ZITAT(sailorGN @ 16. Jan 2015, 19:47)
Die Ukraine erlangte 1917 nach der Februarrevolution eine teilweise Autonomie von der Provisorischen Regierung und erklärte sich im Januar 1918 für unabhängig.Danach dt. Besatzung/Marionetten und anschliessend Bürgerkrieg. Erst 1922 konnte die USSR Grundungsmitglied der UdSSR werden, musste jedoch zuvor durch die Rote Garde/Armee erobert und insbesondere "befriedet" (zB Machno-Bewegung im Südosten
) werden. Insofern kann man schon vortrefflich über "Besatzung" diskutieren, auch vor dem Hintergrund der anschliessenden Geschehnisse im Rahmen der Kollektivierung.
Du machst den Fehler, dass Du alle Geschehenisse, die auf dem Gebiet der heutigen Ukraine passierten, ausschließlich der nationalukrainischen Geschichte zuordnest, während es zu dieser Zeit nicht einmal klar war, was eine Ukraine ist. Die Autonomie von der provisorischen Kerenski-Regierung wird da in einen Topf mit der Machno-Bewegung geworfen und dabei fälschlicherweise unterstellt, dass beide irgendwie die Ukraine in ihrem Streben nach einer Sezession von Russland vertreten.
Warum dann nicht die
Donezk-Kriworoger Sowjetrepublik als stellvertretend für die Ukraine ansehen? Oder die
Sowjetrepublik Odessa? Warum sollte man die Machno-Bewegung als ukrainisch ansehen, obwohl sie sich ausdrücklich als anarchistisch definierte und sich aus einem multiethnischen Gebiet rekrutierte?
Wenn man die anschließende Kollektivierung als Besatzung definiert, dann war auch Russland von den Bolschewiki besetzt
Erst recht, wenn man die ethnische Zusammensetzung der Parteispitze berücksichtigt.
------------------------------------------------------------------------------
ZITAT(Luzertof @ 16. Jan 2015, 22:48)
Im russischen Bürgerkrieg (1917 - 1923) wurden die größten Teile der Ukraine blutig von Sowjetrussland erobert, annektiert und dann zur Gründung der UdSSR gezwungen. Das war in etwa so freiwillig wie das Gebären eines Kinders durch eine Frau nach einer Vergewaltigung.
Auch hier frage ich Dich: Welche Ukraine ist gemeint? Die Ukraine in ihren heutigen administrativen Grenzen ist eine Schöpfung der Sowjetunion. Die ukrainische Identität: Eine Erscheinung des späten 19. Jhr. Wie kann man etwas erobern und annektieren, was es vorher nicht gab? Der Begriff des Russischen Bürgerkriegs bezieht sich nicht auf das heutige Russland, sondern das Russland von 1917.
Warum sollten die sozialistischen/bolschewistischen Bewegungen in Kiew, Odessa, Charkow, Donezk, Dnipropetrowsk, Kriwoj Rog nicht als Teil der ukrainischen Geschichte, sondern als abstrakte "fremde Einflüsse" interpretiert werden, die mit der Ukraine nichts zu tun hatten und diese lediglich besetzt hielten?
Nur mal zur Info: Seit Ausbruch des Russischen Bürgerkrieges 1917 bis 1920 haben in Kiew verschiedenste Gruppen durch Aufstände und Eroberung die Macht an sich gerissen:
- Ukrainische Volksrepublik
- Kommunisten/Bolschewisten
- Deutsches Heer mit anschließender Marionettenregierung "Ukrainischer Staat"
- Weiße Armee
- Polnische Truppen
- wieder Bolschewisten
ZITAT(Luzertof @ 16. Jan 2015, 22:48)
Das Ansehen der Ukraine in der UdSSR wurde schon bald danach deutlich, 1932-1933, als es den Holodomor gab, dem gezielt und bewusst 2-7,5 (3,5 nach offiziellen Angaben) Millionen Menschen in der Ukraine zum Opfer fielen. Übrigens ein Völkermord, welchen Russland bis heute nicht anerkennt.
Und weitere 2 Mio starben in Russland und Kasachstan.
Auf der anderen Seite stand Politik der
Korenisazija, die Industrialisierung, welche die Ukraine zu einer der wohlhabendsten Sowjetrepubliken machte (das BIP/Kopf war in der Ukraine rund 1,5 mal höher als in Russland; heute nur halb so groß) sowie die allgemein ukrainefreundliche Politik der Chruschtschow- und Breschnjew-Regierungen.
ZITAT(Luzertof @ 16. Jan 2015, 22:48)
1939 hat Sowjetrussland dann die letzten Teile der Ukraine annektiert, als es als Verbündeter Nazideutschlands über Teile Polens drüber gerutscht ist, nicht ohne erneute Völkermorde zu begehen.
Also was denn nun? Annexion der letzten Teile der Ukraine oder doch Polens? Denn in Polen gab es auch keine Ukraine.
ZITAT(Luzertof @ 16. Jan 2015, 22:48)
Nach dem Krieg wurden in den alten Gebieten Polens noch Menschen in die eine oder andere Richtung vertrieben, während der NKWD auf dem Gebiet der Ukraine bis 1949 gegen die UPA kämpfte.
Die UPA war eine ausschließlich westukrainische Erscheinung. Genauer gesagt Galizische, welches erst 1939 erstmals sowjetisch/russisch wurde. Das Gebiet war nach dem Untergang der Kiewer Rus litauisch, dann polnisch, österreichisch, dann wieder polnisch. In anderen Landesteilen gab es in den 70 Jahren des Bestehens der Sowjetunion niemals einen bewaffneten Aufstand (von den Freiwilligen Verbänden und Hiwis in der Wehrmacht abgesehen, die es auch in Russland gab) gegen die Sowjetunion.
Paradoxerweise gab es vor dem WKI in Galizien eine populäre Bewegung, die sich für einen Anschluss an Russland einsetzte. 1939 wurde die Rote Armee in der Westukraine sogar als Befreier gefeiert.
=>
http://de.wikipedia.org/wiki/Russophile_Bewegung_in_GalizienUnd selbst heute ist die westukrainische Bevölkerung, die sich mit der
russinischen Vergangenheit identifiziert, eher prorussisch orientiert. Das Gebiet
Karpatoukraine ist das westlichste der Ukraine und auch das einzige, in dem Janukowitsch mit den westukrainischen Nationalisten konkurrieren konnte bzw. sich fast die Hälfte der Bevölkerung für Erhebung des Russischen zur zweiten Amtssprache ausspricht.
ZITAT(Luzertof @ 16. Jan 2015, 22:48)
Als die Ukrainer endlich die Wahl hatten, die UdSSR zu verlassen, votierten 90,3% dabei. In einem richtigen Referendum, nicht in einem von Russland massiv manipulierten Showstück á la Krim 2014.
Im gleichen Jahr votierten 70 bis 80% der Ukrainer für den Erhalt der Sowjetunion, die sie schleunigst verlassen wollten.