ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 11:53)
Zeitpunkt: Art und Weise des Anschlags sowie Mittel passen sehr gut, wenn man betrachtet, wie der Kreml in den letzten Jahren agiert hat. Genau wie der Polonium-Mord ist es eine Methode, die andere Organisationen (bspw. aus dem OK-Bereich) nur schwer anwenden können und sich die Mühe nie machen würden.
Warum nicht? Gerade im OK-Bereich ist das Anwenden einer solcher Waffe ein Zeichen von Macht, weil man damit zeigen kann, dass man Werkzeuge einsetzen kann, die die Konkurrenz nicht hat.
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 11:53)
Der Zeitpunkt ist ebenfalls sehr gut gewählt, da die heftige Reaktion GBs vorhersehbar war. Innenpolitisch kann der Kreml Russland als Opfer einer Intrige darstellen und Putin als Schutzherr des geschundenen russischen Volkes stilisieren. Die Fußball-WM wird dadurch noch mehr zu einem Symbol des "russischen Wollen der Völkerfreundschaft" die jedoch vom Westen abgelehnt wird.
Der Zeitpunkt ist absolut unpassend. Die Präsidentenwahlen waren so gut wie gelaufen und Proteste sind/waren nicht wirklich zu erwarten. Innenpolitisch besteht also kein Bedarf. Die Fußball-WM bietet dafür eine gute Plattform um das eigene Image nach innen und außen aufzupolieren. Eine gut durchgeführte WM hat einen besseren Effekt, als ein internationalen Skandal. Warum sollte man diese Chance (die sich nur alle Paar Jahrzehnte bietet) so leichtfertig torpedieren?
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 11:53)
Gleichzeitig sabotiert man damit effektiv die Brexit-Affäre, weil die Briten nun wieder in die Zwickmühle geraten. Sie wollen allein sein, sind dann aber einfacheres Opfer.
Wieso sollte man den Brexit sabotieren, wenn dieser einem eigtl. in die Hände spielt? Wenn man GB zum Opfer macht, provoziert man doch gerade damit Geschlossenheit auf Seiten des Westens, die man ja eigtl. vermeiden möchte.
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 11:53)
Herstellung: Es gibt sehr simple KS, das stimmt. Aber hochwertige phosphororganische KS herzustellen ist nichts für einen Chemie-LK. Schon gar nicht, wenn man die genaue Strukturformel nicht kennt. Dazu kommt, dass experimentelle Herstellung (in der Forschung oder auch Suche nach neuen Varianten) etwas anderes ist als die kriegsmäßige Bereitstellung. Die Sowjetunion hat entsprechende Labore und Herstellungsanlagen vorgehalten, Personal spezialisiert und war immer auf der Suche nach neuen Varianten (und übrigens auch nach Abwehrmaßnahmen, nur diese wurden auch lang,breit,schmutzig publiziert... die DDR/Volksarmee war übrigens ein wichtiger Partner der Sowj. bei der ABC-Abwehr). Schon für die Herstellung kleiner Mengen braucht man hochreine Ausgangsstoffe, Edelmetallkatalysatoren und hochgenaue Temperatur-/Druckregelung. Bei der industriellen Herstellung nimmt man idR Verluste/Verunreinigungen bis in den 2stelligen Prozentbereich in Kauf (eben weil man dann trotzdem "genug" KS hat).
ANscheinend war das, was man hier eingesetzt hat eben nicht so rein und effektiv.
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 18:33)
@EK: Das Motiv geht deutlich über die "Beseitigung" Skripals hinaus. Für eine reine Hinrichtung war er kein wirkliches Ziel, da er seine Strafe abgesessen hat... Es ging um mehr, um "Grundsatzpolitik", wobei das Opfer eher zweitrangig war (und wahrscheinlich deutlich sichtbarer/weniger geschützt als Agenten, die man vor der Strafe extrahiert hat).
Der Plan war tatsächlich perfekt. Dann kamst du und hast ihn durchschaut
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 18:33)
So ein Anschlag hat weiterreichende Ziele als nur die Eliminierung eines verurteilten Doppelagenten, es geht um die Sichtbarkeit und die Schlüsse, die "Kenner" daraus ziehen. Sehr wahrscheinlich (das ist jetzt persönliche Meinung, keine belegbaren Fakten) gibt es dabei mehrere Ebenen. Die persönliche ist, dass man noch irgendeine Rechnung mit Skripal offen hatte... die "Agentenebene" ist eine deutliche Warnung an "Überläufer" und Disziplinierung nach innen ("Wir erschiessen euch nicht nur, sondern machen Schlimmeres, wenn ihr nicht spurt!").
Das angeblich eingesetzte Mittel hätte das Opfer unter normalen Umständen in kürzester Zeit getötet. Wenn man leiden lassen wollte, dann hätte dies durch Entführung und Folter sehr viel leichter und gezielter bewerkstelligen können. Da kann man jemanden sicherlich mehr leiden lassen, wenn man es darauf anlegt. Mehr als einen Minivan und einen Werkzeugkasten braucht es dafür nicht. Dafür kann man die Spuren leichter beseitigen und macht sich nicht durch den Einsatz von exotischen Kampfstoffen verdächtig. Auch lässt sich so ein Tod leichter abstreiten, weil er eben auch durch das OK ausgeführt werden kann.
(Ex)-Agenten sind keine Hinterwäldler, die vom Tod von (ehemaligen) Kollegen erst aus der Zeitung erfahren. Schon eine kleine Todesserie von 2-3 Leuten hätte hier als Botschaft ausgereicht.
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 18:33)
Die Geheimdienstebene ist "seht her, wir können in jedem Land machen was wir wollen". Die politische Ebene ist "wir machen was wir wollen und ihr habt keine Beweise, dass wir es waren".
Auch das kann man durch o.g. Methoden schaffen, ohne eindeutige Spuren hinterlassen zu müssen. Wozu erst die Solidarität anderer Staaten und der öffentlichen Meinung provozieren?
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 18:33)
Zur innenpolitischen Dimension habe ich ja bereits meine Meinung geschrieben.
Wie bereits erwähnt, unlogisch.
ZITAT(SailorGN @ 7. Apr 2018, 18:33)
Die europapolitische Dimension ist Destabilisierung, Aufrechterhaltung der Unsicherheit um den Brexit. Wenn der Brexit geordnet funktioniert und sich GB+EU auf einen modus operandi einigen wäre das ein Stabilitätsfaktor für beide Seiten. Durch solche Aktionen wird insbesondere die britische Seite verunsichert und könnte die eigene Meinung verschieben.
Durch Destabilisierung von GB erreicht man aber das genaue Gegenteil. Die Stimmung gegen den Brexit könnte sich massiv verstärken und im 'schlimmstenfall' zum 'Exit from Brexit' führen. Was hätte man dadurch gewonnen? Wenn es um die Spaltung der EU geht, dann wäre gerade stillhalten und aussitzen, bis diese komplett durchgeführt wurde die beste Methode. Denn dann hätte man vollendete Tatsachen. Gerade jetzt könnten EU+GB als Zeichen der Solidarität den Brexit weicher gestalten und bestimmte Bereiche (Sicherheit) gezielt stärken. Das kann man im Kreml nicht wollen.
Man kann es drehen wie man will. Es gibt einfach kein nachvollziehbares Motiv.