Die NVA hätte ja gar nicht gegen Deutsche schießen müssen, denn es gab genug andere NATO Partner an der Front. Mit etwas Fingerspitzengefühl hätten die Russen die NVA an einem Frontabschnitt eingesetzt wo ein Korps eines anderen NATO Partner war. Das waren oft die schwächeren Abschnitte. Die stärkeren waren ja die der BW und der USA und die hätten die Russen mit ihrem weit moderneren Gerät als die NVA angegangen.
Mit Verlaub, das ist ein sicherer Weg in den Untergang. Ja, es gab auf NATO-Seite nationale Korpsgrenzen, aber die hätten spätestens bei den strategischen Reserveverbänden, oft genug aber schon bei den aktiven und operativen Reserven aufgehört. Nicht zu reden von dem Territorialheer der Bundeswehr, das ja nicht der NATO unterstand und dessen Einheiten überall zur Landesverteidigung eingesetzt worden wären. Die NVA wäre nicht umhin gekommen gegen die Bundeswehr zu kämpfen, und jeder in der NVA, der sich in dem Fall ja hätte als Aggressor sehen müssen, hätte die Wahl treffen müssen: Auf Deutsche schießen oder den Dienst verweigern. Mit einer guten Maskirovka, die einen Kriegsgrund geschaffen hätte (unter dem Abschuss eines Zivilflugzeugs mit Staatsangehörigen des WP wäre das wohl nicht gegangen), wäre das vielleicht anfangs noch gut gegangen. Aber die NATO-PsyOps hätte da natürlich gegengehalten. Das senkt dauerhaft die Moral. Spätestens, wenn die NVA die ersten Zivilisten im Kreuzfeuer getötet hätte - und sowas passiert einfach zufällig - wären die einfachen Soldaten in Unruhe geraten. Und was dann?
Die Bundeswehr hätte diese Probleme deutlich weniger gehabt. Hier herrschte schon deutlich die Meinung, dass die DDR-Bürger, allen voran die NVA bestenfalls düpiert und etwas rückständige, demnach minderwertige Deutsche seien. Aber oft genug wurde die NVA auch als der fanatischere Teil der WP-Kräfte dargestellt, der uns besonders stark hassen würde, um die eigene Indoktrination zu rechtfertigen. Sprich, auf die NVA wurden all jene Stereotypen übertragen, die im Westen zuvor auf die Nazis projiziert worden waren: Fanatismus, Verblendung, Rückständigkeit. Plus der Bruderkriegfaktor.
Und wer gegen so jemanden sein Land verteidigt, hat es moralisch einfacher. Wie schon in der Kriegspropaganda im Ersten und Zweiten Weltkrieg hätte "der freie Westen" letzlich nur "tollwütige Hunde abgeknallt", die ihrem "tyrannischen Herren aus dem Osten" (ein Bild, das seit Herodot kurisert) hörig waren und ohne eigenen Willen handelten. Diesem Geist entsprangen auch so entwürdigende Fragen, die man Wehrverweigerern stellte, wie: "Der Russe tötet ihre Eltern und vergewaltigt ihre Freundin, just als sie hereinkommen und dabei ein durchgeladenes und entsichertes Gewehr an der Tür hängend vorfinden; was tun sie?"