Bis 1991 waren diese Staaten ein Teil der Sowjetunion und folglich konnte sie dort schalten und walten, wie sie wollte (auch wenn den Republiken in der Verfassung formal ein Austrittsrecht eingeräumt wurde). Ein anderer Staatsmann anstelle Gorbatschows hätte die Provinzen mit Panzerrrn einfach plattmachen können und die ganze Welt hätte das zu akzeptieren gehabt. Es ist aber eben anders gekommen, weil in Moskau Politiker an der Macht waren, die anders tickten, als es Morgenthau & Co für möglich hielten.
Wenn du eine gewaltsame Unterdrückung für etwas besseres hälst als eine Finnlandisierung oder Österreichisierung (die du scheinbar überlesen hast), dann weiß ich auch nicht weiter. Das sind eigentlich ziemlich gute Beispiele für Staaten, die es geschafft haben, die eigene Souveränität zu wahren, ohne dabei ein Problem für die angrenzenden Großmächte/Militärbündnisse darzustellen. Das Ergebnis ist eben eine wirklich nachhaltige außenpolitische Stabilität.
Die Neutralität Österreichs hat nun wirklich gar nichts mit der Finnlandisierung zu tun. Da solltest Du die Umstände genauer differenzieren.
Österreich wurde während des Zweiten Weltkriegs besetzt und hatte so die Chance als ein geteiltes Land wie Deutschland zu enden. Mit vollem Programm wie Mitgliedschaft im Warschauer Pakt, RGW und einer bewachten Grenze mitten im Land. Und es zeigt eben, dass man mit einer Neutralitätspolitik auch ziemlich gut fahren und sogar Vorteile aus der Kooperation mit allen Großmächten ziehen kann.
Und Finnland ist eben kein Staat, der es geschafft hat seine Souveränität zu wahren. Der Begriff "Finnlandisierung" drückt ja genau das aus. Finnland wurde von der UdSSR gezwungen sich pro-sowjetisch in der Verteidigungs- und in der Wirtschaftspolitik auszurichten, um einer Besatzung und letzlich einer Annexion zu entgehen. Mehr noch als die Staaten des Warschauer Paktes war Finnland daher zwar offiziell neutral und unabhängig, aber die gesamte finnische Politik im Kalten Krieg zielte darauf ab die UdSSR nicht zu verärgern, weil sonst eine Okkupation oder gar Annexion drohte.
Das soll doch wohl ein Witz sein, dass Finnland weniger souverän als die WaPa-Staaten war? Finnland konnte über sein politisches System frei bestimmen, war kapitalistisch, unterhielt selbstständig Beziehungen zu westlichen Staaten und hatte keine fremden Truppen im Land. Davon konnten die WaPa-Staaten nur träumen.
Und genau das ist das Problem bei Deiner Sicht auf russische und sowjetische Außenpolitik. Indem Du die Unfreiheit der Balten und der Finnen als rechtmäßig oder gar als Freiheit definierst, legitimierst Du den Imperialismus der Sowjetunion und Russlands. Du heißt damit Putins Vorgehen gut, nichts anderes. Sonst würdest Du die Annexion des Baltikums nicht als rechtens und die Knebelung Finnlands nicht als Souvernänität bezeichnen.
Dann sind wohl auch solche Größen der internationalen Politik wie Kissinger und Brzezinski in Wahrheit sowjetische Imperialisten, weil sie sich für eine Finnlandisierung der Ukraine aussprechen.
Also bitte, die Baltischen Staaten hätte man noch viele Jahrhunderte halten können, wenn man es gewollt hätte. Und hätte es wahrscheinlich auch getan, wenn man gewusst hätte, dass keine 15 Jahre später dort die NATO sein wird. Weiterhin war es ja auch nicht so, dass alle Republiken die Auflösung der SU wollten. Weißrussland musste man fast schon mit Gewalt dazu zwingen und die Sowjetunion bestand dort im Kleinen noch viele Jahre weiter. Eine Auflösung als Frontbegradigung ist wie aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begehen...
Nein, die UdSSR Bestand nicht "jahrelang" weiter. Die Balten erklärten zwar 1990 ihre Unabhängigkeit, aber diese wurde erst 1991 anerkannt. Die UdSSR löste sich noch im gleichen Jahr, am 26. Dezember, auf. Zuvor hatte aber z. B. der Oberste Sowjet von Litauen bereits die Unrechtmäßigkeit der Okkupation und Annexion erklärt, was Gorbatschow so akzeptierte. Allerdings hinderte das die Hardliner im KGB nicht daran baltische Grenzsoldaten zu ermorden, um die beginnende Losläsung von der UdSSR zu stoppen.Im nächsten Schritt erklärten im März 1991 die verbliebenen Sowjetrepubliken im Sowjetreferendum, dass die UdSSR erhalten bleiben solle. Aber Jelzin hatte andere Pläne, spätestens mit dem Militärputsch im August 1991 war dann klar, dass die UdSSR dem Untergang geweiht war. Denn die UdSSR-HArdliner hatte durch diese Aktion des eigenen Militärs Gorbatschows Legitimiation stark beschädigt, in Russland war aber Jelzin nun vom Volk in Wahl und Straße als unantastbar etabliert worden. Mit dem de facto Austritt Russlands aus der UdSSR blieb Gorbatschow nichts anderes übrig als die UdSSR als aufgelöst zu erklären. Da war Weißrussland aber schon ein paar Monate ausgetreten. Übrigens noch deutlich vor Russland und nur einen Tag nach der Ukraine.
Nein, da irrst du dich.
Weißrussland verkündete zwar nach dem Augustputsch seine Unabhängigkeit, nicht jedoch den Austritt aus der Sowjetunion. Wie auch Russland blieb das Land in der Union bis zu ihrer formalen Auflösung im Dezember 1991.
Und die UdSSR bestand und besteht in Belarus teilweise immer noch in dem Sinne, dass nach der Auflösung der SU in dem Land, im Gegensatz zu anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, keine tiefgreifenden politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Reformen durchgeführt wurden. Es erfolgte keine Privatisierungswelle, die großen Industriebetriebe blieben im staatlichen Besitz und auch die unsäglich unproduktiven Kolchosen funktionierten auch weiterhin. Auch juristisch orientierte man sich an sowjetischen Normen und Begrifflichkeiten. Die weißrussische Sowjetverfassung galt ebenfalls bis 1994, als man sich eine neue verschaffte. Deshalb ist Weißrussland auch heute noch das sowjetischste Land unter der ehemaligen Sowjetunion.
Das war auch während der frühen Umbruchsphase so. Z.B. machte das Land nach seiner Souveränitätserklärung 1990 kaum Anstalten, sich von der UdSSR abzukoppeln und stattdessen selbstständige staatliche Strukturen aufzubauen. Man wollte auch kein eigenes Währungssystem und die unionistischen Einstellungen waren in der politischen Führung stark vertreten. Das äußerte sich unter anderem in der zustimmenden Haltung zum Putsch in Moskau, dem lediglich die zahlenmäßig kleine Opposition des obersten Rats ablehnend gegenüber stand.
Das die UDSSR die baltischen Staaten noch Jahrhunderte hätte halten können, ist jawohl ein ganz schlechter Witz. Klar hätte man Panzer ins Baltikum schicken können und ein paar hundert oder tausend Balten töten können, aber im Endeffekt können auch noch so viele Truppen nicht verhindern, was nicht verhindert werden kann. Die UDSSR war am ENDE und es hat nicht mal 70 Jahre gedauert überhaupt Russland selbst, als zentralen Stützpfeiler der UDSSR zu halten. Die Russen selbst hatten die Schnaunze voll und da kommt du und willst uns weiss machen, dass man das Baltikum noch ein paar Jahrhunderte hätte halten können.
Die UdSSR war am Ende, nicht jedoch Russland, das ja selbst maßgeblich an der Auflösung der Sowjetunion beteiligt war. Und natürlich hätte man das Baltikum weiter halten können, wie es ein Russland auch zwischen ca. 1700 und 1918 getan hat. Aber dafür gab es ja keinen Anlass, weil man keine Expansion der Nato zu befürchten hatte... Selbst wenn einige namhafte sowjetische Dissidenten bereits einer anderen Meinung waren.
Fakt ist, dass Russland das letzte Kolonialreich war und sich dazu noch Satellitenstaaten gehalten hat. Diese Staaten und Völker wurden 70 Jahre lang von Moskau okkupiert, annektiert, bevormundet, unterdrückt, deportiert oder ermordet.
Osteuropa als Kolonien darzustellen zeugt von historischem Unwissen. Man könnte vielleicht Sibirien oder Zentralasien als Kolonien bezeichnen - das Erste wäre dann unter Zeitalter der Entdeckungsfahrten, das letzte unter Höchstphase des Kolonialismus im 19 Jhr. zu verbuchen - nicht jedoch Osteuropa. Die russischen und später sowjetischen Westgrenzen wurden ausschließlich durch die europäische Mächtekonstellation determiniert.
Wenn du meinst, dass Estland oder die Ukraine Kolonien waren, dann kann man mit gleichem Erfolg auch behaupten, dass Schottland, Irland, Okzitanien, Korsika und viele weitere Regionen europäischer Staaten Kolonien sind.
Nachdem diese dunkle Epoche nun endlich zu Ende war, weil die UDSSR am Ende war und sich den Abgang von der Weltbühne noch schön hat vergolden lassen, echaufiert man sich jetzt, dass eben genau diese Völker sich einem anderen System zu wenden und dort Schutz finden.
Worin bestand eigentlich die "Vergoldung"?
Wenn es nach dir geht Kammeratt und deinen Konsorten, hätte man alles östlich der Oder weiter Russland überlassen sollen, denn Russland ist ja eine Großmacht und hat Anspruch auf eine Einflussspähre, da müssen Balten , Polen Georgier etc. halt mit Leben.
Du liest scheinbar nicht genau oder ziemlich selektiv. Ich habe nirgendwo was davon geschrieben, dass man etwas Russland überlassen sollte, sondern dass man nach 1990 mit einer strikten Neutralitätspolitik wahrscheinlich nicht die heutigen Probleme und Konfliktsituationen verursacht hätte.
@Kameratt: Wie die SU/Russland das Baltikum noch "Jahrhunderte" halten konnte, hat man ja am Vilniuser Blutsonntag gesehen... Nicht mal mit dem Überrollen unbewaffneter Menschen durch Panzer und OMON-Truppen haben sie den Putsch geschafft. Ist nur das letzte Beispiel von "Souveränität achten", auch vorher hat man gern mal Militär als Wahlersatz genommen, DDR 53, Ungarn 56 (sehr schön, weil man aus dem WP austrat und die Rote Armee zum Verlassen des Landes aufrief^^), Tiflis 56, Prag 68... Deutlichere Einschränkungen der Souveränität gibt es nicht. Immer wenn die direkte und indirekte Macht der SU bedroht war, rollten Panzer... die Ukraine jetzt ist nur das letzte Glied einer langen und blutigen Kette solcher Ereignisse.
Ah ja, eine anrückende Division Fallschrimjäger hat 13 Menschen umgebracht (die Hälfte davon wohl unbeabsichtigt überfahren) und zog unverrichteter Dinge wieder ab. Die hat sicherlich alles in ihrer Macht stehende getan.
Tiflis '56? Da solltest du genauer nachschlagen, worum es den Genossen in Stalins Heimat wirklich ging. Aber ich gebe zu,"Stalinisten vs. Sowjetunion" ist auch kaum glaubwürdig zu vermitteln.