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SPIEGEL.online 14. Juli 2008, 12:56 Uhr
IRAK-SERIE "GENERATION KILL"
Blutdurst auf Befehl
Von Nina Rehfeld
Blutdurst, Lagerkoller, Machogehabe: Die amerikanische Serie "Generation Kill" zeigt ungeschönt den Alltag einer Elitetruppe im Irak-Krieg. Quotenträchtig ist das für den Sender HBO nicht - dafür aber eine intelligente und packende Abbildung des desaströsen Militäreinsatzes.
Als vor drei Jahren der amerikanische Kabelsender FX ("Nip/Tuck", "Rescue Me") versuchte, sein Tabubrecher-Portfolio mit einer Serie über den Irak-Krieg aufzufüllen, ging der Schuss nach hinten los. "Over There“ wurde nach nur einer Staffel aus dem Programm genommen, nachdem sich kaum zwei Millionen Zuschauer für die Serie um eine Handvoll junger Rekruten interessierten. Jetzt startet HBO einen neuen Versuch, und die Zeichen stehen keineswegs besser: Angesichts von über 4100 toten amerikanischen Soldaten im Irak, einem zutiefst kriegsmüden Land und Kosten von schätzungsweise drei Billionen Dollar spricht eigentlich alles dagegen, sich im Unterhaltungsfernsehen erneut an das Kriegsthema zu wagen.
Doch der Bezahlsender, der sich bisweilen gerne mal quotenschwache Meisterwerke leistet, macht seinem Motto "It's not TV, it's HBO" mit der siebenteiligen Reihe "Generation Kill" einmal mehr alle Ehre. Die Adaption des gleichnamigen Buchs von "Rolling Stone"-Autor Evan Wright, der als "embedded journalist" bei den US-Truppen seine Erlebnisse beim Einmarsch im Irak 2003 aufschrieb, ist die bislang klügste, komischste und packenste Abbildung des desaströsen Krieges aus der Sicht der amerikanischen Befehlsempfänger. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil mit David Simon ein Mann die Feder führte, der mit der Serie "The Wire" über Baltimores Korruptionshierarchien in legalen und illegalen Kreisen eines der herausragendsten Stücke amerikanischer Fernsehkultur schuf.
Schauplatz von "Generation Kill" ist ein Aufklärungsbataillon der US-Marines, das entgegen seiner üblichen, verdeckten Aufgaben als erste Bodeneinheit aus Kuwait nach Bagdad vorstoßen und die Zufahrtsstraße sichern soll – in offenen Jeeps. Nicht nur fühlt man sich in der hochausgebildeten Truppe unterfordert, man hatte beim wochenlangen Warten auf den Einsatzbefehl in der kuwaitischen Wüste auch viel Zeit zum Nachdenken über die Tatsache, dass man sich in den Händen einer inkompetenten Führung befindet.
Absurd wie M.A.S.H.
Schon andere Filme – "Over There", oder "Jarhead" – haben das zermürbende Warten im Krieg thematisiert. Aber wo "Over There" eine Handvoll ethnisch und geschlechtlich sorgsam ausgewogener, argloser Rekruten mit Melancholie dem Einsatz entgegenfiebern ließ, wo bei "Jarhead" der Druck sich am Rande des Wahnsinns entlud, blickt Simon betont lakonisch auf das Geschehen unter lauter harten Kerlen. Denn das ist allein so voller Absurditäten, dass man bisweilen eine dokumentarische Version von "M.A.S.H" vor Augen zu haben meint.
Im Camp kursiert das Gerücht, dass Popstar Jennifer Lopez umgekommen sei und die Kommandoführung weitere Informationen zurückhalte, um die Moral der Truppe nicht zu gefährden. Außerdem ist die Führung mit Wichtigerem beschäftigt: Echauffiert bellt der kurzgewachsene Kommandeur Befehle zum Thema akkurate Schnurrbartlängen. Ihre Versorgung müssen die Marines indes selbst bewerkstelligen: Überlebensnotwendiges wie Batterien für Nachtsichtgeräte und Landkarten müssen sich die Soldaten auf eigene Kosten vom Journalisten Wright (in der Serie dargestellt von Lee Tergesen) aus dem Militärlager-Shop mitbringen lassen.
Aufsässigkeit ist die Folge. "Wieso können wir nicht mal ein cooles Land erobern, mit Mädchen im Bikini?" fragt einer der Marines auf einer nächtlichen Erkundungsfahrt. "Ich sage euch: Pussy-Mangel ist die Wurzel aller globalen Instabilität. Schickt die republikanische Garde ein Wochenende nach Las Vegas, und der Krieg ist vorbei."
Doch so recht will das Lachen angesichts einer Batterie von haarsträubenden rassistischen, homophoben und frauenfeindlichen Ausfällen, deren Opfer auch die kapitulierenden Iraker werden, nicht von der Zunge rollen. Und Simon macht keinen Hehl aus dem Blutdurst dieser Eliteeinheit, deren Mitglieder es nicht erwarten können, ihren ersten Iraker abzuknallen. Die Anspannung am Abzug ist greifbar, als die Einheit auf zwei Jeeps mit bewaffneten Männern trifft und, die "Feinde" bereits im Visier, den enttäuschenden Befehl erhält, den Gegenüber ziehen zu lassen.
David Simon, der nach eigenen Angaben um einen journalistischen Tonfall bemüht war (HBO nennt auf seiner Webseite nicht einmal die Namen der Schauspieler), bringt seine Zuschauer ganz nah heran, aber er versagt ihnen immer wieder die Identifikation mit den Figuren. Das Gefluche und verbale Säbelrasseln der Soldaten wird zu einer Art Chor, der die Farce eines Krieges untermalt, der sogar seine eigenen Soldaten verrät.
Und dies ist erst der Beginn eines Feldzuges, der in einem gigantischen Desaster münden soll. "Es gibt zwei Arten, Fernsehen zu machen", sagte David Simon dem Branchenmagazin "Broadcasting and Cable". "Entweder man lehnt sich zurück und guckt passiv zu, oder man lehnt sich vor und denkt drüber nach, was man da sieht. Wir machen das zweite."
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/...-565666,00.html --->
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