ZITAT(Freestyler @ 22. Mar 2022, 21:36)
ZITAT(Merowinger @ 22. Mar 2022, 16:10)
Die Absicht ist (war) bekanntlich, die viel kleinere ukrainische Armee zu überlasten und vor die Qual der Wahl zu stellen, indem man von allen Ecken aus angreift. Es stimmt, das ist komplex und nicht einfach, soll aber den eigenen Vorteil der Masse nutzen. Beobachter meinen, jetzt eine neue Konzentration auf den Osten erkennen zu können.
Aus Gründen der exessiven Geheimhaltung wurde die Operation nicht vorher geübt - oder zumindest nicht in ausreichender Form. "Combined" funktioniert laut US Kommentatoren nicht.
"Vorüben" muss man eine solche Operation nicht, dazu haben Streitkräfte i.d.R. keine Ressourcen, aber Streitkräfte müssen regelmäßig üben und Stäbe müssen Zeit haben, komplexe Operationen ordentlich auszuplanen - was die russischen Streitkräfte offenbar nicht taten. Mit Ausnahme des der Überquerung des Suezkanals durch die ägyptischen Streitkräfte zum Anfang des Jom Kippur-Kriegs und irakischer Operationen während des ersten Golfkriegs wurden in keinem konventionellen Krieg einzelne Operationen "vorgeübt" - allerdings planten Stäbe detailliert ihre (Anfangs-) Operationen und die einzusetzenden Truppenteile führten intensivierte Ausbildungen und Übungen durch.
"Combined" bedeutet übrigens "mit Truppenteilen allierter Streitkräfte" wenn es im Sinn von "joint and combined" verwendet wird. An dem russischen Angriff auf die Ukraine nehmen aber (bisher) keine Truppenteile verbündeter Streitkräfte teil, also ist "combined" die falsche Bezeichnung. Was bei den russischen Streitkräften nicht funktioniert, ist "joint" (teilstreitkräfteübergreifendes Zusammenwirken) und "inter-agency" (Zusammenwirken der Streitkräfte mit anderen Behörden und staatlichen Organisationen"). Und die russischen Bodentruppen beherrschen offenbar "combined arms warfare" nicht.
Danke, dass du die Ägypter am Suez erwähnst. Die hatten damals ein gutes Skript, das sie eingeübt haben und das ziemlich planmäßig verlief, bis das Skirpt endete und der Krieg aber noch nicht vorbei war, worauf sie nicht mehr wussten, was zu tun ist, selbst eingeschlossen und ziemlich übel vermöbelt wurden.
Unter anderem wegen dieser Meisterleistung (der echten bis Skript Ende) und der "Meisterleistung" danach ist ja das Buch "Why Arabs lose Wars" von Pollack erschienen. Ich denke, wir sehen gerade ein vergleichbares Versagen, allerdings nicht einer arabischen Armee. Was mich dazu bringt - und da hab ich wie es der Zufall will - heute schon länger drüber nachgedacht, dass ich Pollack an der Stelle einen "Racial Bias" unterstellen muss, der ihm den Blick auf die größere Wahrheit verstellt hat: Es sind nicht "Arabs", die Kriege verlieren, es sind clandestine, autokratische/diktatorische Systeme, die aufgrund ihrer inhärenten Paranoia und dem daraus folgenden Tribalismus und Zentrismus trotz numerisch ansehnlicher Kampfkraft ihre Kriege spektakulär verkacken.
Wir sehen das gerade live und in Farbe mit den RUS SK:
Noch vor 5 Jahren haben wir ZAPAD und ähnliche Übungen beobachtet; vor den Fähigkeiten, der Entschlossenheit und der Teilstreitkraftübergreifenden Zusammenarbeit, insbesondere der Möglichkeit und Fähigkeit Russland, schnell strategisch Kräfte zu verlegen und zu massieren, hatten man z.B. im DEU Heer einen Heidenrespekt, gepaart mit echter Anerkennung, was die RUS SK mit ihrem nach nominellem BIP begrenzten Mitteln auf die Beine stellen können, um die NATO auf Trab zu halten und zumindest irgendwo 8an der NATO-Ostflanke) einen Fait Accompli (I know, umstritten) zu erreichen.
Davon ist jetzt nach 4 Wochen Krieg in der UKR nur noch pures Entsetzen übrig, wie wenig RUS aus seinen Mitteln macht. Die sind völlig neben der Spur. Strategisch, operativ und taktisch. Da läuft gar nix. Der Vergleich ist echt schlecht, aber das erinnert an das Auftreten der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2018.
Keine zentrale, durchgängige militärische Führungsorganisation, damit keinerlei Unity of Command oder Unity of Effort; das Skript ist scheiße und von der Realität entkoppelt und der blöde Film läuft trotdem durch.
Es gibt keine parallele/vertikale Planung, die alle mitnimmt: Man kann z.B. dem dritten Reich viel vorwerfen, aber bis inklusive dem Frankreichfeldzug und der danach folgenden Ausrufung des "GröFaZ" - besonders im Frankreichfeldzug - hat man - trotz Diktatur - gesehen, dass die Soldaten alle wussten (wenn auch nach Zusammenziehung und unter Geheimhaltung), worum es geht und was von jedem erwartet wird: beim Ardennenstoss wusste jeder: "In drei Tagen an die Maas, am vierten Tag über die Maas" und konnte daraufhin Auftragstraktik anwenden, die zugelassen und gefördert wurde. Inklusive der regelmässigen Insubordination/Ungehorsam von Truppenführern, die Gefechtserfolge selbständig, auch gegen anderslautende Einzelbefehle ausnutzten (das ist irgendwie so die preussische angewandte und über Jahrhunderte bewährte Schizophrenie, dass man Divisonskommandeuren/KGs Dinge verbietet, in der Gewissheit, das sie sie dann dennoch tun, um damit den Feldzug zu gewinnen). Das fehlt hier komplett.
Tribalismus und Groupthinking haben selbst die paar Eingeweihten auf die falsche Fährte geführt; ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass das was wir sehen, das beste ist, was Gerassimov planen und abliefern kann.
Befehlstaktik, verstopfte Lines of Communication, unzureichende Führungsmittel und mangelnde Logistik (woher sollten sie es auch wissen) tun ihr übriges, um eine - im Übrigen für die Gesamtheit der Ukraine viel zu kleine Streitmacht - gegen einen sehr gut aufgestellten und motivierten Gegener Ukraine wirklich unter Wert gegen die Wand zu fahren.
Da haben einige wenige sich etwas abseits der Realität ausgedacht und ziehen es gnadenlos durch und der einfache RUS Soldat (und das geht bis hoch zum Armeelevel) stirbt, ohne eine Ahnung zu haben, was er da überhaupt tut.
Ich will nicht zu oft auf den 2. WK rekurrieren... daher springe ich zu Operation Desert Storm: DAS war Combinded Arms, DAS war Joint, DAS war Unity of Effort und Unity of Command: Es hatte strategische Klarheit, operative Überraschung und Brillianz und solide bis herausragende taktische Durchführung (inklusive 60 DOS für 5 Korps!!!)
Das, zumindest eine solche Planung hätte ich mir von den Russen für diese, für die Nation für die kommenden Dekaden entscheidende Operation erwartet:
Norman SchwarzkopfDas ist aber alles Fehlanzeige, d.h. das Regime ist tatsächlich schon im Stadium '44, bevor es losging (Zitat/vgl. FSB-Leaks).