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Vollansicht: Der Moderne Luftkriege-Thread
WHQ Forum > Technik > Flugzeuge
Eric P.R.
Wie würde eigendlich ein moderner Luftkrieg zwischen zwei sich gleichwertigen Staaten abspielen?
Die Stückzahlen der modernsten generation Kampfflugzeuge scheint mir geradezu lächerlich gering zu sein, bleiben da überhaupt genug Maschinen um wirklich einen einfluss auf das Kriegsgeschehen am Boden zu nehmen? Besonders nach anfänglichen Verlusten im Kampf mit der intakten gegnerischen Luftwaffe.
Und wie effektiv sind moderne SAM Systeme?

Also kurz gesagt ist die Luftwaffe wirklich so ein kriegsentscheidender Faktor wie einem die vielen Asymetrischen Konflikte glauben machen?

Grüße
Eric
Glorfindel
ZITAT(Eric P.R. @ 15. Nov 2010, 00:52) *
Wie würde eigendlich ein moderner Luftkrieg zwischen zwei sich gleichwertigen Staaten abspielen?

Das kann man nicht einfach generell sagen. Das kommt natürlich darauf an, was für Systeme die beteiligten Staaten einsetzen, u.a. was für Radar, AWACS, Tankflugzeuge, Flugabwehrsysteme etc.. Der würde wohl hauptsächlich aus Luftangriffe gegen Bodenziele bestehen, im Eröffnungsschlag würde man versuchen, die gegnerische Luftwaffe am Boden zu zerstören, die Landebahnen unbrauchbar zu machen, Radar ausschalten etc.. Wenn nötig müsste man auch gegen die gegnerische Flugabwehr losgehen. Werden AWACS und Tankflugzeuge eingesetzt so könnte ich mir vorstellen, dass man auch versuchen könnte, diese in der Luft gezielt anzugreifen. Anschliessend Angriffe gegen Truppen, Führungseinrichtungen und Verkehrsinfrastruktur (Autobahnen, Brücken).

Die festen Radare am Boden würden wohl nicht lange stehen bleiben, ohne AWACS hätte man dann ziemlich schnell Probleme ein klares Luftbild zu haben. Luftverteidigung mit Flugzeugen würde dann ein Glücksspiel.

ZITAT
Die Stückzahlen der modernsten generation Kampfflugzeuge scheint mir geradezu lächerlich gering zu sein, bleiben da überhaupt genug Maschinen um wirklich einen einfluss auf das Kriegsgeschehen am Boden zu nehmen? Besonders nach anfänglichen Verlusten im Kampf mit der intakten gegnerischen Luftwaffe.
Und wie effektiv sind moderne SAM Systeme?

Das ist eine Feststellung und eine Frage. Zum Ersten: Lächerlich klein würde ich nicht sagen, klein ja. Wenn Europäische Staaten in eine konventionellen Krieg ziehen würden, dann ist damit zu rechnen, dass sie ein paar Jahre vorher massiv ausrüsten würden und ihre Luftwaffen ausbauben würden. Das Problem ist v.a. auch die Ausbildung der Piloten. Trotzdem können auch die bestehenden Luftwaffen massiven Schaden anrichten. Aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre, v.a. der Smart Bombs können heute Bodenziele viel präzieser angegriffen werden. Ebenso können Luftziele auf viel grössere Distanz bekämpft werden, wie zu Zeiten des Kalten Krieges (z.B. durch die AIM-120). Ein Punktziel am Boden, auf welches man vor 15 oder 20 Jahren einen Flugangriff mit 50-60 Flugzeuge durchgeführt hätte, benötigt man heute vielleichn noch ein Dutzend, weil man weniger Flugzeuge benötigt, die Bomben tragen, weil diese viel genauer treffen und man deshalb auch weniger Begleitschutz, Elektronische Kriegsführung, Tankflugzeug, Begleitschutz für Tankflugzeug, etc. benötigt.

Wie effektiv moderne SAM Systeme sind, kann man ebenfalls nicht so allgemein sagen. Es stellt sich auch die Frage gegen was und um was für Systeme es sich handelt. Grundsätzlich gibt es wohl einige moderne Flugabwehrsysteme, welche ihre Aufgabe gegen Flugzeuge gut erfüllen. Nur decken diese halt nicht den ganzen Luftraum ab. Die gegnerische Luftwaffe würde versuchen, den Flugabwehrsystemen auszuweichen. Kann sie die nicht, dann muss sie mit Verlusten rechnen (vgl. Yom Kippur-Krieg, Georgienkrieg 2008 und andere). Auch wenn Flugabwehrsysteme sehr nützlich sind, von den Luftwaffen ernst genommen werden und deshalb einen Schutz bieten, bleiben sie Abwehrsysteme und können wohl einen Luftkrieg nicht alleine entscheiden.
ZITAT
Also kurz gesagt ist die Luftwaffe wirklich so ein kriegsentscheidender Faktor wie einem die vielen Asymetrischen Konflikte glauben machen?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Die Luftwaffe kann einen Krieg nicht alleine entscheiden, ob sie einen entscheidenden Faktor darstellt ist umstritten, die meisten Experten gehen wohl davon aus. Es gibt allerdings die Leute, die postulieren, eine Luftwaffe können den Gegner dazu bewewgen, aufzugeben, in dem das gegnerische Land soweit geschwächt wird mit Angriffen auf die Infrastruktur (Führung, Kommunkation, Industrie, Verkehr, Militär), dass es aufgiebt oder zusammenbricht. Ob dies so ist, ist allerdings ebenfalls umstritten. Zuletzt ist auch umstritten, wie entscheidend die Luftwaffe tatsächlich ist. Die Mehrzahl der Experten geht wohl davon aus, dass die Lufthoheit in einem modernen Krieg zentral ist für den Erfolg der Bodentruppen, es gibt allerdings auch abweichende Meinungen, welche sagen, der Einfluss der Luftwaffe würde überschätzt. Gerade in asymetrischen Kriegen, wenn man darunter Aufstandsbekämpfung wie in Afghanistan, Irak oder früher in Indochina, Algerien etc. versteht, gelten allerdings Luftwaffe und überhaupt die Streitkräfte nicht kriegsentscheidend, da man solche Konflikte zwar militärisch gewinnen kann, aber immer noch politisch verlieren.
Eric P.R.
Vielen dank für die ausführliche Antwort.

Wie würde denn die Luftwaffe nach dem Verlust der Radaranlagen und AWACS verfahren? Man wäre ja weitgehend blind, gibt es da backup lösungen oder würden die Abfangjäger wirklich nach gut glück den Himmel absuchen?
Hätten die gegnerischen Jagdbomber nicht freie Hand?
Warhammer
Erstmal hat man ja noch mobile Radaranlagen und zweitens sollte man ja hoffen, dass man auch die Radaranlagen und AWACS des Gegners ordentlich dezimiert hat.
Moderne Jäger haben ja nicht umsonst immer noch Leistungsstarke Radare.
Natürlich gehen einem durch die fehlende Leitung (AWACS, Bodenstationen) einige Vorteile flöten, aber auch ohne diese sind moderne Jäger durchaus in der Lage effektiv zu arbeiten.

Die Frage der Effektivität stellt sich besonders, wenn Streitkräfte recht einseitig aufgebaut sind. Solange die eigenen Flugabwehr- und Luftwaffeneinheiten so gut sind, dass sie die Verluste durch die feindlichen Luftstreitkräfte zumindest begrenzen können mag das unter Umständen reichen um die gesetzten Ziele zu erreichen. Man muss nicht immer unter vollkommener eigener Lufthoheit operieren um erfolgreich zu sein.
xena
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Glorfindel
Völlig blind ist man wohl nicht, man hat ja noch andere Möglichkeiten als die festen Radaranlagen. Es gibt mobile Luftverteidungsradare, Luftabwehrsysteme sind meistens mit eigenen Radaranlagen ausgerüstet, ebenso Kampfflugzeuge. Ausserdem kann man Flugzeuge optisch erfassen und je nachdem hinterlassen sie auch Kondenzstreifen.

Kampf gegen Luftstreitkräfte wird unterteilt in offensive Aktionen (offensive counter air (OCA)) und defensive Aktionen (defensive counter air (DCA)). OCA umfasst das Zerstören der gegnerische Luftwaffe am Boden und das Zerstören der Infrastruktur der gegnerischen Luftwaffe, wie z.B. der Rollbahnen. DCA umfasst einerseits bodengestütze Flugabwehrsysteme und andererseits luftgestützte Patrouillen, welchen im Falle von Raumsicherung durch Luftraumüberwachungszentrale oder AWACS abzufangenden Ziele zuordnen kann. Ohnehin ist DCA mittels Patrouillen sehr aufwendig und imho wenig effizient. Es ist deshalb vorzuziehen, mittels Überraschungsschlag (siehe 6-Tagekrieg) die gegnerische Luftwaffe am Boden zu zerstören.
goschi
Thema ausgelagert
Glorfindel
@xena: Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass der Hauptzweck der Luftwaffen das Abwerfen von Bomben ist.

ZITAT(Warhammer @ 15. Nov 2010, 14:31) *
Natürlich gehen einem durch die fehlende Leitung (AWACS, Bodenstationen) einige Vorteile flöten, aber auch ohne diese sind moderne Jäger durchaus in der Lage effektiv zu arbeiten.

Ich bin kein Luftkriegsexperte, für mich ist jedoch AWACS ein zentrales Element moderner Luftkriegsführung. Sind die AWACS nicht mehr einsatzbereit, so hat man einen entscheidenden Nachteil, sollte der Gegner noch über eigene AWACS verfügen. Ich halte Luftkriegsführung ohne AWACS für Schwachsinn, jedenfalls dann wenn es sich um einen Luftkrieg zwischen modernen Gegner handelt. Bodengestützte vergleichbare Radare sind fest, können vor dem Krieg geortete werden und werden dann zu Beginn der Kampfhandlungen zerstört. Ausserdem decken sie den Bereich bis 3500m in gebirgigen Gelände nur ungenügend ab. Nach Verlust der Radare wäre es imho auf jedenfall gescheiter die Flugzeuge offensiv einzusetzen als zur Verteidigung des eigenen Luftraumes (wobei es sich dann eben imho fragt, ob die überhaupt noch abheben).
xena
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Hummingbird
Ich sehe die Bedeutung von AWACS auch. Allerdings fragt sich wie lange diese überleben würde. Mindestens eine Partei dürfte wahrscheinlich bald diese Fähigkeit einbüßen. Und dann muss es auch irgendwie ohne weitergehen.
Glorfindel
Das ist schon richtig, was du schreibst. AWACS ist jedoch ein wichtiger Bestandteil der Luftraumüberwachung, auch weil vom Boden her nicht alles zu machen ist bzw. die Reichweite eingeschränkt ist. Wir reden hier von modernen Luftkrieg. Die von der USA und CO geführten Luftkriege und -Schläge wären ohne AWACS weniger effizient verlaufen.
Hummingbird
AWACS ist auch besonders wichtig zur Ortung von tief fliegenden LFz weil es i.d.R. mehr sieht als bodengestützte Radare. (wurde schon geschrieben)

Ein weiterer schwerwiegender Faktor im modernen Luftkrieg ist die elektronische Kampfführung. Dabei ist es natürlich besonders wichtig die gegnerischen Systeme zu kennen bzw. vermessen zu haben.
Glorfindel
ZITAT(Hummingbird @ 15. Nov 2010, 17:21) *
Ich sehe die Bedeutung von AWACS auch. Allerdings fragt sich wie lange diese überleben würde. Mindestens eine Partei dürfte wahrscheinlich bald diese Fähigkeit einbüßen. Und dann muss es auch irgendwie ohne weitergehen.

Abgesehen von AWACS, wenn man Pech hat und der Gegner einen erfolgreichen Überraschungsschlag führt, dann geht es einem wie den Arabern 1967 und in einem halben Tag ist die ganze Luftwaffe weg. Dann bleibt einem noch die bodengestützte Flugabwehr, damit ist man jedoch zur Passivität verdammt.

Ich gehe ebenfalls davon aus, dass eine Partei in einem modernen Luftkrieg relativ schnell, d.h. spätestens nach ein paar Tagen die Lufthoheit erringen würde und dass die andere Partei nicht mehr in der Lage wäre, grössere Luftschläge zu führen. Kleinere Stiche und Luftnahunterstützung wären allenfalls noch denkbar.
Warhammer
Vielleicht passiert aber auch wirklich genau das, was Eric schon im Anfangspost beschrieben hat. Eine Seite mag den Luftkrieg nominell verlieren, wenn die andere Seite dabei aber soviele Federn gelassen hat, dass sie auch nicht mehr sehr effektiv ist hat man auch da ein Problem.

Es gibt schließlich diesen Witz über die beiden Sovjetischen Panzergeneräle, die sich in einem Pariser Cafe darüber unterhalten, wer eigentlich den Luftkrieg gewonnen hat.

Gerade die inndeutsche Grenze ist da ein interessantes Gebiet. Bei der Menge an NATO und WarPak Fliegern die da in der Luft gewesen wären hätte man wahrscheinlich selbst mit AWACS-Unterstützung nur schwer ein ordentliches Lagebild zustande bekommen. Von den ganzen Kurz- und Mittelstreckenraketen, sowie GLCMs mal ganz zu schweigen. Die machen das ganze nicht besser. Die blue on blue Zwischenfälle auf beiden Seiten will ich mir gar nicht vorstellen.
Schwabo Elite
Zumal AWACS & Co. ja auch dicke Ziele sind und nach zwei Wochen die Chance immens gewesen wäre, dass alles zum nuklearen Teufel geht.
Eric P.R.
Ich seh schon der moderne Luftkrieg scheint ein sehr komplexes Thema zu sein.
Wer in einem solchen konflikt als sieger hervorgeht scheint also in hohem Maße vom Überaschungseffekt und/oder dem verlust der Radarkapazitäten abzuhängen.

Ist also ein abnutzungsszenario in dem die Seite mit der höheren Anfangstückzahl bzw den besseren Produktionskapazitäten gewinnt überhaupt denkbar?
Oder sind die modernen Muster so aufwendig zu produzieren, daß eine nachfertigung in etwa der höhe der Verluste unmöglich ist?

Danke nochmal für all die Antworten
Eric
Warhammer
Klar ist ein Abnutzungskrieg denkbar.
Dazu muss einfach keine Überraschung und keine kriegsentscheidenden Erfolge gelingen. Da kann dann ganz schnell die Menge entscheidend sein, oder wie schnell nachproduziert werden kann.

Natürlich werden wir aber keine Produktionsmengen wie im 2.WK sehen. Dafür steckt in modernen Maschinen einfach zuviel Technik und Training.
Major_Steiner
ZITAT(Eric P.R. @ 15. Nov 2010, 00:52) *
Also kurz gesagt ist die Luftwaffe wirklich so ein kriegsentscheidender Faktor wie einem die vielen Asymetrischen Konflikte glauben machen?


Haben nicht gerade asymetrische Konflikte endgültig bewiesen welch große Bedeutung Infanterie und gepanzerte Kräfte haben und die Bedeutung der Luftwaffe (abgesehen von CAS) relativiert?
Glorfindel
- der Ausgang des Krieges hängt natürlich auch von Ausbildung und Taktik ab. Allerdings sind nicht alle Streitkräfte gleich einfallsreich. Natürlich sind ein grosser Anfangsbestand von Flugzeugen ein grosser Vorteil jedoch nicht der einzige Erfolgsfaktor.
- ein moderner Luftkrieg würde wohl relativ kurz ausfallen und nicht Jahre gehen. Es dürfte dann zu spät sein die Produktionskapazitäten auszubauen, ausserdem dauerte die Ausbildung zu einem Kampfpiloten mehrere Jahre. Moderne Kampfflugzeuge wie die neueren F-15, F-16 und F-18, Eurofighter und Rafale sind hochkomplexe Waffensysteme, deren Einsatz genau studiert und trainiert werden muss.

_____________________________________________

Ein Auszug aus einem etwas älteren Reglement (Jahr 2000) der Schweizer Armee names "Der moderne Kampf in Europa", wobei ich einen Teil, welchen ich für falsch befinde, durch eigene Formulierungen bzw. durch einen Wiki-Auszug (Definition Air Interdiction) ersetzt habe (in kursiv):
ZITAT
7 Luftunterstützung und Luftkrieg

Die Luftstreitkräfte verfügen für die Operationsführung über entscheidende und spezifische Eigenschaften:
- ihre Fähigkeit zur raschen Ausführung ermöglicht eine Machtprojektion zum geeigneten Zeitpunkt
- ihr grosser Aktionsradius schafft gute Voraussetzungen für eine Zielbekämpfung in die Tiefe
- ihre grosse Anpassungsfähigkeit ermöglicht eine Reaktion bei unsicheren Lagen.

(...)

Formen des Luftkriegs
- Defensive Counter Air: Statische und dynamische Luftverteidigung auf und über dem Kriegsschauplatz
- Close Air Support (CAS): Luftnahunterstützung in Ergänzung anderer Feuerunterstützung (op/takt)
- Battlefield Air Interdition: Direkte Luftunterstützung der Bodentruppen ausserhalb der Reichweite der klassischen Artillerie, ohne Koordination mit Bodentruppen (op/takt)
- Air Interdiction: Luftoperationen zum Vernichten oder Niederhalten der gegnerischen Kräfte, ohne Koordination mit Bodentruppen
- Offensive Counter Air: Offensive Luftoperation zur Desorganisation oder Vernichtung der gegnerischen Luftkampfmittel möglichst nahe seiner Basen
- Suppression of Enemy (SEAD): Air Defences Einsätze zur Unterdrückung der gegnerischen Fliegerabwehr mit allen verfügbaren Mitteln


7.1 Der Kampf gegen Luftstreitkräfte

Das Ziel des Kampfes gegen gegnerische Luftstreitkräfte besteht in
der Zerstörung ihres offensiven und defensiven Luftkampfpotentials
zwecks Erringung der Luftüberlegenheit. Diese kann sowohl
durch offensive (Offensive Counter Air, OCA) wie auch defensive
Operationen (Defensive Counter Air, DCA) errungen werden. Diese
Luftüberlegenheit wird durch Anwendung folgender Grundsätze
erlangt:

- Sofortige Einsatzverfügbarkeit einer Abfangkapazität durch Jagdflugzeuge (F-15, F-18 oder Mirage 2000). Derartige Einsätze werden in der NATO mit Fighter Sweep oder Escort definiert. Combat Air Patrol (CAP) ist eine andere, mögliche Kampfform; hier werden Jagdflugzeuge im Luftraum zum Abfangen jedes gegnerischen Flugzeuges bereitgehalten.
- Befähigung, die bodengestützten Fliegerabwehrsysteme mittels elektronischen Störgeräten oder mit Antiradar-Flugkörpern
(SEAD) zum Schweigen zu bringen.
- Kapazität zur Zerstörung der gegnerischen Luftkampfmittel am Boden (Fluggeräte, Flugplätze, Radars usw.). In der NATO wird dieser Auftrag durch Counter Air Attack (CAA) umschrieben.
- Sicherstellung einer permanenten Luftraumüberwachung durch feste oder gestützte Aufklärungs- und Führungssysteme (z B AWACS).

Das Erringen der Luftüberlegenheit ist entscheidend für alle Aktionen
von Bodenstreitkräften, für luftbewegliche Aktionen wie auch
für Helikopter- und Luftnahunterstützungseinsätze (CAS).

7.2 Luft-Boden-Unterstützung
Die Luft-Boden-Unterstützung erfolgt normalerweise auf zwei Arten:
entweder durch eine Abriegelungsaktion in der Tiefe (Air Interdiction, BAI/AI) oder durch eine Luftnahunterstützung der Bodentruppen (Close Air Support, CAS). Die nachfolgende Beschreibung beschränkt sich auf diese beiden Einsatzformen.
Obschon die Jagdbomber zur Erfüllung dieser Aufträge besonders geeignet sind, ist bei der Flugzeugentwicklung eine zunehmende Tendenz zugunsten einer vielseitigen Verwendbarkeit feststellbar.

7.2.1 Abriegelung aus der Luft
Der Begriff Abriegelung aus der Luft, englisch Air Interdiction (AI), bezeichnet in der Militärluftfahrt den Einsatz von Flugzeugen, bei dem Ziele am Boden angegriffen werden, die sich nicht in unmittelbarer Nähe eigener Kräfte am Boden befinden.

Im Unterschied zur Luftnahunterstützung (Close Air Support – CAS) ist daher keine unmittelbare enge Koordination mit Feuer und Bewegung der eigenen Landstreitkräfte erforderlich. Dennoch ist Abriegelung aus der Luft keine völlig unabhängige Operationsart der Luftstreitkräfte.

Ziel von Abriegelung aus der Luft ist es, gegnerische Kräfte, Mittel oder Nachschub auf dem Weg in die Kampfzone zu verzögern, ihre Verbindungen zu unterbrechen, oder sie zu zerstören, bevor sie gegen eigene Kräfte zum Einsatz gelangen können (z.B. Angriffe auf Annährungsachsen des Gegners).


7.2.2 Luftnahunterstützung
Durch die Luftnahunterstützung (Close Air Support, CAS) werden gegnerische Ziele bekämpft, welche die eigenen Kräfte unmittelbar bedrohen. Ihre Einsätze sind mit dem Kampfplan der Landstreitkräfte abgestimmt. Die Einsätze können geplant oder bei unvorhersehbaren Situationen als dringliches Begehren eingereicht werden. Die Luftnahunterstützung bekämpft normalerweise folgende Ziele:
- gewaltsam in ein Dispositiv eindringende mechanisierte Kräfte
- befestigte Stellungen, Waffenstellungen und Truppenkonzentrationen
- Artilleriestellungen und Punktziele (z B Brücken).

Für einen erfolgreichen Einsatz muss im Raum die Luftüberlegenheit errungen und das Gros der gegnerischen Flab-Mittel ausgeschaltet werden. Zudem müssen die Fliegereinsätze mit der Gesamtheit der Unterstützungsfeuer abgestimmt werden. Luftwaffenpersonal am Boden oder in Flugzeugen sollen mittels Laser Zielzuweisungen und Zielbezeichnungen vornehmen können.

7.2.3 Strategische Luftangriffe (strategic bombing)
Bei strategischen Luftangriffen geht es darum,
das strategische und militärische Potential des Gegners in der Tiefe des Dispositivs zu zerstören oder zu neutralisieren, um seinen Widerstandswillen zu schwächen und seine militärischen Kräfte abzunutzen. Ziele für strategische Luftangriffe sind gemäss Col. John A. Warden's fünf Ringe-Modell:

- zivile und militärische Führung
- Schlüsselindustrien sowie mit Strom - und Wasserversorgung
- Infrastruktur, insbesondere Verkehrsinfrastrukturen (Autobahnen, Eisenbahnknotenpunkte, Brücken etc.) und Kommunikation, Informations- und Datenverarbeitungszentren
- die Zivilbevölkerung
- die gegnerischen Streitkräfte in der Tiefe des Raumes, insbesondere Infrastrukturen der Luftstreitkräfte (Flugplätze, Radarstationen, Flab, Flugzeuge)

Jagdflugzeuge und speziell für die elektronische Kriegführung und für eine Ausschaltung der gegnerischen Fliegerabwehr (SEAD) ausgerüstete Flugzeuge leisten in der Regel Begleitschutz.
(...)
Glorfindel
ZITAT(Major_Steiner @ 15. Nov 2010, 21:06) *
ZITAT(Eric P.R. @ 15. Nov 2010, 00:52) *
Also kurz gesagt ist die Luftwaffe wirklich so ein kriegsentscheidender Faktor wie einem die vielen Asymetrischen Konflikte glauben machen?


Haben nicht gerade asymetrische Konflikte endgültig bewiesen welch große Bedeutung Infanterie und gepanzerte Kräfte haben und die Bedeutung der Luftwaffe (abgesehen von CAS) relativiert?

Falls Du mit asymetrischen Konflikte die Aufstandbekämpfung in Afghanistan meinst, so ist hier zu sagen, dass
1. der Krieg in Afghanistan militärisch so nicht gewonnen werden kann (es sei denn allenfalls mit Terrormethoden, die wir hier nicht näher erörtern wollen und die niemand hier näher in Erwägung zieht. Afghanistan ist ein Krieg leichter Kräfte und nicht gerade ein Beispiel für die Bedeutung von gepanzerten Kräften. Irgendwelche allgemeinen Schlüsse aus Afghanistan, besonders auf einen konventionellen in Europa oder dem Nahen Osten lässt sich daraus nicht ziehen. Einen endgültigen Beweis wird es wohl eh nie geben.
2. Airpower ist für den (schlussendlichen nicht entscheidenen) militärischen Teil der Bekämpfung der Taliban von eminenter Bedeutung, angefangenen beim Sturz der Taliban, über die Aufklärung mittels Flugzeugen und Drohnen, bis Luftangriffe (u.a. mit Drohnen) gegen die Führer der Taliban.
3. CAS ist Airpower, man kann dies nicht trennen und sagen, nur CAS sei wichtig und das andere sei nur relativ wichtig. Wenn eine F-16 eine Paveway auf eine Stellung der Taliban bei einem Gefecht abwirft, so ist dies zwar schon CAS, kann allerdings von Battlefield Air Interdiction lässt sich dies nicht mehr richtig unterscheiden.
Praetorian
Gefechtsfeldabriegelung und Luftnahunterstützung lassen sich durchaus klar abgrenzen - ersteres beschreibt die Bekämpfung von Bodenzielen, bevor diese in ein Gefecht eingreifen können, während diese bei Luftnahunterstützung bereits im Gefecht stehen.
Glorfindel
von der Definition her schon. Close Air Support ist der Angriff auf Gegner, welcher sich nahe an eigenen Truppen befindet, weshalb eine Koordination mit den Bodentruppen erforderlich ist. Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass es vor zwanzig oder fünzehn Jahren klar definierte Flugzeuge und Helikopter für CAS gab (A-10, Harrier, SU-25, AH-64, Mi-24 etc.), dass jedoch eine F-16 mit einer Paveway eigentlich gar nicht für das gemacht wurde, dass es sich jedoch nun so ergibt, dass diese auch mit CAS betraut werden. Ohne Lenksatz für die Bombe wäre die F-16 eigentlich ungeeignet dies zu tun.
xena
Wozu war die F-16 deiner Meinung denn gedacht? mata.gif
Glorfindel
ursprünglich ein Jagdflugzeug, später ein Mehrzweckkampfflugzeug. Es gab zwar Versuche, u.a. während des Golfkrieges von 1991 F-16 mit 30mm Gatlings auszustatten und ähnlich der A-10 einzusetzen. Hat sich jedoch nicht bewährt.
Ta152
Einen Luftkampf hoher Intensivität kann kaum ein Staat heutzutage lange durchhalten. Die Stückzahl an Flugzeugen vor allem aber auch Lenkwaffen sind zu gering. Nachproduzieren wird im Krigsfall kaum möglich sein bzw. fordert lange Vorlaufzeiten. Das gilt aber nicht nur für den Luftkampf sondern auch für FlaRak aber auch PzAbLfk und so weiter.

Zum Thema AWACS. AWACS spielt vor allem bei Offensiven Operationen seinen Vorteil aus. In der Defensive werden einen ausreichende Anzahl bodengebundener Radargeräte das gleiche leisten.
Dave76
ZITAT(Eric P.R. @ 15. Nov 2010, 00:52) *
Also kurz gesagt ist die Luftwaffe wirklich so ein kriegsentscheidender Faktor wie einem die vielen Asymetrischen Konflikte glauben machen?


ZITAT(Major_Steiner @ 15. Nov 2010, 21:06) *
Haben nicht gerade asymetrische Konflikte endgültig bewiesen welch große Bedeutung Infanterie und gepanzerte Kräfte haben und die Bedeutung der Luftwaffe (abgesehen von CAS) relativiert?

Dazu würde es erstmal einer begrifflichen Präzisierung des in den letzten Jahren inflationär genutzten Begriffs asymmetrischer Krieg/Konflikt bzw. Kriegführung bedürfen. Insbesondere eine Eingrenzung auf welche Auseinandersetzung(en) man sich im Einzelfall bezieht tut Not, denn ansonsten fallen solche Pauschalaussagen bezüglich welcher Teilstreitkraft welchen Einflass auf den jeweiligen Konflikt hatte viel zu kurz. (Übrigens ist hier wohl eher die Frage zu stellen, wie, also mit welcher Strategie und mit welcher Taktik dem ungleichen Gegner begegnet wurde, also in welcher Art und Weise die konventionellen Teilstreitkräfte von Staaten, die ja rein doktrinär und ausrüstungstechnisch primär einem symmetrischen Feind begegnen wollen, dem asymmetrischen Akteur gegenübertraten.)

Das hat aber im Endeffekt absolut nichts mit der ursprünglichen Fragestellung zu tun, die hier zu Diskussion gestellt wurde, bei der es ja explizit um die Luftkriegführung zwischen symmetrischen Gegner geht.
Eric P.R.
ZITAT(Ta152 @ 16. Nov 2010, 08:50) *
Einen Luftkampf hoher Intensivität kann kaum ein Staat heutzutage lange durchhalten. Die Stückzahl an Flugzeugen vor allem aber auch Lenkwaffen sind zu gering. Nachproduzieren wird im Krigsfall kaum möglich sein bzw. fordert lange Vorlaufzeiten. Das gilt aber nicht nur für den Luftkampf sondern auch für FlaRak aber auch PzAbLfk und so weiter.


Danke, das ist genau die überlegung die mich zu der Frage veranlasst hat. Das heist natürlich nicht das es so kommen muss, vor allem nicht wen eine Seite sehr schnell und nahezu verlustlos die Lufthoheit erringt. Aber ein Scenario in dem sich die beiden Luftwaffen gegenseitig neutralisieren ist anscheinend auch denkbar.
In diesem Fall müssten die Bodentruppen weitestgehend ohne Luftunterstützung auskommen.

Würde es dann nicht sinn machen LowTech Muster zu entwickeln um möglichst schnell nachfertigen zu können?
Oder sind die High tech Maschinen so leistungsfähig das sie einen solchen zahlenmäßigen Vorteil ohne weiteres wett machen?

Glorfindel
Nein, das macht keinen Sinn. Günstige Waffensysteme sind deshalb sinnvoll, weil man davon grössere Stückzahlen beschaffen kann bzw. Geld für anderes zur Verfügung steht. Niemand plant einen modernen Abnützungskrieg. Dies ist so nicht vorgesehen und bereits deshalb werden solche Überlegungen bereits von vornherein wieder verworfen. Die Chancen praktisch null, dass man in einem modernen Luftkrieg sich dazu veranlasst sieht, eine notfertig à la 2. Weltkrieg in Gang zu setzen.

Im Übrigen sind auch verhältnismässig günstige Flugzeuge (z.B. F-16 oder Gripen) kompliziert. Man geht davon aus, dass es sich lohnt, Kampfflugzeuge für den angesprochenen modernen Luftkrieg mindest auf den Stand moderner Mehrzweckkampfflugzeuge zu bringen. Und woher die Piloten nehmen?
Warhammer
Was sollen das halt für Maschinen sein?
Man kann ja schließlich nicht dutzende von Hawk Trainer schicken, anstatt moderne Hochleistungsmaschinen zu kaufen.
Denn im Endeffekt kosten die genausoviel wie moderne Jäger, da man ja wesentlich mehr von ihnen kaufen will (Und dafür natürlich auch mehr Personal braucht).

Leider nimmt eine kleine Anzahl an modernen Jägern diese trotzdem noch auseinander.

Beispielhaft hier vielleicht die derzeitige Situation auf den Falklandinseln.
Die Briten haben gerade mal 4 EFs und ein bisschen FlaRak dort sationiert. Die Argentinier könnten wesentlich mehr Maschinen (selbst bei dem Zustand der Luftwaffe/Marineflieger) gegen den Flugplatz einsetzen. Wenn es ihnen allerdings nicht gelingt überraschend den Fliegerhorst zu schließen werden die trotzdem von den EFs massakriert. Und das auch ohne AWACS.

Man fährt einfach (trotz der relativ hohen Kosten) effektiver mit modernen Maschinen (Und gutem Training).

Mit einer großen Menge an billigen Maschinen kann ich auch die Vorteile von AWACS und Co. nicht mal annähernd so nutzen wie es bei modernen Maschinen der Fall ist.
Einem fehlen einfach so elementare Dinge wie Datenfunk, leistungsfähige Langstrecken-AAMs, EloKa, Leistungsfähige Radare, etc.

Ein EF kann sich von einem AWACS in eine günstige Angriffsposition leiten lassen, dann mit den AWACS-Daten ein paar Meteor/AIM-120 C/D abfeuern und wieder verschwinden. Alles ohne selber das Radar einschalten zu müssen. Eine unmodernisierte MiG-21 kann sich gerade mal per Sprechfunk vom AWACS/der Bodenstation leiten lassen.

Und selbst ohne AWACS sind die Möglichkeiten von modernen Maschinen den Kampf zu diktieren einfach wesentlich größer. Und selbst im Kurvenkampf wird der EF/Rafale/F-22 dank guter Manövrierfähigkeit, Helmzielsystemen und Off-Bore AAMs noch mehr gewinnen als verlieren. Bei einer überproportional großen Ungleichheit helfen einem dann die größeren Stückzahlen auch nicht.
So schnell kann man dann auch nicht produzieren und trainieren um das auszugleichen.
Praetorian
Man muss hinsichtlich "billigen Massenjägern" auch bedenken, daß ein effektiver Einsatz von leistungsfähigen Luft-Luft-Lenkwaffen auch leistungsfähige Plattformen erfordert.
Dies umfasst neben der reinen Avionikausstattung (Sensorik, Kommunikation, Selbstschutz) u.a. auch den Bereich Flugleistungen. Es ist derjenige im Vorteil, der seine Lenkwaffen aus einer energetisch günstigeren Position einsetzt - das bezieht sich besonders auf Höhe und Geschwindigkeit der schießenden Plattform. Ein leistungsschwaches Muster limitiert auch die von ihm eingesetzten Lenkwaffen, ganz abgesehen davon, daß das Einnehmen einer günstigen Schussposition mehr oder weniger stark erschwert wird.
(In dem Zusammenhang wird die hohe Manövrierfähigkeit des Eurofighter gerne falsch interpretiert. Das Muster ist im Unterschallbereich zwar auch vergleichsweise agil, aber der Schwerpunkt liegt im transsonischen und supersonischen Bereich, d.h. der Eurofighter kann bei hohen Geschwindigkeiten mit vergleichsweise wenig Energieverlust manövrieren.)
xena
.
Racer
Die F-16 sollte ja auch nicht die F-4 ersetzen, sondern etwas Quantität (die F-15 waren damals schweineteuer)auf das geplante europäische Schlachtfeld bringen. Denn die Russen waren da zahlenmässig überlegen. Die Luftschlachten wären auf äusserst kurze Distanz in wildem Getummel ausgetragen worden. Ein Einsatz von Langstrecken AAM's wäre kaum möglich gewesen ohne wesentliche blue-on-blue Abschüsse zu haben. Somit wäre die F-15 in den Kurvenkampf geraten, wo die Überlegenheit dahingeschwunden wäre.

Die F-16 wurde deshalb als Kurvenkämpfer konzipiert, als quasi Tagjäger mit einem günstigen kleinen Radar und anfänglich gerademal 2 Sidewinder AAMs an den Flügelspitzen, fertig.

Nix CAS.
lastdingo
ZITAT(xena @ 16. Nov 2010, 14:38) *
Als F-16 entwickelt wurde, stand schon der Ersatz der Phantom fest, somit auch die Rolle der F-16 auch für CAS, also nix mit reinem Jäger. Die Jägerrolle hatte schon die F-15 inne.


Die ursprüngliche Idee der F-16 war "Lightweight Fighter".
Sie wuchs lediglich per "mission creep" während der Entwicklung in einen Jagdbomber.

Als Jagdbomber war sie bekanntermaßen nicht so toll damals - das kam eigentlich erst, als SEAD gegen 60er Jahre Flugabwehr so wirksam wurde, dass Präzisionswaffen aus großer Höhe eingesetzt werden konnten.

Die Jagdbomberrolle war auch teilweise eine Folge der Tatsache, dass die F-16 für die meisten europäischen Nutzer das einzige Kampfflugezug sein würde (-> Mehrrollenfähigkeit nötig) und dass es schon seit den 60ern üblich war, alte und somit als Jäger nicht mehr vollwertige Maschinen als Jagdbmber einzusetzen (was somit vorhersehbar für eine spätere Karrierephase der F-16 war).
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