WELT:
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor wenigen Tagen behauptet, die Ukraine sei nun an den Punkt gekommen, an dem alle besetzten Gebiete inklusive der Krim zurückerobert werden können. Halten Sie dies für realistisch?
Thomas C. Theiner
: Ja.
Die Ukraine hatte vor dem Krieg 27 Brigaden. Inzwischen sollen es 80 Brigaden sein. Großbritannien hat alle zwei Monate 5000 ukrainische Soldaten ausgebildet. Polen trainierte jeden Monat 5000 Mann. Die Ukraine hat nun mehr Brigaden als die Nato in Europa. Und diese Brigaden sind fast alle noch nicht eingesetzt. Sie sitzen im Norden bei Weißrussland und im Süden. Und die Ukraine hat etwas sehr Geschicktes gemacht, nämlich in die neu gebildeten Brigaden zur Hälfte kampferfahrene Truppen integriert. So erhält man neue Angriffsformationen. Die Ukraine ist sicherlich bereit.
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Wenn der Westen überzeugt wäre, dass Russland tatsächlich erschöpft ist, dann würde man keine Panzer an die Ukraine abgeben. Zum anderen deuten sie darauf hin, dass Kiew sich dem russischen Angriff nicht entgegenstellt. Die Idee dürfte sein, die Russen angreifen und durchbrechen zu lassen. Dann kommt der Gegenschlag mit
britischen Challenger-, deutschen Leopard- und amerikanischen Abrams-Panzern sowie natürlich auch Schützenpanzern. Die russische Offensive soll mit mechanisierten Kräften zerschlagen werden.
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Ein westlicher Panzer besitzt den Wert von vier russischen Panzern. Das heißt, wenn ich eine Kompanie aus 14 deutschen Leopard 2A6 habe und damit auf ein russisches Panzerbataillon treffe, geht das mit 33 zerstörten russischen Panzern und einem beschädigten Leopard aus.
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Die Ukrainer machen einen großen Teil der Aufklärung selbst. Dazu gehören Spezialeinheiten und Informanten am Boden. Die Ukrainer haben eine App kreiert, mit der man verschlüsselte Mitteilungen aus den besetzten Gebieten an die ukrainischen Streitkräfte senden kann. Dies erklärt, warum die ukrainische Artillerie so oft aktive russische Truppenunterkünfte und Munitionsbasen treffen konnte. Zweitens haben die Ukrainer
Satellitenkapazitäten angemietet, wobei Israel sie unterstützt. [...] Aber auf Druck der Amerikaner hat Israel Satelliten zur Spionage zur Verfügung gestellt. Da kommt massenweise Zeug rein. Zudem stammen
MRLS-Raketen aus israelischer Produktion, die man als
Solarstrom-gesteuerte Aufklärungsdrohnen verschießen kann. Da kommt am Fallschirm ein kleines Ding mit Mikrofonen runter, das über Funk den Sound vorbeifahrender Panzer meldet. [...]
WELT:
Russland scheint generell anfällig für Cyberattacken zu sein. Schließlich sickerten die Pläne der russischen Invasion durch.
Theiner: Der Nato war alles bis aufs Detail bekannt.
Die Amerikaner konnten die Pläne vom russischen Militärgeheimdienst abgreifen. Dabei verfügen die Russen eigentlich über ein autarkes militärisches Netzwerk. Es ist eine abgeschottete Kommunikationsstruktur. Dafür haben die Russen sogar eigene Chips entwickelt. Sie ließ man jedoch ausgerechnet in Taiwan produzieren. Für fremde Geheimdienste kam dies natürlich einer Einladung gleich, eine Hintertür in die Chips einzubauen. Das gesamte russische militärische Netzwerk ist kompromittiert. [...]
Obendrein hat die Industrie Pläne für einen
Gepard 2, eine
Panzerhaubitze 2000 A2 und noch einige andere Updates in der Schublade.
Eben doch ein Wunderpanzer.