ZITAT(Schwabo Elite @ 31. Aug 2014, 18:07)
Die Schweiz ist eindeutig ein anderer Fall. Es gibt eine klare Reglung, was Amtssprache ist und der mulitlinguale Zustand - in Traditio und Recht - ist mehrere Generationen alt. Die Ukraine, da sind wir uns einig, hat aber weniger staatliche Tradition und ein schweres Erbe von mehreren Generationen der Unterdrückung durch die russische Zentralmacht. Aber auch in der Schweiz und eben auch in Kanada wird Unterricht nicht durchgängig, auf allen Ebenen und zu jeder Zeit bilingual gehalten. Das macht auch weder pädagogisch Sinn, noch ist es durchführbar (finanziell und organisatorisch). Es gibt aber in beiden Staaten das Recht jeden Amtsavorgang in mehreren Sprachen durchzuführen. Das ist in der Ukraine ja offenbar auch so mit dem Russischen.
Nur weil man keine mulitlinguale Tradition* hat, kann es nicht als Grund herhalten, um damit gar nicht erst anzufangen. Weil früher mal die Ukrainische Sprache unterdrückt wurde, ist es abwegig, daraus die Unterdrückung des Russischen heute herzuleiten. Vor allem, weil ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft das auch nicht will. In Nordrhein-Westfalen und Westniedersachsen war weit bis ins 19. Jahrhundert die Niederländische Sprache weit verbreitet und wurde erst im Kaiserreich verdrängt. In Frankreich wurde die Okzitanische Sprache 200 Jahre lang unterdrückt und beinahe ausgerottet. Es wäre doch absurd, jetzt gegen den Willen der Bevölkerug die NRWler wieder zu zwingen Niederländisch und die Südfranzosen Okzitanisch zu nutzen. Es geht auch nicht um die irssinnige Idee, den Unterricht permanent zweisprachig zu führen, sondern darum, zumindest den Anteil der Schulen, die auf Russisch oder Ukrainisch unterrichten (mit dem entsprechenden Anteil der anderen Sprache) an den Bedarf der Bevölkerung anzupassen.
In der Ukraine gibt es kein Recht auf jeden Amtsvorgang in Russisch. Das ist nur auf untersten Verwaltungsebenen in russischsprachigen Regionen möglich und Janukowitschs Gesetz von 2012 hat das lediglich legalisiert. Sämtliche Verträge und relevanter Schriftverkehr haben ausschließlich in Ukrainisch zu erfolgen.
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Was so nicht stimmt. Traditionell wurden auf dem Gebiet der heutigen Ukraine neben dem eigentlichen Ukrainisch und seinen Vorläufersprachen immer mehrere Sprachen genutzt. Polnisch (in der West- und Zentralukraine ), Altweißrussisch (ebda., Amtssprache des Großfürstentums Litauen), Krimtatarisch und türkische Sprachen (Südukraine), Russisch (gesamte Ukraine, in Ostgalizien und Transkarpatien erst seit 1939/1945), Rumänisch/Moldauisch (in Podolien), Bulgarisch, Serbisch, Jiddisch, Griechisch (aufgrund entsprechender Siedler und kleiner Enklaven). ZITAT(Schwabo Elite @ 31. Aug 2014, 18:07)
Aber nochmal die Frage: Wie entschuldigt das alles den Einmarsch russischer Truppen in ein Nachbarland. Gar nicht. Es gibt kein Recht seinen Nachbarn zu überfallen, es gibt kein Recht eines Staates Truppen in ein Nachbarland zu schicken. Nichteinmal dann, wenn dort die GEfahr droht, dass ein Gesetz Rechte bestimmter Bürger beschneiden könnte. Ansonsten hätte jedes Land dieser Erde das Recht in Russland einzumarnschieren. Dauernd. Jeden Tag.
Russland hat den Konflikt von Anfang an militärisch beeinflusst. Hat der Westen die Maidan-Demonstranten unterstützt? Mit Sicherheit. Garantiert wurde finanziell, organisatorisch und moralisch Unterstützung geleistet. Warum? Weil die Maidan-Demonstrationen für einen ukrainischen Staat eintraten, der Werte vertritt die in der transatlantischen Kultur ausschlaggebend sind. Aber Russland hat sich nicht nur genau so verhalten, sondern darüber hinaus nach dem Erfolg der Demonstranten die Krim besetzt und auf der Krim und im Donezk-Becken Separatisten mit Waffen versorgt, ukrainische Armeeangehörige von Russland und der Ukraine aus bombardiert und ist nun in der Ukraine zum zweiten Mal einmarschiert.
Es geht seit März nicht mehr um die Zukunft der Sprachpolitik eines jungen Landes. Es geht seit der Krim-Invasion darum, dass Russland das Recht beansprucht unilateral und damit aus nationalistischen Interessen heraus anzugreifen, wen es will. Das ist nicht vergleichbar mit westlichen Handlungen. Nichteinmal die zweifelhaftesten außenpolitischen Handlungen (Irak-Krieg) wurden von transatlantischen Mächten unilateral durchgeführt. Es gab immer eine breite Basis aus gleichgesinnten Ländern, im Falle Iraks gab es sogar Unterstützung von Ländern, die traditionell nicht zum engeren Kreis der transatlantischen (sog. "westlichen") Kultur zählen, wie Japan, lateinamerikanischen oder arabischen Staaten.
Russland ist hier ein allein handelnder Aggressor.
Das entschuldigt nicht das Vorgehen Russlands, macht es jedoch viel einfacher.
ZITAT(Seneca @ 31. Aug 2014, 22:01)
Die russische Offensive hat -unter anderem (Stichwort "Neurussland") - auch das Ziel einer Landbrücke zur Krim . Im jüngst eroberten Nowoasowsk vor Mariupol gab es niemanden, der nach russischen Truppen gerufen hatte. Russland gab sich nicht mal Mühe, die Einnahme dieser Stadt mit einer angeblichen "humanitären Katastrophe" oder "drohenden ethnischen Säuberungen" propagandistisch zu verschleiern.
Der Grund ist ganz banal: Im Winter ist die Fährverbindung Russland-Krim über die Straße von Kertsch durch Eisgang oft nicht nutzbar. Vor dem Winter muss ein Landzugang erobert werden.
http://www.sueddeutsche.de/politik/konflik...tegie-1.2110237Das ist Quatsch. Eisgang ist in der Gegend äußerst selten (häufiger sind starke Stürme, wenn warme Mittelmeerluft auf arktische Luft aus Russland trifft). Aufgrund des fehlenden Tourismus sinkt auch in der kalten Jahreszeit der Transportbedarf. Das schließt jedoch nicht aus, dass Russland im Falle weiterer Kriegshandlungen nicht noch andere Ziele als den Donbass verfolgen könnte.
ZITAT(sailorGN @ 1. Sep 2014, 07:24)
@Slawomir: Die "ungelösten" Probleme sind die letzten 20 Jahre dort nur auf der Krim immer wieder "ausgebrochen" und auch dort nicht gewalttätiger als in der Kiewer Rada
Solange sich die Zahlen die Waage halten und beide Seiten das Gefühl haben, ihre Interessen werden irgendwie wahrgenommen, eskaliert soetwas schwer. Nach der Orangenen Revolution blieb es ja auch ruhig.
Na ja, nicht ganz. Viele Abgeordnete aus dem Südosten hielten in Sewerodonezk eine Versammlung ab, in der sie das Projekt einer südöstlichen ukrainischen Autonomie diskutierten. Manche forderten auch den Einmarsch russischer Truppen. Eine ähnliche Versammlung gab es 2008.