auch gefolgert, dass für so eine konzertierte Aktion von großen Kräftegruppierungen, die RUS LaSK wieder zur Armee/Div/Rgt-Gliederung, also zur bewährten "Übungsgliederung Rot" aus dem Kalten Krieg zurückgekehrt wären, da die BTGs eher für Destabilisierungsoperationen/begrenzte Operationen mit begrenzten Zielen geeignet sind.
Während zu einem raumgreifenden Stoß klassischerweise die Armee mit ihren Divisionen befähigt gewesen wäre. Eine Armee in einer Divisions/Rgt-Gleiderung hätte auch besseren Möglichkeiten gehabt, Aufklärung und Feuer auf allen Ebenen zu koordinieren (Begleitartillerie, Regimentsartilleriegruppe (RAG), DAG, AAG, Aufklärungs- und Feuer/Schlag-Komplex; vorn die Mobilität sicherzustellen (Abteilung zur Sicherstellung der Beweglichkeit (ASB)), hätte Kräfte für den Flankenschutz gehabt (Bewegliche Sperrabteilung/PzAbwBtl) und die Luft-Boden-Integration auf Armmelevel koordinieren können. Dazu wäre die Armee in zwei Wellen angerückt und hätte Einbrüche erzwingen und zum Durchbruch ausnutzen können; Folgekräfte wären bereit gestanden, um den Angriff zu nähren. Damit hätte man Umschließungsoperationen durchführen können.

Ich hätte also erwartet, dass für den im Gegensatz zum Suwalki-Gap viel größeren Brocken Ukraine, die RUS LaSK auf jeden Fall in Armeegliederung (oder mehr) angreifen, um ihre 3 Fronten aufzumachen.
Die Gliederung der Kräfte für diesen Feldtzug in BTG machte mich bis zum letzten Moment glauben, dass RUS NICHT angreifen würde, weil die Aufstellung vollkommen ungeeignet erschien. (Zudem schienen mir 200k Sdt viel zu wenig).
An der Stelle haben mich die Brüder echt überrascht!
Und den Preis dafür bezahlen sie jetzt.
Alles, wofür die Armee gut gewesen wäre (Brute Force, zentrale enge Führung, Raumgewinn, zerschlagen von taktischen und operativen Formationen von close bis deep, Manövrieren in der Tiefe, Verfolgung/Umschließung/Vernichtung) hat kolossal nicht geklappt.
Stattdessen dieser verkackte VDV/Speznaz-Einsatz, dem die BTGs nicht folgen konnten, weil sie schon an Tag 1 Lost in Space und unführbar waren.

Kurzum: an Tag 3 der Operation, als sich diese Wahrheit herausschälte, war ich ernsthaft beleidigt.
Und seither frage ich mich, welcher Vollpfosten das geplant hat.

Es mag Erklärungen geben für den Angriff in BTG-Taktik, beginnend ahrscheinlich vor allem von der Annahme, das UKR keinen ernsthaften militärischen Widerstand leisten würde, bis hin zu engen Angrifssachsen auf aufgeweichtem Boden, der den Angriff größerer Formationen erschwert/unmöglich macht. Aber ein ernsthafter Militär hat das nicht geplant.
Alles was jetzt schief geht, hatten wir 2017 eigentlich für die RUS LaSK als gelöst angesehen, bzw. wir hätten damit gerechnet, dass da Profis sitzen, die aus einer Beurteilung der Lage ebenfalls diese Folgerungen ziehen:

Alles aus der Sicht des RUS Operationsplaners:

ZITAT
Folgerungen:
- starke Route Clearence und Pionierfähigkeiten vorn,
- GSM-Netz aufklären und stören,
- Vormarsch und Räume ständig aus der Luft überwachen,
- Bekämpfen Fd nach Möglichkeit mit indirektem Feuer oder aus der Luft,
- ständige Sicherung eigener Bewegung,
- sollte ein Nebenstoß erforderlich sein, dann Ansatz von Kr mindestens Kräfte in
Btl-Stärke,
- RFI bzgl. ehemaliger Einsatzräume der Waldbrüder. (gilt für BLAU und ROT
gleichermaßen), [LTU-spezifisch; man kann hier auch UKR Widerstand setzen]
- Die LuSK LTU sind entweder frühzeitig am Boden zu lähmen oder vor OpBeginn
durch eig LuSK zu bekämpfen.


ZITAT
Abwägen der Möglichkeiten - Kriterien und deren Einflussfaktoren:

- Wahrscheinlichkeit der Auftr-Erfüllung:
[spezifisch LTU]

- Risiken/Verluste:
• Dezimierung eig Kr durch irreguläre Kr (z.B. „Waldbrüder“),
• Flankenbedrohung,
• Binden eig Kr durch Sich-Maßnahmen in urbanen Räumen.

- Koordinierungsaufwand:
• Absprachen mit anderen TrTl,
• Verfügbarkeit von Marschstraßen,
• Ablösung eig Kr durch Folge-Kr.

- Initiative:
• Fähigkeit, eig OpFü in Hinblick auf Faktoren Kr, Raum und Zeit zu
bestimmen.
- Ãœberraschung:
• Fähigkeit, Wirkung gegenüber einen möglichst unvorbereiteten Fd bzw.
Bevölkerung zu erzielen.

- Flexibilität:
• Binden eig Kr durch Sich-Maßnahmen (v.a. in urbanen Räumen).
• Verfügbarkeit von Marschstraßen.

- Geschwindigkeit:
[LTU-spezifisch]
• Verfügbarkeit von Marschstraßen.


Das sind Auszüge aus dem Ergebnisvortrag möglicher RUS Angriff auf LTU aus der operativ-taktischen Brille deutscher (General-)Stabsoffiziere von 2017... wenn man das Geschehen auf dem Boden anschaut, dann muss man eigentlich zum Schluss kommen, dass entweder der RUS Generalstab richtig schlecht ist, oder das dort niemand mal geplant hat.


--------------------
Thou canst not kill that which doth not live. But you can blast it into chunky kibbles.

Limitless are the ways of mankind in its virulent capacities
Ironic it may seem, for us a chance exists to see
In us also lies the capacity to transcend
 
Glorfindel
Beitrag 29. Mar 2022, 21:19 | Beitrag #43
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Interessante Ausführungen.

ZITAT(Delta @ 29. Mar 2022, 20:14) *
(...) BTGs sind taktische Formationen mit begrenzter Reichweite und Durchhaltefähigkeit. Wo kommt die zweite Welle? Wo ist der Schwerpunkt? Wie wollen die damit einen Durchbruch erzwingen? Wo sind die operativen mobilen Gruppen für freies Operieren in der Tiefe und Umschließungsoperationen? Führen die die ganzen 150 BTGs alle einzeln? Aus diesen Fragen purzeln schon die ein oder anderen operativ-taktischen Schwierigkeiten, die beim Ansatz von 150 BTG zur Eroberung eines Landes absehbar sind und nach dem was ich so beobachte alle voll zuschlagen.

Die Frage/Aussage kam ja oft: wo bleibt die 2. Welle? Es war aber sehr schnell klar, dass zwar etwas wenig Reserve nachgeschoben werden kann, aber keine 2. Welle. Das ist wohl auch ein Manko des ganzen Planes.

Was die BTG's betrifft: Ich habe mich immer gefragt, wie werden diese gezählt, wenn sie nicht rollen als Kolonnen. Brigaden/Regimenter könnte man noch Kommandostände/Brigadenkommandanten/Führungseinrichtungen zählen, aber BTG's?

Ja, und klar. Bodenstreitkräfte sind gegliedert in Korps(Armeen)/Divisionen/Brigaden (bzw. Regimenter) oder zumindest Korps/Brigaden. Und die Korps (Armeen) verfügen über Korpstruppen. Das ist vorliegend alles (mir zumindest mehr oder weniger) unbekannt. Auch nicht wirklich bekannt ist (zumindest mir nicht), ob die Militärbezirke nun die Rolle der Fronten übernehmen, aber es scheint mir der Fall zu sein.

ZITAT
An der Stelle haben mich die Brüder echt überrascht!
Und den Preis dafür bezahlen sie jetzt.
Alles, wofür die Armee gut gewesen wäre (Brute Force, zentrale enge Führung, Raumgewinn, zerschlagen von taktischen und operativen Formationen von close bis deep, Manövrieren in der Tiefe, Verfolgung/Umschließung/Vernichtung) hat kolossal nicht geklappt.
Stattdessen dieser verkackte VDV/Speznaz-Einsatz, dem die BTGs nicht folgen konnten, weil sie schon an Tag 1 Lost in Space und unführbar waren.

Kurzum: an Tag 3 der Operation, als sich diese Wahrheit herausschälte, war ich ernsthaft beleidigt.
Und seither frage ich mich, welcher Vollpfosten das geplant hat.

Es mag Erklärungen geben für den Angriff in BTG-Taktik, beginnend wahrscheinlich vor allem von der Annahme, das UKR keinen ernsthaften militärischen Widerstand leisten würde, bis hin zu engen Angriffssachsen auf aufgeweichtem Boden, der den Angriff größerer Formationen erschwert/unmöglich macht. Aber ein ernsthafter Militär hat das nicht geplant.

(...)
... wenn man das Geschehen auf dem Boden anschaut, dann muss man eigentlich zum Schluss kommen, dass entweder der RUS Generalstab richtig schlecht ist, oder das dort niemand mal geplant hat.


Die schlechte Planung hat mich auch erstaunt. Man hatte jetzt ja jahrelang Zeit. Die Unterstabsabteilung Planung Ukraine hätte längst Zeit gehabt, wirklich detaillierte Planungen für die Eroberung der Ukraine aufzustellen und zwar mit mehreren Varianten. Ich glaube auch nicht, dass dies gemacht wurde, vielleicht aus Geheimhaltungsgründen, aber wenn glaubt, der eigenen Generalstab gebe Infos weiter, dann ist man entweder paranoid oder hat ein echtes Problem.

Auf dem Papier hat der Aufmarsch der Russen ja beeindruckend ausgesehen. Man hat da 200 000 Mann auf drei Seiten der Ukraine auffahren lassen + Luftwaffe + Marine. Ja, da musste man sagen, die Russen können das, mobilisieren und Truppen verlegen. Klar, als ich die Satellitenbilder gesehen habe von den Biwaks im Winter in den weissrussischen und russischen Wälder habe ich mich schon auch gefragt, ist das die ideale Kriegsvorbereitung. Auch das Einkreisen der Ukraine sah sehr bedrohlich und gefährlich aus. Allerdings wurde hier von russischer Seite tatsächlich weder die Umwelt genügend Beachtung geschenkt noch dem möglichen Gegner. Den russischen Truppen ist es nicht gelungen, genügend schnell ihre volle Kampfkraft zu entfalten, u.a. wegen dem Gelände, aber auch wegen mangelnder Logistik.

Ich denke, was insbesondere nicht geklappt hat, wäre noch folgendes:
- die eigene Planung ist von viel zu optimistischen Annahmen ausgegangen, insbesondere was die Fähigkeiten und Kampfmoral des Gegners betrifft
- Ukrainische Luftwaffe/Luftverteidigung wurde bis zum heutigen Tag nicht wirklich ausschalten
- relativ ineffektive Luftnahunterstützung bzw. hier wohl Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und deshalb können die Ukrainer, zumindest zum Teil, auch noch operieren und konventionelle mechanisierte Gegenangriffe durchführen
- relativ schwache Feuerunterstützung durch Artillerie bzw. es ist auch nicht gelungen, die ukrainische Artillerie vollständig zu unterdrücken
- inflexible Führung und zwar auf allen Stufen, wenig selbständiges Handeln auf Stufe Bataillon und darunter
- mangelnde Zusammenarbeit zwischen Kampfpanzer und Mot. Schützen. Das Panzer, z.T. sogar als Einzelfahrzeuge, in feindlichen Ortschaften herumfahren, darf es nicht geben


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Beitrag 29. Mar 2022, 21:35 | Beitrag #44
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ZITAT(Glorfindel @ 29. Mar 2022, 22:19) *
- die eigene Planung ist von viel zu optimistischen Annahmen ausgegangen, insbesondere was die Fähigkeiten und Kampfmoral des Gegners betrifft


Was mich hier vor allem wundert ist der "Plan B". Okay, Plan A verstehe ich noch halbwegs- Luftlandung westlich von Kiew, schneller Vormarsch von Norden aus, Enthauptungsschlag, der dann einen großflächigen Vormarsch auf Charkiw, Sumy, im Donbas und von der Krim sowohl nach Westen und Osten ermöglicht. "Wir müssen nur die Tür auftreten, und das ganze verrottete Gebäude wird krachend zusammenbrechen", hat ja schon mal einer über die Gegend gesagt. Wir wissen heute, dass der Plan auf zu optimistischen Annahmen beruhte, aber Hand aufs Herz: War er ex ante so unrealistisch? Klar ist, dass der Plan spätestens zu dem Zeitpunkt gescheitert war, als die 4th Rapid Reaction Brigade bei Hostomel aufkreuzte.

So, und dann ist Plan A nach 3-4 Tagen gescheitert. Jetzt wäre ein Plan B gut, aber das einzige, was ihnen einfällt ist "Wir treiben jede Offensive weiter voran"? Keine Umgliederung, keine Schwerpunktbildung, einfach stur jeden Offensivarm weitertreiben? Das ist der Teil, der mich mehr wundert. Plan A war überoptimistisch, okay. Aber Plan B ist dann einfach "weiter so"?

Der Beitrag wurde von 400plus bearbeitet: 29. Mar 2022, 21:45
 
Glorfindel
Beitrag 29. Mar 2022, 22:04 | Beitrag #45
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Wie ich schon schrieb, war der Aufmarsch und das Drohszenario beeindruckend und viele Experten sind auch davon ausgegangen, es würde nur ein paar Tage gehen. Aber selbst dann: die Russen hatten keinen funktionierenden Plan, selbst wenn sie Ukrainer im Feld geschlagen hätten. Und dann kommt noch was anderes dazu: Kriege können immer unerwartet verlaufen, weshalb die Planung regelmässig von der gefährlichsten gegnerischen Möglichkeit ausgeht und der eigene Operationsplan muss auch dann funtionieren.


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Delta
Beitrag 29. Mar 2022, 22:07 | Beitrag #46
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Mein Eindruck war genau das: Nachdem der schnelle Enthauptungsschlag mit Luftlandung gescheitert ist (Plan A), das ganze mit den Kräften am Boden noch zu erreichen (Plan B); nachdem das festgefahren war, hörte es nach meiner Bebachtung aber auf und es begann schon das, was wir jetzt sehen: Sinnloses Kurz und Klein hauen, um die UKR doch noch in die Unterwerfung zu prügeln (Ad-hoc-Plan C). Wenn ich meine eigenen Aufzeichnungen ansehe, war dieser Punkt, an dem das Ganze von Plan B nach C abglitt, spätestens am 01./02. März erreicht, also nach einer Woche.


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Beitrag 29. Mar 2022, 22:16 | Beitrag #47
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ZITAT(Delta @ 29. Mar 2022, 21:14) *
Die Gliederung der Kräfte für diesen Feldtzug in BTG machte mich bis zum letzten Moment glauben, dass RUS NICHT angreifen würde, weil die Aufstellung vollkommen ungeeignet erschien. (Zudem schienen mir 200k Sdt viel zu wenig). An der Stelle haben mich die Brüder echt überrascht! [...] Das sind Auszüge aus dem Ergebnisvortrag möglicher RUS Angriff auf LTU aus der operativ-taktischen Brille deutscher (General-)Stabsoffiziere von 2017... wenn man das Geschehen auf dem Boden anschaut, dann muss man eigentlich zum Schluss kommen, dass entweder der RUS Generalstab richtig schlecht ist, oder das dort niemand mal geplant hat.
Danke für die Erklärung warum BND und DGSE sich so dermaßen verschätzt haben.
 
Merowinger
Beitrag 29. Mar 2022, 23:09 | Beitrag #48
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Bleibt die Frage, warum man den sehr expliziten US amerikanischen Warnungen nicht folgen wollte, sogar noch 24h-48h vorher.

Waren die BTGs womöglich für eine mehr oder weniger flächige Besetzung des Landes (oder der östlichen Hälfte) gedacht, unter der Annahme daß Plan A mit VDV, SOF und Infiltration des ukrainischen Geheimdienstes etc. für die Machtübernahme genügen würden? In der russischen Planung stecken gefühlt eine Tonne Arroganz und zwei Tonnen Überheblichkeit.

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 29. Mar 2022, 23:29
 
Delta
Beitrag 29. Mar 2022, 23:10 | Beitrag #49
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Gern geschehen tounge.gif

Obgleich ich sagen muss, dass ich die Möglichkeit des Einmarschs ab kurz vor Weihnachten ernsthaft ins Auge gefasst habe und spätestens ab dieser "Unabhängigkeitserklärung" vom 21./22.02. davon überzeugt war. Irgendwann im Januar oder so war auch der Punkt überschritten, an dem man einen solchen Aufmarsch nochmal hätte einfach so abziehen können (psychologisch/gefühlsmässig).
Aber die Frage des "der meint das doch nicht ernst mit dem Orbat?!" hing bis zuletzt im Raum und ich hab versucht, aus den dürftigen Pressemeldungen, die BTGs gezählt haben, irgendwo Informationsbrocken auf das Vorhandensein von Armeehauptquartieren und vor allem auch den Zwischenebenen zu ziehen - und nicht gefunden. Kann man so machen - wird dann halt aber scheisse.


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Beitrag 29. Mar 2022, 23:13 | Beitrag #50
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ZITAT(Merowinger @ 30. Mar 2022, 00:09) *
Bleibt die Frage, warum man den sehr expliziten US amerikanischen Warnungen nicht folgen wollte, sogar noch 24h-48h vorher.


Wer ist "man?" Politiker, in deren Gedankenwelt das einfach nicht reinpasste? Die Ukraine, die zwar vorbereitet war, aber nicht mobilisierte und damit auch Vabanque spielte? Oder alle anderen, die in dem Spiel nichts zu melden hatten?


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Beitrag 29. Mar 2022, 23:16 | Beitrag #51
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Ja, die verzögerte Mobilisierung, aber auch zum Beispiel die ukrainischen Truppen direkt gegenüber der Krim (auf Manöver, nicht in Stellung/ eingegraben), und das waren ganz bestimmt nicht einzigen ukrainischen Einheiten die lauwarm erwischt wurden. Wobei die Überraschung ja funktioniert hat, siehe Mobilisierung - nur halt auf beiden Seiten.

Die allgemeine Erwartung, daß die ukrainische Kommunikation mehr oder weniger sofort zusammenbrechen würde, hat sich auch nicht erfüllt (genauen Einblick haben wir natürlich nicht), für mich ein weiteres Rätsel. Das man das GSM Netz selbst (für die RA) benötigen würde will ich nicht glauben, so kann doch kein militärischer Planer vorgehen, auch nicht bei einer "militärischen Spezialoperation". Eine mögliche Erklärung wäre, daß nicht der Generalstab sondern die Geheimdienste die Operation (nicht-)geplant haben. Schwer vorstellbar, aber wenn man den level der Allwissenheit in den FSB leaks so liest...

Der Beitrag wurde von Merowinger bearbeitet: 29. Mar 2022, 23:49
 
Mart
Beitrag 29. Mar 2022, 23:30 | Beitrag #52
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ZITAT(Delta @ 29. Mar 2022, 20:14) *
Das ist insgesamt eine sehr gute Fragestellung, die mich schon seit dem Aufmarsch umtreibt, als die ganze Welt anfing BTGs zu zählen und ich mir die Frage stellte: WTF? Wird da falsch gezählt, oder haben die das wirklich vor? Wie stellen die sich das vor, mit BTGs ein Land zu erobern? BTGs sind taktische Formationen mit begrenzter Reichweite und Durchhaltefähigkeit. Wo kommt die zweite Welle? Wo ist der Schwerpunkt? Wie wollen die damit einen Durchbruch erzwingen? Wo sind die operativen mobilen Gruppen für freies Operieren in der Tiefe und Umschließungsoperationen? Führen die die ganzen 150 BTGs alle einzeln? Aus diesen Fragen purzeln schon die ein oder anderen operativ-taktischen Schwierigkeiten, die beim Ansatz von 150 BTG zur Eroberung eines Landes absehbar sind und nach dem was ich so beobachte alle voll zuschlagen.

ZITAT(Glorfindel @ 29. Mar 2022, 21:19) *
Die schlechte Planung hat mich auch erstaunt. Man hatte jetzt ja jahrelang Zeit. Die Unterstabsabteilung Planung Ukraine hätte längst Zeit gehabt, wirklich detaillierte Planungen für die Eroberung der Ukraine aufzustellen und zwar mit mehreren Varianten. Ich glaube auch nicht, dass dies gemacht wurde, vielleicht aus Geheimhaltungsgründen, aber wenn glaubt, der eigenen Generalstab gebe Infos weiter, dann ist man entweder paranoid oder hat ein echtes Problem.

ZITAT(400plus @ 29. Mar 2022, 21:35) *
Was mich hier vor allem wundert ist der "Plan B". Okay, Plan A verstehe ich noch halbwegs- Luftlandung westlich von Kiew, schneller Vormarsch von Norden aus, Enthauptungsschlag, der dann einen großflächigen Vormarsch auf Charkiw, Sumy, im Donbas und von der Krim sowohl nach Westen und Osten ermöglicht. "Wir müssen nur die Tür auftreten, und das ganze verrottete Gebäude wird krachend zusammenbrechen", hat ja schon mal einer über die Gegend gesagt. Wir wissen heute, dass der Plan auf zu optimistischen Annahmen beruhte, aber Hand aufs Herz: War er ex ante so unrealistisch?

Danke für die vielen interessanten Gedanken, die ich nur sehr fragmentarsich zitiere.

Im Grunde muss man mit "ja" antworten. Der russische Generalstab leistet sich mit der GRU einen Militärnachrichtendienst, man musste wissen (und hat es sicher auch gewusst), dass man nicht von mit Blumen winkenden Kindern empfangen wird. Zudem gelten die sowjetischen Generalstabskarten als sehr gut: Die Karte der Marschstraßen und die Karte der Passierbarkeit sollten sich kaum geändert haben: Es musste klar sein, dass NW Kiew ein flutbares Gebiet ist, dass es NW Kiew nur zwei einigermaßen ernsthafte Straßen gibt und dass im Frühjahr die ländliche Ukraine kaum passierbare Matschepampe ist. Und es musste klar sein, dass sich die Motivation der Soldaten in Grenzen hält, wenn man sie zuvor im Winter wochen/monatelang in Zeltlagern kampieren lässt.

Die erste Phase war offenbar nach dem bekannten Schema CSSR/68, Afghanistan, Prizdina angelegt: Nimm mit SpezNas einen Flugplatz ein, lande eine Division Luftlandetruppen dort an und nimm die Kommandozentren der Hauptstadt. Ich bin mir übrigens nicht sicher, ob Hostomel das geplante Ziel war. Ich halte es für möglich, dass der eigentlich geplante Platz Boryspil war - da aber was dazwischen kam: Als die russische Seite das NOTAM mit der Luftraumsperre herausgab, waren zwei türkische A400M schon im ukrainischen Luftraum, sie landeten dann in Boryspil.
Da steht man nun als Leiter Lage im russischen Generalstab und guckt blöd - sind da vielleicht türkische Elitesoldaten drin? Und das sind ja NATO-Maschinen! Das eigene Überraschungsmoment sollte jetzt eigentlich nicht zu DEFCON-1 führen ... Umplanung auf Hostomel, man kann die angelaufene Maschinerie ja nicht einfach so anhalten ... ok, das ist spekulativ, würde aber schon einiges erklären.

Zumindest musste der GRU wissen, dass die hohen ukrainischen Dienstgrade (die kommen ja aus dem gleichen sowjetischen Stall!) das Modell kennen - und sich entsprechend vorbereitet haben. Falls nun eine Detailplanung für Hostomel gar nicht möglich war, würde das zusätzlich begründen, warum die russischen SpezNas so erstaunlich schnell auf Hostomel aufgerieben wurden. Aber egal wie - weiter: Bei einer faktisch kampflosen Einnahme der Kommandopunkte und Fernsehsender Kiews durch die dort anzulandenden Luftsturmeinheiten war der nächste logische Schritt: Massen an Truppen nach Kiew. Da aber nichts eingenommen wurde - wieso schickt man diese gigantische angeblich 63km lange Kolonne trotzdem los, anfangs sogar ohne Truppenluftabwehr?

Mir kann doch niemand erzählen, dass im russischen Generalstab nur Trottel rumsitzen, das glaube ich nicht. Zu diesem Zeitpunkt wäre es übrigens noch möglich gewesen, die nördliche Offensive zu stoppen und den offiziellen politischen Plan "nur 'Volksrepubliken und etwas mehr' befreien" umzusetzen.

Womit ich bei diesen verstärkten Bataillonen bin, nichts anderes sind doch diese BKG. Also die führt der Bataillonskommandeur, vermutlich von einem SPz mit Funk aus. Ob die das inzwischen können weiß ich nicht - jedenfalls war das in sowjetischer Zeit nicht im Handlungsschema, da herrschte Befehlstaktik vor. Faktisch reden wir da von (bis 1990) sst. Bataillonen. Und wie gesagt ist mir völlig unklar, wer überhaupt die BTG übergeordnet führt.

Wenn man nun als alleinige strategische Aufgabe die Einnahme dieser 'Volksrepubliken' im Sinne der eigentlichen Rajonsgrenzen annehmen will: Da könnte es gerade so funktionieren, wäre aber auch grenzwertig. Denn was die meisten immer wieder übersehen: Die Ukraine ist riesig. Selbst bei dieser scheinbar kleinen strategischen Aufgabe reden wir über eine Frontlänge von etwa 300km, das ist ja die Breite der DDR!

An dieser Stelle ganz kurz zu "Plan B":
Viel ist da nicht mit Plan B, jedenfalls nicht auf der strategischen Ebene: Wegen der riesigen Entfernungen (und der verfügbaren Marschstraßen) ist es unmöglich, größere Umgruppierungen auf weißrussischem und russischen Gebiet vorzunehmen.

Ich komme -spekulativ- momentan zu einer anderen Schlussfolgerung, ich muss ganz kurz ausholen: Ich weiß nicht, wer "Suworow: GRU" gelesen hat, das schrieb in den 70er Jahren ein GRU-Überläufer. Der beschreibt die Machtbalance in Russland, ist ein Lesetipp.
Zur Sache: Das Militärs für alle möglichen und unmöglichen Aufgaben vorab planen, halte ich für selbstverständlich. Nun sagt irgendwann Herr Putin: Das wird jetzt akut, bereitet euch vor, langsam Ausgangsstellungen beziehen!" - Der Generalstab sagt "Zu Befehl" und plant vor sich hin. Irgendwann kommt die Stunde der planerischen Wahrheit, man muss zu Herrn Putin: Cheffe, als Übung ok, für Ernstfall nicht machbar.

Und nun prallen zwei Machtblöcke aufeinander. Und in diesem gedanklichen Szenario wird auch die öffentliche Sitzung des Sicherheitsrats sowie die "Beratung" Putins mit Verteidigungsminister und Generalstabsschef klarer: Putin zwang sie zu einem persönlichen Bekenntnis zu seiner Person.

Wenn ich das alles nun auf die Theorie der drei Machtblöcke in Russland zurückführe, würde das ganz praktisch heißen, dass der russische Generalstab Dienst nach Vorschrift macht, gerade so, dass da nicht dutzende Generale vor dem Erschießungskommando landen - und Putin politisch ins offene Messer laufen lassen. Tragischerweise mit vielen, völlig unnötigen Toten.

Etwas tröstliches habe ich mir für den Abschluss aufgehoben: Herr Putin sitzt ja immer an ganz langen Tischen mit viel Abstand. Er hat wohl Angst, sich mit Corona anzustecken. Das heißt ganz praktisch, dass er an seinem Leben hängt. Und das ist eine sehr gute Nachricht für diese wunderschöne Welt.

Während ich den obigen Text schrieb, gab es weitere Beiträge, dazu nur kurz:
Ich bin ja immer wieder erstaunt, bei wem sich so alles der BND mit seinen Erkenntnissen meldet - bei mir meldet er sich nicht. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass er mal mindestens das wusste, was ich wusste: Wochenlang flog eine amerikanische Aufklärungsdrohne mit aktivem Transponder über der Ukraine, wochenlang warnten die USA. Tage vor dem Okkupationsversuch lief die komplette russische Flotte aus sämtlichen Häfen aus - spätestens jetzt war klar: Es wird heiß. Am Abend vor dem Angriff erklärte die russische Seite per NOTAM einen duchaus großen Streifen eigenen Landes zur Ukraine zur Flugverbotszone - da war klar, dass es nicht aufzuhalten ist.

Der Beitrag wurde von Mart bearbeitet: 29. Mar 2022, 23:42


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Beitrag 30. Mar 2022, 00:08 | Beitrag #53
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ZITAT(Delta @ 30. Mar 2022, 00:10) *
Obgleich ich sagen muss, dass ich die Möglichkeit des Einmarschs ab kurz vor Weihnachten ernsthaft ins Auge gefasst habe und spätestens ab dieser "Unabhängigkeitserklärung" vom 21./22.02. davon überzeugt war. Irgendwann im Januar oder so war auch der Punkt überschritten, an dem man einen solchen Aufmarsch nochmal hätte einfach so abziehen können (psychologisch/gefühlsmässig).
Zumindest der EInmarsch in den Donbas war absolut sicher, der Landkorridor zur Krim wahrscheinlich...
ZITAT(Mart @ 30. Mar 2022, 00:30) *
Ich bin ja immer wieder erstaunt, bei wem sich so alles der BND mit seinen Erkenntnissen meldet - bei mir meldet er sich nicht. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass er mal mindestens das wusste, was ich wusste: Wochenlang flog eine amerikanische Aufklärungsdrohne mit aktivem Transponder über der Ukraine, wochenlang warnten die USA. Tage vor dem Okkupationsversuch lief die komplette russische Flotte aus sämtlichen Häfen aus - spätestens jetzt war klar: Es wird heiß. Am Abend vor dem Angriff erklärte die russische Seite per NOTAM einen duchaus großen Streifen eigenen Landes zur Ukraine zur Flugverbotszone - da war klar, dass es nicht aufzuhalten ist.
Es gibt einige Journalisten (Florian Flade, Dirk Gebauer, Christina Schmidt, Martin Kaul, Dirk Laabs, Stefan Aust, Schmidt-Eenboom, Rainer Kahrs,...) die bekanntermaßen sehr gute Kontakte in die deutschen Nachrichtendienste haben. Diejenigen die sich in den letzten Wochen berichtet oder sich in Kollegengesprächen geäußert haben, auch bzgl. des BND-Präsidenten in der UA am Tag des Angriffs, waren recht eindeutig, auch Journalisten aus den USA berichteten dass "die Europäer" trotz der gleichen Informationen (Bidens Briefings) nicht hätten hören woillen.
 
Mart
Beitrag 30. Mar 2022, 00:33 | Beitrag #54
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ZITAT(Tauglichkeit5 @ 30. Mar 2022, 00:08) *
ZITAT(Mart @ 30. Mar 2022, 00:30) *
Ich bin ja immer wieder erstaunt, bei wem sich so alles der BND mit seinen Erkenntnissen meldet - bei mir meldet er sich nicht. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass er mal mindestens das wusste, was ich wusste: Wochenlang flog eine amerikanische Aufklärungsdrohne mit aktivem Transponder über der Ukraine, wochenlang warnten die USA. Tage vor dem Okkupationsversuch lief die komplette russische Flotte aus sämtlichen Häfen aus - spätestens jetzt war klar: Es wird heiß. Am Abend vor dem Angriff erklärte die russische Seite per NOTAM einen duchaus großen Streifen eigenen Landes zur Ukraine zur Flugverbotszone - da war klar, dass es nicht aufzuhalten ist.

Es gibt einige Journalisten (Florian Flade, Dirk Gebauer, Christina Schmidt, Martin Kaul, Dirk Laabs, Stefan Aust, Schmidt-Eenboom, Rainer Kahrs,...) die bekanntermaßen sehr gute Kontakte in die deutschen Nachrichtendienste haben.

Ich weiß jetzt nicht, wie Du Dir einen Militärgeheimdienst vorstellst. Also wenn ich Dienst wäre, würde ich sehr dosiert genau das herausgeben, was ich herausgeben will. Mein öffentlicher Ruf wäre mir völlig Banane, das steht nicht in der Aufgabenbeschreibung. Mir ist durchaus klar, dass der BND einen hinreichend schlechten Ruf hat. Ich kann Dir aber aus erster Hand (offen erklärte Primärakten) berichten, dass der BND ein ausgezeichnetes Lagebild über die sowjetischen Truppen auf DDR-Gebiet hatte, deutlich besser als das MfS hatte. Ich gehe nicht davon aus, dass die dramatisch schlechter wurden.

Mal das Beispiel Flugbewegungen, nimm mal https://globe.adsbexchange.com/ und klicke oben auf dieses "U" bei U/H/T. Das sind die militärischen Flugbewegungen, die den zivilen Transponder an haben. Also das kann ich sehen, Du kannst das sehen, jeder kann das sehen, kein Hexenwerk. Bereits Tage vor Okkupationsbeginn flog eine E3A Sperre an der polnischen Grenze, ein kleinerer Aufklärer über den baltischen Staaten, ständig ein Tanker über Polen und einer über Rumänien - alle abwechselnd von verschiedenen NATO-Staaten gestellt. Zudem immer eine AWACS. Zeitweise airpolicing Schweden/Finnland über der Ostsee, eine amerikanische Drohne über dem schwarzen Meer. Alles schon Tage vor der Okkupation.

Mit den beiden Einsatzführungsbereichen hat die BW ein Luftlageszenario, was weit über öffentlich abrufbare Transponderdaten hinausgeht. Und man darf unterstellen, dass der BND darauf Durchgriff hat. Wenn mir jetzt jemand erzählt, dass der BND überhaupt nichts wusste - entschuldige: Das ist völlig unrealistisch.

Der Beitrag wurde von Mart bearbeitet: 30. Mar 2022, 00:40


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cons
Beitrag 30. Mar 2022, 01:14 | Beitrag #55
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ZITAT(Delta @ 29. Mar 2022, 21:14) *
Die Gliederung der Kräfte für diesen Feldtzug in BTG machte mich bis zum letzten Moment glauben, dass RUS NICHT angreifen würde, weil die Aufstellung vollkommen ungeeignet erschien.

(Hervorhebung durch mich)

Möglicherweise haben das sogar hohe und höchste Kreise des russischen Militärs selbst so geglaubt, weil die wirklichen politischen, strategischen Absichten Putins auch für sie bis zuletzt völlig im Unklaren waren und sie davon ausgegangen sind, dass der Aufmarsch nur als Drohgebärde dienen würde.

Wenn selbst jemand wie Naryschkin offensichtlich keine Ahnung hatte, was Putin wirklich wollte, gab es möglicherweise gar keine detailliert ausgearbeitete Operationsplanung für einen Ukrainefeldzug. Plan A war dann kurzfristig improvisiert unter den vorgegebenen Bedingungen der eigenen Propaganda (Befreiung vom Nazi-Regime, jubelnde Ukrainer, Zusammenbruch des Regimes innerhalb weniger Tage).

Der Beitrag wurde von cons bearbeitet: 30. Mar 2022, 01:26
 
Mart
Beitrag 30. Mar 2022, 02:07 | Beitrag #56
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Ich möchte -sofern mir erlaubt ist- noch einen Gedanken nachtragen, der mich auch verblüffte. Das war mir so selbstverständlich, dass ich ihn gar nicht anführte, hiermit hole ich das nach.

Ohne den russischen Okkupationsversuch auch nur ansatzweise zu billigen, versetze ich mich in die Sicht des russischen Generalstabs. Was geht rein praktisch mit den Truppen, die ich ganz real wegen der OSZE-Beschränkungen usw habe? Dabei ignorieren wir erstmal die Matschepampe, die abseits der Straßen im Frühjahr dort ist.

Der wirklich wichtigste nachteilige und gleichzeitig vorteilhafte Punkt ist die Topografie. Bitte mal kurz GMaps aufmachen und auf Satellit umstellen.

Mit dem Dnepr gibt es eine natürliche Landbarriere mit extrem wenigen Brücken, kein Gedanke an Pontons oder Militärbrücken. Eine weitere natürliche topografische Barriere ist die Fluss-Wald-Landschaft Sumy-Poltawa-Orlyk.

Weiterhin muss man wissen, dass Russland die Idee der sog. operativen Manövergruppe OMG kannte: Drei Divisionen kämpfen sich vor der Front(!) in schnellem Marsch (150km/d) durch. Regulär unterstellte Truppen folgen und kämpfen den Restwiderstand nieder.

Eine einigermaßen realistische Idee wäre gewesen, mit einer OMG östlich von Charkow durchzubrechen, Poltawa östlich zu passieren und östlich des Dnepr auf von südlicher Seite kommende weitere OMG zu treffen: Die Ostukraine wäre eingekesselt.

Nach den ersten Fehlschlägen wurde das eine unrealistische Option.


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Beitrag 30. Mar 2022, 06:07 | Beitrag #57
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Man hat sich die Hose größer als den Ar$#@ gemacht. Es fehlt schlicht der Schwerpunkt....alles andere, was verbockt wurde, ist nur Beiwerk.
 
400plus
Beitrag 30. Mar 2022, 09:07 | Beitrag #58
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Ein "contrarian" Twitter-Thread zum Thema:
https://twitter.com/RealScottRitter/status/...813631311466496

Dass es mit Siegesparaden in Kiew (aber: Strohmann anyone?) zu früh ist, teile ich ja, aber die Idee, dass der Angriff im Norden nur eine Finte war, um bei Mariupol landen zu können ist dann doch ein wenig zu viel für meinen Geschmack. Auch, dass man die Landbrücke brauchte, um Truppenverlegungen zwischen Norden, Mitte und Süden zu vereinfachen ist zumindest beim Argument Mitte-Norden schon mal grundfalsch. Nichts und niemand auf der Welt hat die Russen davon abgehalten, ihre Hauptkräfte bei Belgorod anzusetzen und dann von da nach Südwesten auf den Dnjepr zu zielen. Das nicht zu tun, war eine Entscheidung und kein "Oh, dafür brauchen wir erst einmal Mariupol".

Der Beitrag wurde von 400plus bearbeitet: 30. Mar 2022, 09:13
 
Freestyler
Beitrag 30. Mar 2022, 09:30 | Beitrag #59
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Les den Artikel zu Scott Ritter auf Wiki und dann lösch den Beitrag tounge.gif

ZITAT
Scott Ritter currently writes op-eds for Russia-state-controlled media, Russia Today RT. on issues pertaining to international security, military affairs, Russia, and the Middle East, as well as arms control and nonproliferation.

Ritter is a registered sex offender, having been convicted of unlawful contact with a minor and five other charges in a 2011 trial.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Scott_Ritter


Edit: ansonsten fände ich es gut, wenn wir uns hier auf die ORBAT konzentrieren können.

Der Beitrag wurde von Freestyler bearbeitet: 30. Mar 2022, 09:33
 
400plus
Beitrag 30. Mar 2022, 09:35 | Beitrag #60
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facepalmfji3.gif Urgs, sorry. Twitter-Bio klang seriöser.

Der Beitrag wurde von 400plus bearbeitet: 30. Mar 2022, 09:56
 
 
 

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