ZITAT(400plus @ 17. Mar 2015, 13:00)
Die Zahlen enden allerdings 2006- die grosse Disparitaet wuerde ich eher ab 2007 erwarten
Deutschland laeuft Europa vor allem dahingehend davon, dass es viel und immer mehr exportiert. Etwas, was eigentlich nicht zwingend ein Grund zum Feiern ist, was aber in Deutschland immer wieder bejubelt wird- wobei wir wieder beim von dir monierten merkantilistischen Denken sind, denn dort sind Exportueberschuesse natuerlich super
Stimmt schon. Ab Ausbruch der Krise gab es Divergenz. Allerdings im Vergleich mit den Krisenländern des Südens. Im Vergleich mit UK hingegen sieht es anders aus. Ich habe auf die schnelle keine Grafik für die Situation ab 2007 gefunden, aber ab 2008. Siehe die fünfte Grafik des Artikels
hier ("G7 GDP since financial crisis"). Das geht bis Q1 2014. Und da UK im gesamten Jahr 2014 stärker wuchs als Deutschland, ist UK mittlerweile besser aus der Krise gekommen als Deutschland. Natürlich spielen hier Sondereffekte eine Rolle. Zum Beispiel war Deutschland das EU-Land, welches, abgesehen vielleicht von den Balten, von den Russland-Sanktionen am meisten getroffen wurde, wohingegen UK mit London als Finanzzentrum von der Kapitalflucht aus Russland überdurchschnittlich profitierte.
Was den Außenhandel angeht, ist es nur zu wahr, dass ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht für uns langfristig besser wäre. Aber die Exportstärke Deutschlands hängt auch mit der Nachkriegsordnung zusammen. Man wollte nicht den Fehler von Versailles begehen und die Entwicklung Deutschlands von vornherein durch extreme bzw. unerfüllbare Forderungen beeinträchtigen. So heißt es im
Londoner Schuldenabkommen von 1953:
"Die Konferenz hat den Grundsatz anerkannt, dass der Transfer der nach dem Regelungsplan vorgesehenen Zahlungen die Entwicklung und die Aufrechterhaltung einer Zahlungsbilanzlage voraussetzt, in der diese Zahlungen wie andere Zahlungen für laufende Transaktionen durch Deviseneinnahmen aus Exporten und unsichtbaren Transaktionen gedeckt worden [sic!] können, so dass eine mehr als vorübergehende Inanspruchnahme der Währungsreserven vermieden wird."Deutschland wurde bei enger Einbindung in den Westen und in das demokratische Europa zum Nettoexporteur, auch um seine Reparationsverpflichtungen erfüllen zu können. Mit dem Ende der Reparationszahlungen 2010 besteht allerdings kein Grund mehr zur Ausrichtung auf Nettoexport. Letztenendes bedeutet Nettoexport einen Transfer von wirtschaftlichen Werten (hauptsächlich Sachgütern) ins Ausland. Und langfristig besteht immer die Gefahr, dass die Gelder oder die Rückzahlungsversprechen, die man im Gegenzug erhält, eines Tages wertlos werden. Dann hat man seine schönen Autos und Maschinen gegen ein paar Tonnen bedruckter Zellstofffasern eingetauscht. Und in der gegenwärtigen Krise hat Griechenland ja schon zwei Schuldenschnitte zugestanden bekommen. Die Kosten dafür bleiben am Steuerzahler hängen. D.h. wir bezahlen dafür, arbeiten gehen zu dürfen, während das Ausland die Früchte unserer Arbeit genießt.
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ZITAT(Schwabo Elite @ 17. Mar 2015, 13:45)
Ich würde Dir zustimmen, Friedmanns Ausführungen sind an manschen Stellen fehlerhaft. Aber hier verstehst Du den Ausdruck cordon sanitaire offenbar falsch, bzw. nicht, was Friedmann meint. Friedmann meint eben genau das, was Du beschreibst: Die USA wollen seinen Ausführungen nach um Russland einen Kranz aus eigenen Verbündeten haben. Nicht aus Ländern, die neutral sind oder Russland zugetan.
Unter cordon sanitaire versteht man keine "neutrale Zone", denn die ist eben uneindeutig und damit potentiell der anderen Seite zugewandt. Ein cordon sanitaire ist eine Pufferzone aus Alliierten, die der Gegner durchqueren müsste, um an den Hegemon zu gelangen. Und hier ist Friedmann meiner Meinung nach auf dem Holzweg und in Gedanken verfangen, die der Realpolitik des frühen 20. Jahrhunderts entspringen. Die USA wollen natürlich, dass möglichst viele auf ihrer Seite sind. Aber sie akzeptieren Allianzen auf Augenhöhe. Das Konzept des cordon sanitaire ist aber imperialistisch und hegemoniell strukturiert: Ein Kranz um einen Kranzhalter.
Da hast du natürlich recht. Ich habe das eher an den faktischen Umständen festgemacht. Zwar war z.B. Polen mit den Westalliierten verbündet, konnte sich letztlich dafür aber nix kaufen. Vgl.: 'The Phoney War' und 'Mourir pour Dantzig? Non!'. Damit war Polen de facto auf sich allein gestellt, als wäre es ein neutraler Staat. Und der Ukraine ergeht es momentan ähnlich. Von westlicher Seite gibt es abgesehen von 'deep concern' und ein paar Krediten wenig handfestes.
ZITAT(Schwabo Elite @ 17. Mar 2015, 13:49)
Erstens das, zweitens war Deutschland schon das Land mit dem Abstand größten BIP vor der Wiedervereinigung.
Auch wahr. Allerdings wiederum zum Teil der größeren Bevölkerung geschuldet.
ZITAT
Mit dem Zusammenstreichen des britischen Sozialsystems und Thatcher und der anhaltenden Krise der französisischen Wirtschaft, die gegen die deutsche Exportwirtschaft nicht bestehen konnte (und kann) nahm der Unterschied aber zu.
Kleiner Einspruch. Thatchers Reformen revitalisierten die britische Wirtschaft und verhalfen ihr zu stärkerem Wachstum. Dadurch wurde der Rückstand zu Deutschland im Pro-Kopf-BIP verkürzt. Diese Aufholjagd setzte sich nach dem Dämpfer der Rezession Ende der 80er/Anfang der 90er, fort. Siehe
hier. Der Unterschied wuchs aber dennoch, wiederum maßgeblich durch den Bevölkerungsunterschied, der ja mit der Wiedervereinigung noch einmal größer wurde.
ZITAT
Deutschland hätte ähnliche Probleme, wenn der Mittelstand nicht so produktiv und innovativ wäre. Hier irrt Friedmann übrigens ganz gewaltig. Es gibt kein deutsches Google, aber es gibt dennoch erhebliche deutsche Innovationen. Nicht alles sind deutsche Großkonzerne wie Siemens. Eher im Gegenteil, insbesondere kleine Firmen produzieren hier ja unglaublich viel.
Das stimmt. Es gibt in Deutschland die sogenannten hidden champions, sehr viele KMUs, die in engen Nischen Weltmarktführer sind. Auch finden runde 50% der IT-Wertschöpfung Europas in Deutschland statt. Allerdings ist das immernoch kein Vergleich zur IT-Industrie der USA.