Die Sicht der Kreml-Propaganda ist dabei nicht nur projektiv, sondern auch sehr simplifizierend (wie alle propagandistisch überzeichneten Feindbilder) und schlichtweg falsch.
1. Stepan Bandera war sicher kein Faschist im Sinne der Ursprungsbewegung aus Italien. Seine Weltsicht/Überzeugung speiste sich jedoch aus eben jenen zeitgenössischen Geistesströmungen, aus denen neben dem italienischen Faschismus der deutsche Nationalsozialismus, der österreichische "Austrofaschismus"/Ständestaat, die ungarischen Pfeilkreuzler uswusf. hervorgingen. Im Grunde sind alle ultranationalistische, totalitäre, auf "Führerpersönlichkeiten" zugeschnittene Diktaturen. Gemeinsam hatten diese die Ablehnung liberaler Werte, des Individualismus, der Freiheit des Einzelnen uswusf, sprich all jenes, was sich so in den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes so findet. Die Unterscheidungen der einzelnen Ausprägungen ist dabei sehr schmal, da eifrig kopiert wurde, bzw. die theoretischen Grundlagen (aus dem Bereich Antisemitismus oder Rassenlehre) oft die gleichen waren. Gleichzeitig gab es aber auch explizite Abgrenzungen, der Nationalsozialismus unter Hitler nahm zwar Bezug auf den italienischen Faschismus (und Hitler war zumindest anfangs ein Bewunderer Mussolinis), grenzte sich aber auch explizit ab. Eine faschistische Internationale gab es dementsprechend nie. Um den Bogen zu Bandera zu spannen: Er war sicherlich Kind gleichen Geistes. Gleichzeitig war diese Geisteshaltung auch auf die Situation in der damaligen "Ukraine", zerrieben zwischen Polen und Russen/Sowjets, zurückzuführen. Gerade das Verhältnis Polen-Ukrainer war bereits damals alles andere als gewaltfrei und über die Ukraine als SSR ist hier schon alles gesagt/diskutiert worden. Die Tatsache, dass er sich für einen Nationalstaat Ukraine einsetzte, dafür mehrfach verurteilt/inhaftiert wurde (von Polen, Deutschen und Sowjets) und letztendlich vom KGB wegen seiner Haltung ermordet wurde begründet seinen Status in der Ukraine. Dass er direkt und indirekt für dieses Ziel Gewalt ausübte (und anhand seiner politischen Ansichten die Massaker der OUN an Polen und Juden sicher nicht verhinderte) ist eine Seite, die dabei entweder geflissentlich ignoriert oder sogar bewusst in Kauf genommen wird (je nach politischer Einstellung der jeweiligen Fangruppe). Dies ist aber kein Alleinstellungsmerkmal für die Bandera-Anhänger, sondern ein generelles, extrem negatives Phänomen bei der Verehrung von "Helden". Dies führt zu
II. nämlich dem Ausblenden jener Eigenschaften und Grundlagen, die totalitäre und insbesondere jene "faschistoiden" Regimes ausmachen. Da wäre zunächst der "Führerkult", die unbedingte Unterordnung sämtlicher Personen und Institutionen eines Staates unter einen. Diese Person hat de facto und oft auch de jure vollste Verfügungsgewalt über alle Ressourcen des Staates. In der "Vergöttlichung" durch Propaganda und Wahrnehmung ist diese eine Person in der Lage, quasi jeden Missstand persönlich aufzuheben, seine divine Intervention schlägt alle anderen Mittel innerstaatlichen Handels, die Person kümmert sich um den Zustand der Straßen in der Provinz genauso wie um neue Wohnviertel in der Hauptstadt. Gestützt wird der Führerstaat idR durch eine Ein-Parteien-Ordnung. Eine Partei ist gleichzeitig auch Ausdruck der Einigkeit von "Volk", "Staat" und "Führer" (Trinität ick hör dir trapsen
). Im Grunde ist diese Eine Partei jedoch nur Staffage bzw. Claqueure für den "Führer", bzw. Personalreserve für "Unterführer" die den Willen und Geist des Obersten in die letzten Winkel tragen. Für jene, die sich nicht offen für Willen und Geist zeigen gibts mindestens eine Geheimpolizei, welche für politische Linientreue innerhalb und ausserhalb des Gesetzes sorgt. IdR ist diese allerdings nur für die härtesten Fälle zuständig, den Alltagswiderstand übernimmt die Justiz, selbst wenn dafür Parallelgerichte geschaffen werden müssen... oder die normale Polizei handelt eben ohne gesetzlich/juristische Grundlage, eigentlich reichen Wort/Unterschrift des Führers aus. Weiteres Merkmal ist die extreme Gruppentrennung. Das einige VolkParteiFührertum wird sehr genau abgegrenzt (über Nation, Ethnie, Religion, Weltanschauung) gegenüber a) zunächst allen anderen und b) einer Handvoll besonders gebrandmarkten Feindgruppen. Letztere werden durch Propaganda gezielt entmenschlicht, durchweg negativ konnotiert und moralisch abgewertet. Gern wird dazu auf extreme Zuschreibungen zurückgegriffen, welche die grenzenlose Amoralität der entmenschten Feinde plastisch darstellen soll: "Kindermörder"/"Babies kreuzigen", Giftmörder und die ganze Palette sexualisierter Obszönitäten. Diese brauchen nicht der Wahrheit entsprechen, es reicht die möglichst laute und häufige Wiederholung. Auf keinen Fall darf diese Propaganda eigene Fehler oder Berichtigungen bringen, da das VolkParteiFührertum ja per se allwissend, immer korrekt und überaus göttlich ist. Die Göttlichkeit ist ebenfalls ein Thema, totalitäre Staaten und ihre Führer arbeiten immer mit (pseudo-)religiöser Symbolik und Ritualen, in den eher "rechten" wird die Kirche Teil des Machtapparates, in den Linken oder antireligiösen (Nazideutschland bspw.) wird eine Ersatzreligion gebastelt. Und so dreht sich das Ganze im Kreis, der totalitäre Staat braucht entmenschlichte Feinde als Ursache allen Leids und Grund für gewaltsame Repression nach innen und aussen, Propaganda, Partei, Kirche helfen dabei und alle überhöhen die eine Person an der Spitze. Diese wiederum ist Richter, Erlöser, Arbitrator, Gott und Kulminationspunkt allen Guten (Dualismus ggü. den "Feinden")
Soviel zum kurzen Exkurs in die "Wunderbare Welt der Totalitarismustheorie". Es möge jeder seine eigenen Schlüsse draus ziehen