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Vollansicht: Stürmende Schützenreihe vor BMPs/BTRs im Ostblock
WHQ Forum > Technik > Infanterie
Freestyler
Ich habe vor kurzem die Folge East Germany's Motor Rifle Company von Battle Order gesehen. Die Ausschnitte aus NVA-Originalmaterial zeigen die SPWs/BMPs nebeneinander aufgereiht (am ehesten vergleichbar mit dem Breitkeil in der Bundeswehr), mit den abgesessenen MotSchützen vor oder neben den SPWs/BMPs im Laufschritt im Angriff. Diese Aufnahme kenn ich auch von Originalaufnahmen über andere Streitkräfte des Warschauer Pakts/Ostblocks, aber weder von Originalaufnahmen der Wehrmacht noch der Bundeswehr oder verbündeter Streitkräfte.

Bei der Bundeswehr schließt sich das aus dem Grund aus, dass die Panzergrenadiere zu den gepanzerten Kampftruppen gehören, vom Schützenpanzer aus kämpfen und nur absitzen wenn unbedingt notwendig. Und wenn die Panzergrenadiere absitzen, dann halten die Schützenpanzer den Feind mit ihren BMK nieder, während die abgesessenen Panzergrenadiere den Feind nach Möglichkeit umfassen.

Die MotSchützen, die vor oder neben den SPWs/BMPs stürmen, sind dem Feuer der Verteidiger und der Artillerie schutzlos ausgesetzt, was wiederum eine hervorragende Möglichkeit bietet, die MotSchützen von ihren Fahrzeugen zu trennen und erstere daran zu hindern, feindliche Panzerabwehrsysteme zu bekämpfen. Gleichzeitig dürfte die Trefferwahrscheinlichkeit eines aus der Bewegung schießenden MotSchützen gegen Null tendieren. Was wollte man mit diesem taktischen Ansatz erreichen?
Glorfindel
Ich glaube, dass das eher "schulmässige" Maneuver auf Schiessplätzen sind als eine realistische Gefechtsdarstellung.

In der sovjetischen Doktrin spielen die Gefechtsformationen eine wichtige Rolle, insbesondere der Wechsel von Marsch- (Kolonne) in Gefechtsformation (gestaffelte Linie).

8-12 km hinter der Front hätte ein Regiment Bataillonskolonnen gebiödet, 4-6 km Kompaniekolonnen, 1.5-4km Zugskolonnen und 1500m vor der Front wären Kampflinien eingenommen worden

So auf offenem Feld wären die unterstellten Kampfpanzer im Gefecht zuvorderst im MSB vorausgefahren, zirka 300 Meter dahinter wären die BMP/BTR gekommen. Die Mot. Schützen wären abgesessen, wenn nicht die Verteidiger bereits effektiv neutralisiert worden wären bzw. beim Einsatz von C Kampfstoff. Ursprünglich war auch mal vorgesehen, dass die Mot. Schützen möglichst aufgesessen bleiben, aber es zeigte sich, dass das (noch mehr) verlustreich ist (Afaik z.B in den israelisch-arabischen Kriegen).

Aus diesem Grund entsprechen die Maneuverbilder nicht zwingend der Gefechtswirklichkeit.
Forodir
Was natürlich immer eher zweischneidig ist, wenn ich sowas im Manöver mache dann wird es auch im echten Gefecht gemacht. Bilder, die falsch gestellt werden und Dinge die falsch geübt werden, finden ihren Weg in das Gefecht. Mit ein Grund warum mir die ILÜ immer auf den Keks geht.
Mc Bain
Ich halte das auch eher für Dog & Pony Show, die vielleicht noch an den großen Vaterländischen erinnern soll.

Aus dem Gedächtnis heraus, weil das wirklich schon lange her ist: Ende der 80er Jahre, also noch zu Zeiten des Wahrschauer Pakts, war ich in den Ferien öfter in Ungarn und da hab ich an einem Feiertag mal eine Vorführung der ungar. Armee besucht. Weiß nicht mehr ob das zum Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs oder aus einem anderen Anlass war.

Die dort gezeigte Vorgehensweise der Mot. Schützen erinnerte doch eher an unsere. Absitzen erst wenn nötig und am Feind.
SailorGN
In "The Soviet Motorized Rifle Company" von 1976 steht dazu nichts, im Gegenteil: S. 55 (Kapitel Squad) "Whenever possible, the squad will assault and fight from its vehicle, dismounting only when forced to do so. The dismount point is dictated by the terrain and the enemy antitank defenses and may be up to 1000 m from the enemy position. When it must attack on foot, the squad occupies a frontage of 40-60 m with 6-8 m between men. ... in most cases, the BMP will remain 400-500 m behind a dismounted squad."

Das passt weder zu den Filem, noch den Abbildungen im Buch. Die Abstände sind zu klein, die APC zu nah dran.

Weiter hinten, bei Platoon und Company steht noch: Abgesessen werden vor allem intakte und durchgehende Verteidigungslinien angegriffen, die Infanterie bricht in die Stellung ein, nach Werfen des Feindes wird wieder aufgesessen.

Jetzt kommt mein Spekulatius: Die Aufnahmen zeigen den Sturm auf eine gegnerische Stellung. Die Inf ist weit vor der gegnerischen Linie abgesessen und greift zusammen mit MBT und APC an. Was wie "Dummheit" aussieht mag 2 Faktoren geschuldet sein: 1) Übungs-/Manöverkünstlichkeit (man beachte das jeweilige freie/offene Terrain) und 2) Angriff der Infanterie zusammen mit den Fahrzeugen, um gegnerische Antitank-Waffen nieder zu halten. Insgesamt passen die Filme aber in meinen Augen nicht zur Doktrin und das taktische Verhalten macht so wenig Sinn. Vor allem, da der finale Sprint (ab 30 m) mit Handgranate und Urrah betont wird... wenn man da schon vorher 500 m im Laufschritt unterwegs war ist man entweder mehr als gut erwärmt oder man hat es bis zum Erbrechen trainiert.
Stefan Kotsch
Eigentlich sollen die Schützen vor oder hinter den SPz/BTR handeln, je nach Gelände. Bei Truppenübungen mit Gefechtsschießen spielen dann noch die Sicherheitsbestimmungen mit rein, wenn SPz/BTR und Schützen zugleich schießen sollen.

Leider hatte sich aber eine unseelige Praxis breit gemacht, wie oben schon gesagt, die das Falsche zum eingeübten Standard macht. Das zog sich in ähnlicher Form irgendwie durch alle Führungsebenen. Schema F bestimmte den Alltag.

@Korrektur (man vergisst ja soviel...)

Schnell mal die Gefechtsvorschrift für Zug und Gruppe hervorgekramt. Da steht also für den Angriff:

"Die Schützenpanzer (Schützenpanzerwagen) können hinter der Schützenkette, an den Flanken oder innerhalb der Schützenkette angreifen.
...
Beim Sturmangriff hat der mot. Schützenzug in Linie der Gefechtsfahrzeuge 100 bis 200 m hinter den Panzern anzugreifen
...
Die Schützenpanzer (Schützenpanzerwagen) haben von Abschnitt zu Abschnitt (von Deckung zu Deckung) hinter den eigenen Einheiten in einem Abstand vorzugehen, der eine zuverlässige Feuerunterstützung der Panzer und mot.Schützen ermöglicht.
Die Schützenpanzer (Schützenpanzerwagen) können, abhängig von der Lage und den Geländebedingungen, auch unmittelbar in der Schützenkette der Gruppe angreifen."


Und die Gefechtsvorschrift für Bataillon und Kompanie legt fest:

"Der Abschnitt des Absitzens muss sich so nahe wie möglich am vorderen Rand der Verteidigung des Gegners befinden."

__
Da das auch eine Form des verbundenen Gefechts war, ist es natürlich immer das Ziel, die feindliche Truppe mit Unterstützungsmittel und Ari soweit niederzuhalten, dass die Schützen einigermaßen "trockenen Fußes" bis zur feindlichen Stellung kommen. So die Theorie.
Freestyler
Auf einem der wenigen Fotos von der derzeitigen ukrainischen Offensive bei Kherson sieht man ein ähnliches Vorgehen: MTWs im offenen Gelände/in ungedeckter Stellung mit Infanterie dazwischen. Ähnliche Konstellationen sieht man auch immer wieder auf Fotos von NATO-Manövern mit osteuropäischen NATO-Streitkräften. Meiner Einschätzung nach sind die Ursachen zum einen die Führungsgrundsätze, die wenig Flexibilität und viel Kontrolle vorsehen, zum anderen das Fehlen eines Unteroffizierskorps, das diese Flexibilität und selbständiges Handeln überhaupt ermöglicht. Folge sind diese Formationen, die den Zugführer ein Höchstmaß an Kontrolle und Übersicht ermöglichen.

goschi
aus einem Bild würde ich jetzt keine derart weitreichenden Schlüsse ziehen.
400plus
Hier ein wenig bewegter, Panzer scheinen voraus zu gehen:

https://twitter.com/Militarylandnet/status/...Dm9nVw&s=19
goschi
ZITAT(400plus @ 31. Aug 2022, 18:42) *
Hier ein wenig bewegter, Panzer scheinen voraus zu gehen:

https://twitter.com/Militarylandnet/status/...Dm9nVw&s=19

Aber auch aus dieser Szene lässt sich keine Doktrin schliessen, scheint das selbe Feld zu sein in dem das Foto aufgenommen wurde, die Situation ist nicht bekannt.

Es kann ja gut sein, dass die Aussage stimmt, dass die ukrainer die truppen derart einsetzen, aber aus so wenigen Belegen mit unklarem Kontext halte ich es einfach für äusserst unseriös, einen (sehr klar formulierten) Schluss zu ziehen.
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