Weder ist es meine Absicht, Stammtischparolen herauszuhauen, noch möchte ich an einer persönlich verletzenden Diskussion teilnehmen; aber auch nicht Ziel einer solchen "Diskussion" sein.
@Holzkopp Nein, ich habe das erste Examen. Da ich es unter den Top 10% absolviert habe, bekam ich die Möglichkeit zu promovieren, was ich nun auch wahrgenommen habe. Auch unter solchen Voraussetzungen ist es aber möglich, sich "jurist" zu nennen, da es hierfür keine festgeschriebenen Regeln gibt. Deine Annahme, es müsste anders sein, kann ich nicht nachvollziehen, es ist auch unter Juristen nicht Usus, dass man sich nur unter solchen Voraussetzungen Jurist nennen darf. Darüber hinaus ist nicht bekannt und auch nicht Usus, dass man Rechtsmeinungen über verfassungsrechtliche Zusammenhänge nur als Thomas Fischer abgeben dürfte.
ZITAT(PeterPetersen @ 5. Mar 2022, 17:43)
ZITAT(Verteidiger @ 5. Mar 2022, 17:19)
Ein toller Artikel von Deniz Yücel zur Zulassungsentziehung für die Ausstrahlungen von RT und Sputnik (wer es noch nicht gelesen hat):
ArtikelZusammenfassung: Mit Sicherheit viel Propaganda und Falschaussagen, aber dennoch ein Verrat eigener Werte.
Als Jurist mal von mir nebenbei bemerkt, hätte ein solches Verbot vor dem nationalen deutschen Bundesverfassungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Bestand. In die Abwägung zur Rechtfertigung könnten die gefährdeten Menschenleben einfließen, dennoch aber würde die Abwägung zu Gunsten der Pressefreiheit ausfallen. In meinen Augen zu Recht.
Was ist denn deine eigene Sichtweise zu dem RT Verbot?
Das habe ich bereits geschrieben, ich halte es für in deutschem Sinne verfassungswidrig. Da ich in Hinblick auf die Äußerungsfreiheiten ein großer Anhänger der deutschen Vorgehensweise bin, denke ich auch persönlich, dass es eine schlechte Entscheidung ist. Mit anderen Worten, diese rechtliche Perspektive ist auch meine eigene persönliche. Ich kann das aber noch etwas ausführen.
Dem Bundesverfassungsgericht werden staatliche Maßnahmen zur Entscheidung vorgelegt, die in Grundrechte eingreifen. Das heißt etwa, wenn eine deutsche Behörde das getan hätte, was die Kommission hier tut, hätte RT Verfassungsbeschwerde einlegen können. Dabei hätte sich RT auf sein in Deutschland geltendes Recht auf Pressefreiheit berufen können. Die Maßnahme müsste dann darauf untersucht werden, ob es sich um einen Eingriff in dieses Recht handelt. Weil RT an der Verbreitung seiner Inhalte gehindert wird, wäre ein solcher Eingriff unzweifelhaft zu bejahen. Sodann ist zu eruieren, ob dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen ist. An der Geeignetheit und Erforderlichkeit gibt es selten Hürden, weil hier das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsspielraum zugesteht. Ausschlaggebend ist oftmals mithin die "Angemessenheit". Hier kommt es zu einer Abwägung der betroffenen Rechtspositionen.
In Deutschland sind Pressefreiheit und Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Das hing vor allem mit dem Fall des Nationalsozialismus zusammen. Nach dessen Zusammenbruch hat man in Deutschland hohen Wert darauf gelegt, dass sich ein freies Spiel zwischen Meinungen und Gegenmeinungen entwickelt, um alte Traditionen zu durchbrechen. In dieser Tradition entwickelte sich die Rspr. des BVerfG, welches eben in der Nachkriegszeit seine Tätigkeit aufnahm. Aus diesem Grund müssen
erhebliche Gründe angeführt werden, um einen solchen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheiten zu rechtfertigen. Mit anderen Worten: Das geht nicht einfach mal so, und schon gar nicht aus politischen Gründen. Man verlässt sich grundsätzlich darauf, dass in einem freien Spiel von Rede und Gegenrede auch zweifelhafte oder gar letztlich falsche Aussagen sich von selbst richtigstellen. Das hat den Vorteil, dass der Bürger dadurch besser informiert wird, weil er am Prozess der Wahrheitsfindung aktiv teilhaben bzw. ihn aktiv miterleben kann. Das ist vorteilhaft gegenüber einer Vorgehensweise, bei der "Lügen" von vornherein unterdrückt werden. Denn der "mündige Bürger", wie man ihm nach dem Nationalsozialismus im Gegensatz zu rein staatshörigen Bürger haben wollte, soll auch mit der Möglichkeit einer Falschaussage oder zweifelhaften Aussage konfrontiert werden, um ihm den eigenen Gedankenprozess zu ermöglichen, und vor allem: ihn zur eigenen kritischen Betrachtung zu erziehen.
Einschränkugen in die Äußerungsfreiheiten sind etwa bei Verstößen gegen die persönliche Ehre, oder bei Gefährdung der Jugend möglich. Diese Grenzen stehen unmittelbar in der Verfassung. Darüber hinaus gibt es verfassungsunmittelbare Grenzen. Damit sind andere Verfassungswerte gemeint, wie etwa das Recht auf Leben. Beispiel: Von einer Demonstration gehen Gewalttätigkeiten aus. Der Polizist darf dem die Gewalttätigkeiten anheizenden Anführer das Megaphon wegnehmen, selbst wenn dieser in gleichem Zuge politische Ansichten äußert.
Man müsste also nachweisen, dass von den Äußerungen RTs Gefahren für durch die deutsche Verfassung geschützte Grundrechtspositionen ausgehen. Das darf man bezweifeln. Ich wiederhole noch einmal: "Die lügen meistens" ist an und für sich eben kein Verbotsgrund.
Diese Vorgehensweise ist eine lang gehegte Tradition des BVerfG, weshalb ich mir die genannte Einschätzung erlaubte.
Was ich ausdrücken wollte ist: Man sollte nicht von den eigenen objektiven Rechtsprinzipien abrücken, auch wenn man das Gefühl hat, dass das im Einzelfall "Richtig" erscheint. Dafür gibt es ja objektive Prinzipien. Sie sollen kontinuierlich und verlässlich Rechtspositionen gewähren, die nicht von der Laune der Politik, und soweit möglich, nicht von der Laune eines individuellen Richters abhängen.
Da es sich nun aber um ein Verbot aus Unionsebene handelt, liegen die Dinge etwas anders. Da kann das BVerfG nicht unmittelbar tätig werden. Das führt nun aber zu weit, weil es an dieser Stelle an unheimlich kompliziert wird....