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Vollansicht: Berlin Brigades im 3. Weltkrieg
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Schwabo Elite
ZITAT(xena @ 8. Nov 2016, 14:56) *
Die NVA hätte ja gar nicht gegen Deutsche schießen müssen, denn es gab genug andere NATO Partner an der Front. Mit etwas Fingerspitzengefühl hätten die Russen die NVA an einem Frontabschnitt eingesetzt wo ein Korps eines anderen NATO Partner war. Das waren oft die schwächeren Abschnitte. Die stärkeren waren ja die der BW und der USA und die hätten die Russen mit ihrem weit moderneren Gerät als die NVA angegangen.

Mit Verlaub, das ist ein sicherer Weg in den Untergang. Ja, es gab auf NATO-Seite nationale Korpsgrenzen, aber die hätten spätestens bei den strategischen Reserveverbänden, oft genug aber schon bei den aktiven und operativen Reserven aufgehört. Nicht zu reden von dem Territorialheer der Bundeswehr, das ja nicht der NATO unterstand und dessen Einheiten überall zur Landesverteidigung eingesetzt worden wären. Die NVA wäre nicht umhin gekommen gegen die Bundeswehr zu kämpfen, und jeder in der NVA, der sich in dem Fall ja hätte als Aggressor sehen müssen, hätte die Wahl treffen müssen: Auf Deutsche schießen oder den Dienst verweigern. Mit einer guten Maskirovka, die einen Kriegsgrund geschaffen hätte (unter dem Abschuss eines Zivilflugzeugs mit Staatsangehörigen des WP wäre das wohl nicht gegangen), wäre das vielleicht anfangs noch gut gegangen. Aber die NATO-PsyOps hätte da natürlich gegengehalten. Das senkt dauerhaft die Moral. Spätestens, wenn die NVA die ersten Zivilisten im Kreuzfeuer getötet hätte - und sowas passiert einfach zufällig - wären die einfachen Soldaten in Unruhe geraten. Und was dann?

Die Bundeswehr hätte diese Probleme deutlich weniger gehabt. Hier herrschte schon deutlich die Meinung, dass die DDR-Bürger, allen voran die NVA bestenfalls düpiert und etwas rückständige, demnach minderwertige Deutsche seien. Aber oft genug wurde die NVA auch als der fanatischere Teil der WP-Kräfte dargestellt, der uns besonders stark hassen würde, um die eigene Indoktrination zu rechtfertigen. Sprich, auf die NVA wurden all jene Stereotypen übertragen, die im Westen zuvor auf die Nazis projiziert worden waren: Fanatismus, Verblendung, Rückständigkeit. Plus der Bruderkriegfaktor.

Und wer gegen so jemanden sein Land verteidigt, hat es moralisch einfacher. Wie schon in der Kriegspropaganda im Ersten und Zweiten Weltkrieg hätte "der freie Westen" letzlich nur "tollwütige Hunde abgeknallt", die ihrem "tyrannischen Herren aus dem Osten" (ein Bild, das seit Herodot kurisert) hörig waren und ohne eigenen Willen handelten. Diesem Geist entsprangen auch so entwürdigende Fragen, die man Wehrverweigerern stellte, wie: "Der Russe tötet ihre Eltern und vergewaltigt ihre Freundin, just als sie hereinkommen und dabei ein durchgeladenes und entsichertes Gewehr an der Tür hängend vorfinden; was tun sie?"
EK 89/2
ZITAT(Schwabo Elite @ 8. Nov 2016, 15:07) *
Was ist LO?


Das hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Robur_(Lkw)

Wobei unsere Allradler im Gelände schon klasse waren, wenn sie denn halt funktioniert haben.
xena
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SailorGN
Der LO war sozusagen der Unimog-Gegenspieler smile.gif

Das grundsätzliche Problem beider Seiten lag sowohl politisch wie propagandistisch darin, dass eigentlich keiner wirklich nach Stalins Ableben angreifen wollte... dass man sich aber auf beiden Seiten aus doktrinären Gründen nicht sicher sein konnte führte zur permanenten Bereitschaft und ner Menge Stress. Gerade an der deutschen Frontlinie war allen klar, dass es sehr sehr schmutzig werden würde und (Gesamt)Deutschland hinterher zu nix mehr zu gebrauchen ist... auch ohne ABC-Waffen. In der Kosten-Nutzenerwägung beider Seiten waren die Kosten für den möglichen (militärischen) Gewinn einfach zu groß, weshalb man ja die "Flanken" als Spielfeld gesucht hat... sprich Afrika und Asien. Mitteleuropa war für beide Seiten das Faustpfand, dass nichts wirklich eskaliert, weil in diesem Fall Europa immer verloren hätte, egal was der Nato-Vertrag über Gültigkeitsbereiche sagt.
SailorGN
@xena: da gabs nix mehr abzulösen. Selbst die NVA ging von folgendem aus: Verpflegungsplanung für ein MotSchützenbat... Tag 1 Warmverpflegung aus BatKüche, Tag2/3 Konservenrationen, Tag 4 Lazarettessen oder keine Verpflegung mehr nötig. Das für Truppen, die nicht im Angriffsschwerpunkt stehen... dort wurde Verpflegung gar nicht geplant, Munitionsansatz war auch geringer., Volltanken ist nicht. Die 2./3. Welle wäre über Leichen gefahren...
Glorfindel
Das Gros der NVA wäre der 1. Front unterstellt worden und wäre anlässlich von Angriffsoperationen des WAPA Richtung Westen gestossen. Die 5. Armee der NVA wäre hauptsächlich auf das I. Niederländische Corps getroffen und die 3. Armee der NVA auf das VII. Corps und allenfalls auch auf das V. Corps der US Army. Ich halte dies aber eher für etwas zufälliges.

Lediglich die 1. MSD hätte zur besonderen Gruppierung Berlin gehört und hätte für die Operation STURM/ZENTRUM eingesetzt werden können.

Irgendein Interesse an einem solchen Konflikt hatte niemand, auf keiner Seite, das ist wohl klar. Man ging bereits konventionell von gewaltigen militärischen Verlusten (10% + der eingesetzten Verbände pro Tag) und riesigen Zerstörungen aus. Das Ganze waren deshalb auch nur Planspiele. Nach der Berlinkrise hat ja auch Ost und West die jeweiligen Interessengebiete des anderen geachtet. Solange die Blöcke stabil waren, war auch die tatsächliche Kriegsgefahr relativ gering. Die Abschreckung wirkte.
xena
.
SailorGN
Nun, die Mehrheit der Bevölkerung hüben wie drüben hat eben nur die "worstcases" gesehen und bei einem Atomkrieg gibt es eben nur 1. und 2. Verlierer... Das Problem mit der Nervosität des Ostens war, dass der gesamte WP eine Echokammer war. Wenn die Sowjets sagten, da ist eine Bedrohung haben die anderen Länder genickt. Dazu kam die "Zwangsläufigkeit" marxistisch-leninistischer Weltsicht, wonach der Große Endkrieg ja erfolgen muss, damit das weltweite Arbeiter- und Bauernparadies entstehen kann. Faktisch wurde jede Regierung, die das anders sah, durch sowjetische Panzer eines besseren belehrt... womit man wieder bei der selbsterfüllenden Prophezeiung der Bedrohung ist. Gleichzeitig war "Entspannung" auf östlicher Seite auch immer "Verrat" an der Sache des Kommunismus, mehr noch als im Westen, was man am Druck auf Entspanner innerhalb des ZK und des WP sieht. Gerade der Druck der Hardliner, zu denen auch die DDR-Führung zählte, hat viel zu dem Konflikt beigetragen, vor allem in den 70igern.

Was die Bundeswehr angeht: Natürlich war man als Soldat "Kanonenfutter", gerade vor dem Hintergrund der ABC-Bedrohung, welche von beiden Seiten aus im taktisch-operativen Bereich aufgebaut wurde. Gleichzeitig wussten die Soldaten aber auch um das Gleichgewicht des Schreckens und das vor diesem Hintergrund ein "totaler" Krieg eher unwahrscheinlich war. Zumindest waren sich auf beiden Seiten die Soldaten klar, dass sie Teil einer Abschreckungs- und nicht unbedingt Siegesmaschinerie waren. Beiden Seiten wussten zu 100%, dass sie rein auf dem Schlachtfeld nie gewinnen würden. Das ist ein entscheidender Unterschied zu den Soldaten des 1./2. WK.
Stefan Kotsch
ZITAT(schießmuskel @ 7. Nov 2016, 16:36) *
Vielleicht kann Stephan Kotsch mal sagen ob er ohne zu zögern Westdeutsches ( Panzer) Großwild erlegt hätte bzw. sein Bataillon.


Ja was soll ich sagen. Motiviert waren wir damals ausschließlich! einen überraschenden NATO-Angriff abzuwehren. Das konnte jeder, auch der allerletzte Labanze, akzeptieren. Und dazu brauchte es auch keine Rotlichtbestrahlung. Insofern hätte meine Truppe ihre Aufgabe erfüllt und hatte sich mit einiger Sicherheit tapfer geschlagen. Man bekommt auch in der Friedensausbildung ein Gefühl inwieweit die eigenen Soldaten mitziehen und hinter dem Chef stehen. Wir hatten auch einmal eine völlig überraschende Alarmierungen bei der wir ohne jegliche Lageinformation mit der KOMPLETTEN Division die ersten standortnahen Ausgangsräume im "Wald" bezogen haben. Komplett bedeutet, die gesamte Division (die 9. PzDiv lag ja sehr eng beieinander disloziert) war bis zum Hals 100%ig aufmunitioniert und voll kriegsbereit. Da hat nur das GO! gefehlt. Natürlich brechen Kriege nicht von einer Minute zur anderen aus. Aber jede Alarmierung bei der nicht ein einziger der sonst üblichen Kontrolloffiziere der höheren Führungsebene zu sehen ist, was ein untrügliches Zeichen für einen "nur" Probealarm war, ist für die Truppe immer solange mit unangenehmen Gefühlen und Unsicherheit verbunden bis das Signal "ENDE!" erfolgt. Und ich kann bestätigen, dass unsere Truppe immer voll konzentriert und zuverlässig dabei war. Man muss ja dabei sehen, dass z.B. die Panzerfahrer nach 5 Minuten die Unterkunft zu verlassen hatten um als erste am Panzer zu sein. Die ersten Offiziere trafen frühestens nach runden 20 Minuten ein, die üblichen ledigen Wohnheimschläfer. Die Mannschaften und SaZ3 haben das bis dahin alleine geregelt. Und sie wären nach 20 Minuten (Sommer) notfalls auch ohne Offiziere aus der Kaserne losgefahren. Es ist ja hierbei nicht unbedeutend zu erwähnen, dass die NVA auch in den wilden chaotischen Monaten ab Oktober 89 grundsätzlich die Führungs-/Handlungsfähigkeit nie verloren hatte, wenn auch der Verteidigungsfall bereits aus dem Blickfeld war.

Umunterstellungen von Divisionen waren übrigens immer Bestandteil von Übungen. In den letzten Plänen waren z.B. NVA-Divisionen zur Unterstellung unter sowjetische Armeen vorgesehen. Das waren zwei MotSchtzDiv und die beiden PzDiv der NVA. Die sowj. 94. GardeMotSchtzDiv sollte der V. Armee (NVA) unterstellt werden. Eine absolute Trennung gab es in dieser Hinsicht also nicht.

Mir ist ein Lagevortrag vom Chef RWD im Ministerium f Nat. Verteidigung (Raketen- Waffentechnischer Dienst) in die Hände gefallen (Vererbt). Da sind einige interessante Dinge zusammengetragen. Anlass war wohl ein Vortrag vor Bundeswehroffizieren zum Ende der NVA / Aufbau Bundeswehr. Hier der Link zur Dropbox: Klick ->
SailorGN
@Kameratt: Was aber nicht heisst, dass es diese Auseinandersetzungen nicht gab, trotz aller Realpolitik. Siehe der Fall Chruschtschows, oder umgekehrt, der "Putsch" gegen Honnecker als verzweifelte Massnahme die Macht der Partei zu erhalten. Oder auch die Breshnew-Doktrin... Egal wie die Intensität nun war, die Doktrin spielte immer eine Rolle und wurde auch immer mit einbezogen, ob nun zur Entspannung oder zur Verschärfung der Lage. Es ging dabei auch nicht um Fanatiker, sondern um die stetige Beeinflussung des Denkens/Handels, sowohl nach Aussen wie auch zur Rechtfertigung nach innen...
Stefan Kotsch
ZITAT(SailorGN @ 7. Nov 2016, 21:46) *
Wenn die Sowjets sagten, da ist eine Bedrohung haben die anderen Länder genickt.

Das kann man so nicht stehen lassen. Weil nach den heutigen Erkenntnissen unkorrekt. Die DDR hatte sich durchaus eine gewisse, sicher begrenzte Eigenständigkeit bewahren können. Die Wünsche der Russen eilten jedenfalls seit 1956 dem was die DDR für machbar hielt weit voraus. Und die DDR hat sich da überraschend oft auch durchsetzen können. Und auch die HVA (Armeeaufklärung) hat sich ihren eigenen Reim gemacht.
Erinnert sei hier an die NATO-Übung Able Archer 1983. Die Russen waren völlig aus dem Häuschen. Während die DDR eigene Erkenntnisse hatte die einen bevorstehenden NATO-Angriff als sehr unwahrscheinlich erscheinen ließen. Das wurde den Russen auch mitgeteilt, aber die wollten das nicht recht zur Kenntnis nehmen. Mir ist jedenfalls im normalen Truppendienst von einer "Krise" in 1983 nie etwas bewusst geworden (Wir lebten in der 9. PzDiv ja eh jeden Tag im permanenten Vorkriegszustand, Tatsache.).
Stefan Kotsch
ZITAT(Kameratt @ 7. Nov 2016, 22:02) *
ZITAT(SailorGN @ 8. Nov 2016, 20:46) *
Dazu kam die "Zwangsläufigkeit" marxistisch-leninistischer Weltsicht, wonach der Große Endkrieg ja erfolgen muss, damit das weltweite Arbeiter- und Bauernparadies entstehen kann.

Solche Fanatiker wurden eigentlich spätestens Ende der 30er aus dem Führungskader der SU vertrieben/gesäubert. Stichwort Trozki oder Komintern. Seitdem war die Außenpolitik der SU trotz der beidseitig vorhandenen ideologischen Färbung realpolitisch geprägt.


Realpolitisch? Kameraden die 1990 ihr Studium an der Militärakademie in Moskau abbrechen mussten berichteten uns in Dresden, dass man in Moskau noch ein Kriegsbild von Anfang der 80er Jahre lehrte. Mit taktischen und operativ-taktischen Kernwaffenschlägen und dem ganzen vollen Programm, bis zum Endsieg. An der NVA Militärakademie in Dresden hatten da längst Gedanken fest Fuß gefasst, dass ein moderner Krieg in Mitteleuropa nicht mehr führbar sein wird ohne das Mitteleuropa irreparabel zerstört werden würde, womit jede Sinnhaftigkeit der Kriegsführung verloren ginge. Hier hatten die verantwortlichen Militärs ausnahmsweise sogar Rückendeckung durch Honnecker.
Schwabo Elite
ZITAT(Stefan Kotsch @ 8. Nov 2016, 22:54) *
ZITAT(Kameratt @ 7. Nov 2016, 22:02) *
ZITAT(SailorGN @ 8. Nov 2016, 20:46) *
Dazu kam die "Zwangsläufigkeit" marxistisch-leninistischer Weltsicht, wonach der Große Endkrieg ja erfolgen muss, damit das weltweite Arbeiter- und Bauernparadies entstehen kann.

Solche Fanatiker wurden eigentlich spätestens Ende der 30er aus dem Führungskader der SU vertrieben/gesäubert. Stichwort Trozki oder Komintern. Seitdem war die Außenpolitik der SU trotz der beidseitig vorhandenen ideologischen Färbung realpolitisch geprägt.


Realpolitisch? Kameraden die 1990 ihr Studium an der Militärakademie in Moskau abbrechen mussten berichteten uns in Dresden, dass man in Moskau noch ein Kriegsbild von Anfang der 80er Jahre lehrte. Mit taktischen und operativ-taktischen Kernwaffenschlägen und dem ganzen vollen Programm, bis zum Endsieg. An der NVA Militärakademie in Dresden hatten da längst Gedanken fest Fuß gefasst, dass ein moderner Krieg in Mitteleuropa nicht mehr führbar sein wird ohne das Mitteleuropa irreparabel zerstört werden würde, womit jede Sinnhaftigkeit der Kriegsführung verloren ginge. Hier hatten die verantwortlichen Militärs ausnahmsweise sogar Rückendeckung durch Honnecker.

Die russischen und sowjetischen Akademien sind ohnehin ein Kosmos für sich. Mich würde es nicht wundern, wenn die zwischen 1985 (Gorbatschow wird Generalsekretär) und 2008 (Krieg gegen Georgien) die Scheuklappen runter gefahren haben.
xena
ZITAT(Kameratt @ 9. Nov 2016, 00:32) *
Ich kann Dir versichern, dass Nuklearwaffeneinsatz auch heute noch in Moskau weiterhin fleißig gelehrt wird.

Hast Du irgend etwas belastbares dazu?
400plus
ZITAT(Kameratt @ 9. Nov 2016, 01:32) *
Im Übrigen würde ich die Sowjetunion 1942 noch nicht "über den Berg" sehen. Der Blitzkrieg ist zwar vor Moskau gescheitert, der große Abnutzungskrieg hat jedoch gerade erst begonnen. Die Wehrmacht war weiterhin zu gefährlichen strategischen Offensiven fähig, was sich im Fall Blau auch eindrucksvoll zeigte. Ein ähnlicher Ausgang des Krieges wie im WKI (Zusammenbruch Russlands im Osten, Niederlage gegen Alliierte im Westen) schien damals noch denkbar und wurde erst mit Stalingrad absolut unrealistisch.


Meinst du das in Bezug auf den realen Kriegsverlauf oder in Bezug auf einen hypothetischen ohne LL? Im ersten Fall ist glaube ich zumindest das MGFA der Ansicht, dass spaestens mit dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie der Krieg fuer Deutschland verloren war- eben weil ein Abnutzungskrieg gegen die Alliierten nicht zu gewinnen war.
Almeran
Alles zum Theme Lend & Lease im 2. WK findet sich jetzt hier.

- Almeran (Mod)
400plus
Ich pack meine Frage einfach mal hier rein: Spanien trat der NATO ja 1982 an- welche Rolle war danach dem spanischen Heer zugedacht im Falle eines Dritten Weltkriegs? Für die spanische Marine hätte es im Atlantik sicher einiges zu tun gegeben, aber was war die Idee für das Heer?
Dave76
ZITAT(400plus @ 30. Dec 2018, 00:18) *
Ich pack meine Frage einfach mal hier rein: Spanien trat der NATO ja 1982 an- welche Rolle war danach dem spanischen Heer zugedacht im Falle eines Dritten Weltkriegs? Für die spanische Marine hätte es im Atlantik sicher einiges zu tun gegeben, aber was war die Idee für das Heer?

https://apps.dtic.mil/dtic/tr/fulltext/u2/a249948.pdf
Ab Seite 12, Spanish involvement in Western Security
Schwabo Elite
Ehrlich gesagt, nicht viel. Die spanischen Streitkräfte waren bis Mitte der Siebziger stark vernachlässigt worden. Naheliegender Weise wurde in der Zeit nach Franco bei den Reformen mit der Marine begonnen. Die USA unterstützten das kräftig und erlaubten z. B. den Bau von OHP-Klasse Fregatten in Lizenz. Bekanntermaßen wurde auch ein neuer leichter Träger und die Harrier II beschafft. Spanien hätte damit den Konvoischutz und amphibische Operationen der Alliierten unterstützen können und sollen. In dieser Rolle ergänzte Spanien die Fähigkeiten Portugals und stellte auch neue Optionen für die NATO bereit. Folgerichtig wurde die spanische Marine über die gleiche Kommandoebene wie die portugisische eingebunden: Iberian Atlantic Area (IBERLANT).

Vgl. Global Security

Für die ebenfalls völlig veralteten Landstreitkräfte mit mehrheitlicher Ausrüstung aus dem Koreakrieg gab es diese Aufrüstung und Eingliederung scheinbar nicht. Der Grund dürfte gewesen sein, dass die spanische Armee einerseits nicht die Mittelhatte beide Bereiche gleichzeitig zu reformieren und andererseits der Konvoischutz und begrenzte amphibische Kräfte als mittelfristig wichtiger erachtet wurden. Das relativ große spanische Heer völlig neu auszurüsten war außerdem eine Mammutaufgabe, die realistisch erst in den Neunzigern erfüllt werden konnte, denn es fehlte an allem: Material und Strukturen sowie Erfahrungen. Die meiten Panzer waren z. B. noch M47 oder M41, mechanisierte Infanterie existierte zunächst praktisch gar nicht und Artillerie war (wenn mechanisiert) meist von den frühen Typen der M107, M108, M108 und M110 ohne elektronische Gefechtsfeldunterstützung etc.

Da mussten zunächst modernere Fahrzeuge zulaufen. Dder APC Pegaso BMR lief ab 1979 zu, M48 und teilweise M47 wurden mit der britischen 105-mm-Kanone und Feuerleittechnik des M60A3 kampfwertgesteigert, die neusten Panzer - französische AMX-30 - wurden mit deutschen Dieseln aufgerüstet. Gleichzeitig wurden die Verbände komplett neu gegliedert. Bis 1989 hatte Spanien aber meines Wissens nach keine Panzerdivisionen oder -brigaden, alle Brigaden hatten bestenfalls drei Infanteriebataillone in APC und ein Panzerbataillon und waren damit auf dem Niveau von Heimatschutzbrigaden der Bundeswehr (auch technologisch). Die Truppen hätten erst umständlich aus der Peripherie Europas an die mitteleuropäische Front verlegt werden müssen, natürlich nach einer vollen Aktivierung und das über ein dann vermutlich ausgelastetes und beschädigtes Transportnetzwerk, und durch das in den Achtzigern wacklige Frankreich. Zu den separaten Brigaden zählten aber einige Formationen, die man möglicherweise hätte nutzen können: Ein Special Operations Command, eine Fallschirmjägerbrigade und eine luftbewegliche Brigade, für die aber strategische Lufttransporte weitgehend fehlten.

Kurz: das spanische Heer wäre in Mitteleuropa zu wenig Nutze gewesen. Der Plan war vielmehr das spanische Heer zum Entsatz italienischer Kräfte in Norditalien oder entlang der griechisch-türkischen Verteidigungslinien einzusetzen, wo zweitklassige Kräfte hätten hilfreich sein können gegenüber den schwächeren Kräften der Balkan-WP-Staaten. Dem gegenüber standen immer die völlig unzureichenden strategischen Transportfähigkeiten Spaniens, die für wenig mehr als die amphibischen Kräfte gereicht hätten. Spanien war aber ab den Achtzigern von der NATO ein gern genutzter Übungsplatz. Die vielen verschiedenen klimatischen Bedingungen seiner Regionen (alpin, wüstenhaft, littoral, durchschnitten, bewaldet) und Überseegebiete schufen hier ganz neue Möglichkeiten, vor allem auch in Europa.

Vgl. Global Security, Wikipedia, außerdem: Heiberg, The Sixteenth Nation, Spain's Role in NATO, 1983 [ab S. 56; online aufzufinden].
Dave76
ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Folgerichtig wurde die spanische Marine über die gleiche Kommandoebene wie die portugisische eingebunden: Iberian Atlantic Area (IBERLANT).

Vgl. Global Security

Spanien entschied 1986 außerhalb der integrierten Militärstrukturen (Integrated Military Command - IMC) der NATO zu verbleiben, das galt auch für IBERLANT. (erst 1996 entschied man sich der IMC beizutreten)

ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Für die ebenfalls völlig veralteten Landstreitkräfte mit mehrheitlicher Ausrüstung aus dem Koreakrieg gab es diese Aufrüstung und Eingliederung scheinbar nicht.

Wieso "scheinbar"? Meintest du anscheinend? Eine Eingliederung fand willentlich nicht statt, das war eine politische Entscheidung (Referendum des Volkes), s.o..

ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Der Grund dürfte gewesen sein, dass die spanische Armee einerseits nicht die Mittelhatte beide Bereiche gleichzeitig zu reformieren und andererseits der Konvoischutz und begrenzte amphibische Kräfte als mittelfristig wichtiger erachtet wurden.

s.o.

ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Bis 1989 hatte Spanien aber meines Wissens nach keine Panzerdivisionen oder -brigaden [...]

Das ist nicht korrekt, Spanien verfügte auch vorher schon über eine Panzerdivision, die División Mecanizada «Brunete» n.º 1 (gegründet 1943).

ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Zu den separaten Brigaden zählten aber einige Formationen, die man möglicherweise hätte nutzen können: Ein Special Operations Command, eine Fallschirmjägerbrigade und eine luftbewegliche Brigade, für die aber strategische Lufttransporte weitgehend fehlten.

Das Special Operations Command (Mando de Operaciones Especiales) wurde erst 1997 gegründet, vorher verfügte das spanische Heer über 6 separate Spezialoperationsgruppen (Grupos de Operaciones Especiales, GOE) in jeweils etwa Batallionsgröße.
Dazu kamen noch 2 Gebirgsjägerdivisionen.


ZITAT(Schwabo Elite @ 30. Dec 2018, 02:02) *
Der Plan war vielmehr das spanische Heer zum Entsatz italienischer Kräfte in Norditalien oder entlang der griechisch-türkischen Verteidigungslinien einzusetzen, wo zweitklassige Kräfte hätten hilfreich sein können gegenüber den schwächeren Kräften der Balkan-WP-Staaten.

Es gab zwar anscheinend Eventualfallpläne und auch regelmäßige gemeinsame Übungen, aber Spanien war ja gar nicht Teil der IMC und damit auch nicht von AFSOUTH, tatsächlich gab es erst ab 1990 ein spanischen Verbindungsoffizier bei AFSOUTH.
Slavomir
Eine schöne Zusammenfassung, danke.
400plus
Jap, danke euch beiden auch von mir!
xena
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Schwabo Elite
Der "Durchschnitt" der NATO ist keine zu ermittelnde Größe. Wenn Du aber bei "der NATO" an Westeuropa denkst, dann nein, war 1979 der M47 nicht mehr "durchschnittlich". Er war aber der spanische Standardpanzer damals, denn von den AMX-30 gab es nur ca. 300 Stück, was ca. 30 Prozent entsprach. Der M41 wurde 1979 noch als Kampfpanzer eingesetzt, was ebenfalls nicht üblich für Westeuropa war. Für Südeuropa, insbesondere Griechenland und die Türkei sieht das ganze aber eben anders aus.

Der wesentliche Punkt ist, dass bei der Aufrüstung der Achtziger Jahre eben die Marine zunächst im Fokus stand. Ja, die Gearings waren in den Siebzigern bei den USA noch im Arsenal, aber sie waren keinesfalls mehr State-of-the-Art, im Gegenteil, sie waren den Kidds, Pearys und auch den Knox' weit unterlegen. Deswegen war der Einkauf von Pearys (aka Santa María-Klasse) und der Kidds (aka Baleares-Klasse) durch Spanien ja so wichtig für das Land und die NATO, während der Zulauf neuerer Panzer und IFV eben sehr nachrangig behandelt wurde. Es wurde zwar bereits 1979 die Pegaos-Reihe eingeführt, vor allem die TPz der 600er-Serie und die VEC-M1 für die Kavallerie, aber dabei handelt es sich um Radfahrzeuge.

Vollwertige SPz gibt es erst seit dem ASCOD und das Lince-Programm (lince heißt "Luchs" im Spanischen) zur Einführung eines modernen Kampfpanzers wurde zwar 1987 begonnen, also lange nachdem im Westen Leopard 2, Abrams und Challenger zuliefen, aber bereits 1989 wieder terminiert. Man kaufte als Ersatz für die M47 und M48 dann (nach deren Kampfwertsteigerung in den frühen Achtzigern) auch nicht die gewünschte Zahl von 532 M60 (A1 und A3), sondern nur 50 von 272 M60A1 und 260 M60A3. Damit war natürlich nicht viel gewonnen, denn die Waffenanlage und Feuerleitsysteme der Panzer aus der Zeit des Korea-Krieges entsprach ja schon dem Stand des M60 und dieser war selbst Ende der Achtziger Jahre ja bereits hoffnungslos veraltet. Erst in den Neunzigern kaufte Spanien dann den Leopard 2 (zunächst A4, dann die eigens zugeschnittene "E"-Version).

Zwar waren die gepanzerten Systeme des spanischen Heeres Ende der Siebziger damit noch auf dem Stand der ältesten Verbände der künftigen NATO-Partner - Heimatschutz, Nationalgarde etc. - aber zum Beitritt Spaniens in die NATO (1982) waren die spanischen Truppen eben weit davon entfernt ausreichend gerüstet zu sein für einen möglichen Konflikt in West- und Mitteleuropa. Das war auch allen bekannt (s. verlinkte Literatur). Für den Balkan hätte es aber vermutlich noch gereicht. Auch wenn Spanien eben nicht integriert war in die NATO-Kommandostrukturen (danke, Dave, da hab ich gepatzt).
xena
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Schwabo Elite
Xena, es reicht. Es ging um die Achtziger. Du hängst Dich an der völligen Nebensache auf, dass es Spanien auch schon in den Siebzigern gab. Das ist nicht Gegenstand der Diskussion. Der NATO-Beitritt war 1982, ein möglicher Konflikt unter Beteiligung Spaniens thematisiert also die Jahre 1983-1990.
xena
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Dave76
ZITAT(xena @ 30. Dec 2018, 18:49) *
Was die Marine angeht, so wurde 1967 IBERLANT (Iberian Atlantic Area Command) aufgestellt, dem immer ein US-Admiral vorstand. Spanien hatte die Aufgabe den Bereich zwischen dem Wendekreis des Krebses, also südlich von Madeira, Östlich der Azoren und die nordwestliche Spitze Iberiens zu schützen. Es sollte also NATO Konvois darin schützen und auch die wichtige Nord-Süd Ölroute.

Wie ich schon schrieb, Spanien war (1982-96) nicht Teil des Integrated Military Command (IMC) der NATO und damit auch nicht von IBERLANT, lies doch bitte mal die vorherigen Beiträge. rolleyes.gif

IBERLANT wurde in der hier adressierten Zeitperiode (ab 1982) auch nicht von einem US-amerikanischen Admiral geführt, sondern von einem portugiesischen Vizeadmiral, daher auch die Befürchtungen, dass es mit dem Beitritt Spaniens zur NATO '82 zu Konflikten bezüglich der IBERLANT-Führung kommen würde, welche sich allerdings mit dem erwähnten Referendum und deim Fernbleiben Spaniens aus dem IMC 1986 auflösten, alles schon erklärt...
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