Der Fall Franco A.Benedict Neff (Text), Joana Kelén (Illustrationen)
16.4.2019Prolog
Die Geschichte um den Soldaten Franco A. ist ein verstörendes Kapitel in der deutschen Flüchtlingskrise. Ein Offizier der Bundeswehr gibt sich als syrischer Flüchtling aus, stellt einen Asylantrag – und kommt damit durch. Über ein Jahr lang führt er eine Doppelexistenz, unerkannt. Die Behörden werden erst auf ihn aufmerksam, als er am Flughafen Wien eine geladene Waffe in einer Behindertentoilette deponiert. Drei Monate später wird er in Deutschland verhaftet. Der Verdacht des Generalbundesanwalts: Franco A. wollte aus einer rechtsextremen Gesinnung heraus Menschen töten und die Tat David Benjamin unterschieben, einem christlichen Flüchtling aus Syrien, den er selbst erfunden hat.
Dem Berliner Büro der NZZ liegen Hunderte Seiten Akten, Audiodateien und Handyvideos zum Fall von Franco A. vor. Wir haben Franco A. wiederholt getroffen. Zitieren lassen will er sich allerdings nicht, seine Anwälte haben ihm davon abgeraten. Solange der Vorwurf des Paragrafen 89a des deutschen Strafgesetzbuches – «Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat» – nicht aus der Welt ist, soll er schweigen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Terrorparagrafen zwar bereits fallen lassen; es bestehe «kein hinreichender Tatverdacht», heisst es. Der Generalbundesanwalt aber hat hierauf im Juni 2018 beim Bundesgerichtshof Beschwerde eingelegt. Seither wartet Franco A. auf einen Entscheid. Auf Anfrage der NZZ teilt der Sprecher des Bundesgerichtshofs mit, das Beschwerdeverfahren sei nicht abgeschlossen, «weil noch weitere Ermittlungen durchzuführen sind».
Erstmals haben sich nun seine Familie, seine Partnerin und eine Schulfreundin zu Gesprächen bereit erklärt. Sie wollen ihre Sicht darlegen, allerdings ohne mit Namen in der Zeitung zu stehen. Zu gross ist die Angst vor einer Stigmatisierung.
In einem zweiten Teil möchten wir die Ereignisse rund um den mutmasslichen Angriff des jungen Offiziers auf den deutschen Staat rekonstruieren. Ein dritter Text wird dann versuchen, ein vorläufiges Fazit zu ziehen: War und ist Franco A. ein Staatsfeind – oder wurde er dazu gemacht? In dem Zusammenhang wird es auch um jene Menschen gehen, die viele Überzeugungen des Angeklagten teilen. Handelt es sich um harmlose Prepper, die sich mit Konservendosen und Zigaretten in ihren Kellern auf den Kriegsfall vorbereiten? Oder gehört A. zu einer «Schattenarmee», die dem Land noch gefährlich werden könnte?
Der Fall Franco A., erster Teil: «Mein Sohn war Staatsfeind Nummer 1»Der Fall Franco A., zweiter Teil: Plante der deutsche Soldat ein Attentat, oder war er nur ein Hobby-Ermittler?Der Fall Franco A., dritter Teil: Das grösste Fragezeichen ist die Waffe in Wien