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> Panzerkanone "Steigung" der Züge
Dirk
Beitrag 11. May 2018, 10:58 | Beitrag #1
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Wir alle sollten wissen das bei gezogenen Läufen von Panzerkanonen Züge und Felder zur Anwendung kommen.

Meine Frage ist ob es ein optimales Verhältnis für die, nennen wir es "Steigung" (ähnlich der eines Gewindes) gibt, das für die Auslegung maßgeblich ist?

Ich kann mir vorstellen, das ein Lauf mit sehr kleiner Steigung dazu führt das dass Geschoss stark rotiert, und dabei reichlich Reibungsenergie liegen lässt,
oder gar, je nach Geschwindigkeit die Züge/Felder quasi überrutscht...

Welches sind also die Merkmale die nötig sind um die Steigung der Züge/Felder zu bestimmen?

Da wäre die Geschwindigkeit des Geschosses, die ja mehr oder weniger vorgegeben ist, aber auch eben durch die Reibung/Steigung beeinflusst wird.
Dann eine gewünschte/optimale Rotationsgeschwindigkeit, also wie viel Rotation benötigt eigentlich ein Geschoss um als stabil zu gelten.

Und wenn es so ein optimales Verhältnis gibt (z.B. Steigung pro m = 10x Durchmesser des Geschosses), wie verhält sich das dann bei den unterschiedlichen Munitionsarten und deren unterschiedlichen Geschwindigkeiten?
Eine Hartkerngranate mit z.B. 1000m/s ist ja was anderes als eine HE-Granate mit 750m/s...
Muss der geneigte Konstrukteur da dann einen Kompromiss eingehen?


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Der Schlaue kann sich dumm stellen, aber der Dumme nicht schlau!
 
KSK
Beitrag 11. May 2018, 13:52 | Beitrag #2
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Such mal nach Drall/Drallwinkel/Dralllänge. Bei Hsndfeuerwaffen wird der Drall mitunter abhängig von Rohrlänge und Geschossgewicht/-Geschwindigkeit gewählt. Wie genau das Optimum ermittelt wird bzw. worauf hin optimiert wird kann ich dir auf Anhieb nicht sagen.
 
Cuga
Beitrag 11. May 2018, 21:15 | Beitrag #3
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Das Ziel des Dralls ist es das Geschoss in eine Rotation um seine Längsachse zu versetzen. Wenn man sich ein rotationssymmetrisches Spitzgeschoss im Flug vorstellt, dann kann man sich einfach vorstellen, dass die größten Kräfte im vorderen Bereich des Geschosses angreifen. Der Masseschwerpunkt des Geschosses liegt aber weiter hinten, näher am Heck als an der Spitze des Geschosses. Entsprechend der Länge zwischen Masseschwerpunkt und dem Angriffspunkt der aerodynamischen Kräfte, ist der Hebel mit welchem diese Kräfte das Geschoss von seinem Kurs abbringen wollen, sobald die Angriffsrichtung der Kräfte auch nur kurz nicht mit der Längsachse des Geschosses übereinstimmt. Hinzukommt, dass der Masseschwerpunkt aufgrund von Fertigungstoleranzen nicht unbedingt auf der Längsachse liegen muss.
Die Geschwindigkeit mit welcher ein Geschoss um seine Achse rotieren muss, um stabil mit der Spitze vorraus zu fliegen, bestimmt welche Steigung die Züge des Rohres haben, bzw innerhalb welcher Distanz sie eine volle Umdrehung vollziehen müssen.
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Miller_twist_rule
Ich kann morgen nochmal etwas aus Modern Exterior Ballistics von McCoy hochladen.


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ZITAT(Nite @ 18. Aug 2023, 23:51) *
Österreich ist wenn man den Balkan mit deutscher Bürokratie kreuzt
 
xena
Beitrag 11. May 2018, 23:16 | Beitrag #4
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Wobei man auch sagen muss, dass die Steigung der Züge mit der Ballistik der Munition zusammen hängt. Gut zu sehen an der 5,56mm NATO-Munition bei Gewehren. Die ursprüngliche Munition M193 brauchte eine Steigung von 305mm, während die neuere SS109/M855 230 mm benötigt. Alle Gewehre, die die moderne Munition verwenden, werden mit dieser Steigung gebaut. Ähnlich dürfte es auch bei der Artillerie sein, dass die Kombination von Standardmunition mit einem bestimmten Kaliber auch eine bestimmte Steigung benötigt. Man kann nicht einfach die Züge machen wie man lustig ist. Entweder es zerlegt das Geschoss im Rohr, oder es taumelt dann wild in der Luft herum. Von daher kann man die ursprüngliche Frage mit ja, beantworten, dass es ein optimales Verhältnis gibt, allerdings zwischen Steigung und Munition.


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Stefan Kotsch
Beitrag 12. May 2018, 22:00 | Beitrag #5
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Der Drall ist überdies eine Kenngröße für die Belastung des Führungsringes. Bei Handwaffen und anderen eher kleinkalibrigen Waffen ist das weniger bedeutsam. Sobald das Kaliber so ansteigt, dass Führungsringe zum Abdichten des Spaltes zwischen Rohr und Geschoss notwendig werden wird das bedeutsam. Hier entsteht die sogenannte Leistenkraft also an den Kanten der Züge.
Es gibt den konstanten Drall, der den Vorteil einfacher Fertigung hat, aber eine hohe Spitze bei der Leistenkraft aufweist. Man kann den Drall zur Mündung hin größer werden lassen, das nennt man Progessivdrall. Dabei ist der Verauf der Leistenkraft ohne hohe Spitze. Durch die Gestaltung der Zunahme des Dralls zur Mündung hin kann man den Erfordernissen der jeweiligen Geschosse und deren Führungringen gut Rechnung tragen. Ein Beispiel sind Revolverkanonen, bei denen das Geschoss nach dem Lösen aus der Hülse einen gewissen, längeren "Freiflug" hat bis es in den gezogenen Rohrteil kommt. Um die Beanspruchung gering zu halten ist es hier erforderlich den Anfangsdrall möglichst gering zu halten um ihn dann ansteigen zu lassen.
Für eine hohe Präzision der Waffe ist es zweckmäßig, dass das Geschoss die Mündung ohne große Kraftsprünge verlässt. Das kann dadurch vermieden werden, dass im letzten Rohrteil der progressive Drall durch ein Stück mit konstantem Drall abgelöst wird. Der konstante Drall hat ja an der Mündung relativ geringe Leistenkräfte zur Folge, weil die Beschleunigung der Drallbewegung beendet wird. Das Drallmoment übt zusätzlich auch eine Gegendrehkraft auf das Rohr aus die von der Rohraufhängung/Lafettierung aufgefangen werden muss; bei Geschützen sind hier die Schildzapfen die durch das Drallmoment am meisten beanspruchte Baugruppe. Die Kadenz, die Kräfte an Geschoss, Rohr, Zügen, Führungsring und die thermische Belastung dieser Teile sind entscheidende Kenngrößen die auf die konstruktive Auswahl der Drallgestaltung Einfluss haben. DIE eine optimale Drallgröße gibt es also nicht.

Der Beitrag wurde von Stefan Kotsch bearbeitet: 12. May 2018, 22:03
 
Ta152
Beitrag 13. May 2018, 09:32 | Beitrag #6
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Das hier vielleicht interessant? Kommt aus dem Waffentechnischen Handbuch von Rheinmetall, wenn ja würde ich die beiden nächsten kurzen Kapitel auch noch abfotografieren.
Angehängte Datei(en)
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Dirk
Beitrag 14. May 2018, 12:10 | Beitrag #7
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Okay, bis dahin verstanden...

Bleibt dann immer noch die Frage ob bei den verschiedenen Munitionssorten (z.B. Hartkern oder HE) dann bezüglich des Dralls ein Kompromiss eingegangen wird.
Oder ist z.B. das Hartkerngeschoss jenes für das der Drall ausgelegt wird und das HE Geschoss muss mit dem für ihn möglicherweise ungünstigerem Drall "leben".
Oder sind die Anforderung/Differenzen an die Steigung dieser beiden Munitionssorten so marginal, dass man das vernachlässigen kann?

Rein prozentual betrachtet sind 750m/s zu 1000m/s ja schon deutlich unterschiedlich...


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xena
Beitrag 14. May 2018, 13:55 | Beitrag #8
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Als es bei Panzerkanonen noch Züge gab, waren die Munitionssorten überschaubar. Wichtig war, dass die Hartkernmunition optimal war. Die anderen Sorten haben sich ballistisch an diese orientiert. Bei MK-Munition sieht man das sehr gut. Da haben meist alle Munitionssorten die gleiche Form und das gleiche Gewicht. Bei der L7 dürfte die APDS Munition das Maß gewesen sein. HEAT und HESH hat man dann wohl so optimiert, dass sie damit zurecht kommen.


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Dirk
Beitrag 15. May 2018, 10:32 | Beitrag #9
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ZITAT(Ta152 @ 13. May 2018, 10:32) *
Das hier vielleicht interessant? Kommt aus dem Waffentechnischen Handbuch von Rheinmetall, wenn ja würde ich die beiden nächsten kurzen Kapitel auch noch abfotografieren.


Danke der Nachfrage, aber nein, musst du nicht auch noch abfotografieren.
Ich verzichte auf die wissenschaftliche Tiefenbohrung.

Die Frage mit der Steigung schoss mir so durch den Kopf als ich die verschiedenen Geschwindigkeiten der Munition anschaute.
Da ergab sich die Überlegung wohin gehend die Steigung eigentlich ausgelegt wird.


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Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 28. March 2024 - 17:57