ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
Du setzt voraus, dass
1. Russland dauerhaft in der blockfreien Ukraine scheitert.
Ja, das scheint mir auch eine plausible Annahme. Ich schließe nicht aus, dass der Krieg mit marginalen Gebietsgewinnen für Russland endet, aber die geplante Zerschlagung der Ukraine ist gescheitert, und prorussische Kräfte werden es in der Ukraine zukünftig sehr schwer haben. Das einzige, was man in Frage stellen kann, ist die Blockfreiheit. Ja, vielleicht ist die Ukraine in 5-10 Jahren in der NATO. Sie wäre dann aber auch so ausgerüstet, dass sie in den ersten zwei Kriegswochen nicht auf eine Brigade mittlerer deutscher Kräfte angewiesen wäre.
ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
2. Trotzdem dann durch den Ukrainekrieg geschwächt mit einen Angriff auf das Baltikum den NATO- Bündnisfall auslöst.
Die Schwächung ergibt sich durch die Sanktionen, ich sehe nicht, wie diesen in den nächsten Jahren aufgehoben werden würden.
ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
3. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen die Schwarzmeerflotte versenkt ist. Die Moskwa wurde zwar versenkt und ein Minenräumboot beschädigt, aber die Fregatten- vor allem die Admiral-Grigorowitsch-Klasse (verschießt Kalibr- Marschflugfkörper), Uboote und Korvetten sind in ihrer Stärke unverändert.
Nicht versenkt, aber zu weitreichenden amphibischen Operationen (und nur diese sind für Rumänien und Bulgarien relevant) nicht mehr in der Lage ist, und da sind die Fregatten nicht relevant. Mit der Moskwa ist das zentrale Schiff für die Verbandsflugabwehr versenkt, eine "Alligator" wurde ebenfalls versenkt und zwei Ropuchas so beschädigt, dass sie wahrscheinlich dauerhaft ausfallen. Das ist dann in der Summe deutlich zu wenig, um eine nennenswerte amphibische Landung gegen die beiden NATO-Länder durchzuführen und versorgen zu können.
ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
D.h. auch in Norwegen, Finnland und Schweden wird die NATO mit dem Konzept NATO Response Force abschrecken. Das wird nur nicht wirken, wenn Russland erkennt, dass es dort außer den überwiegend leichten Kräften eines schnellen Eingreifverbandes nicht mit stärken Verbänden zu rechnen hat, da die schweren in Polen und dem Baltikum gebunden sind und nicht rechtzeitig in der notwendigen Stärke dorthin verlegen können.
Die Stationierung von 3 mechanisierten Brigaden im Baltikum ist aber nicht die Bindung
der schweren Kräfte der NATO. Das Gros wäre immer noch in Polen, Deutschland, Frankreich und den USA verfügbar.
ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
Weiter missachtest Du, dass es weitere Konfliktregionen gibt. Der Iran strebt nach der Atombombe und es ist nicht absehbar, welche Folgen es in der Region haben wird, wenn dieser sich zur Atommacht erklärt. Das NATO- Mitglied Türkei hat neben den bereits erwähnten ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Aserbaidschan gemeinsame Grenzen mit dem Iran, Irak und Syrien. Hinzu kommen dann noch griechisch-türkische Gebietskonflikte und die türkischen Abenteuer in Syrien und Irak, bei denen auch niemand vorhersagen kann ob und wie diese die NATO und EU noch beschäftigen werden.
Und überall da müssen dann binnen Stunden über die Straße mittlere Kräfte verlegt werden?
ZITAT(Havoc @ 12. Mar 2023, 12:02)
Der 2. Grund ist, dass die mittleren Kräfte mechanisierte Infanterie sind. Man geht davon aus, dass Kriege zunehmend im urbanen Umfeld stattfinden werden. Militärisch wird man als Angreifer nach Möglichkeit Kämpfe im bebauten Gelände vermeiden wollen, da hier der Verteidiger stark im Vorteil ist und diese Kämpfe für beide Seiten zeitintensiv und verlustreich sind. Das ist kein Panzergelände. Um im Baltikum mögliche russische Kräfte aus Tallinn, Riga oder Vilnius heraushalten zu können bzw. dort zu binden, wird Infanterie benötigt. Damit diese sich in diesen Städten zur Schwerpunktbildung schnell bewegen können, benötigen diese Transportpanzer wie Stryker oder Boxer.
Es gibt ja bereits eine Truppengattung mit Boxer-Transportpanzern. Der Unterschied ist, dass die eben auch in
so einem Gelände zurechtkommt und ihre schweren Waffen einsetzen kann. Das können die mittleren Kräfte eben nicht.
ZITAT
Der 3. Grund ist, dass man durch die ausschließliche Konzentration auf die Verteidigung des Baltikums statisch und damit vorhersehbar wird. Diese Lektion musst die Franzosen mit ihrer Maginot-Linie machen, als die Wehrmacht dann an dieser vorbei über die Ardennen kamen, während man auf britischer und französischer Seite den deutschen Hauptangriff über Belgien erwartete.
Siehe oben- drei Brigaden vorstationiert im Baltikum sind keine ausschließliche Konzentration.
Ich habe allgemein nichts gegen das Grundkonzept "mittlere Kräfte". Ich halte an der deutschen Ausgestaltung aber zwei Dinge für ungünstig: Das eine ist, dass man die schweren Kompanie der Bataillone nicht "leicht" hält, also mit dem Wiesel-Nachfolger ausrüstet. Das schränkt das Spektrum ein, in dem die mittleren Bataillone eingesetzt werden können (siehe den obigen Tweet). Das andere ist, dass man schwere zu mittleren Kräften umgliedert. Gerade von denen gibt es aber in der NATO nicht besonders viele, während viele Länder leichte und mittlere Kräfte stellen können. Es wäre in meinen Augen sinnvoller, die Infanteriebataillone zwar mit Boxer zu mechanisieren, aber so zu gestalten, dass sie abgesessen komplett (inklusive der Schweren Kompanie) eingesetzt werden können. Die Infanteriebrigaden könnten dann mit zusätzlichen Systemen auf Boxer-Basis (CRV, RCH, vielleicht eine Panzerabwehrversion) schlagkräftiger gemacht werden. Das würde nicht zulasten der schweren Verbände gehen und würde den Infanterieverbänden einen Spagat zwischen "leicht" und "mittel" erlauben.