Längere Verpflichtungszeiten für MannschafterIch pack den Link mal hier rein. Bin mal gespannt, ob sich dadurch auch die anderen Laufbahnen beeinflussen lassen werden...
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Vorhandenes Potential nutzen: Längere Verpflichtungszeiten bei Mannschaftssoldaten – Der Inspekteur des Heeres im Interview
Seit kurzer Zeit besteht die Möglichkeit, Mannschaftssoldaten im Heer für eine Dienstzeit von 12, unter bestimmten Voraussetzungen sogar bis zu 15 Jahren zu verpflichten. Damit eröffnen sich neue Chancen, sowohl für die Soldatinnen und Soldaten wie auch für das Deutsche Heer. Die Online-Redaktion sprach mit dem obersten Heeressoldaten, dem Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Werner Freers. Was sind die Vorteile der Verlängerung? Wie sehen die Rahmenbedingungen aus? Lesen Sie hier das komplette Interview.
Generalleutnant Freers im Interview (Quelle: Heer/Dana Kazda)Größere Abbildung anzeigen
Redaktion: Herr General Freers, warum haben Sie sich als Inspekteur des Heeres so sehr dafür stark gemacht, mehr Zeitsoldaten in der Mannschaftslaufbahn auf längere Zeit im Heer verpflichten zu können?
Generalleutnant Werner Freers: Ganz einfach, weil es richtig ist und dem Wunsch und den Bedürfnissen Vieler entspricht: Vieler Mannschaftssoldaten, vieler Vorgesetzter in den Einheiten und Verbänden des Heeres und natürlich auch der Heeresführung. Wir brauchen den einsatzerfahrenen und leistungsfähigen Soldaten – was liegt da näher, als auf unsere weiterverpflichtungswilligen Frauen und Männer im Heer zurückzugreifen. Die kennen wir und wir wissen, was sie können!
Redaktion: Worin liegen die Vorteile?
Freers: Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, von Gründen und Motiven. Und diese Gründe ergänzen sich. Viele Mannschaftssoldaten in der Truppe wollen ihre Dienstzeit deutlich über das bislang mögliche Maß hinaus verlängern, weil sie sich unter ihren Kameraden wohl und in ihren Aufgaben gebraucht fühlen und die Herausforderung ihrer wichtigen Aufgabe gerne annehmen. Sie suchen daneben persönliche Planungssicherheit sowie berufliche Förderungsperspektiven. Das erfahre ich immer wieder bei Gesprächen bei meiner Dienstaufsicht in der Truppe. Dabei werde ich auch von zahlreichen Vorgesetzten in den Einheiten und Verbänden mit dem Wunsch auf flexiblere Möglichkeiten zur Weiterverpflichtung ihrer bewährten Mannschaften angesprochen – hier in Deutschland ebenso wie in den Einsatzgebieten.
Während der einsatzvorbereitenden Ausbildung (Quelle: Heer/Joerg Klimek)Größere Abbildung anzeigen
Die Vorgesetzten schätzen die Professionalität, die Leistungsbereitschaft und auch die Einsatzerfahrung ihrer Soldatinnen und Soldaten: Man kennt sich und weiß, was man voneinander erwarten kann. Dies ist angesichts der hohen Belastungen in den Einsätzen wichtig: Gerade im Einsatz, in den Gefechten, in denen unsere Kameradinnen und Kameraden stehen und die sie bestehen, ist Kohäsion, wechselseitiges Vertrauen, das „Sich-aufeinander-verlassen-können“ ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.
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Informationsaustausch mit der Bevölkerung (Quelle: Heer/Dana Kazda)Größere Abbildung anzeigen
Redaktion: Und was ist speziell Ihre Perspektive für das Heer?
Freers: Wir im Heer verstehen uns als verlässlicher Hauptträger der Einsätze – heute wie in Zukunft. Unsere Frauen und Männer stellen nicht nur den größten Anteil an der Truppe im Einsatz, sondern sie tragen ganz besondere Belastungen – auch als Kämpfer. Sie werden mit Gegnern konfrontiert, aber sie können auch sehr gut mit der Bevölkerung und den neu aufgebauten Sicherheitskräften umgehen. Kurz – sie sind ausgezeichnete Soldaten mit einem hervorragenden Ruf.
Wenn wir unser erfahrenes Personal halten und an uns binden, können wir mit diesen hervorragenden Soldaten, die sich fast ausnahmslos schon im Einsatz bewährt haben, eine hohe Expertise und hohes fachliches Können in unseren Einheiten halten. Zudem verringern wir durch längere Dienstzeiten den Regenerationsbedarf in der Truppe. Dies ist ein großer Vorteil, weil wir in wenigen Monaten keine Grundwehrdienstleistenden mehr haben werden, aus denen wir bisher fast 50 % unserer längerdienenden Mannschaften gewonnen haben. Auch durch den demographischen Wandel in unserem Land stehen immer weniger junge Frauen und Männer zur Verfügung.
Im Ergebnis können wir so den Übergang zur Freiwilligenarmee besser gestalten. Zudem sparen wir auch langfristig Ausbildungszeit und -kosten. Vorhandenes Wissen und sorgfältig aufgebautes Können geht nicht wie im bisherigen Maß durch kurze Dienstzeiten ständig verloren. Und schließlich sind längere und flexiblere Verpflichtungsmöglichkeiten auch ein wichtiger Faktor für berufliche Perspektiven und private Planungssicherheit des einzelnen Soldaten.
Verantwortungsvolle Aufgabe in der Waffenkammer (Quelle: Heer/De Castro)Größere Abbildung anzeigen
Redaktion: Herr General, Sie sprechen von Professionalität. Es gibt aber Behauptungen, die Tätigkeiten eines Mannschaftsdienstgrades, gerade im Heer, könne doch jeder leisten.
Freers: Zunächst einmal eines vorab zur Klarstellung: Wir sind heute und wir werden auch zukünftig kein Berufsheer werden – wohl aber ein Heer, in dem Freiwillige dienen: von freiwilligen Kurzdienern über einen großen Anteil an Zeitsoldaten mit flexiblen Dienstzeiten bis hin zu einem geringer werdenden Anteil an Berufssoldaten.
Überhaupt ist es mir wichtig, dass wir in der Diskussion althergebrachte Zerrbilder aufgeben: Unsere Mannschaften im Heer sind keine Soldaten mit niedrigem Bildungsniveau, sondern sie sind für ihren Auftrag professionell ausgebildete und vorbereitete Soldaten eines Einsatzheeres. Zum Bildungsniveau: Etwa Knapp 5 % von ihnen haben Abitur, etwa 50 % einen Realschulabschluss mit Berufsausbildung, etwa 40 % einen Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung. Das teilweise verbreitete Bild von den ungebildeten Mannschaften ist absurd. Das behaupten Leute, die uns nicht kennen und sich auf unsere Kosten Schlagzeilen verschaffen wollen. Die Wahrheit ist: Wir bekommen genau die Frauen und Männer, die wir haben wollen, und das soll auch künftig so bleiben.
Und es macht für uns mehr als 20 Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung auch keinen Unterschied mehr, ob einer unserer Soldatinnen und Soldaten aus den sogenannten „neuen Bundesländern“ oder aus den „alten Bundesländern“ kommt. Was zählt, sind Leistungsbereitschaft und Charakter; der Sachse ist mir genauso lieb wie der Westphale, der Friese wie der Bayer.
Fusspatrouille in der Nähe des Feldlagers (Quelle: Heer/von Soehnen)Größere Abbildung anzeigen
Redaktion: Und die für das Heer so typischen Infanteristen, die Sie zukünftig noch stärken wollen? Passen die in eine smarte und zukunftsfähige Armee? Wie sieht der typische Infanterist aus?
Freers: Ich höre hin und wieder Sätze wie „Wir gehen lieber mit Technik in den Einsatz, nicht mit Infanterie – das kann ja jeder“. Wer so redet, hat nichts von der heutigen und künftigen Einsatzrealität verstanden, und schon gar nicht von Infanterie.
Wir brauchen den gut ausgebildeten Infanteristen, der nicht wie Rambo vorgeht, sondern Können und kluges Handeln verbindet, auf dessen Tapferkeit im Kampf wir genauso stolz sein können wie auf sein Auftreten gegenüber der Bevölkerung. Wir sprechen hier von denjenigen Soldaten, die kämpfen, aber auch schützen, helfen, vermitteln, die Sicherheitskräfte im Einsatzland unterstützen und ausbilden; Soldaten, die in kritischer Lage auch binnen Sekunden Entscheidungen treffen über den Einsatz von Waffen oder auch die Waffe nicht einzusetzen. Infanterie wie wir sie heute brauchen kann eben nicht jeder – und die deutsche Infanterie gehört weltweit zur Spitze. Wir werden sie brauchen, wenn wir gemeinsam als verlässlicher Partner die Konflikte der Zukunft lösen wollen – für unsere eigene Sicherheit und damit Menschen in anderen Regionen eine Chance auf Frieden und Freiheit haben. Konflikte sind dort, wo Menschen sind – und nur mit fähigen Menschen können wir sie bewältigen. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten müssen.
Und außerdem gilt: Infanterie heißt ebenfalls Technik – wir reden nicht von Planwagenfahrern, sondern über ein neuartiges Waffenspektrum, hochpräzise Wirkung, Fahrzeuge mit modernster Schutztechnologie, vernetzte Führungsmittel, über die Ausstattung „Infanterist der Zukunft“, die von der Bekleidung bis zu den Waffen das absolut beste an neuartiger Technologie bietet und vieles mehr. Deutsche Infanterie heißt eben immer zugleich modernste Technik – und auch das kann nicht jeder.
Der Mannschaftssoldat als Scharfschütze (Quelle: PIZ Kunduz)Größere Abbildung anzeigen
Redaktion: Herr General, wenn die Vorteile längerer Dienstzeiten unserer Mannschaften so offenkundig sind – warum hat es eigentlich so lange gedauert, dem allgemeinen Wunsch zu entsprechen?
Freers: Wir sprechen hier von einem wichtigen Baustein, um den Übergang von der allgemeinen Wehrpflicht – deren Aussetzung ja erst vor kurzem entschieden wurde – zum Freiwilligen Dienst in den Streitkräften aktiv zu gestalten. Es geht um einen notwendigen Schritt, um den derzeit sehr guten Personalstand auch für die Zukunft des Einsatzheeres – eines Freiwilligenheeres – zu bewahren. Für mich gehört dazu ganz entschieden das Halten unserer hochqualifizierten Soldaten – derjenigen, die selbst wollen und die wir wollen. Dafür habe ich geworben und Vorschläge gemacht.
Ich bin unserer politischen Führung sehr dankbar, dass wir diesen Weg mit einer großen Zahl von Weiterverpflichtungen gehen dürfen. Damit wird klar: Die politische und militärische Führung geht einen gemeinsamen Weg zu noch mehr Einsatzorientierung – nicht nur im Wort, sondern auch in der Tat: für eine verbesserte Perspektive unserer hervorragenden Soldatinnen und Soldaten und für ein leistungsfähiges Einsatzheer.
Redaktion: Und was erwarten Sie jetzt von der Umsetzung dieser Weisung?
Freers: Ich erwarte, dass jetzt so rasch wie möglich informiert und gehandelt wird. Ich erwarte die aktive und vor allem schnelle Umsetzung durch die Vorgesetzen auf allen Ebenen des Heeres. Die Vorgesetzten kennen Ihre Frauen und Männer und wissen am besten, wen wir suchen. Sie sind nun in der Pflicht, die Besten anzusprechen. Sie haben die Handlungsmöglichkeiten, die alle immer gefordert haben.
Redaktion: Herr General, herzlichen Dank für das Gespräch.
Freers: Bitte und gern geschehen.