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> Militärische Tradition bei der Bundeswehr und anderswo
SailorGN
Beitrag 9. Jul 2017, 11:02 | Beitrag #1
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Da es etliche Themen anschneidet, packe ich es mal hierher:

DLF-Interview mit GenInsp Wieker

Der Beitrag wurde von Almeran bearbeitet: 12. Jul 2017, 15:51


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Forodir
Beitrag 9. Jul 2017, 11:36 | Beitrag #2
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Was mich in den Berichterstattungen immer noch stört ist das hier von einem "Bundeswehr-Skandal" geschrieben wird, was ich beim besten Willen einfach nicht erkennen kann. Der Skandal betrifft eher das BMVG und die IBUK und gerade so glattgeschliffen Personen wie General Wieker der eigentlich ein schönes Symptom der darniederliegenden Führungskultur ist die sich die Politik rangezüchtet hat. Daher von ihm auch nichts wirklich überaschendes in dem Interview.

Als Beispiel eine einfache Frage an ihn aus dem Interview

"Clement: Das heißt, Sie würden Menschen aus der Wehrmacht, die der Wehrmacht gedient haben, heute als traditionswürdig bezeichnen?

Wieker: Nein, das habe ich nicht gesagt. Die Wehrmacht als Ganzes kann natürlich nicht traditionsstiftend sein. Aber die herausragende Einzeltat, die Angehörigen des Widerstandes sind natürlich auch für kommende Generationen traditionsstiftend, wenn sie in Streitkräften dienen."


Anstatt einfach und ganz klar zu sagen: Ja, Einzelpersonen sind durchaus Traditionsstiftend ( was ja auch heutzutage so ist), man muss halt genau sagen wofür! Mut, Loyalität, Durchhaltevermögen usw, usf. und nicht jede Person ist Traditionsstiftend aber die reine Mitgliedschaft an der Wehrmacht kann/darf nicht zu einem Stigma führe!


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SailorGN
Beitrag 9. Jul 2017, 11:50 | Beitrag #3
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Halte ich für gefährlich und pauschal: Mut in einem Angriffskrieg mit ausgeprägter Genozidabsicht und-Durchführung, Loyalität ggü. einem menschenverachteten Regime und Durchhaltevermögen im Angesicht einer selbstverschuldeten Niederlage sind KEINE traditionsfähigen Merkmale. Gerade nach Nürnberg und i´m rechtlichen Rahmen des jetzigen Befehlsrecht sind diese Dinge nicht nur hohl, sondern kontraproduktiv.

Und warum darf die Mitgliedschaft in der Wehrmacht nicht zu einem Stigma führen? Die Wehrmacht war williges Instrument im Vernichtungskrieg, hat selbst Kriegsverbrechen im Dutzend begangen... Angesichts der Mittäterschaft ist die Umkehrung der Beweislast angebracht. Gleichzeitig ist völlig unverständlich, warum Wehrmachtsleute besser gestellt sind als NVA-Soldaten^^


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Forodir
Beitrag 9. Jul 2017, 13:07 | Beitrag #4
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ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 12:50) *
Halte ich für gefährlich und pauschal: Mut in einem Angriffskrieg mit ausgeprägter Genozidabsicht und-Durchführung, Loyalität ggü. einem menschenverachteten Regime und Durchhaltevermögen im Angesicht einer selbstverschuldeten Niederlage sind KEINE traditionsfähigen Merkmale. Gerade nach Nürnberg und im rechtlichen Rahmen des jetzigen Befehlsrecht sind diese Dinge nicht nur hohl, sondern kontraproduktiv.

Und warum darf die Mitgliedschaft in der Wehrmacht nicht zu einem Stigma führen? Die Wehrmacht war williges Instrument im Vernichtungskrieg, hat selbst Kriegsverbrechen im Dutzend begangen... Angesichts der Mittäterschaft ist die Umkehrung der Beweislast angebracht. Gleichzeitig ist völlig unverständlich, warum Wehrmachtsleute besser gestellt sind als NVA-Soldaten^^


Diese Meinung halte ich für pauschal. Dann wird es aber Dünn bei den Gründungsmitgliedern der Bundeswehr und der inneren Führung und beim Widerstand, die Prüfung der Gesamtperson muss hier (so wie es auch der Traditionserlass vorsieht) im Vordergrund stehen und mann muss auch ganz klar sagen das unsere Modernen Erkenntnisse und Gesellschaftliche Moral auf Personen der Geschichte nicht hunderprozentig anwendbar sind, sonst gäbe es niemanden den man als Traditionswürdig benennen könnte.

Eine Armee (auch eine Moderne) lebt davon von Vorbildern die außergewöhnliches unter Einsatz ihres Lebens vollbracht haben und dabei Mut und können gezeigt haben und zwar im Kampf!
Die Teilnahme an persönlichen Kriegsverbrechen disqualifiziert hier natürlich, jedoch die Teilnahme am Krieg innerhalb der Wehrmacht als ganzes nicht. Dazu hatten die Teilnehmer zu großen Teilen weder die Informationen noch das geistige Rüstzeug.


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Beitrag 9. Jul 2017, 14:34 | Beitrag #5
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ZITAT(Forodir @ 9. Jul 2017, 14:07) *
Diese Meinung halte ich für pauschal. Dann wird es aber Dünn bei den Gründungsmitgliedern der Bundeswehr (1) und der inneren Führung und beim Widerstand, die Prüfung der Gesamtperson muss hier (so wie es auch der Traditionserlass vorsieht) im Vordergrund stehen und mann muss auch ganz klar sagen das unsere [m]odernen Erkenntnisse und Gesellschaftliche Moral auf Personen der Geschichte nicht hunderprozentig anwendbar sind (2), sonst gäbe es niemanden den man als [t]raditionswürdig benennen könnte.
(1) Richtig. Dann muss man eben auf das Heer des NS-Regimes verzichten. Ist jetzt nicht wirklich ein Problem für eine demokratische Gesellschaft.

(2) Das ist ein eindeutig klärbarer Punkt, auf den es zwei Anworten gibt: a) als traditionswürdig kann nur gelten, wer oder was unseren moralischen Grundsätzen entspricht, zumindest in ausreichendem Maße, also hinsichtlich unserer Grundwerte, wie sie im Grundgesetz definiert sind. Wenn dann fast jedes Mitglied der Wehrmacht rausfällt (s. o.), ist das weder für die ein Problem - sie würden nicht Mitglied unseres modernen Deutschlands sein wollen und haben das auch zu jeder Zeit abgelehnt - und auch nicht für uns, denn wir brauchen sie nicht für ein gutes Zusammenleben. Dazu kommt (b), dass auch nach den für hochrangige Offiziere erkennbaren Vorgängen und juristischen wie moralischen Grundsätzen der Zeit das NS-Regime in allen seinen Grundsätzen und Handlungen verfassungswidrig - im Sinne der Weimarer Verfassung - agierte, die tradierte Gesellschaft durch Gewalt, Terror und Völkermord zu zerstören suchte und Angriffskriege vorbereitete und durchführte. Auch nach den deutschen wie internationalen juristischen wie moralischen Vorstellungen waren die Taten des NS-Regimes somit pervers, rechtswidrig und zu verachten. Sie mitzuplanen, zu ermöglichen und auszuführen, ja sie allein zu dulden war somit Mitwisserschaft und Mittäterschaft, also Mitschuldigkeit.

Wer nicht aktiv im Widerstand war, um Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechte wiederherzustellen, ist demnach nicht traditionswürdig. Man mag dann konkret unschuldig sein, wie viele Zivilisten oder Soldaten es sicher waren, aber keiner ist allein durch Unschuldigkeit per se traditionswürdig. Traditionswürdigkeit erringt man durch aktives Handeln. Ducken, mitlaufen und wegschauen sind keine Leistungen, die es zu würdigen gilt.

ZITAT
Eine Armee (auch eine [m]oderne) lebt [...] von Vorbildern die [A]ußergewöhnliches unter Einsatz ihres Lebens vollbracht haben und dabei Mut und [K]önnen gezeigt haben[,] und zwar im Kampf!
Die Teilnahme an persönlichen Kriegsverbrechen disqualifiziert hier natürlich, jedoch die Teilnahme am Krieg innerhalb der Wehrmacht als ganzes nicht. Dazu hatten die Teilnehmer zu großen Teilen weder die Informationen noch das geistige Rüstzeug.
Du redest hier aber von Individuen. Und Individuen können nicht generelle Vorbilder für Organisationen sein. Die Bundeswehr soll eben nicht generell sein wie Schütze Huber. Eine Traditionswürdigkeit der Wehrmacht würde bedeuten, die Wehrmacht wäre generell ein Vorbild für die Bundeswehr. Das kann sie nicht sein, denn sie war in Gänze ihrer Existenz eine Organisation, die Angriffskrieg, Völkermord und Terror geduldet, ermöglicht, geplant und ausgeführt hat. Ohne die Wehrmacht, die Gefügigkeit, Willfährigkeit und Linientreu ihrer Führer, Unterführer und Soldaten in großer Masse hat den Nationalsozialisten erst Wiederaufrüstung, Krieg und Vernichtung einer großer Anzahl an Menschen, Gesellschaften und ganzer Völker ermöglicht.

Deswegen können - wie oben schon gesagt - nicht per se Vorbilder unter den Angehörigen der Wehrmacht gefunden werden, sondern man muss einzelne Personen identifizieren und darlegen, warum sie ausnahmsweise und trotz ihrer Zurgehörigkeit zur Wehrmacht ein Beispiel für moderne Soldaten sein können. Im Übrigen halte ich es - aus persönlicher Sicht, wie aus der eines Historikers - für falsch, dass eine Armee historische Vorbilder zwingend historische Vorbilder, insbesondere solche aus der NS-Diktatur, benötigt.

Keine andere Organisation in Deutschland behauptet das so vehement von sich, wie die Bundeswehr oder ihr nahestehnde Gruppen. Ich höre keinen Polizisten, keinen Feuerwehrmann, keinen Arzt und keinen Mitarbeiter von Behörden, von großen oder kleinen Firmen sagen "der Schutzmann/Brandmeister/Doktor/Amtmann/Herr Schmidt aus der Wache X oder dem Klinikum Y oder der Verwaltung für Z oder der Niederlassung in A war so ein großartiger Mann, nur seines Beispiels wegen können tausende junger Leute heute anständig Kriminalität bekämpfen, Brände löschen, Patienten operieren, Formulare ausfüllen oder Turbinen herstellen."

Im Gegenteil, in der Masse sind Organisationen in Deutschland heute aus sich selbst heraus gute Anbieter ihrer Dienstleistungen, Waren oder Produkte, weil sie ein professionelles Ethos haben und ihm folgen. Die Bundeswehr diskutiert hingegen noch nach über 70 Jahren, ob die Wehrmacht grundsätzlich traditionswürdig war und sie tut es allein über die Wehrmacht. Warum? Weder die Reichswehr der Weimarer Republik, noch das Deutsche Herr des Kaiserreichs und schon gar nicht die NVA gelten der modernen Bundeswehr als diskutabel, dabei waren keine dieser Organisationen in so große Verbrechen involviert, wie die Wehrmacht, und die Reichswehr war gar die erste Streitkraft eines demokratischen Deutschlands.

Woher kommt also dieses irrationale, für eine Demokratie völlig widersinnige Festhalten an der größten Maschinerie der Vernichtung in der Geschichte der Welt?


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Forodir
Beitrag 9. Jul 2017, 14:56 | Beitrag #6
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Das ist relativ einfach erklärt, weil eine Armee sich über das bestehen im Kampf definiert, das ist es eben was Militär von allen anderen abhebt, der große Unterschied. Es ist eben keine Friedensorganisation und daher sind Beispiele aus dem Krieg (es gibt auch welche aus dem ersten Weltkrieg) einfach wichtig. Es ist eben irrational, darum geht es doch. Mut, Können, Durchhaltewillen sind eben immer noch Teil einer Tradition einer Armee und dies braucht Bilder.



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xena
Beitrag 9. Jul 2017, 15:36 | Beitrag #7
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 13:34) *
Woher kommt also dieses irrationale, für eine Demokratie völlig widersinnige Festhalten an der größten Maschinerie der Vernichtung in der Geschichte der Welt?

Weil die BW Ende der 50er von Nazis aufgebaut wurde. Anders kann man es nicht ausdrücken. Sie haben ihre Traditionen mitgebracht, bzw versucht so viel aus ihrer Tradition in die neue Bundeswehr zu retten wie möglich. Jahrzehnte lang haben BW-Kasernen die Namen von Nazi-Offizieren getragen und erst nach einem Generationswechsel gab es dann eine Welle der Umbenennungen. Davor hat es niemanden gestört, nicht mal linken Politikern bzw Verteidigungsministern. Nach jedem Generationswechsel, bzw Skandal gibt es eine kleine Säuberungswelle dieser alten Traditionen. Völlig gesäubert ist es bis heute nicht, wie man sehen kann. Nach Jahrzehnten ist es auch schwer solche "Traditionen" aus der BW heraus zu bekommen. Woran soll sich die BW jetzt noch halten? Soll sich eine BW an Fahnenflüchtlingen und Befehlsverweigerern halten? Für die Geschichte sind das vorbildliche Menschen, aber für eine Armee? Eine sinnvolle Tradition zu etablieren, für ein Land mit dieser Vergangenheit, ist es wahrlich nicht einfach. Vor allem die heute nicht mehr tragbaren Traditionsteile aus der BW zu entfernen ist auch nicht gerade einfach und braucht gutes Fingerspitzengefühl und keine Politiker die sich damit in der Öffentlichkeit brüsten.

Der Beitrag wurde von xena bearbeitet: 9. Jul 2017, 15:40


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SailorGN
Beitrag 9. Jul 2017, 15:48 | Beitrag #8
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Die Definition einer Armee über ihr Bestehen im Kampf ist es eben nicht. Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern. Mut, Loyalität und Durchhaltevermögen werden erst dann traditionswürdig, wenn sie für die richtigen Werte erbracht wurden. Es geht nicht darum, militärische Werte zu negieren, sondern darum, dass sie im "richtigen" Kontext erbracht werden. Gerade das deutsche Militär hat da einen enormen Lernprozess durchgemacht, wobei bspw. der Protest von Offizieren beim Kosovokrieg stehen. Man kann als Soldat darüber denken, was man will... nur ist es einfach folgerichtig, die Gründe für Krieg und Kampf zu hinterfragen. Die Wehrmacht hat dies nicht getan, sondern bis 5 nach 12 durchgehalten. Das geistige Rüstzeug und die Informationen über einfach alles war insbesondere auf der Generalstabsebene deutlich vorhanden. Selbst einfache Soldaten wussten Bescheid... Wehrmachtsteile haben auch KZ-Aussenstellen eingerichtet, betrieben und bewacht. "Nix gewusst" ist ein schon lange widerlegtes Argument, sowohl bei Wehrmacht als auch in der Zivilbevölkerung.

@Schwabo: Die Glorifizierung der WM bei Soldaten resultiert einfach daraus, dass die WM all das tun und lassen konnten, was BW, NVA und RW immer nur geübt haben. Im Vergleich mit der Feuerwehr: Man übt und übt und übt, hat aber nie einen Einsatz. Opa Heinz dagegen ist tagtäglich ausgerückt und hat "echte" Feuer gelöscht. Deshalb ist Opa Heinz ein Held, weil er beweisen konnte, wie toll man vorher geübt hat. Dass im Unterschied dazu die BW mittlerweile auch wieder "Helden" hat wird gern übersehen... woran auch die Politik schuld ist... weil sie das Feuer eben nicht Feuer nennt und das sowohl gegenüber der BW wie auch der Bevölkerung. Trotz Einsätzen herrscht vielerorts das Bild der "faul daheim rumlungernder" Soldaten vor und viele Soldaten haben das tlw. angenommen. Zusammen mit dem Gefühl eben nicht kämpfen zu dürfen führt zur Überhöhung "alter Kämpen".


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Hummingbird
Beitrag 9. Jul 2017, 16:04 | Beitrag #9
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ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 16:48) *
Die Definition einer Armee über ihr Bestehen im Kampf ist es eben nicht. Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern. Mut, Loyalität und Durchhaltevermögen werden erst dann traditionswürdig, wenn sie für die richtigen Werte erbracht wurden.
Das magst du vielleicht so sehen, Briten, Franzosen und diverse andere europäische Demokratien mit kolonialer Vergangenheit aber wohl eher weniger.
 
Glorfindel
Beitrag 9. Jul 2017, 16:17 | Beitrag #10
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ZITAT(Forodir @ 9. Jul 2017, 13:07) *
Eine Armee (auch eine Moderne) lebt davon von Vorbildern die außergewöhnliches unter Einsatz ihres Lebens vollbracht haben und dabei Mut und können gezeigt haben und zwar im Kampf!
(...)

Das eine Armee von (historischen) Vorbildern lebt, bezweifle ich. Ich gehe damit einig, dass eine Armee Werte hat und diese auch ihren Angehörigen zu vermitteln hat. Auf historische individuelle Vorbilder kann meines Erachtens getrost verzichtet werden. Die Werte von Soldaten/Offizieren sind meiner Ansicht nach grundsätzlich universal, es handelt sich um Dinge wie Auftragstreue, Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Ehrlichkeit, Mut und nicht zu letzt Menschlichkeit sowie Stolz und Ehrgefühl, Soldat zu sein und nach diesen Werten zu handeln sowie das eigene Ansehen, das seiner Armee und seines Landes nicht zu beschmutzen.

Um nach soldatischen Grundsätzen zu handlen, braucht man meiner Ansicht nach keine Vorbilder, sondern die Einsicht, dass es richtig ist. Es ist aber hilfreich, wenn in einer Armee diese Grundsätze vorgelebt werden und wenn dem Respekt von Seiten der Bevölkerung und Politik entgegengebracht wird.

Auch wenn es mich grundsätzlicht nichts angeht, da ich nicht Angehöriger der Bundeswehr bin, stimme ich mit Schwabo und SailerGN überrein, dass es keinen Zweifel gibt, dass die Wehrmacht und Wehrmachtsangehörige nicht als militärische Vorbilder für die Bundeswehr taugen. Die Bundeswehr benötigt meines Erachtens aber auch gar keine solche Vorbilder.



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Beitrag 9. Jul 2017, 16:17 | Beitrag #11
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ZITAT(Hummingbird @ 9. Jul 2017, 17:04) *
ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 16:48) *
Die Definition einer Armee über ihr Bestehen im Kampf ist es eben nicht. Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern. Mut, Loyalität und Durchhaltevermögen werden erst dann traditionswürdig, wenn sie für die richtigen Werte erbracht wurden.
Das magst du vielleicht so sehen, Briten, Franzosen und diverse andere europäische Demokratien mit kolonialer Vergangenheit aber wohl eher weniger.


Nur ist die BW weder eine britische, französische oder diverse andere demokratische Armee. Sie ist die Deutsche Armee und auch wenn man das in diversen Kreisen und vielleicht auch im Ausland offziell mittlerweile nicht mehr so eng sieht, hat diese Armee doch eine bestimmte Verantwortung die sich aus der Geschichte ergibt. Dass Briten, Franzosen und alle anderen auch keinen geringen Dreck am Stecken haben ist ein anderes Thema, mit dem sich die betreffenden Nationen auseinander setzen müssen.

Der Beitrag wurde von Madner Kami bearbeitet: 9. Jul 2017, 16:19


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:20 | Beitrag #12
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ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 16:48) *
@Schwabo: Die Glorifizierung der WM bei Soldaten resultiert einfach daraus, dass die WM all das tun und lassen konnten, was BW, NVA und RW immer nur geübt haben. Im Vergleich mit der Feuerwehr: Man übt und übt und übt, hat aber nie einen Einsatz. Opa Heinz dagegen ist tagtäglich ausgerückt und hat "echte" Feuer gelöscht. Deshalb ist Opa Heinz ein Held, weil er beweisen konnte, wie toll man vorher geübt hat. Dass im Unterschied dazu die BW mittlerweile auch wieder "Helden" hat wird gern übersehen... woran auch die Politik schuld ist... weil sie das Feuer eben nicht Feuer nennt und das sowohl gegenüber der BW wie auch der Bevölkerung. Trotz Einsätzen herrscht vielerorts das Bild der "faul daheim rumlungernder" Soldaten vor und viele Soldaten haben das tlw. angenommen. Zusammen mit dem Gefühl eben nicht kämpfen zu dürfen führt zur Überhöhung "alter Kämpen".


Das ist mir durchaus bewusst. Ich wollte nur noch ein wenig Raum für Diskussionen lassen. smile.gif Und ich denke, wir sind uns einig, dass die Bundeswehr hier auch von ihren Regierungen um die Möglichkeit eigene Traditionen aufzubauen betrogen wurde, weil man eben keine "Kriege" kämpfen durfte, sondern bestenfalls "kriegsähnliche Zustände erlebt hat". Das verhindert dann eben die Möglichkeit mit der Vergangenheit abzuschließen und eine eigene Tradition aufzubauen.

Im Übrigen würde ich Deinen ersten Satz noch ausbauen und das kaiserliche Heer, im Sinne der frühen Bundeswehrführung, traditionsunwürdig definieren, weil das Deutsche Heer eben nie sieghaft war, während man der Wehrmacht in weiten Teilen der Gesellschaft noch bis heute ja eine hohe Sieghaftigkeit unterstellte, die eben nur "außer ganz zum Schluss" vorhanden war. Dass letzten Endes nur der Schluss zählt, dass Siege zwischendurch oft nur Illusionen waren und das eben nicht die Wehrmacht die Siege, die Nazis aber die Niederlage eingefahren haben, sind halt Illusionen, denen sich das konservative bürgerliche Lager oft bis heute hingibt. Der Krieg war ab Juni 1941 verloren, die Wehrmacht hat Hitler nicht dazu gebracht die UdSSR nicht anzugreifen, sondern im Gegenteil gerade diesen Krieg besonders grausam mitgetragen und damit alle Greuel mitzuverantworten.

Wollte man eine eigene Tradition aufbauen, müsste man gezielt diejenigen zu Traditionsträgern erheben, die besonders hervorragend ein professionelles, mit den Grundwerten der Demokratie vereinbares Ethos an den Tag gelegt haben. Unter Umständen auch insbesondere diejenigen, die dabei ihr Leben gelassen haben. Wobei der Gefallenenkult nicht unbedingt sinnvoll ist in einer Demokratie. Es reicht, wenn man nur solche herausstreicht, die nicht mehr Leben. Man darf wohl auch sagen: wer stets seine Pflicht tat und sie übererfüllte, dabei aber trotzdem einen friedlichen Tod fand, ist besser geeignet für eine Demokratie als derjenige, der den klassischen Heldentod starb. Odysseus statt Achilles. wink.gif


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:21 | Beitrag #13
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ZITAT(Hummingbird @ 9. Jul 2017, 17:04) *
ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 16:48) *
Die Definition einer Armee über ihr Bestehen im Kampf ist es eben nicht. Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern. Mut, Loyalität und Durchhaltevermögen werden erst dann traditionswürdig, wenn sie für die richtigen Werte erbracht wurden.
Das magst du vielleicht so sehen, Briten, Franzosen und diverse andere europäische Demokratien mit kolonialer Vergangenheit aber wohl eher weniger.


Die haben auch alle eine furchtbar undemokratische Erinnerungskultur und daraus resultierend Traditionen und insbesondere Alltagspraktiken, die nicht mit den moralischen und juristischen Grundlagen unseres Grundgesetzes, oft genug auch nicht ihrer Gesetze, im Einklang stehen.


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:31 | Beitrag #14
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Ungeachtet aller dieser Dinge ist es aber im Moment bei weitem nicht so das wir eine solche Tradition aufbauen können, da stehen wir gerade am Anfang.


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:34 | Beitrag #15
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ZITAT(Glorfindel @ 9. Jul 2017, 17:17) *
Um nach soldatischen Grundsätzen zu handlen, braucht man meiner Ansicht nach keine Vorbilder, sondern die Einsicht, dass es richtig ist.
Hier sind wir übrigens bei einem deutlich philosophischeren, mitunter auch religiösen Punkt angelangt. Einsicht, statt Vorbilder ist eine Forderung, die so alt ist, wie alle aufklärerischen Bewegungen unseres Kulturkreises. Und damit meine ich bewusst deutlich älter als die Aufklärung des 17.-18. Jahrhunderts. Ich bin da aber ganz bei Luther, der den institutionalisierten Heiligenkult ablehnte und stattdessen sola fide, allein der Glaube forderte und Plutarch, der die Verehrung von Götterstatuen kritisierte und forderte man müsse stattdessen die Idee des höchsten Gottes rechtgläubig verstehen. Beide gestanden aber zu, das die Einsicht dieser Wahrheiten nicht jedem liegt ohne praktische, anschauliche Beispiele.

Ich würde daher sagen, Einsichtigkeit für Grundsätze, egal ob professionelee, moralische oder juristische, sollte keiner Vorbilder bedürfen. Aber die Vorbilder zu nutzen, um ein Beispiel zu haben für sich und andere, ist absolut legitim. Solange eben nur das exemplarische Vorbild ist und nicht der gesamte Mensch. Denn jeder Mensch hat auch Seiten, die nicht traditionswürdig sind.

Man kann also eine Feldwebel X oder General Y Kaserne haben, wenn dieser oder jener sich ausgezeichnet verhalten oder besonders um unsere Grundwerte verdingt gemacht hat. Aber dann gehört dazu auch immer eine Pflege der Tradition und in demokratischen Staaten muss das heißen: auch eine kritische Hinterfragung und ein Diskurs über diese Personen.


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:48 | Beitrag #16
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ZITAT(Forodir @ 9. Jul 2017, 17:31) *
Ungeachtet aller dieser Dinge ist es aber im Moment bei weitem nicht so das wir eine solche Tradition aufbauen können, da stehen wir gerade am Anfang.


Natürlich könnten wir eine solche Tradition aufbauen. Wir könnten es seit Jahrzehnten. Die Bundeswehr vergibt seit Jahrzehnten Orden und Ehrenzeichen für besondere Pflichterfüllung. Solange diese Taten auch einen besonderen demokratischen Geist ersichtlich werden lassen und die Person nicht mehr unter uns weilt (Lebende sollten keine "Helden" werden, das verleiht ihrer Stimme zu viel Gewicht und gibt nur die Chance, dass sie sich selbst um ihre Traditionswürdigkeit bringen), kann so eine Person traditionswürdig sein.

Wo sind die Kasernen, die nach Teilnehmern der humanitären Mission nach dem Erdbeben von Agadir benannt sind? Nach der Luftbrücke von Algerien 1965? Hilfe für Kurden 1991, UNOSOM II, UNAMIR, UNPROFOR, IFOR, SFOR, KFOR, ISAF, Mali?

Und um bei Glorfindel zu bleiben, wo sind Kasernen und Gedenktage für demokratische Grundwerte? Es bräuchte Kasernen, die Einigkeit und Recht und Freiheit hervorheben oder Menschenrechte, Gleichstellung, Meinungsfreiheit oder das Streben nach einem friedlichen Miteinander in Europa und der Welt?

Nichts davon findet sich in unseren Kasernennamen oder in anderen Traditionspraktiken.


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Beitrag 9. Jul 2017, 16:52 | Beitrag #17
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 17:20) *
Wollte man eine eigene Tradition aufbauen, müsste man gezielt diejenigen zu Traditionsträgern erheben, die besonders hervorragend ein professionelles, mit den Grundwerten der Demokratie vereinbares Ethos an den Tag gelegt haben.


Wobei natürlich die Frage ist, was ein "mit den Grundwerten der Demokratie vereinbares Ethos" ist? Klar, die Wehrmacht als Trägerin eines Vernichtungskrieges fällt da raus. Reicht aber der Dienst für ein undemokratisches System schon, um nicht mit den "Grundwerten der Demokratie" vereinbar gewesen zu sein? Falls ja sähe es eigentlich mit allen deutschen Heeren von früher absolutistischer Neuzeit bis Wilhelm Zwo eher mau aus, mal von den 48ern abgesehen, aber die sind vielleicht ein bisschen zu wenig zahlreich und zu regional begrenzt. Dein Kriterium sollte man imho schon ein wenig weiter auslegen- die preußischen Heeresformer und Yorck von Wartenburg würde ich zum Beispiel schon als traditionswürdig ansehen.

OT-Witz: Es hätte natürlich außerdem was, wenn man letztes Jahr das "Taktische Luftwaffengeschwader Markgraf Ludwig-Wilhelm von Baden" nach Incirlik verlegt hätte biggrin.gif

 
Hummingbird
Beitrag 9. Jul 2017, 17:02 | Beitrag #18
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 17:21) *
ZITAT(Hummingbird @ 9. Jul 2017, 17:04) *
ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 16:48) *
Die Definition einer Armee über ihr Bestehen im Kampf ist es eben nicht. Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern. Mut, Loyalität und Durchhaltevermögen werden erst dann traditionswürdig, wenn sie für die richtigen Werte erbracht wurden.
Das magst du vielleicht so sehen, Briten, Franzosen und diverse andere europäische Demokratien mit kolonialer Vergangenheit aber wohl eher weniger.


Die haben auch alle eine furchtbar undemokratische Erinnerungskultur und daraus resultierend Traditionen und insbesondere Alltagspraktiken, die nicht mit den moralischen und juristischen Grundlagen unseres Grundgesetzes, oft genug auch nicht ihrer Gesetze, im Einklang stehen.
Das die Franzosen in der Schule nichts über einen Algerienkrieg lernen ist mir durchaus bewusst. Mir ging es um die Aussage "Eine Armee definiert sich darüber wofür sie kämpft, besonders in demokratischen Ländern." Und da scheinen es einige nicht so genau zu nehmen, mit dem wofür. Welche europäische demokratische Armee tut sich denn sonst noch so schwer mit der Geschichte ihrer Nation? Die ganze Diskussion ist ein deutsches Phänomen. Und es wird soweit getrieben, dass einige dabei aus den Augen verlieren, wofür eine Armee eigentlich da ist.
 
Hummingbird
Beitrag 9. Jul 2017, 17:34 | Beitrag #19
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 17:48) *
Wo sind die Kasernen, die nach Teilnehmern der humanitären Mission nach dem Erdbeben von Agadir benannt sind? Nach der Luftbrücke von Algerien 1965? Hilfe für Kurden 1991, UNOSOM II, UNAMIR, UNPROFOR, IFOR, SFOR, KFOR, ISAF, Mali?
Ich will niemandem zu nahe treten, aber wenn wir mal ehrlich sind, wen interessieren denn irgendwelche unbekannten Namen aus friedensstiftenden Maßnahmen in kriegsähnlichen Zuständen. Die Fallschirmjäger werden sich auch weiterhin eher an Kreta erinnern und inspirieren. Tradition ist auch eine Herzensangelegenheit und die lässt sich nicht vollumfänglich von oben aufoktruieren.
 
Forodir
Beitrag 9. Jul 2017, 17:49 | Beitrag #20
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ZITAT(Hummingbird @ 9. Jul 2017, 18:34) *
ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 17:48) *
Wo sind die Kasernen, die nach Teilnehmern der humanitären Mission nach dem Erdbeben von Agadir benannt sind? Nach der Luftbrücke von Algerien 1965? Hilfe für Kurden 1991, UNOSOM II, UNAMIR, UNPROFOR, IFOR, SFOR, KFOR, ISAF, Mali?
Ich will niemandem zu nahe treten, aber wenn wir mal ehrlich sind, wen interessieren denn irgendwelche unbekannten Namen aus friedensstiftenden Maßnahmen in kriegsähnlichen Zuständen. Die Fallschirmjäger werden sich auch weiterhin eher an Kreta erinnern und inspirieren. Tradition ist auch eine Herzensangelegenheit und die lässt sich nicht vollumfänglich von oben aufoktruieren.


Da liegt genau der Hase im Pfeffer, was man hier in Deutschland anscheinend eben nicht wahrhaben möchte, eine Armee ist für den Krieg da, zum kämpfen. All diese Missionen waren gute und teilweise fordernde Missionen, jedoch werden sie nie das Ansprechen was zu einem Militärischen Vorbild gehört und das ist nämlich das äußerste was man geben kann der Einsatz unter Leib und Leben und zwar in einem Maßstab den wir seit 1945 (zum glück) nicht hatten.

Da wird man sich noch so sehr drüber aufregen können das doch bitte schön Handeln durch Einsicht kommen soll und das wir für die FDGO einstehen (was übrigens bis auf ein paar Spinner auch keiner bezweifelt), man wird niemanden dadurch erreichen. Das wird in der Basis als verkopft und fahl empfunden.


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SailorGN
Beitrag 9. Jul 2017, 18:21 | Beitrag #21
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Also braucht der Soldat auch in der FGDO einen Vernichtungskrieg all inclusive, damit er alles geben kann? Schwachfug³! Ich verstehe nicht, warum "Kampftruppe" so versessen darauf ist, bei aller Härte und potentieller Gefahr. Erstaunlicherweise habe ich bei den Ubooten, die ja auch deutlichst vorbelastet erscheinen UND deutlich fordernd auch im Friedensdienst sind, nicht einen Anklang "Graue Wölfe" gefunden... nada, nicht mal eine erhöhte Affinität zu "Das Boot" (Da waren die Herren Offiziere vom Heer deutlich heißer drauf). Es ist schon sehr bedenklich, wenn man die Grundlagen des Staates, den man verteidigt (und für den man eventuell auch stirbt) als "verkopft und fahl" empfindet und dafür lieber "echte Kerle aus den deutsche/r Bundeswehrsoldat/inheftchen" als Vorbilder will.


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Beitrag 9. Jul 2017, 18:36 | Beitrag #22
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Die Basis selber muss den philosophischen Hintergrund nicht verstehen, es genügt, wenn sie richtig handelt, weil sie es für richtig befindet, weil es ihr so beigebracht worden ist. Wenn man Soldaten beibringen kann, dass Ordnung wichtig ist und sein muss, so kann man Soldaten auch beibringen, dass z.B. Respekt und Menschlichkeit, wichtig ist. Viele, wenn auch wohl nicht alle, haben ein moralisches Gefühl, für das was richtig und falsch ist. Das haben sie durch ihre Eltern, Schule etc. mitbekommen. Es muss jedoch gefestigt und mit dem Korpsgeist verbunden werden. Wer sich moralisch falsch verhält, beschädigt das Ansehen der ganzen Truppen und schliesslich auch das Ansehen des Landes. Man gefährdet darüberhinaus unter Umständen auch den Erfolg einer Aktion.

Persönlich halte ich die soldatische Erziehung für ein interessantes Thema. Soldatisches Verhalten sollte in der Ausbildung dauernd ein Thema sein und zwar auf allen Stufen. Vorgesetzte haben die Aufgabe, den Unterstellten zu erklären, wie und weshalb man etwas macht oder etwas nicht macht. Soldaten haben immer Vorbilder, in der Regel sind dies aber ihre Vorgesetzten (und zwar oft, ohne dies zu merken), welche sie im Auftreten, Verhalten und Sprache zu imitieren versuchen. Die echten Vorbilder sind meiner Ansicht nach wesentlich wichtiger wie irgendwelche aus der Geschichte.

Historische Kenntnisse sind sicherlich nützlich, zur Einschätzung unser heutigen Verhalten, aber abstrakte Vorbilder nützen meines Erachtens wenig. So kann ich z.B. aus der Luftlandung auf Kreta wenig ableiten, was einen Fallschirmjäger heute in seinem Verhalten irgendwie anleiten könnte.



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Beitrag 9. Jul 2017, 18:51 | Beitrag #23
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ZITAT(SailorGN @ 9. Jul 2017, 19:21) *
Erstaunlicherweise habe ich bei den Ubooten, die ja auch deutlichst vorbelastet erscheinen UND deutlich fordernd auch im Friedensdienst sind, nicht einen Anklang "Graue Wölfe" gefunden...


Aber immerhin Anklänge an einen Propagandafilm von 1918:

https://youtu.be/1wvCwEeDOJo?t=54m1s

https://de.wikipedia.org/wiki/U-Boote_herau...en_Feind_(1918)

Das Traditionsverständnis der U-Boot-Fahrer beginnt scheinbar auch nicht erst 1955.


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Beitrag 9. Jul 2017, 19:04 | Beitrag #24
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Der Ubootfahrer(Mehrzahl)? Das Teil hat der Kdt. dort aufgehangen und Lars ist schlau genug, den Kram auch reflektieren zu können. Zumindest habe ich nie mitbekommen, dass er dort in irgendeiner Richtung affin ist... und zwar nicht nur bei nem Bier in der Messe wink.gif Aber in der Tat, so ganz IO ist das nicht... wobei es "zu meiner Zeit" noch nicht da war.

Der Beitrag wurde von SailorGN bearbeitet: 9. Jul 2017, 19:06


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Beitrag 9. Jul 2017, 19:30 | Beitrag #25
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ZITAT(Glorfindel @ 9. Jul 2017, 19:36) *
Historische Kenntnisse sind sicherlich nützlich, zur Einschätzung unser heutigen Verhalten, aber abstrakte Vorbilder nützen meines Erachtens wenig. So kann ich z.B. aus der Luftlandung auf Kreta wenig ableiten, was einen Fallschirmjäger heute in seinem Verhalten irgendwie anleiten könnte.
Gerade Kreta und Unternehmen Merkur sind für die Fallschirmjäger auhc denkbar schlechte Erinnerungsorte: Die Abwehr schätzte die Lage völlig falsch ein, der Widerstand war, gerade im zivilen Bereich, deutlich stärker als erwartet und in der Folge kam es zu massiven Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Gleichzeitig war die deutsche Planung und Ausrüstung an vielen Stellen mangelhaft; insgesamt kostete der Einsatz die Fallschirmjäger ein Gros ihrer Kräfte. In der Folge kam es nie wieder zu einem massierten Einsatz deutscher Fallschirmjäger als Landungstruppen. Letzteres vor allem auch, weil Adolf Hitler der Einschätzung unterlag, Luftlandetruppen hätten ihr Überraschungspotential verloren und seien nun weitestgehend nutzlos.


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Beitrag 9. Jul 2017, 20:28 | Beitrag #26
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Genau darum geht es aber nicht. Das wir den zweiten Weltkrieg verloren haben aufgrund Fehleinschätzungen, mangelnder Ausrüstung, wirtschaftlicher Unterlegenheit und was sonst alles noch dazu kommt ist eben dann nicht von Belang wenn ich die persönliche Tapferkeit eines Individuums mir vornehme.
Es geht eben darum vom abstrakten weg etwas in die Hand zu bekommen was man sich vorstellen kann.

Auch im Heer gibt es Leute die differenzieren können zwischen der Erkenntnis das diese Soldaten Teil eines Angriffskrieges ist und dem persönlichen erleben derselben.



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Beitrag 9. Jul 2017, 21:11 | Beitrag #27
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 20:30) *
Gerade Kreta und Unternehmen Merkur sind für die Fallschirmjäger auhc denkbar schlechte Erinnerungsorte: Die Abwehr schätzte die Lage völlig falsch ein, der Widerstand war, gerade im zivilen Bereich, deutlich stärker als erwartet und in der Folge kam es zu massiven Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Gleichzeitig war die deutsche Planung und Ausrüstung an vielen Stellen mangelhaft; insgesamt kostete der Einsatz die Fallschirmjäger ein Gros ihrer Kräfte. In der Folge kam es nie wieder zu einem massierten Einsatz deutscher Fallschirmjäger als Landungstruppen. Letzteres vor allem auch, weil Adolf Hitler der Einschätzung unterlag, Luftlandetruppen hätten ihr Überraschungspotential verloren und seien nun weitestgehend nutzlos.
Gerade weil das Unternehmen nüchtern betrachtet ein Desaster war, ist es ein besonders wichtiger Erinnerungsort. Denkmäler sind auch Mahnmale. Man lernt ja auch durchaus aus Fehlern und nicht nur aus seinen Glanzstunden. Die Frage ist halt wie man mit Geschichte umgeht und ich denke es ist gefährlicher unschöne Momente totzuschweigen, weil man damit eher riskiert das sich Subkulturen im Wildwuchs bilden. Da ist es doch besser sachlich und reflektiert mit den Themen umzugehen und die nötige politische Bildung bereitzustellen, anstatt panisch Helmut Schmidt Bilder abzuhängen.
 
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Beitrag 9. Jul 2017, 21:50 | Beitrag #28
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Nur wird bei den Fallschirmjägern mit Kreta keinesfalls mahnend umgegangen.


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Beitrag 9. Jul 2017, 21:53 | Beitrag #29
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Offiziell wird damit ja überhaupt nicht umgegangen. Das ist ja gerade das Problem.
 
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Beitrag 10. Jul 2017, 19:20 | Beitrag #30
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ZITAT(Schwabo Elite @ 9. Jul 2017, 20:50) *
Nur wird bei den Fallschirmjägern mit Kreta keinesfalls mahnend umgegangen.

Sondern wie?
Ich kann natürlich auch keine aktuelle repräsentative Studie zum Umgang der Fallschirmjägertruppe mit Kreta vorlegen, aber jahrzehntealte Vorurteile pflegen muss ja dann auch nicht sein. Insbesondere von einem Historiker.
Ernsthaft, Kreta-Gedenktage oder ähnliches gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, ich persönlich habe sowas nicht ein einziges mal erlebt. Was natürlich nicht heißen muss, dass sich nicht irgendwo trotzdem mal die zwei drei "richtigen" treffen und inoffiziell irgendwas Gedenken.
Ich würde sogar soweit gehen, dass die Mehrheit der Fallschirmjäger den Bezug zwischen Kreta und Fallschirmjägern überhaupt nicht mehr herstellen kann. Und selbst wenn, wirklich Ahnung was wann wo passiert ist, dürften die wenigsten haben.

Auch liegt dieses, aus meiner Sicht etwas merkwürdige Wehrmacht Bundeswehr Vorbilder suchen, lange zurück.
Für viele der heutigen jungen Soldaten der Fallschirmjägertruppe liegen die militärischen Vorbilder deutlich näher bei den eigenen Spezialkräften als bei Angehörigen der Wehrmacht. Auch die US Spezialkräfte bzw spezialisierte Kräfte (Ranger) stehen recht hoch im Fokus. Einfach weil die Aktualität deutlich greifbarer ist.


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